Das Interview
führte Martin Krieger (aus "Main-Spitze" vom 07.07.2018)
Das Wetter soll
genauso gut werden wie auf die Stunde genau vor 50 Jahren. Ein gutes Omen also
für die Helden des Rüsselsheimer RK, die sich an diesem Samstag um 10.30 Uhr in
der Festung aus einem ganz bestimmten Grund zum gemeinsamen Frühstück treffen.
Am 7. Juni 1968 war den zehn noch lebenden Hockeyspielern des Ruderklubs der
bislang größte Erfolg in der bis dato 60-jährigen Vereinsgeschichte gelungen.
Der 4:1-Sieg am Sommerdamm vor fast 5.000 Zuschauern gegen Schwarz-Weiß Köln
bedeutete die erste deutsche Meisterschaft.
Klar, dass dieses
besondere Ereignis im Mittelpunkt des von Fritz Schmidt organisierten
"Legendentreffens" stehen wird. Bis auf den in Australien lebenden Wolfram
Jirzik haben alle Helden im Alter von 69 bis 83 ihr Kommen zugesagt, wobei
Helmut Köhler aus Ludwigsburg die weiteste Anreise hat. Schmidt, damals 25 Jahre
alt und Spielertrainer, hat stellvertretend für seine Teamkollegen
zurückgeblickt.
Herr Schmidt,
wenn Sie sich an den 7. Juli 1968 erinnern, welche Bilder haben Sie spontan vor
Augen?
Die Kulisse – das
war wirklich sensationell. Und wir hatten echt Traumwetter. Hans Eisen, der
damals noch keine Funktion im Verein hatte, aber später Abteilungsleiter wurde,
hat extra eine Tribüne für 1.500 Leute organisiert. Das war das beste
Hockeyerlebnis und erfüllt mich auch heute noch mit Stolz. Ich meine auch, dass
die Stadt damals extra wegen uns die Verleihung des Silbernen Lorbeerblatts
eingeführt hat.
Was hat Sie
damals mehr überrascht, der finale 4:1-Sieg gegen Schwarz-Weiß Köln oder dass
fast 5.000 Zuschauer an den Sommerdamm gekommen waren?
Die unglaublich
vielen Zuschauer. Die Kölner Mannschaft habe ich gut gekannt und wusste, dass
wir realistische Chancen haben würden. Wir waren jünger und hatten einige
sensationelle Techniker in unseren Reihen. Und dass wir konditionell sehr stark
waren, haben wir in der letzten Gruppenphase gegen Titelverteidiger Gladbach,
Hamburg und Berlin bewiesen, denn da waren wir nach der Vorrunde noch Letzter.
Olympiasieger 1972: Für Fritz Schmidt
(rechts) sowie die RRK-Mitstreiter Rainer Seifert (links) und Peter Kraus
vier Jahre nach dem ersten DM-Triumph der "goldigste" Moment im
Hockey-Leben. |
Nach fünf
zweiten Plätzen war die Mannschaft 1968 erstmals Hessenmeister geworden, hatte
sich aber zum dritten Mal für die Endrunde qualifiziert. Hat zuvor das Quäntchen
Glück gefehlt oder war das Team einfach noch nicht so weit?
Wir waren vorher
nicht so weit, hatten ein deutlich älteres Team. Als ich 1966 das Training
übernommen hatte, haben wir vier Mal pro Woche trainiert und am Samstag noch
Strafecken geübt. Dass Bodo Schäfer und Hans Hermann von den Älteren das
deutlich erhöhte Pensum mitgezogen haben, hat mich am meisten gefreut. Dazu
hatten wir das Glück, dass 1967 fünf, sechs starke Spieler aus dem von Fritz
Schneider trainierten Nachwuchs rausgekommen sind, von denen drei
Jugend-Nationalspieler waren.
Sie waren damals
25 Jahre alt und seit annähernd zwei Jahren Spielertrainer. Was haben Sie noch
verändert, dass daraus insgesamt fünf Feld- und drei nationale Hallentitel
resultierten?
Als Nationalspieler
hatte ich die Möglichkeit, immer wieder im Leistungszentrum in Köln zu sein und
dort andere Trainingsmethoden kennenzulernen. Dazu habe ich etliche Bücher über
Trainingslehre gelesen und einiges von der Spielweise der Australier übernommen.
Grundlage von allem war die Kondition, wobei ich etliche Sonderläufe gemacht
habe, weil ich als Trainer ja nicht richtig mitmachen konnte. Dazu hatten wir
wirklich eine tolle Kameradschaft und haben super Reisen organisiert. Als Bäcker
habe ich oft gegen 11 Uhr Brötchen zum Opel gebracht, und da die halbe
Mannschaft dort gearbeitet hat, haben wir bei der Gelegenheit immer mal eine
Sitzung abgehalten.
Der Deutsche
Meister wurde bei Einführung der Bundesliga 1969 nicht berücksichtigt. Wie
empfanden Sie das beziehungsweise hat diese Abwertung den Ehrgeiz vielleicht
erst richtig angestachelt?
Wir waren
stocksauer damals und haben ja auch Protest eingelegt. Allerdings sind wir in
diesem Jahr kein Hessenmeister geworden. Unser Ehrgeiz war natürlich
angestachelt, und unser gemeinsames Ziel war, es allen zu zeigen. Wir haben dann
einen Durchmarsch hingelegt und gegen die Stuttgarter Kickers daheim den
Aufstieg gefeiert. Das erste Bundesligaspiel in Berlin haben wir 6:0 gewonnen,
sind anschließend die ganze Saison ungeschlagen geblieben und 1971 wieder
Meister geworden.
Neben Ihnen
gehörten Torwart Peter Kraus und Stürmer Rainer Seifert dem Nationalteam an, das
1972 in München die Goldmedaille gewann. Sind damit die drei entscheidenden
Männer der RRK-Glanzzeit genannt?
ZUR PERSON
Der gebürtige Mainzer Fritz Schmidt (75) spielte
bereits im Alter von 15,5 Jahren in der ersten RRK-Mannschaft und
debütierte 1963 im Nationalteam. Der Bäcker- und Konditormeister
führte den Ruderklub als Spielertrainer zu acht DM-Titeln, nahm an
drei Olympischen Spielen teil und gewann 1972 Gold. Der 146-malige
Nationalspieler lebt in Rüsselsheim, hat einen Sohn und eine Tochter
sowie zwei Enkel. |
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Auf keinen Fall.
Neben Rainer Seifert war auch Martin Müller ein feiner Techniker, und der Polo
Liebig hatte als Libero einen Mordsbums. Er hatte nur das Pech, mit dem
Heidelberger Michi Peter einen genialen Konkurrenten im Nationalteam vor sich zu
haben. Absolute Leistungsträger waren aber auch Wolfgang Beck und dann Alfred
Segner. Es sind in dieser Zeit ja einige fremde Spieler zu uns gekommen, aber
wenn die nicht besser waren, habe ich lieber eigene Leute eingesetzt.
Nach dem achten
Titel mit Ihnen als Spielertrainer 1979 in Eppelheim hat es 39 Jahre gedauert,
bis die RRK-Männer wieder den blauen Meisterwimpel bejubeln konnten. Hatten Sie
darauf überhaupt noch gehofft, und worin lag in Ihren Augen die lange Wartezeit
begründet?
Ich kann schlecht
sagen, woran das nach meiner Zeit genau gelegen hat. Aber ich muss auf meine
Kappe nehmen, dass ich nicht darauf geachtet habe, dass unsere besten Spieler
die Jugend trainiert haben und der Ausbildung insgesamt zu wenig Beachtung
geschenkt worden ist. Hoffnung, dass es noch mal zu einem DM-Titel reichen
könnte, hatte ich immer. Und 2008 in Hamburg, wo ich extra hingefahren bin,
hatten wir wirklich ein gutes Hallenteam mit sehr starken Spielern.
Heimspiele der
RRK-Teams locken seit langer Zeit selten mehr als 200 Zuschauer an. Was hat sich
im Vergleich zu 1968 geändert?
Das war damals eine
ganz andere Zeit. Es gab nicht viel anderes, und die Leute, die zum
Regionalliga-Fußball beim SC Opel gegangen sind, sind vorher auch zu uns
gekommen. Alles war euphorisiert, und nach dem ersten Titel hatten wir sogar
einen Fanclub. Trotz etlicher Goldmedaillen ist Hockey bei uns – im Gegensatz zu
Holland – immer Randsportart geblieben.
Vor wenigen
Tagen sind die Männer des Ruderklubs im Freien in die viertklassige Zweite
Regionalliga Südwest abgestiegen. Geht Ihnen das nahe?
Das ist eine
Katastrophe und tut schon ein bisschen weh. Und wenn man die finanziellen
Möglichkeiten anderer Klubs sieht, muss man ganz klar sagen, dass mehr als
Zweite Liga nicht mehr drin ist. Ich gucke aber immer noch gerne zu, denn durch
den Kunstrasen und etliche Regeländerungen ist das Spiel wesentlich schneller
geworden.
Die Deutschen Hockeymeister von 1968 im Jahr
2018, hinten Frieder Fleck, Rainer Seifert, Martin Müller, Fritz Schmidt und
Walter Leichtweiß sowie vorn Helmut Köhler, Michael Heuß, Bodo Schäfer und
Peter Kraus. |
Ihr
gleichnamiger Sohn ist seit gut einem Jahr RRK-Vorsitzender. Glauben Sie, dass
es ihm in dieser Funktion vergönnt sein wird, irgendwann einen deutschen
Meistertitel zu feiern?
Ich würde es ihm
wünschen, aber Chancen sehe ich, wenn überhaupt, nur im weiblichen Bereich –
wenn die mal ein wenig zusammenbleiben würden. Wenn man sieht, was der
Mannheimer HC seinen Aktiven alles bieten kann, dann wird es sehr schwer. Dass
mein Enkel Mark Hessenauswahl spielt und der jüngere Luis auch Talent zeigt,
freut mich natürlich sehr.
Von Marc Schüler
(aus "Main-Spitze" vom 10.07.2018)
Mit einer
Überraschung wartete der Vorsitzende der Hockey-Abteilung im Rüsselsheimer
Ruder-Klub 08 (RRK) am Samstagvormittag für die Mitglieder der
Meisterschaftsmannschaft 1968 auf. Ein gerahmtes Mannschaftsbild vom Endspiel
gegen Schwarz-Weiß Köln hatte Jürgen Kaul zum Treffen der RRK-Legenden in der
Rüsselsheimer Festung dabei, welches er den neun Rüsselsheimer Hockey-Meistern
stolz überreichte.
Vor 50 Jahren
feierten die Hockey-Legenden des RRK auf eigenem Platz durch ein 4:1 im Endspiel
gegen Schwarz-Weiß Köln ihre erste Deutsche Meisterschaft. Neun der zehn noch
lebenden Meister vom 7. Juli 1968 waren auf Initiative von Mannschaftskapitän
und Spielertrainer Fritz Schmidt ins Café der Festung zur gemeinsamen Feier
dieses Erfolgs gekommen. "Nur Wolfram Jirzik ist nicht hier, er hat aber eine
gute Entschuldigung. Er lebt in Australien und kommt erst im August nach
Deutschland", sagte Schmidt.
Heute wie damals
merkte man von Beginn an den Teamgeist und die Verbundenheit der Spieler. Es war
wie ein Wiedersehen von guten alten Freunden. "Wir waren damals keine Profis,
sondern haben aus Spaß am Sport zusammengespielt. Der RRK hatte auch gar nicht
die Möglichkeiten Spieler einzukaufen oder zu bezahlen", sagte Schmidt. "Ich
habe beispielsweise in einer Bäckerei gearbeitet und einige Mitspieler bei Opel.
Da ich um 11 Uhr immer die leeren Flaschen geholt habe, haben sie um 11 Uhr
Pause gemacht. Das waren unsere Teamsitzungen und Vorbesprechungen für das Spiel
am Wochenende."
In die
Meisterschaftsrunde zogen die Rüsselsheimer 1968 ein und waren in einer Gruppe
mit den Mannschaften aus Hamburg, Berlin und Mönchengladbach. "Dass wir uns für
die Meisterschaftsrunde qualifiziert hatten, war toll, doch zahlten wir zunächst
Lehrgeld. Nach drei von sechs Spielen lagen wir auf dem letzten Tabellenplatz",
sagte Schmidt. Wieso der RRK die drei Rückspiele gewann und ins Endspiel gegen
den anderen Gruppensieger Schwarz-Weiß Köln einzog, kann keiner der Akteure an
einem einzelnen Ereignis festmachen. "Wir haben in den ersten drei Spielen
gelernt, uns dabei verbessert und auf einmal lief es." Ein Glücksfall war es für
die Mannschaft des RRK, dass das Endspiel vom Verband nach Rüsselsheim vergeben
worden war. Das Team konnte den Heimvorteil nutzen – und vor 5.000 Zuschauern
die Meisterschaft erringen.
Für die RRK-Meister
von 1968 war die Meisterschaft ein Statement in Richtung Verband. Denn der
Meister von 1968 war nicht in die zur nächsten Saison neu eingeführte Bundesliga
berufen worden. "Wir stiegen dann ein Jahr später sofort auf", sagte Schmidt.
Für Rainer Seifert und Peter Kraus war die Meisterschaft der Türöffner zur
Nationalmannschaft. Sie gewannen zusammen mit ihrem Kapitän Fritz Schmidt 1972
die Goldmedaille bei den Olympischen Spielen in München.
"Dabei war für mich
überraschend, überhaupt so weit zu kommen", gibt Peter Kraus zu. Als gelernter
Fußballtorwart wechselte er nach einer Verletzung zum Hockey. Ganz unvorbelastet
war Kraus jedoch nicht, denn seine Mutter Wilhelmine war Teil der
RRK-Damenmannschaft, die im Jahr 1931 das erste Damenspiel des Vereins überhaupt
bestritt.