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Über Mitglieder des
RRK (2017)
Carlo von Opel |
Carlo von Opel |
Der Urenkel von Adam Opel und das Drama um einen deutschen Mythos
Carlo von Opels Vorfahren legten den Grundstein für den Autohersteller. Jetzt
entscheidet sich das Schicksal von Opel. Wird das Unternehmen gerettet oder von
PSA ausgehöhlt?
Von Susanne Stephan
und Marco Wisniewski (aus "www.focus.de" vom 25.02.2017)
Carlo von Opel
weiß, was Opel guttut, ja was den Autokonzern ausmacht ‒ oder besser, was ihn
früher einmal ausgemacht hat. Vor langer Zeit. Er weiß es aus Erzählungen über
Sophie Opel, seine Urgroßmutter: "Wir müsse für de Opelaner sorsche, dann werde
se für Opel sorsche", zitiert er in breitem Pfälzisch die Grande Dame des
Autokonzerns.
Sophie Opel war die
eigentliche Gründerin der Firma. Ihr Mann Adam hielt Autos für eine unnütze,
laute Erfindung, erst nach seinem Tod 1895 ließ sich Opel ‒ die Firma
produzierte damals Nähmaschinen und Fahrräder ‒ auf die Pkw-Herstellung ein.
Die resolute Frau,
ohne die "wohl keine das Geschäft betreffende Handlung von irgendwelcher
Wichtigkeit ... unternommen wird", wie ein Fabrikinspektor des Hofmarschallamts
Darmstadt 1886 feststellte, hat den Verkauf ihres Unternehmens in der
Weltwirtschaftskrise 1929 nicht mehr erlebt. Und Carlo von Opel hat seine
Urgroßmutter nicht mehr erlebt.
Und eigentlich
könnte dem 75-Jährigen der Konzern egal sein. Schließlich war er selbst ein
erfolgreicher Unternehmer. Zusammen mit seiner Mutter Irmgard und Bruder Heinz
baute er auf dem Familienhofgut Petersau Kartoffeln an, errichtete 1962 eine
Fertigungsanlage für Kartoffelchips ‒ und gründete die Firma Chio Chips (der
Name leitet sich von den Anfangsbuchstaben der Gründervornamen ab), die er 1978
an Funny-Frisch verkaufte. Er reiste und fotografierte viel, war für die Freien
Wähler im Stadtrat von Frankenthal, engagiert sich für den Umweltschutz.
Aber dem Schicksal
des deutschen Traditionsunternehmens kann er sich in diesen Tagen nicht
entziehen. Carlo von Opel hat eine dezidierte Meinung zum avisierten Verkauf von
Opel: "Alles ist besser als die Amerikaner. Wenn die bei General Motors in
Detroit aus dem Fenster sehen, blicken sie nach Kanada. Wenn sie auf ihren
Schreibtisch blicken, sehen sie schlechte Zahlen. Bis nach Rüsselsheim sehen die
nicht."
Ampera-e |
Die schwierige
Ehe mit GM
Es geht um ein
Stück deutsche Geschichte, um eine Marke, die aus dem Alltag der Deutschen nie
wegzudenken war. Und es geht, natürlich, um Arbeitsplätze.
Carlo von Opel
fürchtet wie viele andere den Verlust von Jobs. Dabei ist seine Sichtweise
paternalistisch: "Wenn Beschäftigten gekündigt wird, muss ihnen das Versprechen
gegeben werden, dass sie wieder eingestellt werden, sobald es nach oben geht."
Doch ist die
Trennung von General Motors auch eine Chance? Kommt mit dem Verkauf an PSA
Peugeot Citroën die Freiheit?
So viel
Unsicherheit herrschte schon lange nicht mehr bei Opel. Bundeskanzlerin Angela
Merkel telefoniert mit PSA-Chef Tavares, Wirtschaftsstaatssekretär Matthias
Machnig versucht sich als Pendeldiplomat zwischen Vorstand und Betriebsrat,
Wirtschaftsministerin Brigitte Zypries schmollt öffentlich, weil sie nicht in
die Übernahmeverhandlungen eingebunden wird. Im Bundestagswahljahr will sich
niemand mangelndes Interesse für Opel vorhalten lassen.
Schon einmal, 2009,
wurde die Politik in den Überlebenskampf des Herstellers hineingezogen. Damals
profilierte sich der Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg mit der
Feststellung, eine "geordnete Insolvenz" sei das Beste für Opel. Zur Pleite kam
es nicht, aber die Opelaner sind traumatisiert vom Schicksal des Werks in
Bochum, das GM 2014 dichtmachte.
Ein Stück Heimat
Opel, das ist ein
Stück Deutschland, ein Stück Heimat. Die Marke ist mit dem Wirtschaftswunder
verbunden, mit Namen wie dem Rallyefahrer Walter Röhrl oder Prestigeprojekten
wie dem Werk in Eisenach, das nach der Wiedervereinigung entstand und als
modernstes Autowerk Europas gefeiert wurde.
Aber Opel ist eben
auch ein Unternehmen: "Es wäre unrealistisch zu erwarten, dass General Motors
mehr als 18 Jahre Geld nach Deutschland überweist, um die Verluste auszugleichen
‒ und nicht über Konsequenzen nachdenkt", sagt Georg von Opel, ein Halbbruder
Carlos. Er ist Investmentmanager in der Schweiz, hat sich emotional von der
Marke abgenabelt und kalkuliert nüchtern. "PSA ist näher dran am europäischen
Markt. Deswegen kann es aus meiner Sicht schon sein, dass eine Übernahme Opel
hilft."
Selbst, könnte man
hinzufügen, wenn ganze Standorte daran glauben müssen. Schließlich verkauft PSA
vor allem Klein- und Mittelklassewagen, konkurriert also mit Opel und der
britischen Schwestermarke Vauxhall.
PSA gilt als
schwieriger Partner
Bei Peugeot redet
der französische Staat mit, der seit der Fast-Pleite 2012 engagiert ist und
13,68 Prozent der Anteile hält. Und die französischen Gewerkschaften machen
ihren Einfluss geltend. Auch sie vertreten ‒ internationale Arbeitersolidarität
hin oder her ‒ vor allem nationale Interessen: 38.000 Arbeitsplätze hat Opel in
Europa, einige Tausend dürften bei einem Verbund mit PSA überflüssig werden. Wie
viele genau? Jeder darf spekulieren. In Deutschland gilt eine Jobgarantie bis
Ende 2018, also nur noch 22 Monate.
Bei der Bilanz-PK
am Donnerstag machte PSA-Chef Carlos Tavares klar, dass er sein Unternehmen für
technisch überlegen hält und dass er von Opel viel erwartet. Insbesondere
Unterordnung: "Ich vertraue auf das Opel-Management, aber wir werden sie
herausfordern, wenn notwendig."
BMW machte eher
schlechte Erfahrungen mit PSA: Zusammen mit den Franzosen gründeten die Münchner
2011 ein Joint Venture für den Bau von Elektro- und Hybridautos. Das Projekt
scheiterte. "Die Franzosen wollten Know-how und Geld, haben aber selbst wenig
beigetragen", resümiert ein Beteiligter.
Das lässt für den
Opel-PSA-Deal nicht gerade hoffen. Andererseits: Viel schlimmer kann es für Opel
kaum kommen: Das Unternehmen hat seit 1999 keinen Gewinn mehr gemacht und
insgesamt 16 Milliarden Euro Verlust eingefahren. Es leidet unter der
Bevormundung durch GM, das Entwicklungsleistungen einfordert, aber dem
Hersteller den Zutritt zum US-Markt und nach China verweigert. Opel-Chef
Karl-Thomas Neumann sitzt zwar im Executive Committee von GM, aber "das ist eine
Runde von Frühstücksdirektoren", lästert ein Insider.
Im Nachhinein sind
alle ja immer schlauer. Im Nachhinein, sagt ein Kenner des Unternehmens, hätte
einem klar werden müssen, dass sich GM Schritt für Schritt von Opel
verabschiedete. Seit 2012 sei Kompetenz bei Wasserstoff- und Elektroantrieben
nach Detroit abgezogen worden. "General Motors hätte nie das Geld in die Hand
nehmen wollen, das nötig gewesen wäre, um die EU-Grenzwerte einzuhalten."
Ab 2020 dürfen neu
in der EU zugelassene Autos nicht mehr als 95 Gramm Kohlendioxid pro Kilometer
ausstoßen. Dass Opel sich schwertut, emissionsarme Motoren zu bauen, wurde beim
Zafira deutlich. Der Software-Experte Felix Domke, der das Defeat Device von VW
dechiffrierte, wies auch bei einem Zafira 1,6 Liter Diesel eine
Abschalteinrichtung nach. Solange ein Auto auf dem Rollenprüfstand den genormten
Fahrzyklus abbildete, blieben die Stickoxid-Werte im Normbereich. Wich der Modus
von der festgelegten Abfolge von Beschleunigung und Bremsen ab, stiegen die
Emissionen massiv.
"Opel hat nach
außen immer versucht, den Eindruck zu erwecken, dass alles äußerst kompliziert
sei und externe Experten die Dieselthematik nie verstehen könnten", berichtet
Domke. "Mit dieser Taktik, verbunden mit den freiwilligen Nachbesserungen an der
Software des Zafira, kamen sie um das Eingeständnis herum, eine
Abschalteinrichtung eingesetzt zu haben."
Crossland X |
Hoher
Investitionsbedarf
Was Opel nicht
erspart bleibt, ist der Zwang, Hunderte Millionen zu investieren, um
emissions-ärmere Antriebe zu entwickeln. Das Center of Automotive Management
gibt den durchschnittlichen CO2-Ausstoß der Opel-Modelle für 2016 mit 128 Gramm
pro Kilometer an. Mit dem Ampera-e stellte Opel 2016 einen reichweitenstarken
Stromer vor, der den Vergleich mit Tesla nicht scheuen muss. Auf dem Pariser
Autosalon hatte Opel damit einen bemerkenswerten Auftritt. Kleiner
Schönheitsfehler: Der Ampera-e stammt aus den USA und wird auch dort gebaut.
Im Rüsselsheimer
Opel-Entwicklungszentrum, in dem insgesamt 7.700 Menschen arbeiten, tüfteln die
Ingenieure vor allem an Verbrennungsmotoren. Es wurde im vergangenen Oktober im
Beisein des hessischen Ministerpräsidenten Volker Bouffier eingeweiht. Welche
Rolle es nach einer Übernahme spielen soll, ist offen.
Kooperation beim
Crossland X
Aber es ist ja
nicht so, dass Opel mit PSA vollkommenes Neuland betritt. Seit 2012 kooperiert
General Motors mit PSA. Das Bündnis führte zu gemeinsamen Autos, eines, der
Crossland X, wurde diese Woche in einer Event-Location am Frankfurter Westhafen
präsentiert.
Der Fünfsitzer ist
ein sogenannter Crossover, also ein Kompaktwagen mit den Charakterzügen eines
Geländewagens. "Alles, was der Kunde sehen und anfassen kann, ist Opel", sagt
Chefdesigner Adem Gärtnerhoffer. Der Citroën C3 des französischen Partners PSA
werde zwar dieselbe Plattform haben wie der Crossland ‒ sprich: viele identische
Bauteile. Aber er werde anders aussehen, avantgardistischer.
Vorstandschef
Neumann hält die Übernahme für "prinzipiell sinnvoll" und lobt über Twitter
Selbstverständlichkeiten, etwa dass PSA-Chef Carlos Tavares zugesagt habe,
existierende Vereinbarungen mit dem Opel-Betriebsrat einzuhalten.
Wie viel von seiner
Zuversicht ist Show, wie viel echt? "Die Amerikaner haben Neumann den Dolch in
den Rücken gerammt", sagt ein Opelaner. "Sie haben ihm in Detroit ins Gesicht
gelacht und daran gearbeitet, ihn und seine Mannschaft loszuwerden."
Insgeheim habe
Neumann in den vergangenen Monaten an einem Konzept gearbeitet, das den Umbau
von Opel zu einer reinen Elektromarke bis 2030 vorsah, berichtete das "Manager
Magazin". Die Nachricht könnte wahr oder auch gut erfunden und in Umlauf
gebracht worden sein. Neumanns Zukunft in einem von PSA kontrollierten
Unternehmen ist unklar, der Mann dürfte nach neuen Herausforderungen suchen. Da
schadet es nichts, mit auffallenden Ideen sichtbar zu sein. Möglicherweise bis
nach Wolfsburg. VW verließ Neumann 2013 nach Meinungsverschiedenheiten mit dem
damaligen Vorstandschef Martin Winterkorn. Doch er habe bis heute bei VW eine
Fangemeinde, heißt es.
Mit Begeisterung
spricht aber auch der leitende Opel-Ingenieur Georg Schade über die
Zusammenarbeit: Die französischen Kollegen seien jede Woche nach Rüsselsheim
gekommen. "Es war eine sehr spannende Aufgabe, die unterschiedlichen Denkweisen
kennenzulernen."
Zuversicht scheint
derzeit die oberste Pflicht eines Opel-Managers zu sein. Opel beschäftigt 38.000
Mitarbeiter, schreibt seit 1999 Verluste. PSA hält sich für technisch überlegen
und erwartet von Opel vor allem Unterordnung.
Opel-Nachfahre
zum Konzernverkauf
"Alles besser
als GM"
Aus "www.swr.de"
vom 6. März 2017
Er heißt Opel und
kennt sich mit Pferdestärken aus: Carlo von Opel, Urenkel des Firmengründers
Adam, betreibt ein Gestüt in Frankenthal. Den Verkauf des Autokonzerns sieht er
positiv.
Die
Verkaufsverhandlungen hat Carlo von Opel vom pfälzischen Frankenthal aus
verfolgt. Dass die Familienmarke Opel nun französisch wird, findet er nicht
schlecht. "Ich sehe das als Chance", sagt er im SWR-Gespräch. Schließlich hätten
die Käufer ja auch Chinesen oder Russen sein können, das wäre wesentlich
unsicherer geworden, meint der 75-Jährige.
Jedenfalls sei
alles besser als der US-Konzern General Motors, sagt Carlo von Opel immer
wieder. Opel habe mal über 30 Prozent Marktanteil gehabt, jetzt seien es gerade
noch sechs oder sieben Prozent.
Am falschen Ende
gespart
Wer mit Carlo von
Opel spricht, spürt, dass er der ruhmreichen Vergangenheit etwas nachtrauert.
Damals hießen die Modelle noch Diplomat oder Admiral. Vor allem in den letzten
Jahren sei am falschen Ende, nämlich bei der Qualität, gespart worden. Das habe
der Marke geschadet.
Außerdem durfte
Opel bislang keine Autos auf dem amerikanischen Markt verkaufen. Dies könne und
müsse sich jetzt ändern, fordert Carlo von Opel. Die Gefahr, dass der Markenname
Opel irgendwann mal verschwinden könnte, sieht er aber nicht. Er selbst werde
ohnehin "immer einen Opel fahren". |