Statt Fußball Hockey in Kapstadt
Die Mainzer RRK-Spielerin Denise Klecker beim
Olympia-Qualifikationsturnier
Von HANSPETER DETMER (aus "Main-Spitze" vom 17.11.1995)
Vorausgesetzt, daß die deutschen Hockeydamen beim olympischen
Qualifikationsturnier in Kapstadt nach ihrem 1:0 Auftaktsieg über China im
Verlauf der nächsten Woche nicht doch noch unter die Räder geraten und das
erhoffte Startrecht für Atlanta verspielen, hat die für den Rüsselsheimer RK
spielende 23jährige Mainzerin Denise Klecker ihr gutes Fazit zum Jahresende
schon parat: "Was ich in diesem Jahr mit dem Gewinn des deutschen Meistertitels,
den Europacup-Erfolgen und den Reisen mit der Nationalmannschaft zur Champions Trophy nach Argentinien und zur Olympia-Qualifikation nach Kapstadt alles erlebt
habe, ist einfach der helle Wahnsinn".
Dankbarkeit spricht aus den Worten einer jungen Frau, der man die Freude am
Erreichten ansieht. Denn eigentlich hatte sich Denise vorgenommen, nur ein
einziges Mal ein A-Länderspiel zu bestreiten. "Als ich mit Hockey anfing, hatte
ich mir nur dieses bescheidene Ziel gesetzt", erinnert sie sich. Jetzt gehört
sie mit knapp mehr als 20 Länderspielen jedoch vor allem dann bereits zum
Stammpersonal des Nationalteams, wenn Gegnerinnen wie die Chinesinnen zum
Auftakt der Olympia-Qualifikation in Kapstadt im Fitneßbereich besonders gut
drauf sind. Und da in Kapstadt noch weitere Teams vom Kaliber China auf die
deutschen Hockeydamen zukommen werden, wird die robuste Denise auch wohl
weiterhin in der rechten Verteidigungsposition gefordert werden. So jedenfalls
könnte man das Urteil von Trainer Berti Rauth interpretieren: "Lobenswert ist
ihre Robustheit beim Abwehrschlag, und in brenzligen Situationen scheut sie vor
dem Tor auch nicht vor notwendigem Körpereinsatz zurück."
Daß Denise Klecker beim Hockey landete, ist übrigens ein Zufall. Eigentlich
wollte sie Fußball spielen. Doch als sie neunjährig mit ihrem Vater Peter, einem
ehemals leidenschaftlichen Fußballer, zum Fußball gehen wollte, kamen beide am
Hockeyplatz des TSV Schott Mainz vorbei. "Dieses mir ursprünglich unbekannte
Hockeyspiel hat mich fasziniert", sagt Denise. Und als dann auch noch eine Woche
später - wieder rein zufällig - die ehemalige Ex-Nationalspielerin und damalige Damenwartin des Deutschen Hockey-Bundes Ulrike Diehl-Huth an Denise' Mainzer
Schule eine Hockey-Demonstration abhielt, da war die sportliche Entscheidung der
jungen Dame gefallen: "Hockey, und nichts anderes". Auch Vater Peter ist
inzwischen dieser Meinung. "Mein Vater hat im fortgeschrittenen Alter noch mit
Hockey angefangen und sich darüber hinaus auch im TSV Schott Mainz als Betreuer
engagiert".
Freude
über den Sieg im Feldhockey-Europacup 1993 in Brüssel: Anja Warnecke,
Katrin Schmidt, Sina Fröhlich, Angela Müller, Denise Klecker, Anja Mück,
Petra Vollhardt, Sybille Breivogel |
Der Wechsel nach Rüsselsheim vor sechs Jahren fiel Denise nicht leicht und war
ausschließlich eine Entscheidung der Vernunft. Einem Talent wie Denise Klecker
bot der Rüsselsheimer RK die besseren Entwicklungschancen. Jahre zuvor war auch
schon Ex-Nationaltorhüter Tobias Frank, ebenfalls ein Mainzer, zu dieser
Erkenntnis gelangt. Bei aller Verbundenheit zu ihrem Heimatklub hätten beide in
Mainz kaum die Möglichkeit gehabt, sich bis zur Nationalmannschaft zu
entwickeln.
Eine wie Denise Klecker ist außerordentlich wichtig, für die mannschaftliche
Infrastruktur. Sie will nicht herausragen, sondern ihre Pflicht tun. Dies zu
betonen ist ihr wichtig, obwohl sie doch gerade in den letzten Wochen durch
wichtige Strafeckentore aufgefallen ist. Will sie ihre Zielsicherheit nicht auch
einmal in der Nationalmannschaft beweisen? "Ich hätte keine Angst, wenn ich
gerufen würde. Aber derzeit ist Franziska Hentschel aus Frankfurt als
Eckenschützin unangefochten, und dann kommt Natascha Keller aus Berlin". "Denise
zwingt nichts herbei. Sie ist mit dem Erreichten vorerst zufrieden: "Es ist doch
eine tolle Sache, bei dieser Olympia-Qualifikation dabei sein zu dürfen. Und
wenn man dann auch noch morgens die Augen aufschlägt und den weltberühmten
Tafelberg direkt vor dem Fenster hat, dann muß man doch dankbar sein".
So lange der Kampf um die fünf olympischen Startplätze ausgetragen wird, hat
Denise Klecker wie alle anderen deutschen Hockeyspielerinnen natürlich keine
Zeit, sich Kapstadt und Umgebung anzuschauen. Doch sie freut sich schon auf das
Turnierende am 25. November. Bis dahin wird auch ihr Freund Kay in Kapstadt
sein. Mit ihm will sie dann einige Tage die Schönheiten des Südzipfels Afrikas
erkunden. Wobei es von Vorteil ist, daß Denise noch kein festes Rückflugdatum
hat. "Macht nichts", lacht sie, "dann muß der Rüsselsheimer RK halt eben noch
warten, bis ich zur Hallensaison wiederkomme."