Von Uli Meyer
(aus "Deutsche Hockey Zeitung" vom 21 Juni 1996)
Eva Hagenbäumer
bestreitet in den nächsten Wochen ihre zweiten Olympischen Spiele. Diesmal will
sie mehr Anteil am Geschehen auf dem Spielfeld haben als noch vor vier Jahren.
Augen zu, und
durch! Die letzte Zeit hatte etwas Masochistisches an sich. 19 Hockeyspiele in
vier Wochen. Erst Bundesliga, dann Europacup, anschließend zur
Nationalmannschaft nach Madrid, wieder zurück sofort im Pokal tätig, dann zwei
Länderspiele gegen Australien und schließlich das Vier-Nationen-Turnier in
England. Jeweils garniert mit täglichem individuellen Training und zahlreichen
Übungseinheiten im Nationalkader. Der Körper arbeitet auf Hochtouren. Aber sie
will nicht jammern, akzeptiert das vorgegebene Programm klaglos.
Eva Hagenbäumer
befindet sich im Endspurt ihrer internationalen Karriere. Atlanta soll der große
Schlussakt sein. Dafür wird noch einmal alles andere zurückgestellt. "Der Eva
fehlt noch was in ihrer Laufbahn", erklärt sich Trainer Berti Rauth den finalen
Ehrgeiz Hagenbäumers.
Die jetzt
29-Jährige vom Deutschen Feldmeister Rüsselsheimer RK war in den vergangenen
vier Jahren die Seniorin der deutschen Damen-Nationalmannschaft. "Jetzt ist Susi
Wollschläger wieder da", sagt Eva leicht grinsend, als ob es etwas
Erleichterndes ist, dieses Merkmal an die reaktivierte Duisburger Torhüterin
(31) abgeben zu können.
Die Karriere von
Eva Hagenbäumer ist ein Spiegelbild der Geschichte jener deutschen
Damen-Nationalmannschaft, die nach dem schwachen deutschen Abschneiden bei den
Olympischen Spielen 1988 (Platz 5) komplett neu aufgebaut wurde. Basis war die
nachrückende, talentierte Generation der deutschen Juniorinnen-Auswahl, die
Europameister (1988) und Weltmeister (1989) wurde. Eva zählte zum EM-Siegerteam,
war aber als eine der wenigen vom 67er-Jahrgang für die WM 1989 schon zu alt.
Vor 30.000
Zuschauern im Londoner Wembleystadion beim "Match of the year" des englischen
Damenhockeyverbandes absolvierte Eva Hagenbäumer im März 1989 ihr erstes von
inzwischen 133 Länderspielen im A-Nationalteam. Unter dem neuen Coach Paul
Lissek wurde die blutjunge deutsche Mannschaft rasch an das Damen-Weltniveau
herangeführt. Platz 3 bei der Champions Trophy im Spätsommer 1989 in Frankfurt
bestätigte den Aufwärtstrend, doch die Hoffnung auf eine erfolgreiche WM 1990
verlief im Sande, wobei 7:3 Punkte nach der Vorrunde (damit hauchdünn das
Halbfinale verpasst) und der frustrierende 8. Platz im Endklassement in krassem
Widerspruch standen.
Die Folgen der
"Revolution" der Herren-Nationalmannschaft, die Paul Lissek als ihren Trainer
wollte und bekam, brachte den Damen mit Rüdiger Hänel ab Januar 1991 einen neuen
Coach. Mit ihm begann eine neue Erfolgsstory: Silber bei der EM 1991, ebenso bei
der Champions Trophy im gleichen Jahr in Berlin, dann der Turniersieg bei der
Olympia-Qualifikation und schließlich die olympische Silbermedaille 1992, die
den Deutschen vor Turnierbeginn kaum jemand zugetraut hatte.
Die immer noch
junge Mannschaft schien nun reif für einen großen Titel. Was folgte, war
gemessen am Fast-Gold von Barcelona aber eher ernüchternd: Platz 4 bei der WM
1994 und Rang 3 bei der EM 1995, was schließlich im August 1995 den
Trainerwechsel von Rüdiger Hänel zu Berti Rauth zur Folge hatte.
Eva als 21-Jährige mit gebrochenem Daumen −
kein Grund auf das Finale der Juniorinnen-Europameisterschaft 1988 zu
verzichten. |
"Wir hatten nie
eine echte, starke Führungspersönlichkeit auf dem Feld wie beispielsweise die
Holländerinnen mit Carina Benninga", resümiert Eva Hagenbäumer die vergangenen
sieben Jahre mit Hochs und Tiefs und wenig Leistungskonstanz. Irgendwie
kritisiert sie sich mit solch einer Aussage auch selbst, denn nicht allzu oft
gelang es ihr als eine der Erfahrensten (nur Irina Kuhnt, Britta Becker und
Franziska Hentschel haben noch ein paar mehr Einsätze absolviert), in kritischen
Phasen die anderen, jüngeren Spielerinnen mitzureißen, den Leitwolf zu spielen.
Eva Hagenbäumer
hätte sich gut vorstellen können, als 25-Jährige nach den Olympischen Spielen
1992 den Stock an den Nagel zu hängen. Weitergemacht hat sie international nur
deshalb, weil Barcelona trotz der Silbermedaille für sie persönlich ein höchst
unbefriedigendes sportliches Erlebnis war. In fünf Turnierspielen der deutschen
Mannschaft kam die Innenverteidigerin nur zweimal zu Kurzeinsätzen, insgesamt
nicht länger als zehn Minuten. In der Vorbereitungszeit hatte sie im Dreikampf
um zwei Positionen gegenüber Simone Thomaschinski und Caren Jungjohann den
kürzeren gezogen.
Weil es vor vier
Jahren noch kein Interchanging gab und die Mannschaft in der fast immer gleichen
Elf auf Erfolgskurs bis ins Endspiel steuerte, erlebte Eva das olympische
Turnier praktisch von der Ersatzbank aus. Daran knabbert sie auch heute noch ein
wenig. Statt Resignation gab es damals eine Trotzreaktion: "So kannst du nicht
aufhören."
In den folgenden
zwei Jahren festigte Eva schnell ihre Position in der Stammformation, wurde auch
zum "Vize" von Kapitänin Franziska Hentschel bestimmt. Die Aufgabenverteilung
für Atlanta ist klar. Zusammen mit Simone Thomaschinski bildet Eva Hagenbäumer
die Innenverteidigung, ist mal Libero und mal Vorstopperin. "Meine beiden
Sprinterköniginnen", frozzelt Nationaltrainer Rauth über die beiden
langgewachsenen Abwehrrecken, die nicht gerade die Antrittsschnellsten sind.
Rauth: "Deshalb brauchen die beiden ein besonders gutes, aufeinander
abgestimmtes Stellungsspiel", so Rauth, der dem Tandem diesen Job aber im Grunde
vorbehaltlos zutraut.
"Unbedingter Wille,
große Zweikampfstärke und enorme Nehmerqualitäten. Eva geht dabei oft über die
Schmerzgrenze hinaus", sieht Rauth die größten Stärken von Eva Hagenbäumer, die
er als Vereinscoach schon über zehn Jahre kennt, nachdem sie vom Wiesbadener THC
zum Rüsselsheimer RK wechselte.
Viermal schon hat
sie sich beim Hockey einen Finger gebrochen, was sie nicht davon abhielt, bei
wichtigen Ereignissen mit Gipsschienen und schmerzstillenden Spritzen auf dem
Hockeyplatz zu stehen. "Gemessen an manch anderer habe ich in den letzten Jahren
trotzdem viel Glück gehabt", sagt Eva, die von berufswegen weiß, wovon sie
spricht. Als ausgebildete Krankengymnastin hat sie oft mit Sportverletzten zu
tun. Etliche Spielerinnen der Nationalmannschaft sind vorwiegend nach
Bänderrissen im wahrsten Sinne des Wortes durch ihre heilenden Hände gegangen.
Eva Hagenbäumer ist
beim Olympiastützpunkt in Frankfurt angestellt − ein idealer Arbeitgeber, was
das Verständnis für den Aufwand von Leistungssportlern angeht. Die
Nationalspielerin bekommt für alle anfallenden Maßnahmen eigentlich problemlos
Sonderurlaub, in den Wochen der Olympiavorbereitung hat sie ihr Arbeitspensum
auf täglich sechs Stunden reduziert. "Das passt sehr gut. Denn ausschließlich
den ganzen Tag mit Hockey beschäftigen, das möchte und kann ich auch nicht."
Bald wird Eva
Hagenbäumer mehr Zeit für Beruf und Privates (sie lebt mit dem früheren
RRK-Bundesligaspieler Fritz Schmidt jun. zusammen) haben. Im Verein will sie auf
jeden Fall noch die Hallenrunde 96/97 spielen und "dann mal sehen, ob es
weitergeht". Eine Fortsetzung im Nationaltrikot schließt sie aus, egal wie
Atlanta verläuft. Da ist sie im übrigen längst nicht die einzige; die
Nationalmannschaft steht nach Atlanta vor einem großen personellen Umbruch. Eva:
"Die Weltmeisterschaft 1998 wäre kein wirklich reizvolles Ziel mehr für mich.
Und bis zu den Olympischen Spielen im Jahre 2000 weiterzumachen, dafür ist der
Aufwand einer Nationalspielerin einfach zu groß geworden. Außerdem ist es
besser, selbst zu gehen als irgendwann gegangen zu werden."
Ein Abschied mit
Wehmut? Eva Hagenbäumer überlegt ein wenig, ehe sie sagt: "Nein, das glaube ich
nicht." Mit den befreundeten Spielerinnen des Nationalteams habe man ja auch
danach noch Kontakt, ob in der Bundesliga oder in einem Freizeit-Reiseteam. Wie
der Abschied tatsächlich wird, hängt natürlich stark vom Abschneiden in Atlanta
ab. "Ich denke, wir haben einen günstigen Spielplan erwischt. Gelingt der
Auftakt, dann haben wir gute Chancen, vorne mitzuspielen", geht Eva Hagenbäumer
durchaus optimistisch in ihr letztes großes Turnier. Zu wenig geschuftet für
einen Erfolg hat sie (und die anderen) sicherlich nicht.