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Über Mitglieder des
RRK (2015/16)
Georg Otto |
Georg Otto anfangs des 21. Jahrhunderts
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Mitte des Jahres ist Schluss
Theatergruppe sechzig90 verliert Domizil in Taunusstraße
Von
Stephan A. Dudek (aus "Main-Spitze" vom 28.01.2016)
Mitte
des Jahres ist Schluss. Endgültig. Schon mehrfach schien die Rüsselsheimer
Kreativengruppe "sechzig90" ihr provisorisches Domizil in der Taunusstraße 11
verloren zu haben, aber diesmal wird es wirklich ernst. Oberbürgermeister,
Kulturdezernent, Kultursteuerer und "Kultur123" hatten sich dafür eingesetzt,
dass die früher von der Volkshochschule genutzten Werkstatträume möglichst lange
für die Theater-Projekte von "sechzig90" zur Verfügung standen. Doch nun ist in
Abstimmung mit der Gewobau das Ende der Fahnenstange erreicht. In ein paar
Wochen stehen die Theatermacher auf der Straße.
Niemand weiß, wie es weitergeht. Dabei könnte alles so schön sein. Das
vergangene Jahr verbrachten die Rüsselsheimer Theaterleute häufig in Gesprächs-
und Verhandlungsrunden, berichtet ihr Sprecher Georg Otto. Denn man hatte ihnen
die Werkstatthalle A1, im Altwerk direkt am Bahnhofsvorplatz gelegen, als
künftige Produktions- und Präsentationsfläche angeboten.
Theater in der Werkshalle A1?
Die
Gruppe hatte sofort Blut geleckt. Sie beurteilten die A1 als "tollen Raum", an
exponierter Stelle gelegen und seit Jahren als Kulturstätte in der Innenstadt
eingeführt. Mehrere Ortsbegehungen bestätigten ihre Begeisterung – und das
allerbeste: Der Eigentümer unterstützte die Idee eines Theaters in seinem
Altwerk.
Otto
und seine Mitstreiter entwickelten ein vielseitiges Konzept, das die A1 als
"offenen Produktionsort" beschrieb. Es sah vor, nicht nur die eigene Tätigkeit
zu verbreitern, sondern auch den Ort selbst zu entwickeln. Allein für die
Spielzeit 2016/17 sah das Papier 23 Veranstaltungen vor, die letztlich an 60
Abenden ein Programm für die Allgemeinheit geboten hätten.
Öffentliche Proben, Konzeptionsgespräche, Theateraufführungen, Kindertheater –
auch als Mitmachtheater in Kooperation mit Schulen und Kindergärten – sowie
Werkstattgespräche hatte sich "sechzig90" ausgedacht. Allein die
Werkstattgespräche hätten die Stadt kulturell bereichert, sollte dabei doch der
Erfahrungsaustausch mit erfolgreichen Rüsselsheimer Künstlern und
Kulturschaffenden, die die Stadt längst verlassen haben, gesucht werden. Michael
Riedel, Patrick Tauss oder auch Stephan Limbach sind Namen, die man präsentieren
wollte.
Kostenplanung sei anspruchsvoll, "aber lösbar"
Dann
kam es zur Kostenplanung, die Otto als anspruchsvoll, "aber lösbar" bezeichnete.
Der Besitzer des Altwerkes habe sich bereit erklärt, den Theaterleuten die Halle
allein gegen Erstattung der Betriebskosten plus einen geringen Aufschlag zu
überlassen. Allerdings hatte eine Begehung mit der Feuerwehr ergeben, dass aus
Gründen des Brandschutzes Umbauten nötig würden. Unter dem Strich stand am Ende
eine Forderung der Altwerkseigentümer in Höhe von 85.000 Euro. Gleichzeitig war
für die "sechzig90"-Aktiven klar, dass der gestiegene Aufwand nicht mehr nur
ehrenamtlich bestritten werden könnte. Sie schlugen die Schaffung einer halben
Stelle vor, insgesamt ein jährlicher Aufwand von 65.000 Euro.
Freilich: Beim Geld endete die bis dahin von allen Seiten geleistete,
wohlwollende Unterstützung. Niemand, so berichtet Otto heute, war bereit, das
Projekt – etwa im kommunalpolitischen Bereich – weiterhin argumentativ zu
unterstützen. Ottos Resümee kann einen gewissen Ärger kaum verhehlen: "Nach
einem Jahr Arbeit hatten wir nichts Fassbares in Händen." Allein Karin Krömer
vom "Kultur123"-Theaterbetrieb nimmt der "sechzig90"-Sprecher ausdrücklich von
seiner Kritik aus, denn sie habe sich immer wieder für die Gruppe stark gemacht,
wenn es um die Nutzung der Taunusstraße 11 gegangen sei.
Beste Reklame für die Stadt
Nun
droht "sechzig90" ein Dasein ohne festes Obdach. Dabei könnte die Gruppe gerade
jetzt einen Schub gebrauchen, meint Otto und zählt eine ganze Reihe von
Projekten auf: Die der Gruppe assoziierten Bühnenkünstler René Marik und This
Maag haben gerade ihre Solo-Programme in Rüsselsheim präsentiert; Marik hat in
der "sechzig90"-Produktion "Der einsame Westen" die Rolle des Pfarrers
übernommen und will sein nächstes Film-Projekt in Rüsselsheim über die Bühne
bringen; "Der einsame Westen" wird demnächst in Berlin aufgeführt; die
Beckett-Bearbeitung "Erlösung – Proben auf Godot, Teil 1" kommt demnächst bei
einem Festival in Schweden zur Aufführung; der kürzlich vorgestellte Troja-Film
tourt von Festival zu Festival, wird dabei auch beim renommierten "Sundance"-Festival
und bei den Festspielen in Toronto gezeigt. Zudem konnte
"sechzig90"-Schauspieler Holger Kraft, zurzeit am Theater in Bonn tätig, den
dort ebenfalls beschäftigten Autor Thomas Melle überzeugen, für eine
Stückentwicklung nach Rüsselsheim zu kommen.
Otto
verweist auf die positiven Rückmeldungen, die Rüsselsheimer Künstler – auch aus
anderen künstlerischen Sparten – bei ihren Gastspielen und Engagements außerhalb
erfahren. Die Aktivitäten in der Opelstadt seien landesweit in aller Munde, eine
bessere Werbung in eigener Sache könne sich Rüsselsheim eigentlich gar nicht
wünschen. Allein zu Hause falle die Unterstützung eher mäßig aus.
Theatermachern fehlt die Perspektive
Die
Theatergruppe "sechzig90" blickt einer ungewissen Zukunft entgegen. Wird nicht
schnell eine Lösung gefunden, fehlen den Künstlern bald die notwendigen Räume,
um ihr Angebot aufrecht zu erhalten.
Von
ROBIN GÖCKES (aus "Rüsselsheimer Echo" vom 20.11.2015)
Georg
Ansas Otto zuckt mit den Schultern und schaut ratlos. "Ich weiß auch nicht, wie
es weitergeht", sagt der Schauspieler und Architekt von der Theatergruppe
"sechzig90". Die bangt um ihre Zukunft – die bisherige Heimstatt des kreativen
Kollektivs in der Taunusstraße hat nämlich keine.
Das
Haus wird abgerissen, eigentlich sollte "sechzig90" bereits Ende dieses Jahres
ihre Räume verlassen. "Wir haben aber noch mal einen Aufschub bekommen. Bis
Mitte 2016 haben wir Zeit, um etwas Neues zu finden", berichtet Otto. Da hört es
mit den guten Neuigkeiten aber auch schon auf.
Altwerk wäre prädestiniert
In
Aussicht haben die Theatermacher derzeit nämlich keine neuen Räume. Im Gespräch
war zuletzt das Opel-Altwerk in der Innenstadt – was gut zu den Plänen der Stadt
passen würde, dort unter Umständen eine kulturelle Keimzelle anzusiedeln. "Und
die Räume wären auch wirklich phantastisch, prädestiniert für die Arbeit, die
wir leisten wollen." Zwei Begehungen habe es gegeben, finanziell sei eine
Ansiedlung im Altwerk aber nicht zu stemmen. "Wir haben jedenfalls nicht die
Ressourcen dafür."
Georg
Otto wirkt nicht resigniert, die Zukunftsaussichten fehlen dennoch. Und das
gerade in einer Phase, in der die Theatergruppe noch einmal einen ordentlichen
Sprung machen könnte. "Wir wollen transparent arbeiten, uns öffnen. Wir wollen
mit Kindern arbeiten, der Stadt etwas zurückgeben. Aber dafür bräuchten wir eben
auch einen öffentlichen, sichtbaren Ort, das wäre sehr wichtig."
Die
Stadt habe der Theatergruppe in der Vergangenheit stark geholfen. "Die
Unterstützung, gerade durch Kultur1 2 3, war bislang wirklich toll. Und durch
die Hilfe ist ein zartes Pflänzchen gewachsen, so dass wir jetzt in der Lage
wären, den nächsten Schritt zu gehen." Oder aber eine neue Form anzunehmen, wie
auch immer die aussehen könnte.
Rüsselsheim den Rücken zu kehren ist für die kreativen Köpfe keine wirkliche
Option. "Es gab Überlegungen, ob wir uns nicht mal bei Nachbargemeinden
umschauen sollten. Aber eigentlich glauben wir, dass das, was wir machen, nur in
diesem Biotop Rüsselsheim funktioniert."
Strahlkraft weit über Rüsselsheim hinaus
"Sechzig90" hat sich seit 2007 zu einer festen Institution der Kulturlandschaft
entwickelt. Und die Gruppe besitzt eine Strahlkraft weit über die Stadtgrenzen
hinaus. Produktionen, die in Rüsselsheim uraufgeführt werden, sind anschließend
auf Bühnen im ganze Land zu sehen. Die Schauspieler, Regisseure, Musiker,
Bühnenbildner und Filmemacher von "sechzig90" stammen mehrheitlich aus
Rüsselsheim, haben der Stadt aber meist für ihre Ausbildung den Rücken gekehrt.
Einige sind wieder ganz zurück gekommen, andere bleiben Rüsselsheim im
künstlerischen Austausch erhalten. "Wir haben alle eine ganz starke Bindung an
Rüsselsheim, die Stadt inspiriert uns", erklärt Otto. Im Kleinen ließen sich
viele große Fragen wiederentdecken.
Auch
wenn die aktuelle Unsicherheit die Arbeit erschwert, aufgeben wollen die
Theatermacher nicht. 2Bislang haben wir eine wirklich tolle Förderung genossen.
Jetzt könnten wir noch mal richtig Schwung aufnehmen." Zumindest, wenn man sie
nicht im Regen stehen lässt.
Einiges z ur
Vita von Georg Otto
Georg Otto
*23. August 1971 in Rüsselsheim
Schauspielausbildung
am der Lee-Strasberg-Institut New York
Seit 1999 lebt und
arbeitet er in Deutschland, Berlin als Basis November 2007
Abschluss Studium als Dipl.-Ing. der Architektur
Gewinner von 3
First-Step Awards in den Kategorien Bester Kurzfilm, Bester Film und Beste
Werbung Engagements in
tschechischen, französischen, portugiesischen und schwedischen Film- und
Theater-Produktionen Mitinitiator der
Manifestmaschine und Gründer der Arch-Jockeys Konzeption und Regie
Musikvideos für Viva 1998 erstes
Theaterstück wurde im New Yorker Marylin Monroe Theater uraufgeführt 2005 Ausstellung von
Videoarbeiten in Cottbus Mitbegründer Radio
K2R in Rüsselsheim Schauspieler bei
"schon geseh’n"
Hat im Rahmen seiner
Diplomarbeit Architektur- und Stadtplanungsvorschläge zum Opel-Umbau
erarbeitet |