Das Interview
führte Martin Krieger (aus "Main-Spitze" vom 25.08.2016)
Eine Woche weilte
die gebürtige Rüsselsheimerin Britta Becker in Rio de Janeiro und hat bei ihrem
Erstbesuch naturgemäß mehr Zeit im Hockeystadion in Deodoro als an der
Copacabana verbracht. Die 43-Jährige, bei insgesamt 231 Länderspielen selbst
drei Mal bei olympischen Turnieren am Ball und seit 1999 in Hamburg zu Hause,
ist seit 2013 als Vizepräsidentin des Deutschen Hockey-Bundes (DHB) für den
Leistungssportbereich zuständig. Beim Rüsselsheimer RK war Becker an 13
Europapokaltriumphen und elf deutschen Meistertiteln beteiligt.
Zweimal
Olympia-Bronze in Rio – ist die für den Leistungssport zuständige
DHB-Vizepräsidentin rundum zufrieden zurückgekehrt?
Zwei Medaillen sind
natürlich super. Aber ich bin selbst Sportlerin genug, um zu wissen, dass sich
der Wunsch auf eine Medaille nicht festzurren lässt. Durch das Viertelfinale
etwa besteht die Gefahr, dass man in einem Spiel alles verlieren kann. Für
unsere Herren hatte ich das eher als Risiko, für die Damen eher als Chance
gesehen. Und wenn man sieht, für welche großen Teams der Medaillentraum früh zu
Ende war, ist zweimal Bronze klasse.
Ohne Medaille,
so war zu hören, wäre die Optimalförderung durch den DOSB wohl versiegt. Was
hätte das für den Verband bedeutet?
Über den "worst
case" zu sprechen, ist utopisch. Es hätte auf jeden Fall noch mal Gespräche
gegeben, in der auch ohne Medaille dann sicherlich das Gesamtranking in der Welt
eine Rolle gespielt hätte. Aber umgestellt worden wäre die Topförderung
wahrscheinlich schon.
Hockey ist mit
jetzt 14 Olympia-Medaillen die mit Abstand erfolgreichste nationale
Ballsportart. Warum tut sich der Verband trotz Goldmedaillen in Athen, Peking
und London schwer, finanziell gut über die Runden zu kommen?
Grundsätzlich ist
es im Sportsponsoring nicht mehr so leicht. Auch Fußballvereine, die in der
Champions League spielen, schreiben schon mal bis zu 2.000 Unternehmen an. Und
natürlich schauen Firmen darauf, wie die Medienpräsenz im Fernsehen und
Printbereich aussieht. In Holland ist Hockey die Sportart Nummer zwei mit fast
250.000 Aktiven und hat ein sehr gutes Standing in der Geschäftswelt. Obwohl
Deutschland viel größer ist, liegen wir nur bei etwa 80.000 Spielerinnen und
Spieler. Hockey ist hierzulande deshalb besonders auf Typen angewiesen, deren
großes Interesse und Zuneigung dieser Sportart gilt. Ich denke, dass ich den
zurückliegenden drei Jahren da schon einige gute Kontakte herstellen konnte.
Gerade die
DHB-Herren feiern ihre Olympia-Erfolge gerne ausladend. Besteht die Gefahr, dass
durch Meldungen von Schäden am Inventar eines Luxusschiffes wie vor vier Jahren
oder die Kritik des aktuellen Mannschaftskapitäns an der Schließung des
deutschen Hauses in Rio gegen 3.30 Uhr die eigentlichen Erfolge überlagert
werden?
Für den Verband ist
das vor allem deswegen unangenehm, weil genau das dann eintritt. Der Erfolg
steht nicht mehr im Mittelpunkt. Es hat aber auch den Anschein, als würden
manche Journalisten seit 2008 geradezu darauf warten, dass irgendetwas los ist.
Ich war vor vier Jahren selbst auf dem Schiff und kann sagen, dass da wirklich
kein großer Schaden entstanden ist. Da haben 300 Leute auf relativ engem Raum
zusammen gefeiert, und dass da mal ein Glas zu Bruch geht oder auf den Bänken
getanzt wird, ist völlig normal. Es hat mich gestört, dass das so hoch gehängt
wurde. Aber selbstverständlich ist es völlig okay, wenn in Rio um vier Uhr
Schluss ist.
Trotz des
dritten Platzes ist nicht klar, ob Männer-Bundestrainer Valentin Altenburg
weitermachen kann. Wäre das beim dritten Gold in Serie anders gewesen?
Es war immer so
vorgegeben, dass dieses Thema nach Olympia angegangen wird – und zwar völlig
losgelöst vom Abschneiden in Rio. Es gibt drei Kandidaten, und einer davon ist
Valentin Altenburg.
Sie waren von
1992 bis 2000 selbst drei Mal bei Olympia am Ball. Was hat sich in Ihren Augen
verändert und war die Entscheidung für Rio richtig?
Als Aktiver ist das
ein ganz anderes Erlebnis und nicht miteinander zu vergleichen. Schon alleine im
olympischen Dorf zu sein, ist faszinierend. Olympia ist und bleibt auch für mich
etwas ganz Besonderes. Und wenn man die Siegerehrungen miterlebt, dann kommen
auch eigene Bilder wieder hoch. Auch wenn nicht immer alle Plätze besetzt waren,
was übrigens auch in Barcelona bei Gruppenspielen und im Halbfinale der Fall
war, so habe ich in Rio eine tolle Atmosphäre erlebt.
Der
Rüsselsheimer RK ist sehr souverän auf direktem Weg in die Erste Bundesliga
zurückgekehrt und wird in dieser Saison wieder drei Mal in Hamburg vorstellig.
Werden Sie vor Ort sein und drücken Sie dem RRK weiterhin die Daumen?
Ich habe mich total
gefreut, dass meinem Heimatverein der Wiederaufstieg gelungen ist. Und wenn ich
Zeit habe, werde ich mir die Gastspiele in Hamburg auch ansehen. Allerdings habe
ich vier Kinder, die alle Hockey spielen. Da meine älteste Tochter bei Alster in
der ersten Mannschaft spielt, könnte das eine besonders gute Gelegenheit sein.