Erstmals zwei Brüder im EM-Team
Christian Domke strebt nach seinem
zweiten Titel, für den bekannteren Oliver wär´s die Premiere
Von Martin Krieger (aus
"Main-Spitze" vom 17.01.2003)
Jüngeren Brüdern, wird gerne behauptet, soll das Aufwachsen zumeist leichter
fallen. Dass die späte Geburt längst nicht immer eine Gnade ist, davon könnte
Christian Domke ein Lied singen. Selbst unter Fachleuten ist es bis heute Usus,
dem Familienname fast immer den Vorname Oliver zuzuordnen. Doch obwohl der
26-Jährige als gestandener Hockey-Nationalspieler, zweimaliger Olympiateilnehmer
und 2:1-Siegtorschütze im WM-Finale vor zehn Monaten einen viel höheren
Bekanntheitsgrad erreicht, hat der knapp zwei Jahre jüngere Christian ihm etwas
voraus – er war schon einmal Hallen-Europameister.
Dass dieser Status quo auch am Sonntag noch gilt, ist wenig wahrscheinlich.
Erstmals in seiner Laufbahn gehört Oliver Domke dem zwölfköpfigen Kader des
Nationalteams an, das von heute an in Santander (Spanien) um die 11. Hallen-EM
kämpft. Und da die Deutschen bislang stets und obendrein in überlegener Manier
den Titel eingefahren haben, scheint eigentlich nur die Höhe des neuerlichen
Finalerfolges von gesteigertem Interesse.
Die
"Domke-Brüder" im
Bundesliga-Kader der RRK-Herren 1999/2000, der zum Abschluss der
Hallenrunde in der Grugahalle in Essen die Deutsche Vizemeisterschaft im
Hallenhockey erringen kann (hinten: Abteilungsleiter und Betreuer Martin
Müller, Holger Klein, Trainer Kai Stieglitz, Joachim Ritter, Nico Hosang,
Björn Emmerling, Christian Hense, Torben Stalmach, Betreuerin Beate
Müller, "Physio" Sonja Richard; vorn: Nicolas Emmerling, Thomas Block,
Oliver Domke, Christopher Reitz, Sebastian Markowsky, Christian Domke,
Glenn Eifert, Lars Hosang) |
"Ob diese EM etwas Besonderes ist, kann ich erst am Montag beantworten. Immerhin
geht es gegen Mannschaften, gegen die ich noch nie gespielt habe", sagt Oliver
Docke. Dass er nach 182 Feld-Länderspielen in den fünf Testvergleichen gegen
Polen vor wenigen Wochen erstmals auch in der Halle das Nationaltrikot überzog,
sei seine Entscheidung gewesen: "Ich hätte mehrfach gekonnt, wollte aber nicht,
weil das mit der Ausbildung irgendwie nie hingehauen hat". Als Student der
Betriebswirtschaft an der FH Wiesbaden sieht es besser aus, und da in drei
Wochen in Leipzig noch der erste Hallen-Weltmeister ermittelt wird, habe er
diesmal frühzeitig Interesse signalisiert. "Prinzipiell spiele ich genauso gerne
Feld wie Halle, zumal es da viele Torraumszenen gibt. Und wenn man zwei Titel in
so kurzer Zeit mitnehmen kann, ist das doch eine schöne Sache", so Domke I.
"Und
natürlich freue ich mich darauf, mit meinem Bruder zusammen zu spielen".
Der zweite Domke empfindet genauso: "Da wir uns besser als alle anderen kennen,
sind die Laufwege ganz klar", sagt Christian. An die EM vor zwei Jahren in
Luzern hat er trotz des Titelgewinns nicht die allerbesten Erinnerungen. "Ich
bin damals nicht soviel zum Einsatz gekommen und habe mich ein bisschen
übergangen gefühlt". Dass er im Verein nun schon in der zweiten Saison in der
Abwehr agiert, ohne deshalb seine technischen Fertigkeiten und seinen
Offensivdrang unter den Scheffel zu stellen, hat ihm offenbar bei Bundestrainer
Bernhard Peters zu mehr Anerkennung verholfen. "Er hat mich bei den Lehrgängen
mehrfach gelobt, und irgendwann war ziemlich klar, dass ich dabei sein würde.
Ich denke, mein Vorteil ist, dass ich hinten und vorne spielen kann", sagt Domke
II. Und genau das imponiert auch dem älteren Bruder: "Er hat ganz andere
Qualitäten als ich".
Dass beide Domkes über die aktuellen Hallen-Events hinaus auch im Freien bis zu
den Olympischen Spielen 2004 gemeinsam durchstarten, sieht Oliver noch nicht.
"Natürlich wäre das toll, aber ich weiß nicht, ob sein Knie die härtere
Belastung draußen mitmacht". Schon mehrfach habe Christian speziell nach
Feld-Lehrgängen über Schmerzen geklagt und pausieren müssen. Für den Jüngeren
kein Grund, die Segel zu streichen: "Ich möchte unbedingt nach Athen, denn der
Stellenwert von Feldhockey ist nun einmal deutlich höher". Mit vorbeugenden
Kraftübungen und der Einnahme homöopathischer Mittel hofft er, dieses leidige
Problem in den Griff zu bekommen. Was seine Rolle im Schatten des berühmten
Bruders betrifft, hat er nach inzwischen 43 Länderspielen seinen Frieden
offenbar gefunden. "Früher hat mich das schon ein bisschen gewurmt, aber
mittlerweile stehe ich da drüber. Der Respekt ist da - auch im Nationalteam. Und
im Verein nehmen alle was von mir an; auch der Olli", sagt Christian, der an der
Uni Mainz Betriebswirtschaft studiert. Eine weitere brüderliche Gemeinsamkeit.
Dass das Domke-Duo in Santander in einem Zimmer logiert, ist daher nicht
wirklich etwas Besonderes. Dass erstmals Brüder in einem deutschen Hallenkader
stehen auf jeden Fall. Und spätestens als Mitglied des ersten Weltmeisterteams
dürfte auch der Name Christian Domke dem einen oder anderen geläufiger sein.
Aus
"Main-Spitze" vom 21.01.2003:
Die deutsche Mannschaft 2003 in
Santander nach dem 6:1-Finalsieg über Spanien mit gewonnenem Pokal −
Björn Michel, Philip Sunkel, Björn Emmerling, Torwart Steffen
Erlewein, Tibor Weißenborn, Torwart Christian Schulte, Christian
Domke, Sebastian "Buddy" Biederlack (verdeckt), Matthias "Witti"
Witthaus (verdeckt), Christoph Eimer, Kapitän Philipp Crone und
Oliver "Olli" Domke |
kri. - Die Hockeysparte des Rüsselsheimer Ruder-Klubs hat einen
Hallen-Europameister mehr. Nach Fritz Schmidt, Rainer Seifert, Tobias Frank,
Björn Emmerling, Christopher Reitz und Christian Domke ist der illustre Kreis
erwartungsgemäß am Sonntag um den Namen Oliver Domke erweitert worden. Auch bei
der elften Auflage dieses kontinentalen Wettstreits haben die Cracks aus der
Bundesliga abermals in souveräner Manier den Titel errungen.
Dass die Domke-Brüder gerne an die vier Tage in Santander zurück denken, geht
über zeitweilig frühlingshafte 15 Grad und den 6:1-Finalsieg gegen Gastgeber
Spanien hinaus. "Es hat sich keinesfalls nur deshalb gelohnt, weil wir uns den
Titel abgeholt haben. Nachdem ich mich an den relativ glatten Boden gewöhnt
hatte, hat die Spielerei einfach viel Spaß gemacht", sagt der Erstgeborene.
Während Stürmer Oliver sich auch an neun Turniertreffern erfreuen konnte – nur
der Wahl-Turiner Björn Michel und ein Franzose waren einmal mehr erfolgreich –,
durfte Abwehrspieler Christian aus anderen Beweggründen mit sich zufrieden sein.
"Ich habe immer Stamm gespielt, und es ist von Anfang an einfach sehr gut
gelaufen", erklärt der 24-Jährige. Nur im Finale habe er etwas mehr Anspannung
verspürt und sei nicht mehr ganz so locker gewesen.
Davon scheint der Bundestrainer nichts mitbekommen zu haben.
"Der kleine Domke
war diesmal der große", so Bernhard Peters. Während Oliver sich zu Beginn etwas
schwer getan habe, ins System hineinzufinden, "aber im Halbfinale und Endspiel
voll überzeugt hat, hat Christian hinten rechts technisch erstklassig gespielt
und mit seinem super Auge häufig als genialer Passgeber geglänzt", lobt Peters.
Und: Sollte es beim abschließenden Bundesliga-Doppelspieltag in München keine
Verletzung geben, "ist die WM für beide nicht gefährdet".
Dass das Domke-Duo vom 5. bis 9. Februar in Leipzig unbedingt dabei sein möchte,
dürfte auch etwas mit der eher tristen EM-Atmosphäre zu tun haben. "Das war eine
recht arme Veranstaltung; anfangs hatten die nicht einmal einen Hallensprecher
und es waren kaum Zuschauer da", sagt Christian. Das wird man den Sachsen als
Gastgeber einer WM-Premiere wohl nicht nachsagen müssen.
Das Interview
"Irgendwann olympisch"
Doppel-Weltmeister Oliver Domke sieht Hallenhockey auf dem Vormarsch
Das Gespräch führte
Martin Krieger (aus "Main-Spitze" vom 11.02.2003)
Elf Monate nach
dem ersten WM-Triumph im Freien trug Oliver Domke in Leipzig maßgeblich dazu
bei, dass die deutschen Hockeyspieler auch den Hallentitel errungen haben. Der
26 Jahre alte RRK-Ausnahmestürmer ist somit einer von neun Doppel-Weltmeistern.
MAIN-SPITZE:
Glückwunsch zum WM-Sieg! Fühlt man sich als Doppel-Weltmeister wie im siebten
Himmel?
Domke: Vom Hockey
her betrachtet war das natürlich eine tolle Sache und hat viel Spaß gemacht.
Zumal wir mit dem RRK ja das DM-Viertelfinale verpasst hatten. Aber ich muss
sagen, dass ich im Moment andere Probleme habe. Als mir am Dienstag noch gesagt
wurde, dass ich angeblich auf einem Ohr nicht gut genug hören soll, um die
Ausbildung für die gehobene Polizeilaufbahn beginnen zu können, war ich echt
fies am Boden. Ich habe sogar überlegt, die WM abzusagen, aber letztlich hat mir
die Ablenkung gut getan.
MAIN-SPITZE: Wie
ist Ihr Abend nach dem 7:1-Finalsieg gegen Polen verlaufen?
Domke: Nach der
Siegerehrung und Abschlussfeier bin ich mit Freunden nach Hause gefahren. Das
war schon im Vorhinein so ausgemacht. Wir waren dann noch bis ein Uhr im "Scuba",
doch weil ich mich vom Bauch her immer noch nicht wieder richtig fit gefühlt
habe, bin ich nach einem Bier auf Säfte umgestiegen.
MAIN-SPITZE: Sie
waren im März der 2:1-Siegtorschütze im WM-Endspiel und haben nun im
Hallenfinale drei Tore erzielt. Können Sie in solchen Begegnungen immer
besonders viel aus sich herausholen?
Domke: Es gibt
Spiele, da muss man nicht motiviert werden. Und auch die Körperspannung ist eine
ganz andere. Am Sonntag habe ich schon beim Aufstehen gewusst, dass es ein guter
Tag wird, zumal wir die Polen erst kürzlich fünf Mal besiegt hatten. Der Start
ins Spiel war optimal, und mit Björn Michel habe ich so gut harmoniert wie
selten zuvor.
MAIN-SPITZE: Gab
es einen Moment im Turnier, an dem Sie Sorge hatten, dass der große Favorit es
nicht packen könnte?
Domke: Auf jeden
Fall. Vor dem Halbfinale gegen Frankreich waren vier, fünf Leute, darunter ich,
durch einen Virus geschwächt. Christoph Eimer konnte ja dann gar nicht
mitspielen, und das alles ließ sich nicht so einfach kompensieren. Weil alle
ihre Leistung nicht gebracht und das taktische Konzept nicht umgesetzt haben,
wurde es ziemlich eng.
MAIN-SPITZE: Was
bleibt von der WM-Premiere dauerhaft im Gedächtnis haften?
Domke: Die
Atmosphäre war Weltklasse. Das wird in vier Jahren schwer zu toppen sein, zumal
die Halle echt optimal war. Da sich seit der WM in Malaysia bei uns eine super
Kameradschaft entwickelt hat, freut man sich einfach sehr, die Leute wieder zu
sehen.
MAIN-SPITZE: Hat
Hallenhockey weltweit eine Zukunft und werden Sie auch bei der zweiten WM dabei
sein?
Domke: Das liegt
so weit weg und hängt auch ein bisschen von der Zusammensetzung des Teams ab.
Mein nächstes Ziel ist Athen, denn bei Olympia habe ich noch nichts gerissen.
Hallenhockey bedeutet mehr Action, viele Tore und gute Stimmung. Deshalb ist es
auch für weniger fachkundige Zuschauer und das Fernsehen interessanter. Ich kann
mir gut vorstellen, dass Hallenhockey irgendwann olympisch wird.