Von Ralf
Heidenreich (aus "Main-Spitze" vom 20.11.2019)
PETERSAU/RÜSSELSHEIM
- Bekannte Marken- beziehungsweise Kampagnenbotschafter hat Opel einige. Jürgen
Klopp etwa oder Top-Model Eva Padberg und Let‘s-Dance-Juror Jorge González. Aber
auch die Familie, die der Marke mit dem Blitz den Namen gegeben hat, könnte man
zu Marketingzwecken einbinden – meint Carlo von Opel. "Die Bereitschaft ist ja
da", sagt der Urenkel des Firmengründers Adam Opel.
Für Karl Wilhelm
Heinrich Fritz Adam von Opel, so sein voller Name, ist es eine
Selbstverständlichkeit, als Markenbotschafter aufzutreten. Und natürlich sind
die Fortbewegungsmittel des 78-Jährigen ein Statement. Er fährt einen Opel
Mokka. Hochpreisige Luxuskarossen? "Nein, da hatte ich nie Bedarf“. Und wenn er
mit dem Rad unterwegs ist, dann auf einem E-Bike der Marke Opelit. Sein Vater
Georg von Opel hatte 1947 die Opelit GmbH gegründet, es ging vor allem um Boote
und Sportgeräte. Carlo von Opels Bruder Georg griff dann eine alte
Familientradition wieder auf und baut seit einigen Jahren Opelit-Fahrräder. Opel
war in den 20er und 30er Jahren der führende Radhersteller.
Carlo von Opel hat
es nie indie Autoindustrie gezogen. Er wurde auf dem Hofgut Petersau bei
Frankenthal groß, gelegen zwischen Worms und Ludwigshafen. Und dort, wo er noch
heute mit seiner Familie lebt, dominierte seinerzeit neben Viehwirtschaft und
Pferdezucht die Landwirtschaft. Aber auch er hat das Unternehmer-Gen.
CHIO CHIPS
Carlo von Opel
gründete 1962 das Unternehmen "Chio Chips" und errichtete auf dem Familien-Hofgut Petersau (zwischen Worms und Ludwigshafen) die erste Produktionsstätte. Der Name
setzt sich aus den Initialen Carlo, Heinz (sein Bruder) und Irmgard von Opel
(die Mutter) zusammen. Das Werk gibt es noch heute, gehört aber wie die Marke
mittlerweile dem Konzern Intersnack.
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Auf dem Hofgut
wurden unter anderem Kartoffeln angebaut. Die Abhängigkeit vom Handel schmeckte
der Familie nicht. Carlo von Opel hatte die zündende Idee: "Pommes frites kann
jeder machen – aber nicht Kartoffelchips." 1962 gründete er ein Unternehmen und
errichtete eines der ersten Kartoffelchipswerke in Deutschland. Die Marke "Chio
Chips" war geboren (siehe Info-Kasten). Die Unternehmer-Zeiten hat er hinter sich
gelassen. Chio verkaufte er 1976 an Pfeifer & Langen, nachdem die Konkurrenz zu
groß und aggressiv geworden war. Die Leitung des Hofgutes, mittlerweile ein
moderner Reitbetrieb, hat seine Tochter Jeanette übernommen.
Carlo von Opel ist
tief in der Region verwurzelt, das drückt sich auch in seinem Blick auf Opel
aus: "Für mich ist nicht entscheidend, wer Inhaber von Opel ist. Für mich ist
vor allem wichtig: Der Standort Rüsselsheim muss gestärkt werden und darf nicht
zu einer Zweigstelle verkommen." Er sieht da auch die Stadt Rüsselsheim sowie
die Landes- und Bundespolitik in der Pflicht, "die sich noch mehr für Opel
einsetzen müssen, noch stärker hinter Opel stehen müssen". Nach der jüngsten
Sanierung mit dem Abbau von tausenden Stellen in Deutschland hat er, was den
Opel-Stammsitz betrifft, kein gutes Gefühl. "Ich glaube, dass da noch einiges
kommt", sagt er mit Blick auf die geplante Fusion der Opel-Mutter PSA mit Fiat-Chrysler.
Gleichwohl:
"Schlechter als mit General Motors kann es eigentlich nicht werden." Schon sein
Vater Georg habe in seiner Rede zum 100-jährigen Bestehen von Opel auf die
damalige Opel-Mutter geschimpft. "Mir war das damals peinlich. Heute weiß ich,
dass er recht hatte." 1929 verkaufte die Familie das Unternehmen an GM. Einen
direkten Draht zur Opel-Führung hat er nicht. "Ich habe schon einige Briefe
geschrieben, aber nie eine Antwort bekommen." Vom aktuellen Chef des Autobauers,
Michael Lohscheller, hält er einiges: "Er ist der Beste, den wir seit Langem
hatten." Und wenn er PSA-Chef Carlos Tavares treffen würde, würde er ihm sagen:
"Lassen Sie die Hessen machen, die können das. Wir hatten die größte
Fahrradfabrik der Welt und waren der führende Autoanbieter in Deutschland."
Davon ist Opel
heute weit entfernt. Seine Vorschläge zur Steigerung der Verkaufszahlen klingen
unkonventionell, zielen aber auf eine wichtige Marketing-Strategie. "Wenn Käufer
etwa einen Insignia direkt in Rüsselsheim abholen könnten, also dort, wo die
ersten Opel gebaut wurden, würde das mit dem entsprechenden Ambiente die Bindung
stärken", sagt er – und schlägt auch eine Offensive mit Opel-Modellautos für
Kinder vor. "Die Bindung an eine Marke wird immer wichtiger, da die Autos heute
ja alle technisch gut sind." Auch sollte das Unternehmen darüber nachdenken,
wieder ins Fahrradgeschäft einzusteigen und E-Bikes zu verkaufen – gleich mit
Solarladegerät.
In puncto Qualität
sieht der Gründernachfahre Opel auf einem guten Weg, wenngleich die Sanierung
häufig andere Schlagzeilen liefert. "Mir tun die Mitarbeiter leid. Sie bauen
gute Autos und bekommen dafür nur wenig Anerkennung." Bei aller Technik seien
Autos Produkte der Mitarbeiter. "Und da ist es nicht gut, wenn man dauernd die
Angst vor Stellenabbau im Kopf hat."