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Über Mitglieder des
RRK (2022)
Brit Scherer |
Brit Scherer und Mario Schuller zeigen,
wie gut sich die Brücke der Kupferstraße als Radweg eignet. |
Wie gut kommt man mit dem Rad durch Rüsselsheim?
Radverkehrsbeauftragte Brit Scherer und Mario Schuller vom ADFC zeigen gut
gelungene Umsetzungen für den Radverkehr ‒ und ihre Sorgenkinder.
Von Stella Lorenz
(aus "Main-Spitze" vom 11.05.2022)
Wie radfreundlich
ist Rüsselsheim? Geht es nach Brit Scherer, ehrenamtliche Radverkehrsbeauftragte
der Stadt, und Mario Schuller, Vorsitzender des Allgemeinen Deutschen
Fahrrad-Clubs (ADFC) Kreis Groß-Gerau, lautet die Antwort: sehr gut. Denn
einiges hat sich in der Vergangenheit hier getan – das zeigen beide
Radfahrexperten auf einer kleinen Tour durch die Stadtviertel.
Am Rathaus wird
voll des Lobes gestartet. Die Reparaturstation in der Faulbrauchstraße sei
komfortabel und gut ausgestattet, sagt Mario Schuller zufrieden. "Diese und die
Zweite am Lachebad sind auf Initiative der Verwaltung entstanden. So etwas freut
uns immer", ergänzt Brit Scherer.
Auf dem Weg zum
Bahnhof machen Scherer und Schuller einen Abstecher zur Weisenauer Straße, wo
Parkstreifen und Warninseln die Fahrbahn deutlich verengt haben, um den Verkehr
zu beruhigen. An sich eine gute Idee, aber viele Radfahrende fühlen sich nicht
sicher, weil Autos zu dicht überholen oder sogar auf den Fußweg ausweichen, weiß
Schuller. Hier würden die Ehrenamtlichen gerne eine Verbesserung erwirken.
Fahrradzähler in
Grabenstraße hilft bei Planung
Am Bahnhof hebt
Brit Scherer besonders die Radabstellanlagen hervor: Vor dem Altwerk sind sie
mobil mit Betonfuß und damit recht flexibel, direkt am Gleis sind sie
festinstalliert und doppelstöckig. Fast alle Plätze sind belegt. Für Scherer ein
gutes Zeichen. "Die Flächen werden von der Bahn gestellt, die Stadt hat die
Abstellanlagen installiert. Das hat die Mobilitätsabteilung gut umgesetzt",
findet sie. Angebote zu schaffen, um leicht zum Bahnhof zu kommen und von dort
weiterfahren zu können, sei ein wichtiger Schritt für die Mobilitätswende.
Auch den
Fahrradzähler in der Grabenstraße – einer von mehreren, die im Stadtgebiet
verteilt sind – halten beide für fruchtbar. Die statistischen Daten seien enorm
hilfreich für die Weiterentwicklung der Maßnahmen. "Verkehrsplanung ohne Zählung
ist keine Verkehrsplanung", sagt Brit Scherer entschieden.
S o wird das obere
Stockwerk der Radabstellanlagen am Bahnhof bedient. Brit Scherer und Mario
Schuller machen es vor.
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Eine wichtige
Verbesserungsmöglichkeit sieht sie an der nächsten Station der Tour. "Die
Einbahnstraßenöffnung im Geiersbühl wird überprüft", weiß sie. "Es ist ein
Angebot für die Radfahrenden und gleichzeitig eine Verkehrsberuhigung", sagt
Scherer. Werden die Einbahnstraßen nicht geöffnet, weichen viele Radfahrende auf
die Fußwege aus – "das muss nicht sein". Die Straßenverkehrsordnung beinhalte
zwar Vorschriften, die aber Auslegungssache seien. Für die
Straßenverkehrsbehörde wünscht sie sich in der Hinsicht mehr
Schulungsbereitschaft.
Als sehr positiv
empfindet sie dagegen die vielen Radunterführungen unter der Bahn, aber auch
unter den mehrspurigen Straßen. "Das ist etwas ganz Besonderes in Rüsselsheim.
Die Unterführungen sind in der Steigung gut konstruiert und gut ausgeleuchtet.
Da hat man damals, als auch noch viele hier wohnhafte Opelaner mit dem Rad zur
Arbeit gefahren sind, verkehrsplanerisch gut mitgedacht."
Viel Potenzial
sieht Scherer am nächsten Routenpunkt an der langzeitgesperrten
Kupferstraßenbrücke. "Hier könnte baulich eine Radspur in der Mitte umgesetzt
werden, es handelt sich auch um eine Hauptradroute nach Königstädten", sagt
Scherer. Die jetzige Lösung, dass auf dem Gehweg gefahren wird, sei suboptimal
und für Fußgänger gefährlich.
Katastrophale
Querung an Kreuzung Varkausstraße/Evreuxring
Über den Hessenring
geht es schließlich an der Alexander-von-Humboldt-Schule vorbei, wo die neuen
Radabstellanlagen gut angenommen werden. Ursprünglich waren dort eigentlich
keine Erneuerungen geplant gewesen. "Das ist uns zu verdanken", sagt Schuller
stolz.
Mit eines der
größten Sorgenkinder von Brit Scherer und ihm wartet dann aber praktisch gleich
um die Ecke. An der Kreuzung Varkausstraße/Evreuxring sei die Querung
katastrophal. "Auf den Dreiecksinseln zwischen den Ampeln ist keine
Aufstellfläche für Räder – ein baulicher Fehler. Und das "Inselhopping" wird von
vielen nicht angenommen. Spätestens an der dritten Ampel wird nicht mehr auf den
Knopf gedrückt", weiß Scherer. Eine verkehrsplanerische Lösung außer einen Umbau
hat sie derzeit nicht, aber sie will sich demnächst bundesweit umschauen, wie es
anderswo gehandhabt wird.
Gut umgesetzt sei
dagegen das aufgestockte Angebot an Leihrädern von Nextbike und die Beseitigung
der Umlaufsperren am Ostpark gegenüber dem Spielplatz an der
Lucas-Cranach-Straße. "Da kam man mit dem Rad, mit dem Rollstuhl oder dem
Kinderwagen überhaupt nicht durch", erinnert sich Schuller.
Insgesamt zeigen
sich Scherer und er zufrieden. "In Rüsselsheim kann man sehr gut Radfahren,
allein schon von der Verkehrsplanung und der Topografie her", so Scherer, die
selbst 27 Jahre beim Tiefbauamt der Stadt tätig war. "Man muss nur an der
Infrastruktur stetig arbeiten und darf sich nicht darauf ausruhen."
Kommentar zum
Radfahren in der Stadt: Ideal
Von Stella Lorenz
(aus "Main-Spitze" vom 11.05.2022)
Wenn Brit Scherer
und Mario Schuller Rüsselsheim als fahrradfreundliche Stadt bezeichnen, haben
sie recht – auch, wenn es an einigen Stellen Verbesserungsbedarf, vor allem in
Sachen Radweginstandhaltung, gibt. Das Fahrrad ist das ideale
Fortbewegungsmittel in Rüsselsheim: Kurze Wege lassen sich unkompliziert und
schnell zurücklegen, fast überall gibt es verbesserte Abstellmöglichkeiten und
gibt es eine Panne am Rad, geht es zur nächsten Reparaturstation. Die sowieso
schon hohe Lärmbelastung durch Autos, Bahn und Flugzeuge reduziert sich ganz
nebenbei. Außerdem entdeckt, wer sich aufs Rad schwingt, oft ganz neue Seiten an
der eigenen Stadt. Nicht zuletzt hilft eine spontane Radtour vor allem
Autofahrer:innen, die Perspektive der Radfahrenden besser nachzuvollziehen. Denn
eine Stellschraube lässt sich auch mit guter Infrastruktur nicht ganz
festziehen: Das gemeinschaftliche Miteinander im Straßenverkehr kann nur
funktionieren, wenn gegenseitiges Verständnis vorhanden ist. Wir alle wollen
sicher ankommen – die verkehrsplanerischen Rahmenbedingungen dafür sind
vorhanden. Sie verantwortungsvoll zu nutzen, liegt bei den
Verkehrsteilnehmer:innen.
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