Rüsselsheimer Ruder-Klub 08 "Archiv und Chronik"

Dieser Bereich der "alten RRK-Homepage" im Vintage-Look enthält auch Inhalte wie Berichte von 2000 bis 6/2018,
wie "In memoriam", wie "Über RRK-Mitglieder", wie Links, wie Suchen, wie ... usw.

>>> Zur neuen RRK-Homepage <<<                    >>>Datenschutzerklärung<<<                   >>>Impressum<<<

Archiv

Chronik "Der Klub"

Chronik Hockey

Chronik Rudern

Chronik Tennis

Über RRK-Mitglieder

In memoriam

Links

Suchen

Treffpunkt
Rhein-Main

Über Mitglieder des RRK (2005)                                  

Mandy Haase, Denise Klecker und Silke Müller
 

"Als wäre es gestern gewesen"

Ein halbes Jahr danach: Die hessischen Hockey-Olympiasiegerinnen Mandy Haase, Denise Klecker und Silke Müller über ihr Leben mit der Goldmedaille

Das Gespräch führten Hans-Joachim Leyenberg und Uwe Marx (aus "FAZ" vom 26.02.05)
 

Am 26. August 2004 schaffte die deutsche Hockeynationalmannschaft der Damen mit ihrem Finalsieg gegen die Niederlande eine der größten Überraschungen der Olympischen Spiele in Athen. Drei Spielerinnen des Rüsselsheimer RK waren dabei: Mandy Haase, Denise Klecker und Silke Müller. Sie haben die Erfahrung gemacht, daß eine Goldmedaille zwar nicht alles, aber vieles verändert - und daß der emotionale Höhenflug nur langsam nachläßt.


Wo sind Ihre Goldmedaillen - und wie oft haben Sie sie nach dem Erfolg von Athen schon in die Hand genommen?

Silke Müller: Den Ort, an dem ich sie aufbewahre, verrate ich nicht. Das hat sich so ergeben. Jedenfalls habe ich sie nicht aufgehängt. In der Hand habe ich sie mindestens einmal im Monat: immer am 26., wenn die Erinnerungen hochkommen. Ansonsten immer dann, wenn mir danach ist.
Mandy Haase: Ich habe sie eigentlich jeden Tag in der Hand: Immer dann, wenn ich ungläubig an den Tag des Endspiels zurückdenke. Im Moment liegt sie noch in einer kleinen Dose. Ich werde mir aber eine Vitrine anlegen mit Erinnerungen aus Athen.
Denise Klecker: Meine ist direkt neben meinem Bett in einer kleinen Schatztruhe, die ich nach Athen geschenkt bekommen habe. Die war vorher voller Gummibärchen, jetzt liegt die Medaille drin. Im letzten halben Jahr hatte ich sie unendlich oft in der Hand. Außerdem schaue ich jeden Tag nach, ob sie noch drinliegt. Ich lebe in einer WG - da weiß man nie.

Das klingt so, als habe Sie der Alltag nach dem Olympiasieg immer noch nicht eingeholt.

Silke Müller: Der Alltag ist natürlich zurückgekehrt. Trotzdem gibt es so viele Momente, in denen man an Athen erinnert wird. Jedesmal wenn ich einen Bericht lese oder ein Foto sehe, bekomme ich eine Gänsehaut, als wäre es gestern gewesen.
Mandy Haase: Neben der Fanpost, die bis heute kommt, gibt es immer wieder Leute, die die Medaille sehen wollen oder wissen möchten, wie es war im Endspiel.

In Athen war alles groß, hell, überwältigend. In Rüsselsheim müssen Sie wieder bei Kälte, Schnee und Dunkelheit zum Training fahren. Gab es nach der Rückkehr irgendwann eine Art Kulturschock?

Silke Müller: Erst einmal gab es einen Empfang für uns, der alles übertroffen hat, was wir uns vorgestellt haben. Danach ist man anfangs von Termin zu Termin gehetzt, so daß es etwas länger gedauert hat, bis der Alltag zurückgekehrt ist.
Mandy Haase: Eine Art Schock gab es höchstens beim ersten Bundesligaspiel in Braunschweig. Wir hatten durch die vielen Übertragungen aus Athen auf mehr Zuschauer gehofft.
Silke Müller: Zwei Vereine mit insgesamt sieben Olympiasiegerinnen standen sich gegenüber, und es kamen ungefähr 150 Zuschauer - wenn überhaupt. Wir hatten gehofft, den Boom mit nach Hause zu bringen, und dann das.
Denise Klecker: Ich glaube, dieser Boom hat sich mehr in den Köpfen der Leute abgespielt. Immerhin glaubt heute keiner mehr, daß ich Eishockey spiele. Die „Golden Girls" sind jedem ein Begriff. Das bleibt dem Hockey über Jahre erhalten - auch wenn keine Massen zu unseren Spielen kommen. Ich weiß noch genau, als die deutschen Hockeydamen 1984 in Los Angeles Silber gewonnen haben: Ich habe damals schon Hockey gespielt, aber an der Bushaltestelle hat man mich immer wieder gefragt, ob ich zum Eishockey gehe. Da wußte keiner etwas vom Hockey. Heute ist das anders.

Hat der Deutsche Hockey-Bund genug aus dem Erfolg gemacht, oder ist er nach diesem überraschenden Triumph an seine Grenzen gestoßen?

Denise Klecker: Der DHB hat sich große Mühe gegeben, aber er hat nicht die richtige Kapazität. Da ist eine Flut auf ihn eingestürzt, die er vorher nicht abschätzen konnte. Aber wenn ich sehe, daß die Europameisterschaft in Leipzig stattfindet oder daß der DHB versucht, immer mehr internationale Turniere in Deutschland zu etablieren, dann glaube ich schon, daß das der richtige Weg ist. Der DHB hat nicht mit unserem Erfolg gerechnet - aber das hat keiner. Außerdem darf man nicht vergessen, daß Hockey ein absolut unprofessioneller Sport ist.

Inwiefern?

Denise Klecker: Viele Leute verstehen zum Beispiel nicht, daß wir in Rüsselsheim einen Vereinsbeitrag zahlen. Oft werde ich gefragt, wann mein Vertrag ausläuft. Dann muß ich immer sagen: Ich habe keinen Vertrag. Andere Amateure bekommen vielleicht hundert oder zweihundert Euro pro Spiel, wir bekommen gar nichts. Das ist vielen nicht bewußt.

Muß also ein unprofessioneller Sport mit einem unprofessionellen Verband leben können?

Denise Klecker: Der DHB ist nun mal ein Verband der Amateurvereine, das ist ein anderes Niveau. Er hat sicher Fehler gemacht, aber die hat man auch eingesehen. Es sitzen eben nicht genug Leute beim DHB. Oder die, die da sind, haben nicht genug Know-how, was diese Dinge betrifft - noch nicht. Inzwischen haben sie ja einen guten neuen Sportdirektor mit Erfahrung engagiert. Man kann nur hoffen, daß er das richtige Händchen hat, um das Hockey nach vorne zu bringen.

Bringt einem der Gewinn einer olympischen Goldmedaille beruflich Vorteile?

Silke Müller: Wenn man irgendwo wegen einer Stelle anklopft, dann registrieren viele schon, daß es sich um eine Olympiasiegerin handelt. Die eine oder andere Türe öffnet sich dadurch etwas leichter. Aber grundsätzlich muß man sich alles genauso erarbeiten wie vorher auch.

Gab es Momente, in denen Sie sich ganz berechnend gefragt haben: Was bringt mir der Olympiasieg finanziell oder beruflich?

Mandy Haase: Ich studiere noch, deshalb wird es noch eine Weile dauern, bis ich merke, ob eine Goldmedaille weiterhilft oder nicht. Sicher mache ich mir Gedanken, wie es später läuft, ob ich eine Stelle finde und ob dieser Olympiasieg dabei helfen kann. Ich glaube, daß er ein kleiner Pluspunkt ist. Vor allem die Konsequenz beim jahrelangen Training und die Erfahrung in einem Mannschaftssport wird in vielen Firmen positiv gesehen. Jetzt, im Studium, geht es mir allerdings wie jedem anderen auch: Da hilft mir der Olympiasieg nichts.

Denise Klecker: Direkt nach dem Olympiasieg habe ich nicht daran gedacht, was er mir bringen kann. Ich habe ihn nur als Belohnung für mich gesehen. Danach hat diese Flutwelle mit Terminen und Interviews auch mich überrascht. Da sind Freunde und Bekannte aus der Versenkung aufgetaucht, von denen man jahrelang nichts gehört hat. Bei den ganzen Anfragen und Angeboten muß man gut ausloten, was sinnvoll ist und was nicht. Von Fabian Hambüchen habe ich gehört, daß er alles nur noch über einen Manager macht. Ich kann das gut verstehen.

Es heißt, gute Kontakte seien unerläßlich. Wie hilfreich waren Ihre neuen Kontakte?

Denise Klecker: Bei den ganzen Terminen und Empfängen kann man sicher ein Netzwerk aufbauen. Allerdings habe ich schon bei der Frankfurter Olympiabewerbung mitgearbeitet und war auch vor Athen keine Unbekannte. Trotzdem wurden Türen geöffnet: Ein Stipendium der Sporthilfe für ein Studium an der European Business School in Oestrich-Winkel bekommt sicher nicht jeder. Da hat die Goldmedaille die Tür aufgestoßen. Außerdem bin ich im A-Trainer-Lehrgang des DHB dabei, da hat die Medaille auch geholfen. Ich merke daran, daß die Leute denken: Sie hat zehn Jahre geopfert, jetzt soll sie auch etwas von uns zurückbekommen. Andere, die nicht Gold gewinnen, erfahren das wahrscheinlich nicht.

Denise Klecker, 33 Jahre alt. Die Abwehrspezialistin ist nach Athen als Nationalspielerin zurückgetreten. Sie studiert an der European Business School in Oestrich-Winkel.

Silke Müller, 26 Jahre alt. Die Mittelfeldspielerin ist Hotelfachfrau, träumt aber von einer Karriere beim Fernsehen. Ihr größter Erfolg vor Athen: Hallen-Europameisterin.

Mandy Haase, 22 Jahre alt. Die Abwehrspielerin studiert Sport und war in Athen die Jüngste im Kader. Die Mutter der ge­bürtigen Leipzigerin war DDR-Aus­wahlspielerin.

Hat jemand von Ihnen inzwischen einen Manager, oder wäre das vermessen im Hockey?

Silke Müller: Ich glaube nicht, daß das vermessen wäre. Es gibt einzelne bei uns in der Mannschaft, die sich jemanden an die Seite nehmen, einen Bruder oder einen Freund des Bruders, der sich ein bißchen auskennt und kümmert. Denn obwohl wir einen Mannschaftssport betreiben, sind wir Einzelsportler und in dieser Beziehung auf uns allein gestellt. Es ist schwer, eine Mannschaft zu vermarkten, deshalb muß jeder aus eigenem Antrieb etwas unternehmen. Weil wir aber noch ganz grün und ohne Erfahrung sind, wäre es ganz gut, jemanden zu haben.

Beneiden Sie gutverdienende Berufssportler?

Silke Müller: Für das, was wir leisten, müßten wir definitiv etwas bekommen, das sage ich mir immer wieder. An uns liegt es jedenfalls nicht: Wenn man uns nicht sehen will oder wenn nicht genug Leute uns sehen wollen, dann ist das eben nicht zu ändern. Natürlich wäre es schön, wenn man sich keine Gedanken mehr darüber machen müßte, wie man sein Brot verdient, ob und wo man nun Arbeit findet oder ob man doch besser studiert. Andererseits haben die 16 Spielerinnen, die in Athen waren, so etwas wie einen großen Trost: Wir haben erreicht, wovon alle Sportler träumen. Kein Geld der Welt kann mir diese Erfahrung ersetzen.
Mandy Haase: Manchmal wäre ich froh, wenn es größere Unterstützung gäbe, wenn auch überregional im Hockey etwas passieren würde. Aber die Goldmedaille hat jede Mühe, jeden Aufwand gerechtfertigt, zeitlich und finanziell. Wir sind auf unsere Weise belohnt worden.
Denise Klecker: Geld wäre schön. Wenn ich das in Nebenjobs investiert hätte, was ich ins Hockey investiert habe, dann wäre ich schon reich. Aber im Endeffekt macht das den Hockeysport aus: Wir sind aus einem Wert heraus dabei, aus einer Idee. Wir stehen mit allem, was wir haben, dahinter, mit unseren Familien, unserem Umfeld, unserem Geld. Das ist das Besondere. Deshalb habe ich auch in einem Interview danach vor 200 Geschäftsleuten angefangen zu heulen. Ich glaube, es gibt keine Goldmedaille, die so sehr auf Eigeneinsatz gebaut war.

Das Finanzielle rückt dann in den Hintergrund?

Denise Klecker: Man wünscht sich immer wieder mehr Geld. Aber Geld bringt auch Gefahren und schwierige Situationen, wenn es mal nicht so läuft - was im Verein und in der Nationalmannschaft auch schon der Fall war. Was ich mir wünschen würde, wäre eine bessere Absicherung. Die 15.000 Euro der Sporthilfe für die Goldmedaille sind toll, aber eine lebenslange Rente würde mir mehr bringen.

Dabei heißt es doch, daß sich Hockeyspieler nach ihrer Laufbahn sehr gut zu behaupten wissen, daß der sportlichen oft eine berufliche Karriere folgt.

Denise Klecker: Im Hockey gibt es dieses Problem aus anderen Sportarten nicht, daß einer nicht weiß, was danach kommt. Wir müssen uns um unseren Sport und unsere Zukunft parallel kümmern, weil wir gar keine andere Wahl haben. Deshalb fallen wir nach dem Sport nicht ins kalte Wasser. Man wünscht sich natürlich trotzdem oft, daß es ein bißchen besser um das Hockey bestellt wäre. Es muß kein Riesenreichtum her, sondern nur eine Entlohnung. Geld soll das Hockey jedenfalls nicht regieren. Ich wünsche mir, daß wir die große Hockeyfamilie bleiben, denn das zeichnet uns aus.

Würden Sie auch dann so von Ihrem Sport schwärmen, wenn es in Athen nur zu Platz vier oder fünf gereicht hätte?

Silke Müller: Platz vier oder fünf wäre ja schon wunderbar gewesen. In unseren Mannschaftsbesprechungen in Athen habe ich mich noch nicht einmal getraut, das Wort Halbfinale in den Mund zu nehmen. Eigentlich war allein die Teilnahme an den Olympischen Spielen Entlohnung genug. Einige Spielerinnen sind knapp aus dem Kader geflogen, und wir 16 waren dabei - so gesehen, haben wir alles richtig gemacht.
Denise Klecker: Alles Pech, das wir in den Jahren vorher hatten, ist in Athen von uns abgefallen. Atlanta 1996 und Sydney 2000 - da war so viel Pech dabei, da sind in der Kabine Stühle gegen die Wand geflogen. Für mich ist es immer noch wie ein Märchen, ich kann es immer noch nicht glauben - selbst wenn ich die Goldmedaille in der Hand halte.

Können Sie bestätigen, daß ein Olympiasieg das Leben verändert?

Denise Klecker: Ja. Als ich auf dem Treppchen stand, habe ich mir gedacht, daß mein Enkel das Ding mal in der Hand halten und sagen wird: Die Oma ist Goldmedaillengewinnerin. So eine Medaille gehört allen Leuten, die mit uns so viel entbehrt haben. Das ist für viele andere Sportler gar nicht nachvollziehbar - gerade für Fußballer.

Wie ist das in einem Mannschaftssport, wenn drei Spielerinnen mit einem solchen Erfolg zurückkehren: Haben Mitspielerinnen im Verein ein Problem damit?

Denise Klecker: Überhaupt nicht. Die Mannschaft hat zusammen in Deutschland alle Spiele geguckt. Die ersten Anrufe zwei Minuten nach Abpfiff kamen von hier. Die waren total aus dem Häuschen. Es gab keinen, der uns den Erfolg nicht gegönnt hätte. Diese Art von Neid gibt es bei uns nicht.

War Berti Rauth, Ihr Vereinstrainer in Rüsselsheim, nach Athen weniger streng, und hat er Sie bei all den Bällen und Empfängen länger tanzen lassen als erlaubt?

Deutschlands Hockeydamen mit drei Spielerinnen vom RRK sind Olympiasieger 2004 in Athen und bedanken sich nach der Siegerehrung bei den anwesenden Fans.

Denise Klecker: Wir dürfen nicht länger bleiben, aber wir machen das, und wir handeln uns Ärger damit ein.
Mandy Haase: Aber unter den Umständen können wir das für uns vertreten.
Denise Klecker: Berti Rauth hat seinen Stil, und den hat er wegen uns nicht geändert. Wir haben uns einzugliedern und genauso mitzutrainieren wie alle anderen. Es gibt keine Sonderstellung.
Silke Müller: Wir hatten zwei Wochen nach Athen, in denen es hieß: Kommt erst mal wieder an. Danach ging es normal weiter.

Wann sind Sie schließlich "angekommen "?

Silke Müller: Ich war in einem Schwebezustand, anfangs habe ich gar nicht mitbekommen, was passiert. Erst nach einem, vielleicht anderthalb Monaten habe ich mir gesagt: Was hast du eigentlich gemacht?

Reagieren Gegner heute anders als vor Athen - nach dem Motto: Einer Olympiasiegerin will man's zeigen?

Mandy Haase: Ich mußte zwar am Anfang aussetzen, weil ich einen Bänderriß hatte, aber seitdem merke ich überhaupt keinen Unterschied.

Denise Klecker: Ob einer Gold gewonnen hat oder nicht, ist nicht entscheidend. Da kommt keiner und sagt: Der haue ich auf die Rübe, nur weil sie Gold geholt hat. Das gibt es im Hockey nicht.
Silke Müller: Es gibt viel Anerkennung, egal, ob man uns mag oder nicht. Vielleicht liegt es auch daran, daß ich bis heute so ein Strahlen in den Augen habe. Ich glaube, unser Erfolg hat die ganze Hockeylandschaft geprägt.
Mandy Haase: Ich glaube trotzdem, daß unser Olympiasieg manchem Gegner noch mal einen Schub gegeben hat, daß das den Ehrgeiz im Spiel gegen uns angestachelt hat. Aber eher in dem Sinne: So etwas würde ich auch gerne erreichen.

Ist es umgekehrt für Olympiasiegerinnen schwer, sich für Spiele in der Bundesliga zu motivieren? Und was bleibt noch an sportlichen Herausforderungen?

Silke Müller: Wir haben Gold und so viele deutsche Meisterschaften gewonnen, daß wir eigentlich aufhören müßten. Andererseits gibt es immer wieder Ziele. Man orientiert und motiviert sich neu, und dann geht man die Sache an. Uns bleibt ja nichts anderes übrig.
Mandy Haase: Wir haben so viele Höhepunkte - Europacup, deutsche Meisterschaft, Europameisterschaft, Champions Trophy -, da fällt es mir nicht schwer, mich neu zu motivieren. Ich war noch nie Europameister oder Weltmeister. Auch die Champions Trophy habe ich noch nicht gewonnen. Dafür lohnt es sich, etwas zu machen - und erst recht für die Olympischen Spiele 2008.
Denise Klecker: Mir bleiben nur noch drei Titel. Ich habe immer gesagt, daß ich mit 30 aufhöre. Jetzt habe ich 27.
Silke Müller: Dann hört sie dieses Jahr noch nicht auf. Zwei Titel könnten ja klappen, aber drei? Der Feld-Europacup ist sehr schwer zu gewinnen. Man weiß zwar nie, was passiert, aber ich glaube, Denise bleibt uns erhalten.
Denise Klecker: Jeder Titel ist etwas Neues und Besonderes. Als wir zum Beispiel gegen Rot-Weiß Köln auf dem Feld deutscher Meister geworden sind, war das wie ein kleines Athen. Auch die Kölnerinnen galten als unschlagbar.

Gibt es so etwas wie eine besondere Verbundenheit unter den Olympiasiegerinnen?

Silke Müller: Wir haben so viel zusammen gerackert, da verbindet uns Athen bis ans Lebensende.
Mandy Haase: Wir haben vereinbart, daß wir am 26. August, also ein Jahr danach, etwas auf die Beine stellen werden.

Zu dritt?

Silke Müller: Alle 16. Wir wurden gebeten, uns den Termin freizuhalten. Ich glaube, je älter man wird, desto mehr wird man an der Erinnerung Athen festhalten. Allerdings dürfen wir noch nicht verraten, was wir machen werden.
Denise Klecker: Es wird auf jeden Fall so sein, daß die deutschen Fans mit uns feiern können.


Nachgefragt: Was ist geblieben vom Gold in Athen? Interview mit den hessischen "Gold-Damen“

"Das Gänsehautgefühl bleibt!“

Die Fragen stellte Werner Hinz von "Sport in Hessen" des lsb h

Der sportliche Höhepunkt liegt wenige Monate zurück. Bei den olympischen Spielen in Athen holten die hessischen Hockeyspielerinnen Mandy Haase, Denise Klecker und Silke Müller (alle Rüsselsheimer RK) mit der deutschen Damen-Nationalmannschaft die Goldmedaille. Die Euphorie war grenzenlos, nicht nur bei den Spielerinnen – auch in der Heimat. Nach der Rückkehr jagte ein Termin den nächsten. Und Hockey war in aller Munde. Doch wie sieht es heute – ein halbes Jahr nach dem Triumph im Endspiel gegen die Holländerinnen aus? Haben sich die Hoffnungen, die daran in sportlicher wie auch in persönlicher Hinsicht geknüpft waren, erfüllt? Sport in Hessen hat nachgefragt.

Hat sich ihr Leben nach dem sensationellen Erfolg bei den olympischen Spielen eigentlich verändert?

Denise Klecker: Ja und nein! Ja, weil man einfach ein unglaubliches Erlebnis erfahren durfte, dass einen ein ganzes Leben lang begleiten wird und bei den Menschen in aller Munde war und ist. Nein, weil ich trotzdem die Denise Klecker geblieben bin, die ich vorher war.
Silke Müller: Grundsätzlich ist es so, dass ich weiterhin auf die Straße oder zum Einkaufen in den Supermarkt gehen kann, ohne von Menschenmassen erdrückt zu werden. Die Popularität ist nicht bis ins Unermessliche gestiegen. Aber mal im Ernst: Man hat uns auch nicht ganz vergessen. Das Ansehen innerhalb des Deutschen Sports ist natürlich mit einem Mal gestiegen. Vorher wusste niemand, wer du bist. Das Schönes ist einfach, durch die vielen Veranstaltungen und vor allem durch Athen viele nette Leute kennen gelernt zu haben, und diese Freundschaften zu pflegen.
Und natürlich hat sich mein Leben ein Stück verändert. Ich bin seit dem 26.08.2004 stolze Besitzerin einer Goldmedaille. Diese Erfahrung machen nicht viele in ihrem Leben, uns sie wird mich ein Leben lang prägen, egal was mal passiert! Wenn man ein Auto gewinnt, dann erfreut man sich solange daran, bis es nicht mehr fährt. Eine Goldmedaille und ihre Geschichte bleiben für immer.
Es gibt immer wieder Momente, in denen man angesprochen wird. Und man könnte die Geschichte immer und immer wieder neu erzählen. Das Gänsehautgefühl bleibt.
Mandy Haase: Ein paar Veränderungen hat dieser irre Sieg schon mit sich gebracht: Ich hab‘ jetzt eine Goldmedaille zu Hause!
Es ist einfach unfassbar, welche unvergesslichen und einzigartigen Erfahrungen man durch solch einen Sieg macht. Ich bekomme noch täglich Fanpost, bin wie Silke und Denise auf verschiedenen Veranstaltungen eingeladen, von denen man früher nur geträumt hat, und habe dort unbeschreiblich tolle Freundschaften knüpfen können.
Zu dem Ganzen kommt sicherlich, dass mich jetzt die meisten in meinem Wohnort Wilhelmsfeld und Umgebung kennen. Vor allem die Kinder!!! Es ist ein super Gefühl zu sehen, daß wir mit unserem Sieg bei vielen Kindern und Jugendlichen noch immer in den Köpfen sind und sie dadurch auch animieren Sport zu machen. Sie stehen zum Teil heute noch, fast ein halbes Jahr nach Athen, vor meiner Tür, klingeln und fragen nach der Medaille oder nach Autogrammkarten. Das alles sind für mich die schönsten Erfahrungen und Veränderungen, sonst ist alles beim Alten!

Wie hat sich der sportliche Erfolg auf Ihren beruflichen Werdegang ausgewirkt? Haben sich für Sie dadurch neue Perspektiven ergeben?

Denise Klecker: Die Perspektiven für die berufliche Zukunft haben sicherlich verbessert, da man in den Region Rhein-Main ja doch nicht mehr ein „unbekannter“ Sportler ist. Allein die zahlreichen Veranstaltungen und Empfänge geben einem immer wieder die Gelegenheit neue Kontakte zu knüpfen und sich so neue Perspektiven zu öffnen.
Silke Müller: Momentan bin ich ja wieder beim Landessportbund Hessen im Referat Leistungssport tätig. Es scheint, als käme ich nicht los von diesem Haus. Aber ich wiederhole auch hier erneut, wie sehr der lsb h mich all die Jahre ohne Einschränkungen unterstützt hat. Auch er hat einen großen Anteil an diesem Erfolg. Denn was gibt es schlimmeres, als sich bei jeder Maßnahme Gedanken zu machen, ob man freigestellt wird oder nicht.
Und natürlich ergeben sich immer wieder neue Kontakte und Perspektiven. Mit einer Goldmedaille lässt sich mit Sicherheit die ein oder andere Türe leichter öffnen. Aber es gilt auch weiterhin das Sprichwort "Jeder ist seines Glück eigener Schmied". Es bleibt immer die Frage, was man aus seinen Möglichkeiten macht !
Mandy Haase: Dadurch, daß ich noch mitten im Studium stecke, kann ich das heute schlecht beurteilen. Ich muß meine Ausbildung wie jeder andere Student durchziehen. Sicher hat man durch die Zusammenarbeit mit den Olympiastützpunkten besser Chancen z.B. an Praktikumsstellen zu kommen. Man erhält dort eine einzigartige Unterstützung, die jedes Bemühen und Entbehren entlohnt. Doch wie es nach meinem Studium aussieht, werde ich erst in 2-3 Jahren sehen!

"Der lsb h hat mich all die Jahre ohne Einschränkungen unterstützt!" – Silke Müller "Ein unglaubliche Erlebnis, das einen ein Leben lang begleiten wird." – Denise Klecker "Ich hätte es ohne die Unterstützung meiner Familie nie soweit geschafft." – Mandy Haase.

Hockey war nach dem Gewinn der Goldmedaille in aller Munde. Hat die Sportart durch dieses Ereignis einen nachhaltig spürbaren Schub erhalten und ist Hockey auch in den Medien nach wie vor präsenter als vor diesem Erfolg? Oder ist wieder "alles beim Alten"?

Denise Klecker: Die Tendenz ist eher in Richtung „alles beim Alten“. Hockey hat leider nur einen kleinen Schub erhalten, aber auch einen spürbaren. Beim Wort "Hockey" denkt man mittlerweile nicht mehr an Eishockey, sondern an die Golden Girls von 2004 und das ist doch auch ein kleiner Erfolg, oder?
Silke Müller: Nach diesem völlig unerwarteten Olympiasieg konnte sich eigentlich keiner richtig vorstellen, welche Ausmaße er haben würde. Schließlich hatten wir uns vorher keinerlei Gedanken darüber gemacht. Natürlich erhoffte man sich einen Boom, in erster Linie für den Sport an sich. Wie kann man Hockey (längerfristig) populärer machen, bzw. im Gespräch halten? Werden wir jetzt alle Millionäre ( lacht ). Und vor allem, hat es Einfluss auf den Nachwuchs? Das war eine der wichtigsten Fragen.
Auf die Frage, ob Hockey präsenter sei als vorher, kann man ganz klar mit JA antworten. Man wird den Bekanntheitsgrad unserer Sportart wahrscheinlich nie mit Fußball oder Tennis vergleichen können, und wir werden auch weiterhin als profihafte Amateure unsere eigenen Brötchen verdienen müssen.
Aber für unsere Verhältnisse haben wir eines erreicht. Jeder kann etwas mit der Sportart Hockey anfangen. Es gab zwar einige Wochen nach Athen die ersten, zum Teil berechtigten, Kritiken bezüglich einer unzureichenden Vermarktung.
Man muss aber dazu sagen, dass einfach keiner mit diesem Erfolg gerechnet hatte und in gewisser Weise jeder sprichwörtlich vor den Kopf gestoßen wurde. Am Ende wurde das Beste daraus gemacht.
Und man darf nicht vergessen, dass wir in den vergangenen Monaten immer wieder die Gelegenheit hatten, uns in der Öffentlichkeit zu präsentieren. Sei es bei zahlreichen Ehrungen oder verschiedenen Fernsehauftritten. Und ich denke, wir haben uns gut verkauft und werden auch weiterhin jede Möglichkeit nutzen, dass unser Sieg und mit ihm unser Sport in Köpfen der Menschen haften bleibt.
Jede Einzelne in ihrer Region, aber vor allem als Mannschaft, als die "Wundertüten", wie unser Trainer uns während Athen taufte. Und als Wundertüte sind wir ja schließlich "bekannt" geworden.
Mandy Haase: Von dem erhofften Schub habe ich leider nicht viel gemerkt. Sicher ist Hockey hier und da noch vereinzelt in den Medien, doch nicht annähernd in dem Maße, daß es den Vereinen von Nutzen wäre. In dem letzten halben Jahr ist sehr viel Kritik am DHB geäußert worden. Doch als Außenstehender ist es schwer zu beurteilen, was nach unserem Sieg von Seiten des DHB unternommen wurde.
Eines ist sicher, Hockey ist im Moment noch ein Familiensport. Ich hätte es ohne die Unterstützung meiner Familie, sowohl finanziell als auch mental, nie so weit geschafft. In meinen Augen ist es auch genau das, was diese Sportart auszeichnet und so wunderschön macht! Schade ist nur, wenn wir auf diesem Amateurstatus stehen bleiben und uns gänzlich damit zufrieden geben, daß jetzt nicht mehr jeder denkt wir spielen Eishockey, wenn von Hockey die Rede ist!

Vielen Dank für das Gespräch