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Über Mitglieder des
RRK (1999)
Christopher Reitz |
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Der "Held von Padua" will jetzt auch
Hockey-Olympiasieger werden
Torhüter Reitz gibt Rückhalt, weil er
endlich Rückhalt hat
Von PETER PENDERS (aus "FAZ" vom 15.09.1999)
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PADUA. Der Held des Tages brauchte
nicht lange, um den Wert dieses Erfolges für sich einzuordnen. "Jetzt kann ich
im Frühjahr vielleicht endlich mein erstes Staatsexamen machen", sagte
Christopher Reitz. Eine Viertelstunde vorher hatte er im Finale der
Feldhockey-Europameisterschaft gerade den dritten niederländischen Siebenmeter
in Folge abgewehrt und der deutschen Mannschaft den Weg zum überraschenden
Triumph geebnet. Ein besonderer Moment für den Rüsselsheimer, und das nicht nur,
weil der Medizinstudent nun möglicherweise Zeit für das immer wieder verschobene
erste Staatsexamen hat. "Ich hoffe", formulierte Reitz es vorsichtig, "dass die
Zeit der Torwartdiskussion nun endgültig vorbei ist."
Seit den Olympischen Spielen von 1992, als der Rüsselsheimer den Gewinn der
Goldmedaille überwiegend von der Ersatzbank aus miterlebte, ist Christopher
Reitz schließlich im Grunde die Nummer eins unter den deutschen
Hockey-Torleuten. Allerdings eine, die immer wieder von Bundestrainer Paul
Lissek in Frage gestellt wurde. "Fast in jedem Jahr tauchte ein anderer auf, der
zunächst auf Turnieren auch gegen die schweren Gegner Spielpraxis erhielt",
erinnert sich Reitz. Die böse Vermutung, dass da ein anderer Stammtorwart
aufgebaut werden sollte, beschlich den Rüsselsheimer bisweilen. "Aber ein
Torhüter braucht viel Vertrauen und Rückendeckung des Trainers", sagt Reitz.
Dass er dies bei Lissek mitunter vermisste, daraus macht der Rüsselsheimer
keinen Hehl. Im letzten Jahr musste er sich erst gegen den Limburger Nils
Kowalczek durchsetzen, in diesem Jahr gegen den Münchner Clemens Arnold. Diesen
internen Kampf schien er diesmal lange verloren zu haben. "Erst kurz vor der EM
habe ich dann plötzlich wieder gespielt", sagt der 26 Jahre alte Torwart des
Rüsselsheimer RK.
Dass er viel hat runterschlucken müssen in dieser Zeit, versteht sich von
selber, zumal Reitz und Lissek unterschiedliche Ansichten über die Art des
Torwartspiels besassen. "Ich bin ein intuitiv mitspielender Torwart, der
versucht, viel zu antizipieren", sagt Reitz. Weil das aber auch mal schiefgehen
kann, habe der Bundestrainer im Grunde wohl einen mehr den Normen entsprechenden
Torhüter bevorzugt. Dass er nun wieder zur festen Größe in der deutschen
Mannschaft geworden ist, sieht Reitz zum Teil auch als Verdienst von Bernhard
Peters, dem deutschen Junioren-Nationaltrainer und Assistenten von Lissek. „Er
hat viel Neues in das Torwartspiel eingebracht", sagt Reitz.
Einer,
auf den es besonders ankommt: National-Torwart Christopher Reitz kann an
einem guten Tag schon die halbe Miete für die abstiegsbedrohten
RRK-Hockeyspieler sein (Hallensaison 1998/1999). |
Nur beim Siebenmeterschießen eben nicht. Seit dem Halbfinale der
Weltmeisterschaft 1994, als Reitz bei allen fünf Versuchen der Pakistaner
machtlos gewesen war, haftet ihm der Ruf an, kein Mann für diese besondere
Aufgabe zu sein. „Dabei habe ich seitdem kein Siebenmeterschießen mit der
Nationalmannschaft mehr verloren", sagt Reitz. Eine Teilschuld an der
WM-Niederlage von 1994 hat längst Lissek übernommen, der Reitz damals geraten
hatte, sich stets auf die selbe Ecke zu konzentrieren. Als Peters dem
Rüsselsheimer vor dem Siebenmeterschießen diesmal noch ein paar Tipps geben
wollte, bremste Lissek seinen Assistenten. „Wir müssen ihn das selber machen
lassen."
So einsam wie der Torhüter ist schließlich kein anderer beim
Siebenmeterschießen. Die Schützen stehen zusammen, der Rest der Mannschaft
wartet an der Mittellinie - nur der Torwart darf sich allein gelassen seine
Gedanken machen. In Padua sah es lange so aus, als sollte Reitz Ähnliches wie
1994 in Australien erleben. Vier Siebenmeter hatten die Niederländer schon
genutzt und quasi schon eine Hand am Pokal. Hätte van der Weide getroffen, wäre
der Weltmeister und Olympiasieger nun auch Europameister, und Reitz wäre seinen
Ruf, "kein Siebenmeter-Killer" zu sein, niemals mehr los geworden. Aber der
Rüsselsheimer hielt den fünften Siebenmeter, und dann auch den sechsten und den
siebten und machte intuitiv alles richtig. Halbhoch, flach, hoch - was die
Niederländer am Ende auch versuchten, Reitz schien es geahnt zu haben.
"Die Mannschaft hat jetzt das Gefühl, dass er Rückhalt gibt", hatte Lissek schon
vor diesem Finale über seinen Torhüter gesagt. Diese temporale Einschränkung
ließ der Rüsselsheimer im Moment des Triumphes lieber unkommentiert. "Ich will
Olympiasieger werden", sagt Reitz, vielleicht, weil er es schon mal war und als
Ersatztorhüter eben doch nicht richtig war. Dass das Vorbereitungsprogramm
wieder umfangreich wird, schrickt ihn nicht, notfalls wird das Staatsexamen eben
noch einmal verschoben. In der Stunde des EM-Triumphes hat Lissek gleich
angekündigt, regionale Strafeckenteams zu bilden, die eben morgens um sieben Uhr
noch vor der Universität diese Standardsituationen bis Olympia tausendfach üben.
"Von mir aus", sagt Reitz, "kann er mich um sechs aus dem Bett holen."
Nominiert für
"Olympia Sydney 2000":
Christopher Reitz
Geboren:
03.04.1973 (Frankfurt/M. / Deutschland)
Student und Sportler - für den
talentierten Torhüter Christopher Reitz scheint die Verbindung dieser Welten
kein Problem zu sein. Seit mehreren Jahren ist der erfolgreiche Keeper vom
Rüsselsheimer RK aus Deutschlands Hockey-Szene nicht mehr wegzudenken. So hatten
es die deutschen Hockey-Herren erst im vergangenen September Reitz zu verdanken,
dass sie ihren Siegeszug bei der EM mit dem Titel-Hattrick krönen konnten. Mit
drei gehaltenen Siebenmeter-Schüssen sicherte der Frankfurter Medizinstudent dem
Team vom Deutschen Hockey-Bund (DHB) damit zugleich das Ticket für die
Olympischen Spiele in Sydney. Bei den Spielen in Australien zum dritten Mal
Olympia-Teilnehmer zu werden, hatte der Computer-Fan mit dem eigenen
Internet-Auftritt schon lange im Visier. Das Ziel des Jahres 2000 definierte der
Goldmedaillen-Gewinner von 1992 mit deutlichen Worten: "Mein klares Ziel ist der
Olympiasieg. Dafür tue ich alles. Notfalls kann mich Paul Lissek auch morgens um
sechs zum Eckentraining aus den Federn holen", bekannte der angehende Arzt nach
der erneuten EM- Titelverteidigung im September in Padua. Dabei musste
Bundestrainer Paul Lissek zum Jahreswechsel noch auf seinen Top-Keeper
verzichten: Wegen einer so genannten "weichen Leiste" hatte sich Reitz im
Dezember operieren lassen.
Körpermaße: Größe/Gewicht: 184
cm / 84 kg
Erfolge: Olympische Spiele:
Goldmedaille 1992, 4. Platz 1996 - WM: 4. Platz 1994, 3. Platz 1998 -
Feldhockey-Europameister: 1995, 1997, 1999 - Junioren-Weltmeister: 1993
Verein: Rüsselsheimer Ruder-Klub
08
Hobbies: Computer, Musik, Golf |