Aus "Hamburger
Abendblatt" vom 07.10.2016
bj - Da war dieses
Gefühl in den vergangenen Tagen, Charlotte van Bodegom kann gar nicht genau
sagen, wann und warum sie es zum ersten Mal gespürt hat. Aber sie kann
beschreiben, wie es sich anfühlt: "Ich würde wirklich gern mal ankommen", sagt
die 26-Jährige. Nicht, dass man sie missversteht, den in diesem Sommer
vollzogenen Wechsel vom Mannheimer HC zum Uhlenhorster HC hat die
Bundesliga-Hockeyspielerin weder bereut noch schwer genommen. Das Ankommen
bezieht sich vielmehr auf die Lebensphase, in der sie sich aktuell befindet.
Hockeyspieler
jenseits der 25 müssen, da sie ihren Sport meist ohne monetäre Zuwendungen
betreiben, ihr Leben zweigleisig planen. Charlotte van Bodegom hat ihr
Medizinstudium abgeschlossen und bastelt an den Endzügen ihrer Doktorarbeit zum
Thema "Allergische Atemwegserkrankungen". Den Wechsel nach Hamburg hat sie
vollzogen, weil sie sich sportlich noch einmal weiterentwickeln wollte im Team
des deutschen Feldmeisters, das mit Auswahlspielerinnen gespickt ist "und ich
diesen Konkurrenzkampf für mich als reizvolle Herausforderung sehe".
Charlotte van Bodegom mit den 1. Damen des RRK in der Feldsaison 2007/2008
(hinten: Trainer Benedikt Schmidt-Busse, Hannah Pehle, Meike Acht, Cara
Benecke, Charlotte van Bodegom, Lisa Faust, Vera Battenberg, Maren
Pfefferkorn, Irene Balek, Lena Schüder, "Physio" Hanne Zöller; davor: Eva
Frank, Linn Tremmel, Franziska Eckhard, Irena Japec, Ann-Paulin Heist, Ela
Tarlan, Silke Müller, Nina Günther; vorn: Sonja Thüner) |
Verbunden war der
Umzug aus Heidelberg, wo die Tochter niederländischer Eltern aufwuchs und
studierte, aber auch mit der Hoffnung, in einer Weltstadt, die Hamburg sein
will, einen adäquaten Arbeitsplatz zu finden. In der Kinderheilkunde würde sie
gern ihre Facharztausbildung machen. Angebote hat sie aus Düsseldorf und
Heidelberg, ihr Wunsch wäre aber ein Platz am Klinikum Altona. Eine Hospitanz am
Klinikum Heidberg steht in Kürze an.
Solange ihr
künftiger Arbeitsort nicht feststeht, will sich die Abwehrspielerin, die beim
UHC vorrangig den linken Flügel beackert, nicht auf Wohnungssuche begeben. Das
führt dazu, dass sie derzeit beinahe wochenweise ihren Wohnort wechselt. Bei
Teamkolleginnen in Winterhude ist sie bereits untergekommen, bei Freunden in
Rotherbaum, aktuell lebt sie bei einer Gastfamilie in Wellingsbüttel. "Ich bin
allen für ihre Gastfreundschaft sehr dankbar. Aber es ist hart, wenn man nie
richtig in eine eigene Wohnung nach Hause kommen kann", sagt sie.
Der Leistung auf
dem Hockeyfeld ist das unstete Leben bislang noch nicht abträglich. Im
Gegenteil, der Sport ist für Charlotte van Bodegom, die als einzige von drei
Geschwistern einen deutschen Pass besitzt, weil sie für die deutschen
Auswahlmannschaften spielen wollte und 2015 bei der Hallen-WM in Leipzig mit
Silber ihren größten Erfolg schaffte, Ausgleich zum Alltags- und Berufsstress.
Dass sie im über Jahre gewachsenen Team von Cheftrainer Claas Henkel, das an
diesem Wochenende zu den Lokalderbys gegen den Harvestehuder THC und beim
Großflottbeker THGC antritt, aufgenommen wurde, als habe sie nie woanders
gespielt, genießt sie sehr, "weil es nicht selbstverständlich ist".
Sich mit neuen
Begebenheiten zurechtzufinden, das fällt Charlotte van Bodegom grundsätzlich
nicht schwer. Als 16-Jährige ging sie ein Jahr in der Heimat ihrer Familie zur
Schule, spielte für Kampong Utrecht Hockey. Mit der Familie lebte sie als Kind
in den USA, im vergangenen Wintersemester reiste sie durch Australien und
spielte in der dortigen Liga. Dennoch ist die Hoffnung groß, "dass ich den UHC
nicht schon bald wieder verlassen muss, sondern hier heimisch werden kann". Dass
das passen könnte mit Hamburg und ihr, das ist mehr als nur so ein Gefühl.