1908
lädt der Lehrer Wilhelm Sturmfels zur Gründung des "Rudervereins Rüsselsheim" (RVR)
ein. Der Monatsbeitrag betrug 1 Mark und gerudert wurde in einem vier Zentner
schweren Gigvierer aus Eichenholz. Es gab kein Bootshaus und keine Bootshalle;
die wurde erst 1909 gebaut und kostete 1089,44 Mark. Eine Ruderordnung dagegen
gab es schon gleich: "Fahrten in den Booten des Vereins sind nur in
vorschriftsmäßigen Uniformstücken gestattet." Haben Sie einmal die Ruderer heute
beobachtet? Zumindest bei den Trainingsfahrten geht es da recht bunt und
originell zu; von wegen "Uniformstücke".
1910
stiftete der Kommerzienrat Carl von Opel einen gedeckten Vierer und Paul
Nebelung, der spätere langjährige Vorsitzende, taufte das Boot auf den Namen
"Eleonore". Der RVR tritt dem Deutschen Ruderverband bei, der, gegründet 1883,
der erste deutsche Sportverband überhaupt war. 1912 gelingt in Mainz der erste
Sieg, ein sogenannter "Ermunterungsvierer" wird gewonnen.
Der
1. Weltkrieg naht und sollte viel Leid bringen. 1919, ein Jahr nach Ende
des Krieges, ging es dann weiter. 182 Personen gehörten dem Verein an,
darunter Mitglieder mit klangvollen Namen: Friedrich "Pip" Traiser, Fritz Sittmann,
Alfred Körbel, Albert Meeser, Adam Ihrig, Peter Horle. Acht Boote besaß der
Verein, eines davon ein Rennachter mit dem Namen "Fritz". Heini Dambmann widmete
dem RVR ein Lied:
"Preist den Neckar, singt
vom Rheine, reißt Euch die Begeist'rung fort, singen wir von uns'rem Maine, und
von seinem Rudersport."
1924
beginnt der Bau des Bootshauses, 1925 wird das "Gesellschaftshaus" feierlich
eingeweiht.
Ja,
und dann das Jahr 1925 - ein wahrhaft denkwürdiges Jahr! Die Aktiven des RVR
begannen als Ausgleichssport im Winter Hockey zu spielen! Alfons Margraf und
Fritz Weidmann stellen sich als Ausbilder zur Verfügung. 1926 werden die ersten
Hockeyspiele gegen Wiesbaden, Frankfurt und Griesheim ausgetragen, sogar ein "Oster-Hockeyturnier" wird veranstaltet - es sollten noch viele Hockeyturniere
folgen, wie wir wissen. Hockeyspieler übrigens werden - einer Chronik zufolge -
damals wie folgt charakterisiert:
"Zum
Hockey eignen sich feinnervige, blitzschnell handlungsbereite Menschen. Sie
müssen voll gelöster und doch spannungsfreier Bewegtheit sein. Die körperlich
Schwachen haben gerade soviel mitzureden wie die Schweren und Starken, denn die
Masse und Wucht des Körpers wird nicht unmittelbar eingesetzt."
Und
im Jahr 1926 geschieht noch etwas Denkwürdiges, ja, etwas zur damaligen Zeit
Unerhörtes: Fräulein Irmgard von Opel stellt den Antrag, aktiv im RVR rudern zu
dürfen. Die Mitgliederversammlung faßt den Entschluß, Damenrudern im RVR
zuzulassen. Das Damenrudern muß jedoch um 18 Uhr beendet sein, um den
Trainingsbetrieb der Herren nicht zu stören.
Der
"Ruderverein Rüsselsheim" zeichnet für die Austragung der "14. Mittelrhein-
Ruderregatta" auf dem Main verantwortlich, dies ein Ausdruck des gewachsenen
Selbstvertrauens. Während der Regatta gibt die Opel-Werkskapelle ein großes
Konzert - das waren noch Zeiten! Hockey wird von nun an wettkampfmäßig
betrieben. 1928 beginnt man auf der "Fohlenweide" mit dem Bau eines Ascheplatzes
für die Hockeyspieler, und Friedebert Armbruster, der unvergessene "Rat",
arrangiert das erste Hasenessen unter dem Motto: "Fresse is ach Sport." So geht
es munter weiter. Sportliche Aktivitäten wechseln sich mit gesellschaftlichen
Ereignissen ab - und doch verlassen viele Sportler den Verein. Deutschland
steuert im Jahr 1930 auf eine Wirtschaftskrise zu. Die Menschen müssen sich neu
orientieren, der Sport gerät zur Nebensache. Dennoch können die Hockeyspieler
des RVR vier komplette Mannschaften stellen. 1932 gibt es bereits zwei
Damen-Hockeymannschaften. Und unter Trainer "Pip" Traiser rudern Georg Schmitt,
Fritz Brumme, Karl Pöppel, Willi Filtzinger, Marcel Schopfer, Georg von Opel,
Hans Mietzschke, Rudolf Fritz, Wilhelm Nold, Josef Saar, Richard Trapp, Hans
Knoll, Emil Zogbaum und viele andere.
Das
Jahr 1933. Das Dritte Reich wirft seine Schatten auch auf den RVR. Es wird immer
schwieriger, Mannschaften zu bilden und den Trainingsbetrieb, sowohl im Rudern
als auch im Hockey, aufrechtzuerhalten. In dieser Zeit wird Georg von Opel
Deutscher Vizemeister im Einer hinter dem späteren Olympiasieger Gustav "Gummi"
Schäfer. Ab 1938 dürfen nur noch Mitglieder der HJ und des BDM Wettkämpfe
bestreiten. 1941 wird das Bootshaus durch die Wehrmacht belegt. Ein weiteres
Mal rückt der Sport in den Hintergrund.
Der Achter der Rudergemeinschaft
Flörsheim-Rüsselsheim gewinnt 1951 in Mainz seine vierte Deutsche Meisterschaft im Rudern
(Wilfried Seipp
nicht im Bild, Adam Munk, Georg Schneider, Helmut Schwinn, René
Kuhn, Georg Boller, Georg von Opel, Karl Bauer und Stm. Rolf Bopp
nicht im Bild) |
Wir
schreiben das Jahr 1942: Der "Ruderverein Rüsselsheim" und die
"Rudergesellschaft Undine Rüsselsheim" schließen sich zum "Rüsselsheimer
Ruder-Klub 08" zusammen! "Undine"? Tatsächlich, es gab zwischen 1910 und 1914
bzw. zwischen 1919 und 1942 einen zweiten Ruderverein in Rüsselsheim, eben die
"Undine". Vornehmlich Arbeiter und Handwerker, die keine Aufnahme in den
RVR fanden, gründeten diesen Verein. Max Seifert, Georg und Karl Cezanne, Karl
Etter u.a. sind Mitglieder. Carl von Opel engagiert sich nach dem Ende des 1.
Weltkriegs sehr für die "Undine". Paul Schubert und Karl Müller fungieren als
Vorsitzende. Die Bildung eines Renngemeinschaftsachters ist Ausdruck für eine
sich anbahnende Annäherung zwischen RVR und "Undine". Und dann ist es endlich
soweit: Am 26. April 1942 schließen sich die beiden Vereine zum "Rüsselsheimer
Ruder-Klub 08" zusammen und die beiden Vorsitzenden, Karl Müller und Georg von
Opel, besiegeln den Pakt in einer feierlichen Zeremonie.
1943
zählte der RRK schon 306 Mitglieder. Die Ruderer bildeten im Vierer und Achter
erfolgreiche Renngemeinschaften mit dem Flörsheimer Ruderverein 08, eine "Ehe",
die bis 1953 Bestand haben sollte. Aber noch liegt die Zukunft im Ungewissen, es
ist kein Platz für Träume. Deutschland befindet sich mitten im Krieg und das
jähe Ende zeichnet sich ab. Im August 1944 brennt die Bootshalle nieder. Das
Gesellschaftshaus wird zwar vor den Flammen gerettet, aber 1945 durch die
amerikanische Militärregierung beschlagnahmt. Alle Sportvereine, auch der RRK,
werden aufgelöst.
Am
8. April 1946 wird der RRK neu gegründet. Was ist seitdem nicht alles
geschehen! Im Rudern reiht sich Deutsche Meisterschaft an Deutsche
Meisterschaft: Georg von Opel 1947 im Einer, die Renngemeinschaft und dann die
Rudergemeinschaft Flörsheim-Rüsselsheim
1947/1948/1949/1951 im Achter, 1957/1958 der Leichtgewichts-Jugend-Vierer,1982
der Senior-Vierer o. St. B und der Juniorinnen-Einer A, 1983 der
Frauen-Doppelzweier und der Senior-Vierer m. St. B. Und just im Jubiläumsjahr 1998
werden Sprint-Achter und Sprint-Vierer gewonnen. Hockey wird natürlich auch
gespielt, steht aber nicht im Rampenlicht - noch nicht. Zwar gewinnt 1948 eine
Damenmannschaft des RRK die Hessenmeisterschaft, aber erst 1952, als die Stadt
Rüsselsheim im Stadion zwei Hockeyplätze bauen läßt, kommt Hockey im RRK so
recht in Schwung. 1952 wird auch das Bootshaus wieder freigegeben, und - lassen
Sie mich an dieser Stelle einen großen Sprung machen - 1966 großzügig umgebaut.
Eine
Art Meilenstein in der jüngeren Klubgeschichte stellt das Jahr 1968 dar: Der RRK
gewinnt erstmals die Deutsche Meisterschaft im Feldhockey der Herren. Vor 5.000
Zuschauern wird Schwarz-Weiß Köln mit 4:1 Toren bezwungen. Martin Müller, Bodo
Schäfer und Wolfram Jirzik schießen den Sieg heraus. Seit diesem Jahr ist Hockey
die dominierende Sportart im RRK - das sehen die Ruderer trotz einer Fülle
eigener Erfolge ohne Neid und Mißgunst ebenso. Die Hockeyabteilung konnte bis
heute 33 Deutsche Meisterschaften (!) verbuchen, ungezählt seien die
Vizemeisterschaften, Süddeutschen Meisterschaften und Hessenmeisterschaften. Der
Europa-Cup im Damenhockey ist fast fest in der Hand des RRK. Aus den Reihen des
RRK gingen Olympiasieger und -teilnehmer hervor, eine große Zahl von
Spielerinnen und Spielern werden in die Nationalmannschaften berufen. Und der
gegenwärtige Bundestrainer der Hockeydamen ist auch einer von uns. Der Name des
RRK wird in Hockeykreisen mit Respekt, Hochachtung und einem Hauch Verwunderung
genannt. DHB und EHF betrauen den RRK mit der Ausrichtung nationaler und
internationaler Wettbewerbe, und die Hockeyabteilung rechtfertigt das in sie
gesetzte Vertrauen ein ums andere Mal.