Prof. Dr. Peter
Hochgesand kontrolliert noch einmal den Heilungsprozeß im Auge der 86
Jahre alten Patientin, der am Dienstag eine neue künstliche Linse
eingesetzt wurde. Gestern konnte sie das Krankenhaus bereits wieder
verlassen. |
gar. - Der graue Star,
die Eintrübung der Linse im Auge, ist eine der häufigsten Krankheiten im Alter.
Die Sehschärfe kann bis zur völligen Erblindung herabsinken; der Betroffene wird
zunehmend hilflos, kann nicht mehr fernsehen oder lesen, vom Auto fahren ganz zu
schweigen. Die Behandlung ist nur mit einem chirurgischen Eingriff möglich.
Vor 40 Jahren, als die
Augenabteilung im Rüsselsheimer Stadtkrankenhaus eingerichtet wurde, war die
Operation des Grauen Stars noch eine gefährliche Angelegenheit. Noch ohne die
Verwendung eines Operationsmikroskops wurde das Auge weit eröffnet, die getrübte
Linse entfernt und das Auge dann mit einigen Nähten wieder verschlossen.
Anschließend mußten die Patienten für einige Tage eine strenge Bettruhe
einhalten und auf dem Rücken liegen bleiben, was gerade für die älteren Menschen
eine große Strapaze bedeutete, wie Prof. Dr. Peter Hochgesand als Leitender Arzt
der Augenabteilung in Erinnerung ruft.
Insbesondere in den
letzten Jahren jedoch hat sich das Operationsverfahren geradezu revolutioniert.
Den Patienten mit Grauem Star werden Kunstlinsen eingesetzt, die früher übliche,
unförmige Star-Brille fällt weg, und. in einigen Fällen braucht nach der
Operation gar keine Brille mehr getragen zu werden.
Seit etwa zwei
Jahren praktiziert Prof. Dr. Hochgesand, der die 16-Betten-Augenabteilung
im Stadtkrankenhaus seit nunmehr 21 Jahren leitet, das Verfahren der
Kleinschnittchirurgie. Dabei wird das Auge - wahlweise bei Vollnarkose
oder örtlicher Betäubung - nur ein klein wenig geöffnet und mit einem
Diamantskalpell ein lediglich drei Millimeter starker Hornhautkanal
angelegt. Durch diesen Kanal wird dann die gesamte Operation im
geschlossenen Auge durchgeführt. Ein 140.000 Mark teures Ultraschallgerät
verflüssigt den harten und eingetrübten Linsenkern, die Einzelteile werden
anschließend abgesaugt. Nach Reinigung der Linsenkapsel wird eine
faltbare, heute aus modifiziertem Acrylglas bestehende Kunstlinse
eingeführt. Wärme im Auge löst chemische Prozesse aus, die den Kunststoff
dann verfestigen. Das operierte Auge wird schließlich noch gespült, was
dazu führt, daß sich der Hornhauttunnel ohne Naht wieder wasserdicht
verschließt.
Noch am gleichen Tag
können die Patienten wieder aufstehen und in zwei bis drei Tagen das Krankenhaus
verlassen. Ab Oktober geht Prof. Dr. Hochgesand noch einen
Schritt weiter, nicht zuletzt aufgrund der langen Warteliste von derzeit etwa
einem halben Jahr soll für den Grauen Star nicht nur ein zusätzlicher zweiter
Operationstag eingerichtet werden, vielmehr wird es künftig im Stadtkrankenhaus
Rüsselsheim auch ambulante Operationen geben.
Derzeit schafft Dr.
Hochgesand zusammen mit einem Assistenten und einer Krankenschwester zehn bis
zwölf Eingriffe pro Operationstag - rund 500 sind es jährlich. Weltweit ist die
Behandlung des Grauen Stars im übrigen die häufigste Operation, mit der den
meist älteren Menschen - eine Altersgrenze nach oben gibt es nicht - ein Stück
Lebensqualität zurückgegeben werden kann.
Wenn der Graue Star auch den größten
Teil der Eingriffe in der Augenabteilung ausmacht, werden beispielsweise auch
Operationen bei schielenden Kindern durchgeführt, Fremdkörper aus dem Auge
entfernt oder Hornhäute verpflanzt. Gegenüber früher stark zurückgegangen sind
indes die durch Autounfälle ausgelösten Augenperforationen: mußten vor der
Anschnallpflicht und vor dem Airbag jährlich noch etwa 220 solcher Behandlungen
durchgeführt werden, sind es heute im Durchschnitt nur noch zehn.