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Über Mitglieder des
RRK (2025)
Gustav Schäfer |
Gustav "Gummi" Schäfer
Olympiasieger
mit Schlagzahl 24
Olympiasieger,
geboren in Johanngeorgenstadt, da denkt man nicht an einen Ruderer, der seine
sportliche Laufbahn beim Schwimmen begann, zum Rudersport wechselte und sieben
Jahre nach diesem Wechsel Olympiasieger im Einer wurde. Nein, wir reden nicht
vom in Dachau geborenen Oliver Zeidler. Die Rede ist von Gustav "Gummi" Schäfer,
dem Olympiasieger 1936 in Berlin-Grünau.
Von Matthias Zander
(aus "rudersport 01/02-2025")
Geboren am 22.
September 1906, zogen seine Eltern mit dem jungen Gustav 1911 nach Dresden. Den
Spitznamen "Gummi" bekam er als Schwimmer. Als Kurzstreckenspezialist trat er
als Ersatzmann über 1.500 Meter an, blieb an dem Favoriten dran, um diesen im
Endspurt zu überholen. "Der Hund war zäh wie Gummi", so die überlieferten Worte
des Geschlagenen über Schäfer.
Bei einem
Tanzvergnügen 1929 im Dresdner Ruderverein unternahm der Schwimmer Schäfer eine
Probefahrt auf der Elbe. Trainer Wortmann fiel das Talent auf und ab März 1929
begann der Ruderer Schäfer sein Training im Boot. Als Späteinsteiger mit 23
Jahren. Einen Sieg im Jungmann-Achter, später gewann er in Dresden die
Vereinsmeisterschaft 1929 im geklinkerten Einer. 1931 gewann er sein erstes
Rennen im Einer. 1932 dann auch im "Ersten Einer".
Vor seinem Start in
Hamburg traf er erstmals auf Trainer George Cordery. Als dieser 1933 nach
Dresden wechselte, begann Gustav Schäfers Aufstieg an die Spitze der deutschen
Skuller. Deutschland konnte sich damals über einen Mangel an Ausnahmeskullern
nicht beklagen. Allen voran Dr. Herbert Buhtz vom Berliner Ruder-Club. Der beste
Ruderer der Welt, wie es damals in der englischen Sportpresse hieß. Und diesem
frischgebackenen Sieger von Henley stellte sich Schäfer 1934 bei den Deutschen
Meisterschaften in Mainz und gewann. Buhtz hatte mit einem Trainingsrückstand
nach langwierigen Rückenproblemen nach dem Start in Henley zu kämpfen und musste
das Rennen aufgeben.
Zu recht in der Hall of Fame?
Gustav Schäfer ist Mitglied in der Hall of
Fame des deutschen Sports der Stiftung Deutsche Sporthilfe. Dort wurde
gerade eine umfassende Recherche zu Biografien von Mitgliedern aus der
NS-Zeit abgeschlossen, die Schäfers Platz dort kritisch hinterfragt. Dort
heißt es: "Schäfer war bereits am 10. Juli 1933, wenige Monate nach der
NS-Machtübernahme, in die SA eingetreten. Zur Belohnung wurde er nach dem
Olympiasieg zum SA-Truppführer befördert. Gauleiter und Ministerpräsident
Mutschmann erhob den Verwaltungssekretär im Sächsischen Ministerium für
Wirtschaft und Arbeit außerdem in den Beamtenstand. Schäfer, der 1937 auch
in die Partei eintrat (Nummer 5.821.098) und ab dem 1. Juli 1938 im Amt
Speer in Berlin arbeitete, profitierte im ,,Dritten Reich" erheblich von
seiner politischen Überzeugung. "Die meisten Olympiateilnehmer im Rudern
1936 waren überzeugte Nationalsozialisten, wie der Historiker Bernd
Wedemeyer-Kolwe in der Studie für den DRV herausgearbeitet hat. Schäfer
bekam durch seinen Olympiasieg eine ungeheure Popularität. Die umfangreiche
Freistellung von seiner beruflichen Tätigkeit in Vorbereitung auf die
olympischen Spiele in Berlin, die damit verbundene Möglichkeit des
beruflichen Aufstiegs vom gelernten Konditor zum Angestellten in der
Dresdner Stadtverwaltung bis hin zum Beamten, ließen ihn vom neuen System
besonders profitieren. Die Propaganda nutzte ihn u. a' als Fürsprecher, in
seiner Funktion als Gaufachwart der sächsischen Ruderer in den ,,Dresdner
Nachrichten" zur Wahl Hitlers und zur Abstimmung über den Anschluss
Österreichs. Ein System schmückte sich mit seiner Popularität und er stellte
es nicht infrage, da sich seine persönlichen Verhältnisse so schnell, so
positiv veränderten. Es bewahrte ihn nicht davor, Ende 1939 als Gefreiter
zur Wehrmacht eingezogen zu werden. Schäfers Platz in der Hall of Fame des
deutschen Sports lässt sich weniger mit seinem Olympiasieg erklären. Es sind
seine Verdienste beim Aufbau und der Gründung der Deutschen Olympischen
Gesellschaft, für die man ihn dort aufgenommen hat. Das Schweigen über sein
Verhalten in der NS-Zeit ist typisch für seine Generation und den Großteil
der Olympiamannschaft von 1936. MZ |
Sieg in Luzern
beim ersten Auslandsstart
Als Meister wurde
Schäfer für die Europameisterschaften 1934 in Luzern nominiert. Die ersten, an
denen der Deutsche Ruderverband seit 1913 wieder teilnahm. "Gummis" erster
Auslandsstart endete mit dem Europameistertitel auf dem Rotsee. 1935 gewann
Schäfer alle großen Einer-Rennen, nur bei der Meisterschaft schlug Altmeister
Buhtz zurück. Diesmal gab Schäfer das Rennen auf, wurde Dritter und wollte die
Ruderei aufgeben. Sein Trainer Cordery überredete ihn, weiterzumachen.
Zentralisierung war damals schon ein Thema. Im Herbst 1935 entstand die
Skullerzelle Dresden zur Vorbereitung der Olympischen Spiele. Im Frühjahr zog
diese nach Grünau. Der erneute Meistertitel im Einer sicherte Gustav Schäfer die
Nominierung für die Olympischen Spiele in Berlin. Im Finale dort setzt er sich
an die Spitze des Feldes und baut diesen Vorsprung immer weiter aus. Mit vier
Sekunden Vorsprung holte er im Jubel der tausenden Zuschauer den Olympiasieg.
"Ohne Cordery keine Weltmeisterschaft für Schäfer", so seine wertschätzende
Aussage über seinen Trainer am Steg.
Schäfers Renntaktik
bestand darin, nach dem Start so lange alles zu investieren, bis er deutlich
vorn lag. Bei einem Rennen gegen Herbert Buhtz hielt dieser dagegen. Schäfer
sagte im Ziel: "Wenn Buhtz noch fünf Schläge länger durchgehalten hätte, hätte
ich das Rennen aufgeben müssen, da ich mich übernommen hatte." Vielleicht
erklärt das die Rennbeschreibungen des Olympiarennens. Darin ist teilweise von
vier Längen Vorsprung die Rede, im Ergebnis betrug der Vorsprung aber "nur" vier
Sekunden. Dass er rnit Schlagzahl 24 bei einem langen Schlag ins Ziel fuhr,
vermerken die Chronisten zusätzlich.
War der Jubel in
Grünau schon groß, war der Empfang in seiner Heimatstadt Dresden überwältigend.
Der Bahnhof schwarz vor begeisterten Menschen, die ihren Olympiahelden empfangen
wollen. Als der Zug mit ein paar Minuten Verspätung eintrifft, beginnt ein
Musikzug der Marinestandarte den Olympiamarsch zu spielen. Schäfer wird auf den
Schultern einiger Kameraden vom Zug durch den Bahnhof zum Königspavillon
getragen und dort geehrt.
Nach
Kriegsgefangenschaft ab in den Westen
"Gummi" Schäfer
beendet seine Karriere mit diesem Erfolg und arbeitet von da an voll als
Verwaltungsangestellter im Staatsdienst in Dresden. Eine Stelle, die ihm seit
1934 viel Zeit zum Training ließ, da er für das Olympiatraining großzügig
freigestellt wurde. Als Soldat im Krieg kehrte er 1947 aus russischer
Gefangenschaft in den Ostteil Berlins zurück.
Georg von Opel,
langjähriger Gegner und Wegbegleiter, half Schäfer schließlich bei der
Übersiedlung nach Westen, wo der Olympiasieger in Rüsselsheim und Frankfurt noch
als "Alter Herr" Rennen fuhr. Mit von Opel war er Mitbegründer der Deutschen
Olympischen Gesellschaft, die Spenden für die Olympiamannschaft für die
olympischen Spiele 1952 sammelte. Sein Berufsweg führte ihn über Wilhelmshaven
nach München, wo er auch a1s Trainer aktiv war.
Bei der Regatta der
Olympischen Spiele in München 1972 saß Schäfer als Ehrengast im Kreis vieler
alter Wegbegleiter auf der Tribüne. 1986, 50 Jahre nach seinem großen Sieg, ist
er mit den anderen lebenden Medaillengewinnern zu einer Feier nach Berlin
eingeladen. Obwohl er gesundheitlich angeschlagen ist, kommt er mit seiner Frau
nach Berlin. Da die DDR einen offiziellen Besuch in Grünau ablehnte, wurde über
den Landesruderverband Berlin ein privater Besuch organisiert. Essen in einem
Restaurant am Müggelsee, danach mit dem Dampfer zur Regattastrecke. Dort
schwelgen die Olympiahelden in Erinnerungen. Zurück im Westteil der Stadt gab es
abends nochmals Essen und ein geselliges Zusammensein im Berliner Ruder-Club.
Nicht nur für
"Gummi", der in seinem Dankesbrief mitteilt, erstmals seit 1939 wieder in Grünau
gewesen zu sein, blieb dieser Tag unvergesslich. Mannschaftskameraden wie Hans
Joachim Hannemann aus dem Achter wussten zu berichten, dass es Schäfers
sehnlichster Wunsch im Vorfeld dieser Veranstaltung war, dieses zu erleben.
1988 hatte Schäfer
mit Thomas Lange endlich seinen deutschen Nachfolger als Olympiasieger im Einer
gefunden. Er erlebt allerdings nicht mehr, dass sich Lange nicht an den Spruch
seines Trainers Cordery hielt: "They never came back."
Im November 1988
erhielt Gustav Schäfer für seine Verdienste bei der Gründung und dem Aufbau der
Deutschen Olympischen Gesellschaft das Bundesverdienstkreuz. Den Rudersport
verfolgte er bis zu seinem Lebensende am 10. Dezember 1991 in München. |