Von Christoph Plass
(aus "Die Welt" vom 06.09.2000)
Fünf Hockeyspieler
vertreten Hamburg in Sydney. Sowohl das Herren- als auch das Damenteam gelten
als aussichtsreiche Medaillenkandidaten. Doch in Sydney ist der Druck auf
Deutschlands erfolgreichste Mannschaftssportart noch gewachsen: Die finanzielle
Zukunft des Hockeys hängt von einer vorderen Platzierung ab. Ein Platz im
Mittelfeld würde den Verlust der Spitzenförderung bedeuten ‒ für die nicht
gerade mit Sponsoren gesegnete Sportart wäre das eine Katastrophe.
Sie ist die
Schlüsselfigur in der Damen-Nationalmannschaft. Gerade 27 Jahre alt hält die
ehemalige Rüsselsheimerin, die im Frühjahr zum Großflottbeker THGC gewechselt
hat, den Länderspielrekord (218 Einsätze). In diesem Sommer zog sie an einer
anderen Hamburgerin vorbei: Klippers Star Gaby Reimann, geborene Appel, war die
bisherige Rekordhalterin.
Doch das Hamburger
Hockey-Idol der siebziger und achtziger Jahre hat der heutigen deutschen
Vorzeigespielerin etwas voraus. Sie wurde zwei Mal Weltmeisterin. Britta Becker
fehlt der ganz große internationale Triumph. Weder den Europa-, noch den
Weltmeistertitel konnte sie bislang gewinnen. Bei Olympia gab es in Barcelona
1992 immerhin Silber. Vier Jahre später in Atlanta reichte es nur zum
enttäuschenden sechsten Platz. Kein Wunder also, dass sie die Goldmedaille als
"ganz großen Traum" bezeichnet.
Die Verantwortung,
die die sehr bescheiden, fast schüchtern auftretende Neu-Hamburgerin trägt, ist
enorm. Sie ist schließlich nicht nur Spielgestalterin im Mittelfeld, sondern
auch Rekord-Torschützin der Nationalmannschaft. 104 Mal hat sie seit Beginn
ihrer internationalen Karriere 1989 den weißen Hartkunststoffball im
gegnerischen Kasten untergebracht. Eine Zahl, die sie auch ihrer Treffsicherheit
bei Standardsituationen ‒ Strafecken und Siebenmeter ‒ verdankt.
Dass Hamburg mit
Britta Becker nur eine Spielerin für Sydney stellt, ist traurig, denn immerhin
leben in der Hansestadt fast 20 Prozent aller Erstligaspielerinnen. Klippers
Melanie Cremer wurde ein Opfer der Kaderreduzierung von 18 auf 16 Spielerinnen
bei Olympia im Vergleich zu anderen internationalen Turnieren. Bundestrainer
Berti Rauth nahm lieber die auch als Verteidigerin einsetzbare Friederike Barth
mit als die routinierte Mittelfeld-Wühlerin. Und das ist die Ironie an der
Geschichte: Die 25-jährige Barth vom Rüsselsheimer RK ist tatsächlich die
einzige "echte Hamburgerin" im Nationalteam, denn sie wurde in Hamburg geboren
und hat in der Jugend beim Club an der Alster gespielt.
Trösten wird das
Alsters Hockeyfans allerdings kaum. Denn auch der 19 Jahre alte Max Landshut
schaffte in der Herren-Nationalmannschaft den Sprung auf den Flieger nach Sydney
nicht mehr. Er soll in Paul Lisseks Plänen für die Zukunft eine große Rolle
spielen, hat die Entscheidung auch akzeptiert. Bitterer war es noch für Eike
Duckwitz vom UHC, der erst in letzter Sekunde aus dem 16er-Kader ausgemustert
wurde.
So bleiben vier
"Zugereiste" vom Harvestehuder THC aus Hamburger Sicht im Sydney-Team übrig:
Michael Green und Christoph Bechmann, beide 28, sowie Sascha Reinelt, 21, und
Clemens Arnold, 22. Die "alten Herren" verfügen beide über die Erfahrung von
rund 200 Länderspielen. Reinelt bringt es immerhin schon auf 114. Arnold, der
hinter Rüsselsheims Christopher Reitz klare Nummer zwei im deutschen Tor ist,
bringt es gerade auf 37 Einsätze.
Für ihn, der erst
im Frühjahr vom Münchner SC zum HTHC kam, ist die Teilnahme an Olympia ein nie
für möglich gehaltenes "Heimspiel". Er wurde nämlich 1978 während eines
beruflichen Aufenthalts seiner Eltern auf dem fünften Kontinent geboren und
wuchs dort die ersten Jahre seines Lebens auf. "Wenn Reitzi fit ist, spielt er.
Aber ich werde in Form sein, wenn ich gebraucht werde."