Denise KIecker hat die
Fronten gewechselt. Binnen einer Woche ist aus der Strafeckenspezialistin mit
dem härtesten Schuss im deutschen Hockey-Nationalteam deren "größter Fan" (Klecker)
geworden. Mit der schwarz-rot-goldenen Fahne, die sie sich besorgt hatte, war
die Libera des Rüsselsheimer RK auch am Freitag wieder auf der Anlage von
Rot-Weiß Köln auf der Tribüne zu finden und feierte ausgelassen den sechsten
Sieg im sechsten Spiel der 5. Europameisterschaft - das 4:1 nach
Siebenmeterschießen über Russland.
Für Denise Klecker und
die Damen des RRK 1992 erste Deutsche Feldhockey-Meisterschaft (hinten:
Betreuer Thomas Blivier, Trainer Berti Rauth, Britta Becker, Sabine
Lersch, Denise Klecker, Eva Hagenbäumer, Marloes Rhebergen, Nicole
Hardt, Katrin Schmidt, Tanja Dickenscheid, "Physio" Pit Bulajic; vorn:
Stefanie Rinderer, Anja Mück, Susanne Müller, Sybille Breivogel, Marja
Busch, Bianca Weiß, Petra Vollhardt, Angela Müller) |
Während es damit
am Sonntag nun tatsächlich zu dem im Vorfeld erhofften Traumfinale
zwischen Topfavorit Niederlande und Gastgeber Deutschland um den Titel und
die Fahrkarte nach Sydney kommt, kann als gesichert gelten, dass Denise
KIecker wohl auch den letzten Rest des EM-Turniers von der Tribüne aus
verfolgt. Zwar hat sie bei jeder Partie das Nationaltrikot mit der Nummer
drei und ihrem aufgedruckten Namen an, doch Schweiß nimmt das Textil nur
vor Spielbeginn auf. Das Aufwärmprogramm macht die 27-Jährige regelmäßig
mit, wobei ihr die Aufgabe zukommt, die Torhüterinnen mit ihren wuchtigen
Schüssen auf "Betriebstemperatur" zu bringen.
Dann jedoch trennen sich
die Wege. Zwei der 18 Spielerinnen des EM-Kaders müssen auf die Tribüne, da nur
16 in die Partie eingreifen können. Dass diese Neuregelung Sinn macht, wurde in
Köln augenscheinlich. Stürmerin Inga Möller (Berliner HC) brach sich im vierten
Spiel gegen Spanien den kleinen Finger, musste operiert werden und fiel für den
Rest des Turniers aus. Caroline Casaretto (Münchner SC), die bis dato das Los
von Denise Klecker geteilt hatte, durfte plötzlich im letzten Gruppenspiel
England (2:1) ran. Für das langjährige RRK-Mitglied aus Mainz kein Anlass, auf
einen weiteren Verletzungsfall im deutschen Team zu spekulieren. "Dazu bin ich
viel zu sehr Mannschaftssportlerin und viel zu wenig egoistisch veranlagt", sagt
sie.
Was nicht heißt, dass
sie in Köln nicht gerne mitgemischt hätte. Im Eröffnungsspiel gegen Tschechien
(7:0) vergaben ihre Teamkameradinnen 20 Strafecken, und nicht wenige unter den
Zuschauern waren der festen Überzeugung, dass Denise Klecker als treffsicherste
Torschützin der zurückliegenden zwei Jahre ihr Kontingent von bislang 17
Treffern in 63 Länderspielen gesteigert hätte. Zu diesem Zeitpunkt war auch sie
noch überzeugt, "dass ich hier meine Chance bekommen werde". Ein Trugschluss.
Auch in den weiteren Vorrundenpartien gegen Ukraine (4:1), Irland (2:0), Spanien
(5:0) vertraute ihr Vereins- und Bundestrainer Berti Rauth stets den gleichen 16
Namen.
Den Frust, der sich in
den ersten der zwölf EM-Tage anhäufte, hat Denise Klecker inzwischen überwunden.
Offenbar ist sie einfach ein viel zu fröhlicher Mensch, um über das
Reservistendasein oder ihren Knorpelschaden im Knie lange Trübsal zu blasen.
"Immerhin habe ich es geschafft, nach der verpassten "Champions Trophy" im Juni
wieder zum Kader zu gehören. Das ist für mich Ansporn genug, noch einmal alles
zu geben, um mich bis Sydney ins Olympia-Aufgebot zu spielen", sagt die
angehende Lehrerin. Und deshalb, beteuert sie, "ist diese Europameisterschaft
für mich auch keine vertane Zeit, wenn ich nicht zum Einsatz komme".
Also wird Denise Klecker
auch am Sonntag wieder ihren angestammten Platz unter den rund 2.500 Zuschauern
einnehmen, ganz fest die Daumen drücken und ihre Fahne schwenken. Einen Wunsch
hat sie aber doch: "Nach dem Schlusspfiff des Endspiels möchte ich auf den Platz
rennen und auf das oberste Treppchen steigen dürfen". Das wiederum wäre dann ein
ganz besonders schöner Wechsel der Fronten.