Rüsselsheimer Ruder-Klub 08 "Archiv und Chronik"

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Britta Becker

Traum und Alpdruck zugleich, aber allemal ein wahrer optischer Genuss

Britta Becker könnte Star des Olympischen Hockey-Turniers in Barcelona werden

Von Stephen Lämmerhirt (aus "Main-Spitze" vom 16.07.1992)

 

In einer deutschen Tageszeitung wurde sie als Katrin Krabbe des Damen-Hockeys bezeichnet. Der Erfinder dieses Vergleiches dachte dabei sicher nicht an einen Dopingskandal. Vielmehr schwirrte ihm wohl der optische Genuss, den Rüsselsheims BB bietet ‒ wer jetzt an einen gewissen, zumeist unrasierten Leimener Tennisspieler denkt, ist selbst daran schuld ‒ im Kopf herum. Und der Journalist befindet sich damit in guter Gesellschaft. Denn in den USA hat sie gar einen persönlichen Fan mit dem bezeichnenden Vornamen Michelangelo, der ganz versessen auf Bilder von ihr ist.

Britta Becker (Rüsselsheimer Ruder-Klub) ist Traum und Alpdruck zugleich. Ein Traum für den hockeybegeisterten Zuschauer, wenn sie ihre Sololäufe über das halbe Spielfeld startet und dabei ihre Gegenspielerinnen wie Slalomstangen umkurvt. Oder, wenn sie gerade einmal den berühmten "Bierdeckel" benötigt, um ihren Kontrahentinnen einige Schwindelgefühle zuzufügen. Diese Fähigkeiten in Verbindung mit ihrer Schnelligkeit sind es denn auch, die Britta Becker zum Alpdruck ihrer Gegnerinnen werden lässt.  

Ihre  herausragende  Technik macht die 19jährige nicht zu einer, sondern zu der festen Größe im Auswahlteam des Deutschen Hockey-Bundes (DHB). Und auf der zweiten "waschechten" Rüsselsheimerin im 16köpfigen Nationalkader, neben Torfrau Bianca Weiß, ruhen daher auch die Hoffnungen von Bundestrainer Rüdiger Hänel in Barcelona. "Wir werden versuchen unser Spiel auf sie auszurichten. Britta Becker ist eine enorm wichtige Spielerin für uns, von der der Erfolg entscheidend abhängen wird", hatte der Coach nach dem Schottland-Länderspiel in Rüsselsheim gesagt.

Und Britta Beckers internationale Karriere ist ein weiteres Indiz für ihre Ausnahmestellung. Mit 19 Lenzen ist sie zwar die drittjüngste Spielerin in den Farben Deutschlands, von den fünf Damen des Ruder-Klubs gar das "Nesthäkchen". Ihre 70 Länderspieleinsätze aber, in denen die Mittelfeldakteurin sieben Tore erzielte, werden derzeit nur noch von Caren Jungjohann (129) und Susi Wollschläger (beide Club Raffelberg/96) überboten.

Ihr Länderspieldebüt feierte Britta Becker 1989 in Printon (USA) als 16jährige gegen die frühere UdSSR. So sind es also auch für Britta Becker, die zum Star des Turniers werden könnte, die ersten olympischen Spiele. Daher ist auch bei ihr in aufgeregter Vorerwartung das olympische Feuer längst entbrannt.

Britta Becker selbst sieht die ihr zugeordneten positiven Attribute doch etwas mit Skepsis. "Es gibt immer etwas, was an meinem Spiel noch zu verbessern wäre. Ich erwarte daher auch immer einige kritische Worte meiner Trainer", meint sie und betreibt damit keineswegs "fishing for compliments". Denn wer einmal miterlebt hat, wie "schön" sie sich auch über kleine Fehler ärgern kann, nimmt ihr solche Bescheidenheit ab. Britta Becker allein, die mit sechs Jahren zum Hockey kam und beim Ruder-Klub zu einem der größten deutschen Talente heranwuchs, scheint noch nichts von ihrer Ausnahmeklasse gemerkt zu haben. Doch nach zwei nationalen Hallentiteln, zweifachem Europacuptriumph sowie unzähliger Meisterschaften durch alle Nachwuchsaltersklassen hindurch, wird Britta Becker es schon noch erkennen. Spätestens, wenn am 7. August eine Goldmedaille ihr Dekollete verziert. Die Fachleute indes finden zumeist nur einen Kritikpunkt. In Zweikämpfe könnte sie etwas aggressiver hineingehen.

Fragen nach Hobbys und nach der Zukunft, vor kurzem erst baute die 19jährige erfolgreich ihr Abitur, landeten keine Treffer. Denn derzeit ist der Sport ihr Leben. "Ich bin schon hockeyverrückt. Schon nach einer einwöchigen Pause beginnt bei mir das Kribbeln," nimmt sie die Doppelbelastung gelassen.

Zu den Chancen beim olympischen Turnier äußert sich Britta Becker nur vorsichtig. "Prinzipiell ist für uns alles drin. Aber fest ist nur das Halbfinale ins Auge gefasst worden. Aber auch die Vorrundengegner Spanien, Australien und Kanada dürfen wir keinesfalls unterschätzen", tritt sie, genauso wie Rüdiger Hänel, auf die Euphoriebremse. Zumal die Mannschaft in einigen Medien bereits als Topfavorit auf die Goldmedaille gehandelt wurde.


Hessen bei Olympia:

Vom "Tollpatsch" zur Werbefigur: Britta Becker

Die beste Technikerin im deutschen Hockey spielt in Rüsselsheim

Von Peter Penders (aus "FAZ" vom 06.07.1992)

Vor ein paar Monaten hatte Britta Becker überraschenden Besuch. Vor der Tür des elterlichen Hauses wartete ein junger Mann, der sie gerne kennenlernen wollte. Nachwirkungen der Fernsehübertragungen von der Champions Trophy der Hockey-Nationalmannschaften. "Das war schon merkwürdig", sagt die 19 Jahre alte Nationalspielerin aus Rüsselsheim. Was mag da erst nach den Olympischen Spielen noch so Merkwürdiges passieren?

Britta Becker

Britta Becker fällt schließlich auf. Die Rüsselsheimerin erfüllt alle Merkmale, um sich auch beim Hockeylaien in bleibender Erinnerung zu halten. Sie ist groß, sie ist hübsch ‒ und sie spielt mitunter bemerkenswertes Hockey. Als größtes Talent wird sie schon seit Jahren gehandelt. Daran hat sich nichts geändert, obwohl die Abiturientin  inzwischen  längst  zum Stammpersonal der deutschen Auswahl zählt. Mit 16 Jahren gab sie, kaum spielberechtigt für die Damen, schon ihr Debüt in der Nationalmannschaft. Inzwischen schlagen 68 Länderspiele zu Buche. Am Wochenende kommen zwei weitere hinzu. Dem Test am Samstag beim SC 1880 Frankfurt gegen Schottland folgt am Sonntag ein Heimspiel in Rüsselsheim gegen den gleichen Gegner.

Die Rüsselsheimerin, neben Eva Hagenbäumer, Bianca Weiß, Tanja Dickenscheid und Susanne Müller eine von fünf Olympiafahrerinnen des Ruder-Klubs, ist unumstritten die technisch beste Spielerin der Deutschen. "Eine außergewöhnlich gute Spielerin", hat vor drei Jahren schon Paul Lissek befunden, damals Bundestrainer der Damen und inzwischen zu den Herren übergewechselt. Angesichts der Kompetenz des Limburger Trainers duldet das keinen Widerspruch, und doch gibt es eine Einschränkung. Britta Becker darf sich da im Einklang sehen mit allen technisch beschlagenen Spielern im Hockey oder Fußball. Kämpfen, das sei ihre Sache wahrlich nicht. Wenn es läuft, ist sie kaum zu stoppen, wenn nicht, wehrt sie sich zu wenig.

Den Vorwurf hat sie oft gehört und mag ihn dennoch nicht akzeptieren. "Ich denke schon, dass ich kämpfe. Aber bei mir sieht das vielleicht anders aus als bei Spielerinnen, die von vornherein als Kämpferinnen gelten." Die Mittelfeldspielerin weiß, dass sie diese Einschätzung ebensowenig ausräumen kann wie eine zweite. Selten sieht man sie, selbst nach guten Aktionen, einmal lächeln auf dem Spielfeld. Daraus folgt, dass viele sie für überzogen ehrgeizig halten. "Aber wie soll ich an dieser Meinung etwas ändern? Lach ich mal während des Spiels, bin ich überheblich, bleib ich ernst und konzentriert, gelte ich als zu verbissen und arrogant." Schwer zu lösen für eine Neunzehnjährige, die nach dem Spiel ohnehin eher schüchtern wirkt.

Ihr Bekanntheitsgrad ist Britta Becker dabei gar nicht bewusst. Autogramme schreiben empfindet sie als peinlich, weil sie nicht glauben mag, das ihre Unterschrift einen Wert für den Sammler besitzen soll. Dabei ist ihr Name in der Hockeyszene ohne Frage ein Begriff. Drei deutsche Damen gebe es, die wichtig für die Werbung seien, sagt der Mannheimer Schlägerproduzent Thomas Kille. Vor den Eckenschützinnen Franziska Hentschel (Leverkusen) und Caren Jungjohann (Duisburg) steht an allererster Stelle der Prioritätenliste Britta Becker.

Die große Bühne Olympia ist für die Hockeyspieler der ideale Schauplatz, das Ansehen zu steigern. Schließlich schaut bei entscheidenden Spielen um Medaillenplätze eine ganze Nation via Fernsehen plötzlich auch bei dieser Randsportart zu. Druck verspürt die Rüsselsheimerin deshalb nicht, eher große Vorfreude und ein wenig Angst, durch eine Verletzung noch alles zu verpassen. Unter Druck stellt sie sich ohnehin selbst am meisten. "Ich ärgere mich unheimlich, wenn mir was danebengeht." Deshalb würde sie auch gerne so hart schlagen können wie "die Franzi", die erfolgreichste Angreiferin Franziska Hentschel, und wäre gern "so schnell wie Heiki", die Braunschweiger Stürmerin Heike Lätzsch. Das ist die Crux der Britta Becker. Seit jeher wird von ihr mehr erwartet als von anderen, und sie scheint ohnehin nie so recht zufrieden mit sich. Hat sie schlecht gespielt, versöhnt sie auch ein Sieg nicht. Da fällt das Lächeln schwer.

Einverstanden ist sie nur mit dem, was sie bislang erreicht hat. Zwei deutsche Meistertitel in der Halle, etliche mit der Jugend, jetzt die Olympiateilnahme. Dabei ist sie einst durch die Talentprüfung in der Schule gefallen. Der Rüsselsheimer Trainer Berti Rauth bestellte zwar ihre Freundin Katrin Schmidt zum Vereinstraining, nicht aber Britta Becker. Sie ging nur mit, weil Katrin allein nicht wollte. "Ich war Berti zu tollpatschig." Das hat sich nachhaltig geändert.


Mehr als eine halbe Hockey-Mannschaft aus Rüsselsheim in Barcelona

Von Britta Becker über Tanja Dickenscheid, Eva Hagenbäumer, Susanne Müller, Bianca Weiß und Anke Wild bis Christopher Reitz

Von Ulrich Weber und Hans-Jürgen Kalweit (aus "Darmstädter Echo" vom 28.07.1992)

Rüsselsheim im olympischen Fieber ‒ nicht überraschend, denn nur wenige deutsche Städte sind mit so vielen Sportlern in Barcelona vertreten. Verantwortlich dafür sind neben dem Judoclub vor allem die Hockeyspieler vom Ruder-Klub, aus dem sich ‒ rechnet man die nach Berlin gewechselte Anke Wild hinzu ‒ gleich sechs Nationalspielerinnen rekrutieren. Mit Christopher Reitz wurde zudem auch ein Mitglied aus dem RRK-Herrenteam für die Olympia-Auswahl des Deutschen Hockey-Bundes (DHB) nominiert.

Deutsche Damen-Hockey-Nationalmannschaft, Silbermedaille Olympische Spiele 1992 in Barcelona (Susanne Wollschläger, Caren Jungjohann, Tina Peters, Britta Becker, Katrin Kauschke, Eva Hagenbäumer, Bianca Weiß, Nadine Ernsting-Krienke, Heike Lätzsch, Anke Wild, Irina Kuhnt, Susanne Müller, Simone Thomaschinski, Tanja Dickenscheid, Franziska Hentschel, Christine Ferneck)

Britta Becker ist gerade 19 Jahre alt geworden und erfüllt doch schon eine zentrale Rolle in der Nationalmannschaft. Experten rühmen die Abiturientin, die bereits mit 16 ihr Debüt gab und es mittlerweile auf 70 Länderspiele gebracht hat, als eine der technisch besten Spielerinnen der Welt. Dass sie Begegnungen allein entscheiden kann, hat sich herumgesprochen: Nicht selten hat sie es mit gleich zwei direkten Gegenspielerinnen zu tun. Was Britta Becker weniger mag: Den stetig größer werdenden Rummel um ihre Person. Die blendende Technikerin will kein Star sein ‒ und sie kann nicht verlieren: "Es ärgert mich, wenn Leute fünf Minuten nach einer Niederlage schon wieder lachen."

Tanja Dickenscheid gilt als "Arbeitsbiene" im Nationalteam: Bundestrainer Rüdiger Hänel schätzt an ihrer Spielweise vor allem Laufstärke und Athletik. Die 23 Jahre alte Biologiestudentin, die aus dem rheinhessischen Gau-Algesheim stammt, agiert im Mittelfeld und ist taktisch vielfältig einsetzbar ‒ auch dann, wenn es gilt, eine gegnerische Spielmacherin auszuschalten. 64 Länderspiele hat Tanja Dickenscheid absolviert ‒ und es scheint sicher, dass sie auch in Barcelona eine tragende Rolle spielt. Das einzige, was sie bedrückt: Sie hätte gerne ihren Freund Eric Zymna, Judoka beim JC Rüsselsheim, im Olympischen Dorf an ihrer Seite gehabt. Doch der verpasste die Nominierung knapp.

Eva Hagenbäumer bekennt: "Ich will in Barcelona spielen." Die 25 Jahre alte Krankengymnastin, eng befreundet mit dem Rüsselsheimer Hockeykollegen Fritz Schmidt junior, hat derzeit keinen Stammplatz in der ersten Formation. Bundestrainer Hänel bevorzugt andere Spielerinnen in der Innenverteidiger-Position. Aber Eva Hagenbäumer hat gelernt zu kämpfen und will durch gute Trainingsleistungen zurück in die erste Elf. Ihr Nachteil in der Vorbereitung war, dass sie mehr Wert auf ihre berufliche Ausbildung gelegt hatte und daher den Sport ein wenig in den Hintergrund gerückt hat. "Mein Spiel lebt mehr vom Kämpferischen als vom Technischen", meint sie. Sie wird den Kampf um einen Stammplatz aufnehmen. Barcelona ist für sie Höhepunkt ihrer internationalen Sportkarriere.

Was danach kommt? Auf jeden Fall weiter Hockey beim RRK ‒ und zum Hobby vielleicht Golf. Ihre Eltern spielen es (in Wiesbaden, woher sie stammt), Fritz Schmidt junior spielt es. Und auch Ex-Hockey-Nationalspieler Fritz "Schimmi" Schmidt, der Senior. Und der sagt über Eva Hagenbäumers erste Versuche: "Die Eva, die hat Talent."

Susanne Müller wechselte im vergangenen Jahr vom Hanauer THC zum Rüsselsheimer RK. Ein richtiger Entschluss, denn damit rückte sie in den Blickpunkt des Bundestrainers und sicherte sich ihre Olympia-Fahrkarte. Von vielen wurde die Nominierung der 20 Jahre alten angehenden Krankengymnastin als Überraschung bezeichnet ‒ sie selbst war sich da schon sicherer, denn Bundestrainer Rüdiger Hänel, den sie schon aus der Jugendauswahl kennt, "weiß genau was ich kann". Das große Plus von Susanne Müller ist ihre Vielseitigkeit in Mittelfeld und Abwehr, so dass sie sich Chancen als Einwechselspielerin ausrechnen darf.

Bianca Weiß ist sicherer Rückhalt im Rüsselsheimer Bundesligateam, doch in der Nationalmannschaft ist die 24jährige nur Nummer zwei hinter Susi Wollschläger vom Club Raffelberg Duisburg. Mit ihrer Rolle als Reservistin weiß sie zu leben, zumal ihre Konkurrentin sich mit dem Gedanken trägt, ihre Länderspielkarriere nach den Olympischen Spielen zu beenden. Bianca Weiß, die in Frankfurt Chemie und Sport studiert, hat sich in den vergangenen Jahren kontinuierlich verbessert, vor allem das rechtzeitige Herauslaufen ist ihre Stärke. Ihr Debüt im A-Nationalteam gab sie im März 1989, seitdem hat sie in 20 Begegnungen ihr Können nachhaltig unterstrichen.

Anke Wild war einst die tragende Figur im Rüsselsheimer Damenhockey. Die Spielführerin setzte die Vorstellungen von Trainer Berti Rauth auf dem Spielfeld um, rückte bald ins Blickfeld der DHB-Auswahl. Pech für den RRK: Als sie den Berliner Nationalspieler Andreas Keller (Sohn des Olympiasiegers von 1972, Carsten Keller) kennenlernte, wechselte sie zu ihrem Freund nach Berlin. Anke Wild ist die einzige Mutter in der DHB-Auswahl. Der 16 Monate alte Sohn Felix wird von den Großeltern betreut, während die Eltern in Barcelona um Medaillen spielen. Die 24 Jahre alte Pädagogikstudentin feierte nach ihrer Babypause ein bemerkenswertes Comeback und hat sich im Nationalteam wieder eine Spielmacher-Rolle erkämpft.

Eröffnungsfeier Barcelona 26.07.1992

Christopher Reitz sprang in letzter Minute auf den Olympia-Zug, denn eigentlich war sein Mülheimer Kollege Markus Steinwachs als zweiter Torhüter hinter dem Limburger Michael Knauth vorgesehen. Doch der gerade 19 Jahre alt gewordene RRK-Schlussmann überzeugte Bundestrainer Paul Lissek bei seinen ersten Einsätzen im A-Team auf der Länderspielreise in Malaysia. Der Abiturient ist der einzige Zweitligaspieler im DHB-Team, will aber dennoch beim RRK bleiben: "Berti Rauth hat mit seiner Nachwuchsarbeit das richtige Konzept. In ein paar Jahren spielen wir sicher wieder um die deutsche Meisterschaft mit."


Aus "Main-Spitze" vom 06.08.1992:

Hänels Twens greifen nach Gold

Hockey-Damen im Finale gegen Spanien / Selbstbewusstes Top-Team geworden

"Auf", sagte Anke Wild, "wir laufen noch eine Ehrenrunde!" Und dann machte sich die ganze Mannschaft noch einmal ausgelassen winkend auf den Weg durch das Stadion. Dorthin, wo die Fans und Freunde sangen. Zu schön war der Moment des Sieges, als daß sie schon in die Katakomben verschwinden wollten. 2:1 (1:1) gegen Großbritannien gewonnen, das Endspiel gegen Spanien erreicht - die deutschen Hockey-Damen schwebten zu Recht auf "Wolke sieben".

"Das war eine Superleistung", freute sich Trainer Rüdiger Hänel, der die Mannschaft optimal auf die zweikampfstarken Britinnen eingestellt hatte. "Wir haben versucht, jeden Ball mit dem Schläger abzudecken, dadurch wurden die Briten immer zu Stockfouls gezwungen, das hat sie natürlich genervt." Für das Finale gegen Gastgeber Spanien kündigte der Bonner an: "Die werden sich gewaltig nach uns richten müssen."

Von einer Truppe verunsicherter Spitzentalente haben sich die deutschen Hockey-Twens in zehn olympischen Turniertagen zu einer selbstbewussten Topmannschaft gemausert. "Ich weiß gar nicht, warum ich auf das Tor geschossen habe", schilderte die überragende Rechtsaußen Heike Lätzsch, die auch das 1:0 durch Nadine Ernsting-Krienke vorbereitet hatte, die Entstehungsgeschichte des Siegtreffers. "Sonst gebe ich immer lieber ab."

Für Rüdiger Hänel ist die Ex-Leichtathletin, die über ihren vor sechs Jahren bei einem Autounfall tödlich verunglückten Bruder Carsten zum Hockey kam, eine feste Größe im Team. "Sie ist eine der besten Außenstürmerinnen, die ich je gesehen habe: schnell, kreativ und intuitiv", lobt Hänel die 18jährige, die erst mit elf Jahren den Hockeyschläger in die Hand nahm.

Der Bundestrainer war über das "Coming out" seiner durchschnittlich erst 22,4 Jahre alten Mannschaft als Goldkandidat nicht besonders überrascht: "Vom Potential her können sie alle schlagen, das Problem sind nur die Nerven und die Unerfahrenheit."

Auch im Halbfinale lagen die Nerven zwischenzeitlich bloß. Gegen Ende der ersten Hälfte erkämpften sich die Britinnen ein deutliches Übergewicht. Hänel: "Da habe ich gedacht, wir geben das Spiel noch aus der Hand." Das Gegentor drei Minuten vor dem Wechsel war Resultat dieses "Mini-Blackouts". "Die Halbzeitpause kam gerade recht", gab Mittelfeldspielerin Tanja Dickenscheid zu.

Im ersten Turnierspiel gegen Spanien (2:2) kostete diese Schwäche kurz vor der Pause einen sicheren Sieg. Das soll sich am Freitag nicht wiederholen: "Wir haben aus der ersten Partie natürlich unsere Lehren gezogen", kündigte Rüdiger Hänel an. "Für die Spanier wird es trotz der Publikumsunterstützung sehr schwer. Wir sind jung, passen in kein System und sind deshalb für jeden Gegner schwer auszurechnen."


Die Tränen wurden schnell abgewischt

Deutsche Hockey-Damen ließen erster Enttäuschung nach der Final-Niederlage Jubel folgen / "Riesenerfolg"

Von Bernd-Dieter Jenrich (aus "Main-Spitze" vom 10.08.1992)

Tränen kullerten ungehemmt als Zeichen der ersten Enttäuschung, doch bereits nach kurzer zeitlicher Distanz sprach Bundestrainer Rüdiger Hänel auch für seine Mädchen: "Die Freude überwiegt, denn wir haben ein sehr gutes Turnier gespielt." So sahen es gleichfalls die Fans, die das Damenteam des Deutschen Hockey-Bundes (DHB) trotz der 1:2-Niederlage nach Verlängerung im Finale gegen Spanien stürmisch feierten. Was an Umfang, Leidenschaft und Lautstärke dennoch ein Klacks gegen das war, was die Anhänger der gastgebenden Mannschaft unter den rund 6.500 Zuschauern im Hexenkessel von Terrassa nach dem vielfach unerwarteten Triumph veranstalteten.

Gratulation für Britta Becker durch Rüsselsheims OB Norbert Winterstein

Der in Anwesenheit von Königspaar Juan Carlos und Sofia sowie Kronprinz Felipe aber zugleich nicht unverdient war, wie es auch der Verlierer weitgehend eingestand. "Die Spanierinnen waren ein bisschen besser", so Hänel, der den ungenutzten Chancen speziell von sechs Strafecken nachtrauerte, seinen Schützlingen gleichwohl keinen Vorwurf machen wollte. "Wenn in einem solch bedeutsamen Spiel die Nerven versagen, ist das verständlich." Lediglich Franziska Hentschel hatte einmal die erforderliche Nervenstärke bewiesen. Trotz eines gellenden Pfeifkonzerts verwertete die Leverkusenerin in der zwölften Minute eine kurze Ecke zum zwischenzeitlichen 1:1, nachdem ‒ ebenfalls per Strafecke ‒ Spanien durch Martina Barea in der achten Minute das 1:0 vorgelegt hatte.

Wenn überhaupt, so wurde es allgemein im deutschen Lager gesehen, wurde in dieser ersten Halbzeit das Gold verspielt. Denn mit fortschreitender Dauer wurden die konditionsstärkeren Gastgeberinnen immer druckvoller und brachten so in der 13. Minute der Verlängerung durch Eleonora Margall das vielbejubelte 2:1 im Kasten von Susi Wollschläger (Duisburg) unter.

Dass eventuell die einseitige Atmosphäre auf den Rängen seiner Elf entscheidend zugesetzt habe, schloss Rüdiger Hänel (34) aus. "Wenn es so gewesen wäre, hätten wir ja schlecht gespielt, was aber nicht der Fall war. Wir waren auf eine derartige Stimmung eingestellt." Vielmehr fehlten seiner "noch sehr jungen Mannschaft die Ausgereiftheit und Erfahrung, das muss wachsen". Insgesamt bescheinigte der Diplomtrainer seinen im Durchschnitt 22,4 Jahre alten Girls, das Turnier "mit großer Begeisterung" bestritten zu haben, "die hat sie hochgehalten".

Ähnlich bewertete Dr. Kurt Schneider den Auftritt des Teams, dem für den "Riesenerfolg" höchster Respekt zu gelten habe. "Sicher war es schon ein bisschen enttäuschend, dass es am Ende nur Silber wurde. Doch die junge Mannschaft hat Zukunft." Dann ermunterte der DHB-Sportwart die Spielerinnen, sich der in der Kabine bereitgestellen "zwölf Flaschen Schampus" anzunehmen. Sie sollten zwar ursprünglich mit Getöse nach dem Goldgewinn geköpft werden, doch nach Abstreifen des gröbsten Frustes mundete der prickelnde Saft auch so und machte ermattete Geister wieder munter.


Welle der Enttäuschung bei Damen abgeebbt

Rüsselsheims Olympiateilnehmer von Spielen hellauf begeistert / Fritz Schmidt gratuliert Christopher Reitz

Von Jürgen Hüpohl (aus "Main-Spitze" vom 11.08.1992)

Sechs Rüsselsheimer Medaillengewinner, niemand hätte vor den Olympischen Sommerspielen von Barcelona damit gerechnet. "Wenn mir einer vor ein paar Monaten gesagt hätte, ich werde Olympiasieger, hätte ich ihn für verrückt erklärt", strahlt Torwart Christopher Reitz. Mit einem leuchtenden Blick schaut er auf seine Goldmedaille, die um seinen Hals baumelt. "Die deponiere ich vorsichtshalber in einem Safe. Alles andere wäre zu riskant."

"Sechs Medaillen von den Olympischen Spielen, 1 mal Gold und 5 mal Silber", das bringen sechs RRK-Hockeyspieler/innen von den Olympischen Sommerspielen 1992 in Barcelona mit nach Rüsselsheim (Susanne Müller, Britta Becker, Christopher Reitz, Bianca Weiß, Eva Hagenbäumer, Tanja Dickenscheid)

Mit gerade erst 19 Jahren hat der Abiturient etwas geschafft, wovon andere ihr Leben lang träumen. Ein Glückwunsch reihte sich gestern auf dem Flughafen an den anderen. Äußerst herzlich gratulierte auch der Rüsselsheimer Olympia-Gewinner Fritz Schmidt, der 1972 in München zum Hockey-Sieg beigetragen hatte.

"Ich habe im Hunsrück das Endspiel im Fernsehen gesehen und mich danach zugerichtet", berichtete Fritz Schmidt und macht dabei eine Trinkbewegung in Richtung Mund. Der vielgelobte Nachwuchs-Keeper Reitz, in Barcelona beim 2:1-Sieg gegen Argentinien eingesetzt, überzeugte prompt (unter anderem hielt er einen Siebenmeter) und kann sein Glück "noch gar nicht fassen". Die beiden vergangenen Nächte hatte das Gold-Team durchgefeiert, "Olympiaringe" unter den Augen beweisen es. "Da blieb keine Zeit zum Verarbeiten des Erfolges". Aber Olympia, das "war einfach ein wunderschönes Erlebnis".

Geradezu begeistert sprechen die fünf Rüsselsheimerinnen von dem "Fest der Jugend". Der spontane Frust nach dem verlorenen Finale gegen Spanien (1:2) ist mittlerweile ein wenig verflogen. „Wenn man im Endspiel steht, dann will man eben gewinnen", erklärt Tanja Dickenscheid, die in allen Begegnungen durchspielte. "Bei der Siegerehrung habe ich schon auf die Spanierinnen geschielt. Aber jetzt kann ich mich freuen über die Silbermedaille". Mit ihrer eigenen Leistung war die Gau-Algesheimerin zufrieden. "Nach schlechtem Beginn habe ich mich gesteigert und an Selbstvertrauen gewonnen." Ihre Vorstellungen über die olympischen Spiele seien weit übertroffen worden. "Es war überwältigend".

So sieht es auch Eva Hagenbäumer. Über ihre geringen Spielanteile (nur in zwei Halbzeiten kam sie zum Einsatz) freilich war sie enttäuscht. "Ich finde, der Trainer hätte häufiger wechseln müssen. Manche Spielerinnen schienen gegen Ende platt." Das Thema Nationalmannschaft ist für die 25jährige dennoch noch lange nicht abgehakt. Obwohl sie zuletzt Rücktrittsgedanken geäußert hatte.

Eine Portion Enttäuschung stand Britta Becker ins Gesicht geschrieben. Auf dem Rückflug viel ihr beim Lesen eines kritischen Artikels in einer Frankfurter Tageszeitung fast das Brötchen aus dem Hals. Ihre Leistung beim Turnier in Spanien war in mehreren Medien bemängelt worden. "Da wird von manchen mit zweierlei Maß gemessen. Ich glaube, daß ich meine Aufgabe doch erfüllt habe. Sicher habe ich weniger Alleingänge gestartet als sonst", wehrt sich die 19jährige, "aber ich war nicht müde, wie's behauptet wurde". Der Endspiel-Frust ist bei der Rüsselsheimerin allerdings verflogen, die positiven Olympia-Erinnerungen überwiegen eindeutig.

Im Gegensatz zu Britta Becker musste Torfrau Bianca Weiß regelmäßig die Bank drücken. Nur im Spiel gegen Kanada (4:0) wurde sie eingewechselt. Doch mit dieser Rolle konnte sie wie in der Vergangenheit gut leben. In Zukunft freilich könnte die Wahl-Mainzerin gar zur Stamm-Keeperin avancieren. Denn Susi Wollschläger will ihre Karriere beenden. "Susi hat mir im Bus das Trikot mit der Nummer eins überreicht. Das fand ich super", schwärmt Bianca Weiß, die etwas bedauert, dass die "Sportstätten in Barcelona so weit auseinander lagen und es schwer war, Sportler kennenzulernen". Immerhin reichte es zu einem "Hallo" mit Boris Becker.

"Es entstehen nur flüchtige Gespräche", weiß Susanne Müller. Die Hanauerin zeigt sich ansonsten angetan von Olympia, wie keine Zweite. "Das werde ich nicht vergessen."