Eine Tanke wie zu Opas Zeiten

Von Mirco Overländer (aus "Taunus-Zeitung" vom 27.06.2015)

Seit wenigen Wochen ist Bad Homburg um eine Attraktion reicher: In mühevoller Kleinarbeit hat ein emsiger Tüftler einen originalgetreuen Tankstellennachbau errichtet. Das Ergebnis gleicht einer Zeitreise in die Vergangenheit.

Wer den Hof der Central Garage im Niederstedter Weg 5 betritt, fühlt sich automatisch in die Gründerzeit der Bundesrepublik Deutschland zurückversetzt. Ganz gleich, wo man hinschaut: Auf Zapfsäulen, Fahrtenbüchern, Quittungsblöcken und sogar Aschenbechern prangt das markante rote Logo der Tankstellenkette Gasolin. Das Unternehmen verschwand zwar 1971 vom Markt, als es mit dem Aral-Konzern verschmolz. Doch Oldtimer-Freunden wie Fritz Schmidt jr. (51) ist Gasolin bis heute ein Begriff.

"Im Herbst 2013 habe ich das Tankstellenhäuschen bei einem Privatmann im Westerwald entdeckt", erzählt Schmidt junior vom Fund des Herzstücks seines Projekts. Das Tankwarthäuschen habe ziemlich verwahrlost in einem Garten gestanden und musste komplett restauriert werden. Dabei überließ "Motor-Fritz", wie der historisch bewanderte Tüftler sich selbst nennt, nichts dem Zufall und verwendete beim Nachbau der Tankstelle nebst angeschlossener Werkstatt sogar historische Schrauben und Lichtschalter. Die in der Werkstatt prangenden Emailleschilder wurden sogar eigens mit Unterlegscheiben aus Blei ausgestattet, damit die Schrauben den empfindlichen Belag nicht zum Platzen bringen.

Hunderte originalgetreue Exponate runden das liebevoll gestaltete Ensemble ab. Lediglich in einem Detail weicht der Nachbau von einer echten Tankstelle ab: Man kann hier nicht tanken. "Das bekommt man nicht genehmigt", bedauert Schmidt jr. und verweist auf die antiquierte Technik der Zapfhähne, die zeitgemäßen Sicherheitsstandards nicht entspricht.

Die Szene kennt sich

Nach seinem Sensationsfund im Westerwald schmiedete Schmidt jr. den Plan, eine möglichst originalgetreue Tankstelle nachzubauen. Auf der Suche nach einem Standort stieß er auf Dieter Dressel, den Besitzer der Central Garage. "Da hat der Schmidt sich selbst übertroffen", lobt Dressel die von ihm finanzierte Auftragsarbeit des Oldtimer-Fanatikers. Was der Tankstellennachbau gekostet hat, möchten die beiden nicht verraten. Doch die Investition habe sich schon jetzt gelohnt. Schließlich steigere die frei zugängliche Installation auch die Attraktivität von Dressels Oldtimermuseum.

Dass Fritz Schmidt jr. in relativ kurzer Zeit alle für den Tankstellennachbau benötigten Ausstellungsstücke beisammen hatte, ist insofern nicht verwunderlich, als der aus Rüsselsheim stammende Oldtimer-Experte seit fünf Jahren hauptberuflich seltene Artefakte der Automobilgeschichte aufspürt, restauriert und an Sammler weiterverkauft. In seiner Rüsselsheimer Werkstatt hat er einen beachtlichen Fundus zusammengetragen, aus dem Schmidt jr. nach Belieben bei der Verwirklichung seiner Projekte schöpfen kann.

Hobby wurde zum Beruf

"Ich bin in einer Bäckerei mit Originalausstattung aus den 50er Jahren groß geworden. Für seine Lieferungen hat mein Vater erst einen Opel Kapitän, später einen Rekord und dann einen Triumph gekauft", entsinnt sich Schmidt jr. an die Anfänge seiner Leidenschaft für historische Autos und Gebrauchsgegenstände.

Als seine Eltern ihre Bäckerei modernisieren und den "alten Krempel" entsorgen wollten, protestierte der Junior und sorgte dafür, dass zumindest die kostbarsten Einrichtungsgegenstände nicht auf dem Sperrmüll landeten. Beim ersten Oldtimertreffen "Veterama" habe er 1975 mit einem Opel aus der väterlichen Bäckerei teilgenommen. Über die Jahre hinweg führte eins zum anderen, so dass sich in Schmidts Leben inzwischen fast alles um das Sammeln, Restaurieren und Verkaufen historischer Autos und der dazugehörigen Gegenstände dreht. Zwei Bücher hat der passionierte Sammler bereits veröffentlicht, zudem betreibt er einen Oldtimer-Verleih und richtet für Kunden wie Dieter Dressel historische Ladengeschäfte, Werkstätten oder eben auch Tankstellen ein.