Aus meiner Erinnerung und aus dem
Gedankenaustausch mit ehemals beteiligten Ruderkameraden: der erwähnte Zweier
mit im Bug liegendem Steuermann betraf ein Boot, das erstmals bei der Regatta in
Mainz 1952 mit einer Mannschaft der Rudergemeinschaft Flörsheim-Rüsselsheim zum
Einsatz kam. Von der damaligen Bootswerft OPELIT Georg von Opel wurden nach
dieser neuen Konstruktion auch Vierer und Achter mit im Bug liegendem Steuermann
entwickelt und geliefert. Alle drei Bootstypen sind in der Folge von
verschiedenen Vereinen auf Regatten (auch international) eingesetzt worden. Wir
selbst fuhren auf der besagten Mainzer Regatta einen Achter dieser neuen
Konstruktion. Wegen eines Rollsitzschadens war allerdings das Rennen für uns
schon nach etwas 300 m vorzeitig zu Ende. Das Boot war übrigens dreigeteilt und
mit je zwei verschiedenen Bug- und Heckteilen, zum wahlweise Einsatz nach der
konventionellen Bauart (mit im Heck sitzendem Stm.) oder auch nach der
Neukonstruktion (mit Bugsteuerplatz) ausgestattet.
Neben vielfältigen Neuerungen auf den
verschiedensten Gebieten traf dies bei Georg von Opel auch für den Rudersport
und besonders für den Bootsbau zu. So veranlasste er eine Reihe von kleineren
Verbesserungen, beispielsweise die Entwicklung eines kombinierten
Schwert-Flossensteuers, mit dem auch alle Bugsteuerboote ausgestattet waren.
Hieraus entwickelten sich dann die heute allgemein gebräuchlichen
Heckflossensteuer. Dem vorausgegangen waren der Einsatz eines herkömmlichen
Steuers mit verlängertem Unterwasserblatt aus Aluminium und flaschenzugähnlicher
Umlenkseilführung, der Einsatz eines Ultraleichtruders und eines
Einrohrauslegers aus Alu, die Erprobung kürzerer, überbreiter Ruderblätter mit
Löchern, die Erstellung der bekannten AZ-Einer und Skiffs aus Kunststoff im
Formpressverfahren, die Entwicklung der heute allgemein üblichen
Einachs-Bootsanhänger, die Anordnung eines gegenrollenden Steuermannsitzes zum
teilweisen Ausgleich der Rückstoßwirkung beim Vorrollen und Einsatz des
Beinstoßes. – Dies alles wurde schon in den Jahren 1950/51 bei OPELIT
realisiert.
Das erste Medaillenboot mit dem Steuermann im
Bug: Stm. Rainer
Borkowsky, Karl-Heinrich von Groddeck
und Horst Arndt von der RG
Wiesbaden-Biebrich 1888 – Deutsche Meister 1955 bis 1957, Europameister 1956
und 1957, Olympiasilber 1956 |
Um Erkenntnisse hinsichtlich anderer
Bootsrisse, -Formen und -Längen sowie der Auswirkungen der
Oberflächenbeschaffenheit zu gewinnen, ließ Opel auf dem Gelände der
OPELIT-Bootswerft einen Schleppkanal bauen, in dem entsprechende Versuche mit
Originalmodellen im Maßstab 1:10 gefahren wurden. Ebenfalls zu dieser Zeit
erstellte OPELIT ein Rennskiff mit Rollauslegern, wie er später von Peter
Michael Kolbe gefahren wurde. Georg von Opel soll damals bereits ein Rennen in
diesem Boot bestritten haben. (1948 d. Red.)
Etwa 1953/54 ließ er auf seiner Werft
einen Renn-Doppelzweier und einen Renn-Vierer zum Zweitaktrudern bauen. Dieses
Boot war besonders schmal und hatte bereits einen großen Kielsprung, ähnlich der
späteren "Delphin-", bzw. "Bananenboote". Der Mannschaftsraum war auseinander
gezogen, so dass die beiden Skuller die Rollbahn jeweils gegenläufig benutzten,
d.h. wenn der Schlagmann in der Rückenlage war und aushob, war der Bugmann
bereits vorgerollt und begann seinen Einsatz. Beim Start skullten zunächst beide
zusammen, dann verkürzte und erhöhte der Bugmann seinen Schlag bis der Gegentakt
erreicht war. Diese Art zu skullen testeten zwei damals erfolgreiche
Lgw.-Skuller in Offenbach.
Der Vierer wurde nach
dem gleichen Prinzip gerudert. In der Bootsmitte war wieder ein Leerraum, so
dass jeweils zwei Ruderer als Paar im Zweitakt fuhren. In diesem Boot ruderte
eine Mannschaft der Rudergemeinschaft Flörsheim-Rüsselsheim in Gießen. Es wurde
auch zum Training von einer Mannschaft des Mainzer Rudervereins benutzt.
Um die Aufzählung
abzuschließen: Opel führte auch Versuche mit einem Tragflügel-Skiff durch: Zwei
Tragflügel waren jeweils im Bereich des Bugs und Hecks angebracht und
entsprachen in Art und Ausführung in kleinerem Maßstab den bekannten Exemplaren
an den Großbooten, wie sie auf Seen und bei Fähren eingesetzt werden. Sie wurden
von der damals führenden Fa. Supramar, Luzern, geliefert. Die praxisnahe
Erprobung vollzog sich so, dass das Skiff zunächst durch ein Motorboot
angeschleppt wurde, wobei sich – durch einen entsprechenden Anstellwinkel der
Tragflächen – der gesamte Einer aus dem Wasser hob. Dann begann unmittelbar das
Skullen. Es war auch eine kurze Strecke bei ausgehobenem Boot möglich, wurde
aber durch eine gewisse Seiteninstabilität behindert. Die Versuche wurden nicht
zu Ende geführt.
In der Folge widmete
sich Georg gemeinsam mit seinem Vetter Fritz von Opel der Entwicklung und
praxisnahen Erprobung einer runden Dolle – in der Absicht, einen "narrensicheren"
Anstellwinkel des Ruders (leichtes Drehen) zu erreichen und die
Hebelverhältnisse, wenn gewünscht, bei jedem Schlag kontinuierlich verändern zu
können.
Soviel bei dieser Gelegenheit zu den
mir bekannt geworden Aktivitäten unseres Ruderkameraden Dr. Georg von Opel auf
diesem Gebiet. – Vorstehende Ausführungen sind im übrigen aus persönlichen
Erinnerungen nach so langer Zeit und ohne Anspruch auf Vollständigkeit und
zeitliche Abfolge, ohne Obligo hinsichtlich etwaiger Urheber- oder
patentrechtlicher Voraussetzungen gemacht.