Rüsselsheimer Ruder-Klub 08 "Archiv und Chronik"

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Frédéric Brossier

Am Ende wird er zum „König von Deutschland“: Frédéric Brossier singt sich als Rio Reiser die Seele aus dem Leib und verausgabt sich komplett.

 

 

 

 

 

 

Die Wiederkehr des Rio Reiser im Schillertheater

Starker Abend über den berühmten Berliner: Die Uraufführung von "Rio Reiser - Mein Name ist Mensch" mit einem brillanten Frédéric Brossier.

Von Ulrike Borowczyk (aus "Beliner Morgenpost" am 07.10.2019)

Ein letztes Gespräch, ein zarter Kuss zum Adieu, während im Hintergrund leise Rio Reisers Lied "Übers Meer" a cappella angestimmt wird. Ein poetisches Liebes- und Abschiedslied. Ein Requiem für einen eigenwilligen, unangepassten Künstler.

Der spart sich eine dramatische Sterbeszene, sondern steigt einfach die Leiter hinauf. Weilt nicht mehr unter den Lebenden und sitzt auf seiner Wolke im "Junimond". Einer der schönsten und sicherlich der traurigste Song, den Rio Reiser je geschrieben hat. Nun singt er ihn, bevor der Vorhang endgültig fällt.

So nah an Reiser wie nie

Ein starker, berührender Moment an einem Theaterabend, der den legendären Sänger und Songwriter porträtiert und entsprechend vollgepackt ist mit denkwürdigen Szenen. Kein Wunder also, dass die Uraufführung von "Rio Reiser – Mein Name ist Mensch" in der Komödie am Kurfürstendamm im Schiller Theater mit einem fabelhaften Ensemble heftig umjubelt war.

Es ist nicht das erste Mal, dass die Achterbahn-Vita des Ausnahme-Musikers auf die Bühne gebracht wird. Doch diesmal ist die Inszenierung so nah an Rio Reiser dran wie nie, gibt so intime Einblicke in die fragile Künstlerseele, dass man sein Leben quasi im Zeitraffer miterlebt.

Reisers Bruder hat eng mitgearbeitet

Aber schließlich hat Regisseur Frank Leo Schröder das Schauspielmusical auch gemeinsam mit Gert C. Möbius geschrieben, dem älteren Bruder von Rio Reiser, der die privaten Seiten des Musikers kannte wie kaum jemand sonst.

Schröder hatte bereits 2017 "Rio Reiser. König von Deutschland" am Potsdamer Hans-Otto-Theater inszeniert. Bühnen- und Kostümbild von Matthias Müller hat er für die Berliner Aufführung übernommen, transportieren sie doch nachdrücklich den Zeitgeist, dem Reisers Songs entsprungen sind.

So entspinnt sich seine recht weit ausholende, chronologisch erzählte Lebensgeschichte vor hohen beigegrauen Wänden mit kleinem Guckkasten auf halbem Weg zum Bühnenhimmel. Kein trendiger Shabby Chic, sondern ein Raum in typisch schmuddeliger Waschbeton-Optik der 70-er. Mal als Konzerthalle, mal als Demo-Schauplatz zahlreicher linker Gruppierungen oder als Wohngemeinschaft genutzt.

Geboren 1950 in Berlin als Ralph Möbius, war Reiser schon in seiner Jugend ein Getriebener. Ein "tödlicher Beatles-Fan", wie er einmal sagte. Weil die Rolle ungeheuer kraftraubend ist, spielt Frédéric Brossier Reiser alternierend mit Philipp Butz. Tatsächlich verausgabt sich Brossier völlig, gibt diesen von der Musik Besessenen mit ungeheurer Wucht.

Zerrissenheit und Weltschmerz

Voller Adrenalin, aber auch sanft, dann wieder wegen einer Nichtigkeit ausrastend. Er überzeugt mimisch und gesanglich. Singt sich die Seele aus dem Leib. Dabei versucht er erst gar nicht, Rio Reiser nachzuahmen. Und trifft seinen Ton haargenau. Die innere Zerrissenheit, den Weltschmerz.

Am Anfang stehen natürlich die unsterblichen Songs von Ton Steine Scherben. Sie machen 1970 erstmals Rockmusik mit deutschen Texten, die funktioniert. Volksmusik mit politisch einfachen Botschaften. Wie "Macht kaputt, was euch kaputt macht" oder "Keine Macht für Niemand". Dafür werden die Scherben, wie sie kurz genannt werden, zunehmend von Gruppen aus dem gesamten linksalternativen Spektrum vereinnahmt. Die Bühnenband schrammelt sich dabei nicht einfach lautstark durch die Songs, wie weiland die Scherben. Juan Garcia hat als Musikalischer Leiter für heutige Arrangements gesorgt. Mit einem gradlinigen Rocksound, der so perfekt rüberkommt, dass man sich in einem echten Scherben-Konzert wähnt.

Weil sie genug davon haben, Sprachrohr der linken Szene zu sein, fliehen die Scherben Mitte der 70-er förmlich aus Berlin und ziehen auf einen Bauernhof in Nordfriesland. Wollen nicht nur Musikerkollektiv sein, sondern auch alternative Wohngemeinschaft. Die an unterschiedlichen Vorstellungen scheitert.

Philip Butz (li.) und Frédéric Brossier spielen im Schiller-Theater den Polit-Rocker Rio Reiser.

Die Scherben zerfallen zu Scherben

Letztlich löst sich die Band 1985 auf, weil sie mit 300.000 Mark in den Miesen steht. Und weil Rio Reiser als kreatives Mastermind andere Wege gehen will.

Trotz kleiner Längen, die durchaus verschmerzbar sind, ist der Abend stets unterhaltsam. Verwebt die Aufführung doch Biographie und Zeitgeschehen geschickt mit der Musik. Persönlichkeiten wie die spätere Grünen-Politikerin Claudia Roth als letzte Managerin der Scherben sind zudem amüsante Sidekicks.

Später, als Rio auf Solopfaden wandelt, läuft ihm noch Marianne Rosenberg über den Weg. Sie wird eiskalt erwischt von Reisers Homosexualität, die er seinerzeit lange nicht öffentlich leben kann. 1986 kommt mit dem Hit "König von Deutschland" sein ersehnter Erfolg. Scherben-Fans werfen Rio Reiser aber künstlerischen Verrat vor. Er selbst wird von Selbstzweifeln und öffentlicher Kritik regelrecht zermürbt, stirbt überraschend mit nur 46 Jahren.

Dass er sich mit seinem Werk als Sänger und Songwriter einen ewigen Platz im Gedächtnis der Nation erspielt hat, beweisen seine Lieder. Sie inspirieren und hallen auch über 20 Jahre nach seinem Tod noch nach. Der Abend klingt mit seiner schönsten Ballade "Für immer und dich" so stark aus, wie er begann.


Im Schiller-Theater Rio Reiser im Doppelpack

Von Norbert Koch-Klaucke (aus "Berliner Kurier" vom 05.10.2019)

Er war einzigartig. Rio Reiser (1950–1996), der mit der Band Ton Steine Scherben und Songs wie "Macht kaputt, was euch kaputt macht" die Hausbesetzer-Szene in West-Berlin begeisterte, in den 80ern als "König von Deutschland" herrschte. Nun wird an sein Leben erinnert. Im Schauspiel-Musical "Rio Reiser – Mein Name ist Mensch", das die Komödie am Kurfürstendamm vom 6. Oktober bis 3. November im Schiller-Theater zeigt. Da gibt es Rio Reiser gleich doppelt: Der KURIER traf Frédéric Brossier (27, "SOKO Wismar") und Philip Butz (31, "Fuck ju Göthe 3") zum Interview, die den Kult-Rocker im Stück abwechselnd spielen.

Wussten Sie vor dem Stück, wer Rio Reiser war?

Butz: Nur ein wenig. Rio ist ja 1996 im Alter von 46 Jahren gestorben. So konnte ich von seiner Solokarriere und seinen Hits wie "Junimond" noch etwas mitbekommen.

Brossier: Eigentlich gar nicht. Ich wuchs in Hessen auf, bei meinen  deutsch-französischem Eltern spielte seine Musik  kaum eine  Rolle. Außerdem war ich ja gerade erst vier Jahre alt, als er starb. Die Lieder "Junimond" und "König von Deutschland" sind dann doch zu mir durchgedrungen, allerdings konnte ich sie nicht direkt mit dem Künstler Rio Reiser in Verbindung bringen. Erst aus dem Rio-Stück, das vor zwei Jahren im Potsdamer "Hans-Otto-Theater" Premiere feierte und in dem ich seinen engen Freund Lanrue spielte, konnte ich die Brücke schlagen.

In der Rio-Kulisse spricht KURIER-Reporter Norbert Koch-Klaucke mit Frédéric Brossier (li.) und Philip Butz (Mi.). Die Whiskey-Flasche auf dem Tisch gehört zur Dekoration des Bühnenbildes.

Da kennen Sie ja das Stück. Ist das ein Vorteil?

Brossier: Nicht wirklich. Für Berlin gibt es eine Neufassung, die Frank Leo Schröder mit Rios Bruder, Gert C. Möbius, geschrieben hat. Es wird mehr aus  der West-Berliner Hausbesetzer-Zeit, über die "Scherben" und  über sein Privatleben erzählt. Das geht es schon mit der  Kindheit los, als Rio seine erste Beatles-Platte in der Hand hielt. Oder, wie Rio mit seiner Homosexualität umging.

Was reizt Sie daran, Rio zu spielen?

Butz: Ein Grund war, so über  ihn  mehr zu erfahren. Wenn ich den Namen Rio Reiser höre, denke ich zuerst an den Sänger und nicht  sofort an "Ton, Steine, Scherben", an die 68er-Zeit und dem damaligen politischen Aufruhr, dass Rio  eine der Symbolfiguren jener Epoche war. Die "Scherben" waren überhaupt eine der ersten Bands, die deutsche Songs  als Politsongs spielten. Einfache Lieder, die Menschen ansprachen. Lieder, die teilweise wie Parolen waren und mit denen man zum Protest  auf die Straße ging ...

Brossier: ... dieses als Rio darzustellen, sehe ich als spannende Aufgabe. Ich empfinde seine und die Musik der "Scherben" so beeindruckend, weil sie fast immer eine politische Haltung vertritt. Eigentlich schade, dass es heute solche Politrocksongs nicht mehr so gibt. Aber vielleicht höre ich ja zur Zeit die falsche Musik (lacht).

Wäre denn Rio Reiser noch heute aktuell?

Butz: Es gibt tatsächlich so manche Liedzeilen von ihm, die genau das ansprechen, wofür heute junge Leute der "Fridays For Future"-Bewegung auf die Straße gehen.

Werden Sie die Songs auf der Bühne auch wie Rio Reiser singen?

Butz: Zu Beginn der Vorbereitung habe ich sehr nah an Rio gesungen, um ihn und seine Energie zu spüren. Danach probierte ich  meine Interpretation. Im Stück kommt beides zusammen. Es ist viel Philip in der Stimme, aber auch viel Rio. Ich hoffe, dass es funktioniert.

Brossier: Wir wollen keine Imitation machen. Ich denke, die Zuschauer werden auch mitziehen, wenn die Stimme nicht 1:1 Rio Reiser ist.

Ist es einfach, Rio Reiser darzustellen?

Bossier: Für mich ist es eine Mammutaufgabe. Ich bin ja erst kurzfristig dazugekommen, weil der ursprüngliche Darsteller, Hans Gurbig, an einer Kehlkopfentzündung erkrankte. Proben und Text lernen – das geht bis zwei Uhr nachts. Ich lerne ja nicht nur Rios Passagen, sondern auch die Texte von drei Nebenrollen, in denen ich, wie auch Phil, auf der Bühne zu sehen sein werde.

Butz: Ich konnte mich dagegen seit Mai auf die Rolle vorbereiten, Rios Biografie lesen, viel Filmmaterial über ihn zu sichten. Zum Glück wechseln wir uns jeden zweiten Tag als Rio ab. Denn das Stück wird ja fast täglich gespielt. Wenn man da jeden Abend als Rio die etwa 25 Lieder auf der Bühne bringt, ist die Stimme schnell ausgepowert.

Kommen in dem Stück, das Rio Reisers Leben bis zu seinem Tod erzählt, auch seine Auftritte vor, die er 1988 in der DDR hatte?

Butz: Sie werden im Stück auftauchen. Auch seine Mitgliedschaft in der SED-Nachfolgepartei PDS wird angesprochen. Rio wollte nach dem Mauerfall mit seinen Ideen etwas in der DDR bewegen.

Optisch sehen Sie beide ja nun gar nicht wie Rio Reiser aus.

Butz: Warten Sie mal, wenn wir erst auf der Bühne stehen. (lacht)

Brossier: Mit Perücke und in den Kostümen sehen wir dann schon mehr wie Rio aus. Aber nur fast. Denn wie gesagt, wir wollen ja keine Imitation sein.


Frédéric Brossier

Aus "https://www.komoedie-berlin.de"

... wurde 1992 in Frankfurt am Main geboren und wuchs in Rüsselsheim auf. Erste Schauspielerfahrungen sammelte er im "Jungen Ensemble" des dortigen Theaters. 2012 bis 2016 studierte er Schauspiel an der Hochschule für Musik, Theater und Medien in Hannover. 2013 erhielt er das Förderstipendium für junge Künstlerinnen und Künstler der Stadt Rüsselsheim und 2015/2016 das Deutschlandstipendium. Bereits während seines Studiums war er in Inszenierungen am Studiotheater Hannover, am Oldenburgischen Staatstheater und am Theater Lüneburg zu sehen. Darüber hinaus arbeitete Frédéric Brossier für verschiedene Fernsehproduktionen. Von 2016 bis 2018 war er festes Ensemblemitglied am Hans Otto Theater, wo er unter anderem Demetrius in "Ein Sommernachstraum", den Sultan Saladin in "Nathan der Weise" und Driss in "Ziemlich beste Freunde" spielte. 2017 übernahm er in Frank Leo Schröders Inszenierung "Rio Reiser. König von Deutschland." die Rolle des Gitarristen R.P.S. Lanrue. In Berlin steht er nun als Rio Reiser auf der Bühne.

2018 war Brossier in der ZDF-Serie "SOKO Wismar" erstmals in einer Fernsehrolle zu sehen. Brossier, der neben der deutschen auch die französische Staatsangehörigkeit hat und zweisprachig aufgewachsen ist, lebt in Berlin.