|
Über Mitglieder des
RRK (2019)
Emily Kerner und Britta Becker |
Emily Kerner spielt mit dem Club an der
Alster um die Hallenmeisterschaft im Hockey. |
Emily Kerner – mit 20 Jahren schon Führungsspielerin
Die Tochter von
Ex-Nationalspielerin Britta Becker und TV-Mann Johannes B. Kerner hat bei der
Hallenmeisterschaft Stärke bewiesen.
Von Björn Jensen
(aus "Hamburger Abendblatt" vom 26. Januar 2019)
Manche Fragen
stellt sich wohl jeder, der Emily Kerner beim Hockeyspielen zuschaut. Kann es
wirklich sein, dass diese Frau, die ihre Gegnerinnen so selbstbewusst und
seelenruhig umkurvt, als hätte sie ihr ganzes Leben lang nichts anderes getan,
erst 20 Jahre alt ist?
Und wie ist es
möglich, dass in einer Mannschaft mit so vielen starken Charakteren, wie es die
Bundesligadamen des Clubs an der Alster sind, eine 20-Jährige so grundsolide und
unaufgeregt eine Führungsrolle im Spielaufbau übernimmt?
"Schritt in den
Damenbereich war nicht so schwer"
Emily Kerner nimmt
einen Schluck von ihrem Orangen-Ingwer-Minztee, bevor sie eine Antwort
formuliert. Natürlich könnte sie anführen, dass der Altersschnitt im aktuellen
Hallenteam, das an diesem Wochenende beim Final-Four-Turnier in Mülheim an der
Ruhr seinen deutschen Meistertitel erfolgreich verteidigen will, so niedrig ist,
dass die älteste Spielerin gerade vier Jahre älter ist als sie selbst.
Aber sie weiß, dass
das zu kurz griffe. Also sagt sie: "Der Schritt in den Damenbereich war nicht so
schwer, wie man ihn sich vorstellt. Das lag daran, wie ich im Team aufgenommen
wurde. Ich habe mich nicht schwer damit getan, mich in dieses charakterstarke
Team einzuordnen, weil ich mich davon nicht habe einschränken lassen."
Kerner spielt
passsicher und schnörkellos
Das
Selbstbewusstsein, das aus dieser Antwort spricht, strahlt die Abwehrspielerin
in fast jeder Aktion aus. Ihre Spieleröffnung ist passsicher und schnörkellos,
ihre Zweikampfführung elegant, ihre Strafecke eine Waffe. Natürlich passieren
ihr noch Fehler, aber die werfen sie nicht aus der Bahn. "Ich versuche, mich auf
mein Spiel zu fokussieren. Ich will immer das große Ganze im Blick halten, aber
zunächst einmal kommt es darauf an, dass ich meinen Stiefel herunterspiele",
sagt sie.
Derart in sich
selbst zu ruhen, das ist keine Selbstverständlichkeit, wenn man um die
Voraussetzungen weiß, unter denen Emily Kerner zur Bundesligaspielerin gereift
ist.
Als älteste Tochter
der früheren Nationalspielerin Britta Becker (45) und des TV-Moderators Johannes
B. Kerner (54) stand die Studentin des Medien- und Kommunikationsmanagements
schon in der Jugend unter Beobachtung. "Ich denke schon, dass das manchmal für
Druck gesorgt hat. Aber es ist beeindruckend, wie sie damit umgeht", sagt
Alsters Cheftrainer Jens George (49).
Emily Kerner selbst
sagt, sie habe die berühmten Eltern nie als Hemmnis wahrgenommen. "Ich bin
deshalb weder bevorteilt noch benachteiligt worden. Natürlich gab es mal
Sprüche, und ich habe gemerkt, dass das für manche ein Thema war. Aber mich hat
das nie belastet", sagt sie.
Britta Becker, die
1992 Olympiasilber gewann, hat stets darauf geachtet, die Tochter nicht zu
Dingen zu drängen, die diese nicht wollte. "Wir haben nie Druck ausgeübt,
sondern unseren Kindern völlig freigestellt, welchen Sport sie machen wollen",
sagt sie.
Emily Kerner und Britta Becker 2014 |
Auch Kerners
Geschwister spielen Hockey
Dass heute auch
Emilys Geschwister Nik (17), Polly (11) und Jilly (9) Hockey spielen, sei nicht
mehr als eine schöne Fügung des Schicksals. Emily bestätigt das: "Ich spiele
Hockey, weil es mir Spaß macht, und nicht, weil ich meiner Mutter gefallen will.
Sie ist auch nicht meine größte Kritikerin. Sie sagt mir ihre Meinung, wenn ich
danach frage, aber ich bin selbstkritisch genug."
Dabei schien der
Weg in die Fußstapfen der Mutter vorgezeichnet, schließlich war Emily als
Kleinkind immer dabei, wenn Britta Becker in der Bundesliga oder im Auswahldress
auflief. Als Dreijährige begann sie bei Alster mit dem Hockey. "Aber ich habe
auch Tennis gespielt, geturnt und Ballett getanzt. Als ich mich für einen Sport
entscheiden musste, war mir aber sofort klar, dass Hockey meins ist, denn ich
brauche das Gefühl, mit einer Mannschaft gemeinsam Erfolge und Niederlagen zu
erleben", sagt sie.
2018 zog sie
sich aus dem Nationalkader zurück
Wie selbstbestimmt
die Strafeckenspezialistin, die mit ihrem Freund in Winterhude lebt, ihre
Karriere plant, zeigt eine Entscheidung, die ihr Trainer als richtungweisend
einordnet. Im vergangenen Jahr zog sie sich aus dem Nationalkader zurück, weil
ihr die Leidenschaft fehlte, um den dafür nötigen Aufwand zu betreiben.
"Dadurch, dass sie
sich komplett auf den Verein konzentriert, hat sie in den vergangenen Monaten
einen riesigen Schritt gemacht und sich im Bundesligakader voll etabliert", sagt
Jens George. Ihre Mutter lobt den Schritt als "sehr mutig und erwachsen. Sie hat
für sich eine Konsequenz gezogen und ist dadurch besser geworden. Das ist ihr
Weg!"
Tatsächlich, sagt
Emily Kerner, habe der Rückschritt neue Kräfte und Motivation freigesetzt, um
sich im Verein zu entwickeln. Sie hat hart an ihrer Athletik gearbeitet und
mittlerweile sogar Spaß an zusätzlichen Trainingsmaßnahmen, bei denen der
Schläger nicht zum Einsatz kommt. "Ich musste den Schalter umlegen, um zu
verstehen, dass das dazugehört, wenn man besser werden will. Das ist mir zum
Glück ganz gut gelungen", sagt sie.
Dennoch gebe es
viel Verbesserungspotenzial, "ich kann an meiner Schnelligkeit arbeiten, muss
noch mehr Vertrauen in mich selbst entwickeln und mich lautstärker und bewusster
als Führungsspielerin einbringen", sagt sie.
"Jetzt ist so
viel Talent um mich herum"
Emily Kerner
glaubt, dass sie mit dem Gewinn der Feldmeisterschaft im Juni vergangenen Jahres
im Damenbereich angekommen ist. Als Doublesiegerin habe man nun einmal mehr
Zutrauen in die eigene Stärke. Die Gelassenheit, mit der sie durch die Spiele zu
gleiten scheint, habe sie erst in der Bundesliga zulassen können. "In der Jugend
war ich immer die Führungsfigur und dachte, ich muss alles machen. Jetzt ist so
viel Talent um mich herum, das mir die nötige Ruhe gibt", sagt sie.
Den als Kind
gehegten Traum von einer Olympiateilnahme hat sie noch nicht komplett begraben,
die Tür zum Nationalteam nicht endgültig zugeschlagen. Im Moment jedoch zähle
nur der Verein – und das Halbfinale an diesem Sonnabend gegen den TSV
Mannheim. 104 Tore hat Alster in der Hauptrunde geschossen, nur 22 kassiert, war
damit bestes Offensiv- und Defensivteam der Nordliga. "Das nutzt aber alles
nichts, wenn wir am Wochenende nicht unsere Bestleistung abliefern", sagt sie.
Ihr Auftreten mag
noch manchmal Fragen aufwerfen. Aber Emily Kerner gibt die richtigen Antworten,
auf und neben dem Platz. |