Von Sarah Kugler
(aus "Potsdamer Neueste Nachrichten" vom 15.07.2016)
Für den Intendanten
Tobias Wellemeyer war es ein klarer Fall: Frédéric Brossier wird einer der
drei Neuen am Hans Otto Theater (HOT). Die unglaubliche Strahlkraft und sein
guter Blick für gesellschaftliche Themen überzeugte die Jury sofort. Beim
Vorsprechen im November vergangenen Jahres nahm Brossier seine Zuschauer so
gefangen, dass Wellemeyer noch am Mittwochabend einen verklärten Blick bekam,
als er davon erzählte.
Gemeinsam mit
Wellemeyer, der Chefdramaturgin Ute Scharfenberg sowie den Darstellerinnen Denia
Nironen und Leonie Rainer war Brossier gestern im Thalia-Kino zu Gast, um über
die Ausbildung zum und die Arbeit als Schauspieler zu sprechen. Anlass war die
Vorführung des Dokumentarfilms "Die Prüfung" von Regisseur Till Harms, der vorab
gezeigt wurde. Er erzählt vom Ablauf der Aufnahmeprüfung an der Hochschule für
Musik, Theater und Medien Hannover (HMTMH) – einen Prozess, den alle drei
anwesenden HOT-Schauspieler durchlaufen haben."Für mich war das damals mein
erstes Vorsprechen, das war alles sehr neu und aufregend", erinnerte sich
Brossier, der in dieser Spielzeit am HOT bereits in Shakespeares "Ein
Sommernachtstraum" als Demetrius seinen Einstand gab. Dabei bewies er, dass er
musikalisches Talent besitzt – eine Stärke, die ihm sowohl in Hannover als auch
beim Vorsprechen am HOT zugutekam. "Auf einmal hat er seine Haare aufgemacht und
angefangen Gitarre zu spielen und wir waren alle hin und weg", schwärmte
Wellemeyer lachend.
Im Potsdamer
Theater, das mit Musical-Produktionen wie "La Cage aux Folles" oder "My Fair
Lady" schon mehr als einmal die musikalische Seite seines Ensembles gezeigt hat,
fühlt sich Brossier sehr wohl. Es habe sich bewusst für das HOT entschieden,
obwohl er auch nach Celle oder Lüneburg hätte gehen können. "Ich finde es toll,
dass das Theater nicht vor großen Stoffen wie Hamlet zurückschreckt, sich aber
trotzdem auch modernen Stücken widmet", so Brossier, der ursprünglich aus
Rüsselsheim bei Frankfurt am Main kommt. Außerdem gebe es wenig feste
Regisseure, was die Arbeit sehr abwechslungsreich und spannend mache. "Ich
möchte im Moment so viel wie möglich ausprobieren und jede Erfahrung mitnehmen –
wenn ich dabei auch mal in einem Musikstück mitwirken darf, umso besser", sagte
er. In der nächsten Spielzeit wird der 24-Jährige unter anderem in dem Stück
"Die Wiedervereinigung der beiden Koreas" von Joël Pommerat zu sehen sein, in
dem in 15 Szenen verschiedene Liebesbeziehungen thematisiert werden. Auch eine
seiner bevorzugten Figuren durchlebt eine der ganz großen Romanzen der
Theaterwelt: "Ich würde unglaublich gerne mal den Ferdinand aus Schillers
'Kabale und Liebe' spielen", so Brossier, der nicht nur in Potsdam spielt,
sondern auch hier lebt. "Der hat emotional eine riesige Fallhöhe und Schiller
hat sprachlich eh die schönsten Stücke geschrieben."