Wer weiß heute schon
noch, was ein technischer Paternoster ist. Selbst ich hatte einen derartigen
umläufigen Kabinen-Aufzug noch nie betreten, als wir an jenem trüben Dezembertag
des Jahres 1950 von so einem Elevator ins Obergeschoss des Continental-Werkes
Limmer transportiert wurden. Der andere neben mir war Karl Hahne, meine
sportliche Leitfigur im Nachkriegs-Hannover, der mich gebeten hatte, ihm beim
Aktenkoffertragen behilflich zu sein. Oben im Direktionsbüro von Wilhelm Garbe
empfing uns ein ganz anderer "Paternoster", nämlich der Allvater Olympias auf
deutschem Boden, Carl Diem. Ein paar Minuten später gesellte sich noch ein
gewisser Georg von Opel hinzu - wenn auch etwas außer Atem, weil der
Allroundsportler selbstverständlich den Paternoster-Aufzug verschmäht und das
Obergeschoss treppensteigend erklommen hatte.
Opel war damals
Aufsichtsratsvorsitzender der Continental Gummi-Werke, Garbe fungierte als
Vorstand des Unternehmens, und Hahne war als Planungs-Chef der Conti auch im
Sport ein viel gefragter Mann. Dass ich auf einmal Carl Diem, dem großen
olympischen Wegweiser, gegenüberstand, war für mich als verhinderten
Olympiateilnehmer von 1940 schon außerordentlich beeindruckend. Sonst aber war
ich nur stummer Beisitzer der erlauchten Runde, dem aber die Ohren klingelten,
als man über die letzten Vorbereitungen zur Gründung einer olympischen
Fördergesellschaft diskutierte.
Noch waren zwar den
deutschen Sportlern die Tore Olympias verschlossen, doch hofften wir alle auf
einen günstigen Entscheid der Allmutter IOC, der dann im Mai des Folgejahres
1951 auch Wirklichkeit wurde - wenn leider auch nur für den Westteil des
politisch gespaltenen Landes.
Oslo und Helsinki
gewannen das Rennen um die Ausrichtung der Spiele von 1952, aber die Koreakrise
hatte die deutsche Wirtschaft gelähmt und eine fast vierzehnprozentige
Arbeitslosenquote provoziert. Und nun sollte der geplante Verein binnen
kürzester Zeit Gelder und Mitglieder sammeln, damit wir Deutschen nach
16-jähriger olympischer Abstinenz wieder "dabei sein" konnten. Das war schon
etwas mehr als nur Wagemut!
Doch darum ging es bei
den Gesprächen in Wilhelm Garbes Büro. Carl Diem legte den Vorabdruck einer
Mitgliederzeitschrift vor, die er "Olympisches Feuer" tituliert hatte. Zum
ersten Mal war in dem Heft von einer "Deutschen Olympischen Gesellschaft" die
Rede, die man am 5. Januar des neuen Jahres in Frankfurt gründen wolle.
Überrascht war ich, mit welcher Selbstverständlichkeit jeder seinen Part
übernommen hatte, um das hoch gesteckte Ziel zu erreichen. Georg von Opel
wollte einige tausend Firmen anschreiben, Garbe die Werbungskosten übernehmen
und Diem das Nationale Olympische Komitee mobilisieren. Aber auch Hahne und
Dressler wurden eingespannt. Der eine sollte sich mit der Gründung so genannter
Zweigstellen im niedersächsischen Raum befassen, der andere Mitglieder und
Spenden sammeln, und das besonders in den Vereinen und Schulen.
Wir gingen mit
Begeisterung zur Sache. Schnell mehrten sich die Beitrittserklärungen wie auch
die Zahl der Helfer und Mitarbeiter. Auch die Vereine und Schulen spielten mit.
Wenn ich den Kindern olympische Geschichte und Geschichten nahe brachte,
häufelten sie spontan Groschen und Pfennige zusammen. Das waren dann wohl die
wertvollsten Spenden, wie DOG-Schatzmeister Hermann Jannsen immer wieder
erklärte.
Gut zwanzig Jahre später
wurde ich an diesen schönen DOG-Einstieg bei den Schulen nochmals erinnert, als
ich meine Tonbildschau von den Münchner Spielen an einem Gymnasium präsentieren
wollte. Noch ehe ich beginnen konnte, wurden die Vorhänge aufgezogen und ein
Schulsprecher bedeutete mir unmissverständlich, dass die Vorführung ausfallen
müsse, da sie den Leistungsgedanken verherrliche. Da hatten wir's: Die Saat der
68er-Jahre war aufgegangen und ich war um eine Erfahrung reicher, wenn auch um
eine olympische Illusion ärmer.
Die Idee und ihre
Gründerväter
Da kam schon einiges von
Rang und Namen an jenem denkwürdigen 5. Januar des Jahres 1951 im Frankfurter
Senckenberg-Museum zusammen, als sich die DOG sozusagen selbst aus der Taufe hob
und sofort an die Arbeit machte. Was sich da zwischen vorsintflutlichen
Fossilien abspielte, war erfrischende Gegenwart und spontane Begeisterung für
das große Nahziel, der deutschen Olympiamannschaft den Weg nach Oslo und
Helsinki zu ebnen. Das aber war leichter beschlossen als getan. Wenige Wochen
zuvor hatte NOK-Schatzmeister Willi Daume mit seinem Kostenvoranschlag in Bonn
für großes Achselzucken und Kopfschütteln gesorgt. Neben den besten
Erfolgswünschen hatte man dort für die Olympia-Expedition nichts parat, also war
es hohe Zeit, eine DOG zu gründen. Georg von Opel wurde einstimmig als
Steuermann gewählt. Männer wie Carl Diem, der Herzog zu Mecklenburg, Ritter von
Halt und Werner Klingeberg schieben das Gefährt kräftig an, unterstützt von
Willi Daume, Max Danz, Constans Jersch und Hermann Jannsen.
Mehr als eine Million
der noch druckfrischen, jungen Mark sollte die DOG für das NOK erwirtschaften -
und das in einer Zeit, wo der bundesdeutsche Durchschnittsbürger nur eben einmal
ein Zehntel des heutigen Geldes in der Lohntüte hatte. Aber die Blütenträume
reifen, denn zahllose Helfer und einige tausend DOG-Mitglieder sorgen schon im
ersten Jahr für die stolze Summe von 630.000 Mark. Allerdings konnte sich auch
die DOG nicht ohne weiteres mit der Sammelbüchse an die nächste Ecke stellen.
Der neue Verein war einzutragen, und beim Bundesfinanzministerium war die
steuerliche Begünstigung der Zuwendungen zu beantragen. Das erwies sich zunächst
als äußerst schwierig, da das NOK als Zuwendungsempfänger noch keine
Gemeinnützigkeit beantragt hatte.
Aber: Kommt Zeit, kommt
Rat. Und so war es besonders dem Fleiß des jungen DOG-Präsidenten Georg von
Opel zu verdanken, der nicht weniger als 12.000 "Bettelbriefe"
handschriftlich unterzeichnete, dass mit dem Olympiajahr 1952 auch das
"Olympia-Soll" mit knapp 1,1 Millionen Mark sogar mehr als nur erfüllt wurde. Da
nun auch die Bundesregierung mit einem Zuschuss von 400.000 DM nachzog, konnte
bereits für die nächsten Spiele des Jahres 1956 eine beruhigende Rücklage
gebildet werden. Wie selbstlos und sparsam damals in der DOG gewirtschaftet
wurde, zeigt die Kostenabrechnung jener denkwürdigen Gründungsversammlung im
Senckenberg-Museum. Ganze 383,08 DM standen zu Buche!
Was gedacht, geschrieben
und gedruckt wurde
Carl Diem war zu allen
Lebzeiten ein unverbesserlicher Verfechter des olympischen Gedankens, was heißt:
Keiner konnte es besser als er. So war es ihm bei allem Verständnis für die
zunächst finanzbezogenen Aufgaben der DOG vor allem darum zu tun, mit dieser
Gesellschaft auch olympisches Gedankengut in Deutschland wieder zu beleben und
zu verbreiten. Das ist unschwer bereits aus den ersten beiden Ausgaben des
"Olympischen Feuers" im Frühjahr 1951 zu erkennen. Sogar Georg von Opel
weist im Leitartikel der künftigen DOG erst in zweiter Linie die
Geldmittelbeschaffung zu und stimmt sie mit Nachdruck auf ihre ursächliche,
geistige Aufgabe ein. Die DOG sei eine Gesinnungsgemeinschaft, sagt er und
vergleicht ihren geistigen Anspruch mit den Zielsetzungen der Bach- und
Goethe-Gesellschaften. Da kann man möglicherweise diese Metapher in Frage
stellen, nicht aber das, was Opel damit sagen wollte. In der Tat wurde
die Freude an den inhaltlichen Werten des olympischen Gedankengutes zur
geistigen Triebfeder für nahezu alle Aufgaben, die sich die DOG in den
Folgejahrzehnten bis in die heutigen Tage hinein stellte. Auch der "Goldene
Plan" war trotz seiner materiellen Erfordernisse eine zunächst geistige
Konzeption zur Verbesserung von Zuständen und Werten. Erst recht die
Fairplay-Initiative der DOG zur Verbesserung des menschlichen Miteinanders.
Selbst das in vielen Dingen so stark veränderte Erscheinungsbild der Olympischen
Spiele gewinnt neue und erstrebenswerte Dimensionen, wenn man erkennt, dass
Teilnehmer aus 200 Nationen wenigstens einmal alle vier Jahre Streit und
Missgunst vergessen, um in friedlichem Wetteifern ihre Kräfte zu messen. Es geht
also, wenn man nur will! Daume behauptete einmal, dass die olympische Idee auch
von gedanklichen Utopien
profitiere, und auch Diem war einer, der sich gern in
Illusionen vertiefte und diese dann auch zu Papier brachte. Mit dem "Olympischen
Feuer" und den neuen Standard-Werken der Olympischen Spiele leistete er für das
neue DOG-Selbstverständnis entscheidende Schrittmacherdienste und bestimmte
damit auch den hervorragenden Stellenwert, den diese DOG-Druckerzeugnisse noch
heute in der Sportliteratur einnehmen. Ihn amüsierte eher noch der kritische
Einwand seines DOG-Vorstandskollegen Constans Jersch: "Der Diem macht das alles
viel zu archäologisch." Damit meinte er Diems so beliebte Bezugnahme auf die
olympische Antike. Da hat sich in der Folgezeit vieles von selbst überholt, denn
die aufkommenden modernen Techniken und Verfahren haben Olympias
Erscheinungsbild der Zeit angepasst. Was Diem einleitete, gewann unter Walter
Umminger neues Profil, das Dressler weiterentwickeln konnte. Seit nunmehr zwölf
Jahren läuft das "OF" unter Harald Piepers gekonnter Regie als immer noch eine
Sonderheit im sportlichen Blätterwald.
Von der Goldmedaille zum
Goldenen Plan
Man muss sich das einmal
genüsslich auf der Zunge zergehen lassen: Mehr als 3,6 Millionen Mark stellte
die DOG dem Nationalen Olympischen Komitee in den ersten 20 Jahren zur Förderung
der Olympiamannschaften zur Verfügung. Gut 1 Million hatte sie in Produktion und
Vertrieb von Olympia- und Sportfilmen gesteckt und schließlich auch die
Wiederaufnahme der Ausgrabungen im klassischen Olympia mit nahezu 200.000 DM
gefördert.
Das alles war - trotz
des sich abzeichnenden „Wirtschaftswunders" - ganz ungewöhnlich, denn mit
günstigenfalls 10.000 Mitgliedern war die DOG noch längst keine Volksbewegung
geworden, sondern eher nur ein mittelgroßer Sportverein geblieben. Zwar sprach
man gelegentlich von ihr, doch nur Insider wussten, welche enormen Anstrengungen
hinter diesen bemerkenswerten Leistungen steckten.
Zu allem Überfluss
stellte sich bei der DOG-Bundestagung 1959 in Hannovers Ratsgymnasium Georg
von Opel aufs Podium und verkündete seinen "Goldenen Plan" für die Schaffung
von Erholungs-, Spiel- und Sportstätten und forderte öffentliche Investitionen
von sage und schreibe 6,3 Milliarden Mark heraus. Da ging mehr als nur ein
Raunen durch den deutschen Blätterwald, und die öffentliche Hand bezog
Abwehrstellung. Gert Abelbeck hatte als "Vater" dieses Planungswerkes alle Mühe,
sie von der Richtigkeit seiner Erhebungen und der Notwendigkeit sofortiger
Maßnahmen zu überzeugen.
Bund, Länder und
Kommunen mussten sich erst einmal daran gewöhnen, dass ein privater Verein sich
anmaßte, Verfahrensnormen vorzugeben und deren Einhaltung zu überwachen. Selbst
Konrad Adenauer wollte zunächst gar nichts vom Goldenen Plan wissen, bis er sich
überzeugen ließ und die größten Hindernisse mit dem klassischen Satz "Dat is
doch ne janz jute Sache!" aus dem Weg räumte.
Dass schließlich nach 15
Jahren der Plan fast hundertprozentig erfüllt werden konnte, spricht für die
Güte des Konzepts. Sogar mehr als 19 Milliarden standen am Ende zu Buche, denn
Geldwert wie auch Material- und Lohnkosten hatten sich verändert. Dass die DOG
ebenfalls tief in die eigene Tasche griff, belegen die Finanzierungsanteile für
Beispiel-Anlagen und Planungskosten im Gesamtumfang von 4,5 Millionen Mark.
Darauf kann die DOG heute noch stolz sein!
Bindeglied zwischen
unten und oben
Nach der Verkündung des
Goldenen Plans stellte sich schnell heraus, dass eine über das ganze Land
verteilte Mitgliedergesellschaft von zentraler Stelle aus nicht mehr ausreichend
zu betreuen war. Auch verkannte wohl niemand die Gefahren der Entfremdung von
Spitze und Basis angesichts der höchst unterschiedlichen Verhältnisse "draußen
vor Ort". Also musste ein Bindeglied geschaffen werden zwischen Präsidium und
Zweigstellen. Diese schnell gebildete Einrichtung mit wichtiger
Beratungsfunktion nannte man "Zweigstellen-Ausschuss" und besetzte sie, damals
noch fast paritätisch, mit Vertretern aus allen Regionen. Später war schon mehr
der spezifische Sachverstand und das besondere Interesse dieser engagierten
Mitglieder gefragt, denn das Aufgabenpaket der DOG beschränkte sich längst nicht
mehr nur auf Olympia und den Goldenen Plan.
Boyer, Dressler und
Hoffmann prägten die Arbeit dieses Gremiums in den ersten drei Jahrzehnten. Mit
der Einbeziehung des Ausschuss-Vorsitzenden in das geschäftsführende Präsidium
zu Beginn der siebziger Jahre wurde eine wichtige Informationsverbindung
geschaffen. In diesem Zusammenhang muss besonders Paul Hoffmann genannt werden,
der als Ausschussvorsitzender 1975 in das Präsidium einrückte und ihm mit viel
Einsatz ein Vierteljahrhundert angehörte. Neben diesem heutigen Ausschuss für
Zweigstellen/Landesverbände richtete das Präsidium vor wenigen Jahren noch den
Ausschuss für Jugend- und Nachwuchsfragen ein, wie auch zur Lösung
wirtschaftlicher Probleme den Ausschuss für Marketing.
Erlebnis Griechenland
Seit Beginn der
Freilegung Olympias Ende des 19. Jahrhunderts bestätigte fast jeder Tag aufs
Neue den Wahrheitsgehalt der Überlieferungen, mit denen uns Pindar, Homer und
andere "Reporter" der olympischen Frühzeit die Spiele schilderten. Selbst dann,
wenn mythologische Verbrämung zum Widerspruch herausforderte, von dem der
olympische Gedanke auch heute nicht frei ist.
Carl Diem wusste von
Genius loci, als er Mitte der fünfziger Jahre das Begreifen olympischer
Zusammenhänge aus den Studierstuben direkt nach Olympia verlegte, damit sich die
jungen Menschen mit Ursprung und Gedankengut der Spiele auseinander setzen
konnten. Dieser Versuch wurde zu einer ständigen Einrichtung und zu einem
Markenzeichen der DOG. Seit vier Jahrzehnten sind zahllose Jugendliche mit
erfüllten Erwartungen aus Olympia zurückgekehrt. Die Griechenlandfahrten,
einfühlsam geleitet von jungen Akademikern, sind alljährliche Glanzlichter der
DOG-Arbeit.
Die GDO - ein
Aktivposten
Eine Olympische
Gesellschaft ohne Olympiateilnehmer und Medaillengewinner - das war von Anbeginn
nicht denkbar. Gerade diese erfahrenen und erfolgreichen Sportler fühlten sich
bald in der DOG zu Hause und wurden zu Leitfiguren in der Zweigstellenarbeit.
Große Namen darunter - aber auch weniger Erfolgreiche, denen der olympische
Einsatz zum unvergesslichen Erlebnis wurde.
Unabhängig von der DOG
hatten sich jedoch auch andere Gruppierungen in der Bundesrepublik gebildet, die
Olympiateilnehmer aus bestimmten Sportarten vereinten. Auch in der damaligen DDR
gab es solche Zusammenschlüsse. In Anlehnung an ähnliche Organisationsformen im
internationalen Bereich hatte sich 1971 in Hamburg eine "Gemeinschaft der
Olympiateilnehmer - GdO" gebildet, die zunächst den Fünfkampf-Sieger von 1936,
Gotthardt Handrick, zum Vorsitzenden wählte, sich dann aber bald der Führung von
Hans Fritsch anvertraute, der in Berlin Fahnenträger der deutschen
Olympiamannschaft gewesen und als Initiator dieser Vereinigung anzusehen war.
Mit der Stiftung auch
international vergebener Preise ehrte die Gemeinschaft zugleich das Andenken
zweier bedeutender Sportpersönlichkeiten, Hans-Heinrich Sievert und Paavo Nurmi.
Auch die alljährliche Gedenkfeier an der Berliner Olympiaglocke zu Ehren der
gefallenen und durch politische Gewalt ums Leben gekommenen Olympiateilnehmer
entsprang einer Idee von Hans Fritsch. Dennoch gab es auch Reibungen mit dem NOK
und der DOG und trotz aller Anstrengungen nicht den erwünschten
Mitgliederzuwachs. Schließlich kam es aber doch zu der von Willi Daume
angestrebten Anbindung der Gemeinschaft Deutscher Olympiateilnehmer (GDO) an die
DOG.
Mit der Wahl von Friedel
Schirmer zum Präsidenten der GDO im August 1984 begann für die Gemeinschaft eine
neue Epoche. Das Innenverhältnis zur DOG wurde verbessert und fand seinen
Niederschlag in den beiderseitigen Satzungen und dem besonderen Stimmrecht der
GDO als selbständige Anschlussorganisation. Damit entwickelte sich die GDO nun
sehr rasch zu einem bemerkenswerten Aktivposten der Olympischen Gesellschaft.
Der Fall der Berliner
Mauer und die Öffnung der Grenzen taten 1990 ihr Übriges. Wenige Stunden nach
der Absprache zwischen den beiden Nationalen Olympischen Komitees besiegelten
auch Peter Frenkel und Friedel Schirmer die Vereinigung der bislang so
abgeblockten Olympiateilnehmer. Bereits ein Jahr später hatten sich mehr als 100
Ehemalige aus den neuen Ländern der GDO angeschlossen. Heute umfasst die GDO 750
Olympiateilnehmer, die sämtlich auch Mitglieder der DOG sind. Von besonderer und
beispielhafter Bedeutung wurden die Olympia-Treffs der GDO, die 1992 im
brandenburgischen Kienbaum ihren Anfang nahmen, um dann 1994 in Duisburg-Wedau
und zwei Jahre später in München-Oberhaching fortgesetzt zu werden. Das Treffen
der Ehemaligen aus Ost und West 1998 in Dresden wurde mit fast 300 Teilnehmern
zu einem besonderen Höhepunkt. Im Mai des Jahres 2000 trafen sich die Olympier
in Hamburg und wählten dabei mit dem Chemnitzer Silbermedaillen-Schwimmer Klaus
Katzur auch einen neuen GDO-Präsidenten, wie auch den NOK-Chef Walther Tröger
von Amts wegen und Friedel Schirmer wegen seiner großen Verdienste zu
Ehrenpräsidenten.
Heute verfügt die DOG
bereits über 24 Kreis- und Bezirksgruppen in den neuen Bundesländern, die das
Zweigstellen-Netz ergänzen, acht weitere befinden sich im Aufbau. Ohne die
engagierte Mitwirkung der GDO wäre ein so gutes Ergebnis nie zustande gekommen.
Fair hat's schwer!
Als die Olympier den
Amateurgedanken links liegen ließen oder gar schon zu Grabe trugen, fürchteten
viele, dass auch das "Fairplay" im Sport bald zum Schnee von gestern werden
könne, so als wäre der Berufssport ohne Tricks und Schiebung zu keiner Zeit
lebensfähig gewesen. Dass im Tennis, Motor- und Flugsport wie auch im Boxen
(zumeist) dennoch das Reglement und die gegenseitige Achtung groß geschrieben
wurden, kann noch heute ein Max Schmeling aus den zwanziger und dreißiger Jahren
bestätigen. Damit sei gesagt, dass Professionalismus kein schlechtes Geschäft zu
sein braucht.
Alle bewunderten 1928 in
Amsterdam den französischen Fechter Lucien Gaudin, als er im olympischen
Endkampf die Entscheidung des Kampfgerichts mit dem Ausruf korrigierte: "Je suis
touche!" und damit seinem Gegner eine Gewinnchance einräumte. Dieses
Musterbeispiel von Fairness stand auch einmal bei einer DOG-Podiumsdiskussion
zur Debatte, und gestandene Medaillengewinner äußerten Zweifel, ob sie
angesichts der zwischenzeitlich eingeführten Erfolgsprämien auf diesen
geschenkten Vorteil verzichtet hätten.
Umso mehr war es eine
goldrichtige Entscheidung Willi Daumes, die DOG mit ihren Zweigstellen
federführend in eine Aktion einzubinden, die als Fair-Play-Initiative des
deutschen Sports mit dem Leitsatz "Fair geht vor" erstaunlich schnell die
Beachtung der Öffentlichkeit erlangte. In der IBM Deutschland fand die DOG einen
großzügigen Sponsor, so dass auch die personellen und materiellen
Voraussetzungen für das weit angelegte Unternehmen zu realisieren waren. Diese
zunächst auf fünf Jahre angesetzte Aktion konnte 1993 um weitere fünf Jahre
verlängert werden, weil sich nun die deutschen Sparkassen dankenswerterweise und
ebenso großzügig mit der DOG zusammenschlössen.
Fairplay war auf einmal
in aller Munde, so als habe sich der Sport und die Gesellschaft mit diesem Thema
noch nie ernsthaft befasst. „Fair geht vor" erreichte einen beachtlichen
Bekanntheitsgrad, wie
Untersuchungen belegten. Selbst die Politik schrieb sich
den Slogan mitunter auf die Fahnen - die dann aber wieder eingerollt wurden,
wenn es hart auf hart ging. Auch auf den sportlichen Spielfeldern gab es zwar
immer noch rote Karten, doch die Referees griffen härter durch und sorgten auf
ihre Art für Fairplay. Kein Zweifel dennoch, dass die DOG-Initiative ein
notwendiger und auch wirksamer Schritt gegen die Entwertung des menschlichen
Miteinanders gewesen ist. Dass überaus viele Schulen dieses erzieherische Thema
in die gedankliche Welt der Kinder einfließen ließen und das "Fairhalten" zu
einer wichtigen Lebensregel erhoben, belohnte die Anstrengungen der DOG.
Doch dann folgte eine
Enttäuschung der anderen - trotz aller Bemühungen ließ sich kein neuer Sponsor
finden. Auch nicht für die inzwischen eingeleiteten Aktionen "Sport verbindet"
und "Partner für eine bewegte Kindheit", deren gezielte Verbreitung heute
notwendiger wäre als alles andere.
Alles nun über Bord zu
werfen, konnte man der DOG nicht zumuten - aber die Bremsen mussten angezogen
werden, denn die ausbleibenden Zuwendungen von außen ließen die eigenen
Rücklagen dramatisch schmelzen. Die jetzt in Ludwigsburg eingeleiteten
Sanierungsmaßnahmen sind zwar kein schönes Geburtstagsgeschenk für die DOG, aber
ein Neuanfang auf dem richtigen Weg.
Gemeinnützige Arbeit im
Verborgenen führte früher fast zum Adelsprädikat. Um die Ehrenamtlichen nicht
aussterben zu lassen, bemüht sich zur Zeit alles, was Rang und Namen hat. Gott
sei Dank! Doch auch im Breitensport geht es wohl kaum noch ohne Profis - und das
mag wohl auch ein Generationenproblem sein. Aber von bezahlten Halb- oder
Hauptamtlichen soll hier nicht die Rede sein, erst recht nicht von den
professionellen Goldhamstern im Sport. Hier geht es vor allem um die im Stillen
vor sich hindämmernde Öffentlichkeitsarbeit und die mangelnde Selbstdarstellung
der DOG.
Das begann übrigens
schon am Gründungstag. Aber da lag es wohl an Konrad Adenauer, denn der
Bundeskanzler der jungen Republik feierte just an diesem 5. Januar 1951 seinen
75. Geburtstag. Da blieben für die DOG trotz der herzlichen Glückwünsche von
Papa Heuss nur einige magere Zeilen als Lückenfüller in den bundesdeutschen
Gazetten über.
Die literarische
Beschränkung der DOG auf Standardwerke, Prospekte und das "Olympische Feuer"
drang kaum hinaus in die Öffentlichkeit. Auch rückschauende Berichte (wie der
Ihnen im Augenblick vorliegende, lieber Leser) locken kaum ein neues Mitglied
zur DOG. Günstigenfalls blättert mal ein Fremder im Wartezimmer seines Arztes im
dort ausliegenden „OF", sofern der Doktor auch DOG-Mitglied ist. Das kann und
soll auch gar nicht anders ein, denn das "OF" ist eine Mitgliederzeitschrift,
noch dazu eine kritische und anspruchsvolle für sachkundige Insider, wenn auch
mit dem Anspruch, in die Öffentlichkeit zu wirken.
Aus eigener Erfahrung
weiß ich, dass die örtliche Presse in der Regel gut mitzieht und dass diese
Verbindung so einigermaßen funktioniert. Im regionalen oder gar bundesweiten
Bereich hängt es aber, denn die DOG liefert kaum Schlagzeilen oder gar "bad news".
Von den Boulevard-Blättern wurde ich zu meiner Zeit nicht nach Erfolgen und
Wohlverhalten befragt, sondern nach eventuellen Pannen und Schiefläufern. Das
hat sich nicht geändert.
Dass sich die
schreibenden Medien zumeist auf Reportage und Kommentar beschränken, ist ihr
gutes Recht. Kostenlose Werbung für andere zu betreiben, ist ihre Sache nicht,
denn für Inserate hat der Kunde gefälligst zu bezahlen. Wie aber soll ein
solcher Verein wie die DOG mit Öffentlichkeitsarbeit zu neuen Mitgliedern
kommen? Das ging bislang eben nur durch persönliche Ansprache oder entsprechende
Animation bei DOG-Veranstaltungen, wenn dabei interessante Themen oder gute
Unterhaltung geboten wurde.
Schneller als
vorauszusehen hat nun aber das "world wide web" (kurz: www) die Medien- und
Informationslandschaft überzogen und mit dem Internet schon fast jeden Haushalt
erreicht. Mit der "Homepage" kann sich jeder darstellen und damit Partner,
Interessenten oder auch Kunden ansprechen. Das endlich könnte auch für die DOG
ein Zielraum sein, sich bekannt zu machen und andere zum Mitmachen zu bewegen.
Krisenbewältigung
Die DOG sei seit
Jahrzehnten eine Überlebenskünstlerin, bemerkte Steffen Haffner nach der
turbulenten Bundestagung 2000 in der "Frankfurter Allgemeinen".
Krisenbewältigung gehört in der Tat nicht erst seit gestern zum Aktionsprogramm
der nun fünfzigjährigen DOG - da hat Haffner als Kenner der Szene, absolut
Recht. Auch dieses, nicht immer froh stimmende Thema anzusprechen, gehört
einfach dazu, wenn man Bilanz zieht. Mit der beeindruckenden Habenseite ist es
nicht getan.
Entscheidend bleibt
jedoch, wie die DOG mit den Problemen fertig wird. Wenn Haffner weiter schreibt,
dass die Basis der DOG in Ludwigsburg mit ihrem Aufstand ein Lehrstück in
Demokratie abgeliefert habe, ist das doch ein gutes Beispiel für das
Selbstverständnis der Mitglieder. Die DOG wird noch gebraucht, sie ist und
bleibt das gute Gewissen des Sports, da müssen Gegentore schon mal hingenommen
werden, sogar auch Eigentore. Dass die Trainer ausgewechselt werden, kommt in
den besten sportlichen Familien vor.
In den vergangenen
Jahrzehnten waren nicht nur zeitbedingte Probleme zu lösen. Auch innere
Widerstände und nachbarschaftliche Reibereien mussten bewältigt werden.
Interessant aber bei diesen Differenzen war immer die einhellige
Wunschvorstellung der Kontrahenten, das Beste für die olympische und sportliche
Sache herauszuholen und damit auch der eigenen DOG zu nützen. Das muss man
festhalten, wenn schon Kritik zu üben ist.
Gelegentliches Gerangel
um Zuständigkeiten gab es bereits in den allerersten Jahren. Das NOK war mit der
jungen DOG-Tochter nicht immer einverstanden - und umgekehrt. Als man die
Präsidien "verzahnte", ging's schon wesentlich besser. Als Mitte der fünfziger
Jahre die DOG Gefallen am "Zweiten Weg" des Deutschen Sportbundes fand und den
Goldenen Plan verkündete, galt sie für Willi Daume schon fast als ein
Nestflüchter, obwohl er später das Planungswerk als "beispielhaft für die Welt"
bezeichnete. Auch die Rangeleien im Gründungsvorfeld der Stiftung Deutsche
Sporthilfe waren nicht gerade Musterbeispiele kollegialer Zusammenarbeit. Das
1967 von DOG und DSB gemeinsam angeschobene Projekt fand nicht nur Zustimmung.
Viele sahen der DOG die Felle davonschwimmen - auch Georg von Opel. Nach
seinem Amtsverzicht hatte die DOG große Mühe, die Krise zu überwinden, aber sie
schaffte es.
1969 übernahm das
Frankfurter "Urgestein" Fritz Dietz für zehn Jahre die DOG-Führung. Keine
leichte Aufgabe für den nicht immer bequemen Mann, denn viele Mitglieder waren
der DOG weggelaufen, weil sie der aufkommenden Professionalisierung und später
auch den politischen Olympia-Blockaden von 1976 bis 1984 keinen Geschmack
abgewinnen konnten.
Ein neues Konzept war
gefragt und mit ihm auch ein neuer Präsident. Das hatte Dietz erkannt und
schickte mich als den damaligen Hauptgeschäftsführer zu Willi Daume. Gemeinsam
mit ihm und seinem Generalsekretär Walther Tröger wurden die Weichen gestellt.
Dass die DOG-Delegierten Willi Daume bei der Frankfurter Bundestagung 1979
einstimmig zum neuen Präsidenten wählten, war nicht anders zu erwarten. Die
nachfolgenden sechs Amtsjahre waren überaus wichtige Jahre für die Deutsche
Olympische Gesellschaft. Umso mehr, als Daume nun beide olympische
Organisationen, NOK und DOG, in der Hand hatte.
Dass nach Daumes
Abschied 1988 die überaus raschen Wechsel in der DOG-Führungsetage nicht gerade
förderlich waren, kann nicht unter den Teppich gekehrt werden. Aber die DOG
verstand sich schon immer recht gut auf das Bewältigen von Krisen. Das
Ludwigsburger Team um Dieter Krickow und Carlo von Opel, den Sohn des
Gründungspräsidenten, hat das Vertrauen der Mitglieder hinter sich.
Und noch eins: Im eben
erschienenen und toll gemachten Jubiläums-Buch des Deutschen Sportbundes würdigt
unser früherer Generalsekretär Norbert Wolff die vergangenen und gegenwärtigen
Leistungen der DOG, die von vielen Leuten als "Klub hoffnungsloser Idealisten"
belächelt werde, sich aber unbeirrt für einen von Chancengleichheit getragenen
Sport einsetze. - Danke, lieber Norbert, auch ich fühle mich als Idealist
angesprochen - mit dem kleinen Unterschied, nicht hoffnungslos, sondern nach wie
vor hoffnungsvoll zu sein. Heute erst recht!
Das Geschichtsbuch der
DOG wird nicht zugeklappt, sondern ein neues Kapitel wird aufgeschlagen!