|
Über Mitglieder des
RRK (2019)
Frédéric Brossier |
![](bilder/fredbross19a.jpg)
Am Ende wird er zum „König von
Deutschland“: Frédéric Brossier singt sich als Rio Reiser die Seele aus dem
Leib und verausgabt sich komplett. |
Die Wiederkehr des Rio Reiser im Schillertheater
Starker Abend über den berühmten Berliner: Die Uraufführung von "Rio Reiser -
Mein Name ist Mensch" mit einem brillanten Frédéric Brossier.
Von Ulrike
Borowczyk (aus "Beliner Morgenpost" am 07.10.2019)
Ein letztes
Gespräch, ein zarter Kuss zum Adieu, während im Hintergrund leise Rio Reisers
Lied "Übers Meer" a cappella angestimmt wird. Ein poetisches Liebes- und
Abschiedslied. Ein Requiem für einen eigenwilligen, unangepassten Künstler.
Der spart sich eine
dramatische Sterbeszene, sondern steigt einfach die Leiter hinauf. Weilt nicht
mehr unter den Lebenden und sitzt auf seiner Wolke im "Junimond". Einer der
schönsten und sicherlich der traurigste Song, den Rio Reiser je geschrieben hat.
Nun singt er ihn, bevor der Vorhang endgültig fällt.
So nah an Reiser
wie nie
Ein starker,
berührender Moment an einem Theaterabend, der den legendären Sänger und
Songwriter porträtiert und entsprechend vollgepackt ist mit denkwürdigen Szenen.
Kein Wunder also, dass die Uraufführung von "Rio Reiser – Mein Name ist Mensch"
in der Komödie am Kurfürstendamm im Schiller Theater mit einem fabelhaften
Ensemble heftig umjubelt war.
Es ist nicht das
erste Mal, dass die Achterbahn-Vita des Ausnahme-Musikers auf die Bühne gebracht
wird. Doch diesmal ist die Inszenierung so nah an Rio Reiser dran wie nie, gibt
so intime Einblicke in die fragile Künstlerseele, dass man sein Leben quasi im
Zeitraffer miterlebt.
Reisers Bruder
hat eng mitgearbeitet
Aber schließlich
hat Regisseur Frank Leo Schröder das Schauspielmusical auch gemeinsam mit Gert
C. Möbius geschrieben, dem älteren Bruder von Rio Reiser, der die privaten
Seiten des Musikers kannte wie kaum jemand sonst.
Schröder hatte
bereits 2017 "Rio Reiser. König von Deutschland" am Potsdamer Hans-Otto-Theater
inszeniert. Bühnen- und Kostümbild von Matthias Müller hat er für die Berliner
Aufführung übernommen, transportieren sie doch nachdrücklich den Zeitgeist, dem
Reisers Songs entsprungen sind.
So entspinnt sich
seine recht weit ausholende, chronologisch erzählte Lebensgeschichte vor hohen
beigegrauen Wänden mit kleinem Guckkasten auf halbem Weg zum Bühnenhimmel. Kein
trendiger Shabby Chic, sondern ein Raum in typisch schmuddeliger
Waschbeton-Optik der 70-er. Mal als Konzerthalle, mal als Demo-Schauplatz
zahlreicher linker Gruppierungen oder als Wohngemeinschaft genutzt.
Geboren 1950 in
Berlin als Ralph Möbius, war Reiser schon in seiner Jugend ein Getriebener. Ein
"tödlicher Beatles-Fan", wie er einmal sagte. Weil die Rolle ungeheuer
kraftraubend ist, spielt Frédéric Brossier Reiser alternierend mit Philipp Butz.
Tatsächlich verausgabt sich Brossier völlig, gibt diesen von der Musik
Besessenen mit ungeheurer Wucht.
Zerrissenheit
und Weltschmerz
Voller Adrenalin,
aber auch sanft, dann wieder wegen einer Nichtigkeit ausrastend. Er überzeugt
mimisch und gesanglich. Singt sich die Seele aus dem Leib. Dabei versucht er
erst gar nicht, Rio Reiser nachzuahmen. Und trifft seinen Ton haargenau. Die
innere Zerrissenheit, den Weltschmerz.
Am Anfang stehen
natürlich die unsterblichen Songs von Ton Steine Scherben. Sie machen 1970
erstmals Rockmusik mit deutschen Texten, die funktioniert. Volksmusik mit
politisch einfachen Botschaften. Wie "Macht kaputt, was euch kaputt macht" oder
"Keine Macht für Niemand". Dafür werden die Scherben, wie sie kurz genannt
werden, zunehmend von Gruppen aus dem gesamten linksalternativen Spektrum
vereinnahmt. Die Bühnenband schrammelt sich dabei nicht einfach lautstark durch
die Songs, wie weiland die Scherben. Juan Garcia hat als Musikalischer Leiter
für heutige Arrangements gesorgt. Mit einem gradlinigen Rocksound, der so
perfekt rüberkommt, dass man sich in einem echten Scherben-Konzert wähnt.
Weil sie genug
davon haben, Sprachrohr der linken Szene zu sein, fliehen die Scherben Mitte der
70-er förmlich aus Berlin und ziehen auf einen Bauernhof in Nordfriesland.
Wollen nicht nur Musikerkollektiv sein, sondern auch alternative
Wohngemeinschaft. Die an unterschiedlichen Vorstellungen scheitert.
![](bilder/fredbross19b.jpg)
Philip Butz (li.) und Frédéric Brossier spielen im Schiller-Theater den
Polit-Rocker Rio Reiser. |
Die Scherben
zerfallen zu Scherben
Letztlich löst sich
die Band 1985 auf, weil sie mit 300.000 Mark in den Miesen steht. Und weil Rio
Reiser als kreatives Mastermind andere Wege gehen will.
Trotz kleiner
Längen, die durchaus verschmerzbar sind, ist der Abend stets unterhaltsam.
Verwebt die Aufführung doch Biographie und Zeitgeschehen geschickt mit der
Musik. Persönlichkeiten wie die spätere Grünen-Politikerin Claudia Roth als
letzte Managerin der Scherben sind zudem amüsante Sidekicks.
Später, als Rio auf
Solopfaden wandelt, läuft ihm noch Marianne Rosenberg über den Weg. Sie wird
eiskalt erwischt von Reisers Homosexualität, die er seinerzeit lange nicht
öffentlich leben kann. 1986 kommt mit dem Hit "König von Deutschland" sein
ersehnter Erfolg. Scherben-Fans werfen Rio Reiser aber künstlerischen Verrat
vor. Er selbst wird von Selbstzweifeln und öffentlicher Kritik regelrecht
zermürbt, stirbt überraschend mit nur 46 Jahren.
Dass er sich mit
seinem Werk als Sänger und Songwriter einen ewigen Platz im Gedächtnis der
Nation erspielt hat, beweisen seine Lieder. Sie inspirieren und hallen auch über
20 Jahre nach seinem Tod noch nach. Der Abend klingt mit seiner schönsten
Ballade "Für immer und dich" so stark aus, wie er begann.
Im
Schiller-Theater Rio Reiser im Doppelpack
Von Norbert
Koch-Klaucke (aus "Berliner Kurier" vom 05.10.2019)
Er war einzigartig.
Rio Reiser (1950–1996), der mit der Band Ton Steine Scherben und Songs wie
"Macht kaputt, was euch kaputt macht" die Hausbesetzer-Szene in West-Berlin
begeisterte, in den 80ern als "König von Deutschland" herrschte. Nun wird an
sein Leben erinnert. Im Schauspiel-Musical "Rio Reiser – Mein Name ist Mensch",
das die Komödie am Kurfürstendamm vom 6. Oktober bis 3. November im
Schiller-Theater zeigt. Da gibt es Rio Reiser gleich doppelt: Der KURIER traf
Frédéric Brossier (27, "SOKO Wismar") und Philip Butz (31, "Fuck ju Göthe 3")
zum Interview, die den Kult-Rocker im Stück abwechselnd spielen.
Wussten Sie vor
dem Stück, wer Rio Reiser war?
Butz: Nur ein
wenig. Rio ist ja 1996 im Alter von 46 Jahren gestorben. So
konnte ich von seiner Solokarriere und seinen Hits wie "Junimond" noch etwas
mitbekommen.
Brossier:
Eigentlich gar nicht. Ich wuchs in Hessen auf, bei meinen deutsch-französischem
Eltern spielte seine Musik kaum eine Rolle. Außerdem war ich ja gerade erst
vier Jahre alt, als er starb. Die Lieder "Junimond" und "König von Deutschland"
sind dann doch zu mir durchgedrungen, allerdings konnte ich sie nicht direkt mit
dem Künstler Rio Reiser in Verbindung bringen. Erst aus dem Rio-Stück, das vor
zwei Jahren im Potsdamer "Hans-Otto-Theater" Premiere feierte und in dem ich
seinen engen Freund Lanrue spielte, konnte ich die Brücke schlagen.
![](bilder/fredbross19c.jpg)
In der Rio-Kulisse spricht KURIER-Reporter
Norbert Koch-Klaucke mit Frédéric Brossier (li.) und Philip Butz (Mi.). Die
Whiskey-Flasche auf dem Tisch gehört zur Dekoration des Bühnenbildes. |
Da kennen Sie ja
das Stück. Ist das ein Vorteil?
Brossier: Nicht
wirklich. Für Berlin gibt es eine Neufassung, die Frank Leo Schröder mit Rios
Bruder, Gert C. Möbius, geschrieben hat. Es wird mehr aus der West-Berliner
Hausbesetzer-Zeit, über die "Scherben" und über sein Privatleben erzählt. Das
geht es schon mit der Kindheit los, als Rio seine erste Beatles-Platte in der
Hand hielt. Oder, wie Rio mit seiner Homosexualität umging.
Was reizt Sie
daran, Rio zu spielen?
Butz: Ein Grund
war, so über ihn mehr zu erfahren. Wenn ich den Namen Rio Reiser höre, denke
ich zuerst an den Sänger und nicht sofort an "Ton, Steine, Scherben", an die
68er-Zeit und dem damaligen politischen Aufruhr, dass Rio eine der
Symbolfiguren jener Epoche war. Die "Scherben" waren überhaupt eine der ersten
Bands, die deutsche Songs als Politsongs spielten. Einfache Lieder, die
Menschen ansprachen. Lieder, die teilweise wie Parolen waren und mit denen man
zum Protest auf die Straße ging ...
Brossier: ...
dieses als Rio darzustellen, sehe ich als spannende Aufgabe. Ich empfinde seine
und die Musik der "Scherben" so beeindruckend, weil sie fast immer eine
politische Haltung vertritt. Eigentlich schade, dass es heute solche
Politrocksongs nicht mehr so gibt. Aber vielleicht höre ich ja zur Zeit die
falsche Musik (lacht).
Wäre denn Rio
Reiser noch heute aktuell?
Butz: Es gibt
tatsächlich so manche Liedzeilen von ihm, die genau das ansprechen, wofür heute
junge Leute der "Fridays For Future"-Bewegung auf die Straße gehen.
Werden Sie die
Songs auf der Bühne auch wie Rio Reiser singen?
Butz: Zu Beginn der
Vorbereitung habe ich sehr nah an Rio gesungen, um ihn und seine Energie zu
spüren. Danach probierte ich meine Interpretation. Im Stück kommt beides
zusammen. Es ist viel Philip in der Stimme, aber auch viel Rio. Ich hoffe, dass
es funktioniert.
Brossier: Wir
wollen keine Imitation machen. Ich denke, die Zuschauer werden auch mitziehen,
wenn die Stimme nicht 1:1 Rio Reiser ist.
Ist es einfach,
Rio Reiser darzustellen?
Bossier: Für mich
ist es eine Mammutaufgabe. Ich bin ja erst kurzfristig dazugekommen, weil der
ursprüngliche Darsteller, Hans Gurbig, an einer Kehlkopfentzündung erkrankte.
Proben und Text lernen – das geht bis zwei Uhr nachts. Ich lerne ja nicht nur
Rios Passagen, sondern auch die Texte von drei Nebenrollen, in denen ich, wie
auch Phil, auf der Bühne zu sehen sein werde.
Butz: Ich konnte
mich dagegen seit Mai auf die Rolle vorbereiten, Rios Biografie lesen, viel
Filmmaterial über ihn zu sichten. Zum Glück wechseln wir uns jeden zweiten Tag
als Rio ab. Denn das Stück wird ja fast täglich gespielt. Wenn man da jeden
Abend als Rio die etwa 25 Lieder auf der Bühne bringt, ist die Stimme schnell
ausgepowert.
Kommen in dem Stück, das Rio Reisers Leben bis zu seinem Tod erzählt, auch seine Auftritte
vor, die er 1988 in der DDR hatte?
Butz: Sie werden im
Stück auftauchen. Auch seine Mitgliedschaft in der SED-Nachfolgepartei PDS wird
angesprochen. Rio wollte nach dem Mauerfall mit seinen Ideen etwas in der DDR
bewegen.
Optisch sehen
Sie beide ja nun gar nicht wie Rio Reiser aus.
Butz: Warten Sie
mal, wenn wir erst auf der Bühne stehen. (lacht)
Brossier: Mit
Perücke und in den Kostümen sehen wir dann schon mehr wie Rio aus. Aber nur
fast. Denn wie gesagt, wir wollen ja keine Imitation sein.
Frédéric
Brossier
Aus "https://www.komoedie-berlin.de"
... wurde 1992 in
Frankfurt am Main geboren und wuchs in Rüsselsheim auf. Erste
Schauspielerfahrungen sammelte er im "Jungen Ensemble" des dortigen Theaters.
2012 bis 2016 studierte er Schauspiel an der Hochschule für Musik, Theater und
Medien in Hannover. 2013 erhielt er das Förderstipendium für junge Künstlerinnen
und Künstler der Stadt Rüsselsheim und 2015/2016 das Deutschlandstipendium.
Bereits während seines Studiums war er in Inszenierungen am Studiotheater
Hannover, am Oldenburgischen Staatstheater und am Theater Lüneburg zu sehen.
Darüber hinaus arbeitete Frédéric Brossier für verschiedene Fernsehproduktionen.
Von 2016 bis 2018 war er festes Ensemblemitglied am Hans Otto Theater, wo er
unter anderem Demetrius in "Ein Sommernachstraum", den Sultan Saladin in "Nathan
der Weise" und Driss in "Ziemlich beste Freunde" spielte. 2017 übernahm er in
Frank Leo Schröders Inszenierung "Rio Reiser. König von Deutschland." die Rolle
des Gitarristen R.P.S. Lanrue. In Berlin steht er nun als Rio Reiser auf der
Bühne.
2018 war Brossier
in der ZDF-Serie "SOKO Wismar" erstmals in einer Fernsehrolle zu sehen. Brossier,
der neben der deutschen auch die französische Staatsangehörigkeit hat und
zweisprachig aufgewachsen ist, lebt in Berlin. |