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Über Mitglieder des
RRK (1996)
Björn Emmerling |
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Eine Einladung mit ungeahnten Folgen?
RRK-Hockeyspieler Björn Emmerling bietet
sich unverhoffte Olympia-Chance / "Mache mir keinen Druck"
Von Martin Krieger (aus "Main-Spitze"
vom 10.04.1996)
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Eigentlich hatte Björn Emmerling am 13. März ganz
woanders sein wollen. Der 54malige Junioren-Nationalspieler des Deutschen
Hockey-Bundes (DHB) sollte zu diesem Zeitpunkt an einer Länderspielreise des
deutschen Juniorenkaders nach Pakistan teilnehmen. Doch anstatt das Flair und
die angenehmen Temperaturen des fernöstlichen Landes zu erleben, hatte sich
der 20 Jahre alte Mittelfeldspieler des Rüsselsheimer Ruder-Klubs (RRK) zur
Abschlußbesprechung des vier Tage währenden Zentrallehrgangs für den A- und
B-Kader des DHB in der Jugendherberge zu Limburg eingefunden. Spätestens als
Bundestrainer Paul Lissek den 16 Spieler umfassenden Kader für die
bevorstehende Reise des Männer-Nationalteams nach Südkorea bekanntgab und sein
Name genannt wurde, wußte Björn Emmerling, daß er die richtige Entscheidung
getroffen hatte.
"Ich habe die Klappe gar nicht mehr zubekommen", so Emmerling über seine erste
Reaktion auf die unverhoffte Neuigkeit. "Für mich war die Einladung allein
schon ein Erfolg. Ich bin da total locker rangegangen und hab' mir gedacht,
ich zeig' mich halt mal", sagt Emmerling, der im rheinhessischen Gau-Algesheim
zu Hause ist. Unter ähnlichen Vorzeichen habe für ihn dann auch die Koreareise
vom 22. bis 30. März gestanden. Daß es ihm dort von Tag zu Tag besser gefallen
hat, kam nicht von Ungefähr: Die anderen Nationalspieler, darunter mit
Torhüter Christopher Reitz und Mittelstürmer Oliver Domke zwei RRK-Kollegen,
hätten ihn sympathisch aufgenommen, und auch der Bundestrainer habe nach den
Spielen schon ein paar lobende Worte gefunden. "Aber daß ich die Entdeckung
der Reise gewesen sein soll, habe ich erst zu Hause aus den Zeitungen
erfahren. Eigentlich habe ich in erster Linie versucht, keine Fehler zu
machen", so Emmerlings Eindruck von seinen ersten vier Einsätzen im Team des
Olympiasiegers von 1992.
"Björn hat mit seinen Leistungen meine Einschätzung absolut bestätigt", so die
Meinung von Paul Lissek. Der Coach aus Limburg hatte Emmerling, auf Anraten
seines Rüsselsheimer Trainerkollegen Berti Rauth, im Verlauf der
zurückliegenden Hallen-Bundesligasaison einige male beobachtet und ihm
schließlich die Einladung zum ersten Zentrallehrgang im Freien zugeschickt.
Obwohl sich die Ereignisse bei Björn Emmerling in den zurückliegenden vier
Wochen überschlagen haben, so paßt die Entwicklung doch ins Gesamtbild. Opa
und Eltern waren selbst aktive Hockeyspieler bei den Würzburger Kickers und
später beim Wiesbadener THC. Und als die Familie 1978 aus beruflichen Gründen
für sechs Jahre nach Spanien übersiedelte, kam der Sohnemann beim FC Junior
Barcelona erstmals mit dem Krummstock in Berührung. Zurück in Deutschland,
standen zunächst Fußball und Tennis im Vordergrund, ehe Björn im Nachwuchsteam
des SV Gau-Algesheim allmählich Gefallen am Hockeysport fand.
Schon bald wurde Emmerlings Talent erkannt, und es folgte eine Einladung zu
einer Sichtungsmaßnahme des Bundeslandes Rheinland-Pfalz. Obgleich er wegen
körperlicher Nachteile zunächst nicht erste Wahl war, folgten weitere
Einladungen, und schließlich 1990 der erste Kontakt mit dem damaligen
B-Jugend-Bundestrainer Berti Rauth. "Ich wollte den Verein wechseln und was
auf Kunstrasen machen. Berti hat mich gefragt, ob ich nicht mal in Rüsselsheim
vorbeischauen wollte", erinnert sich Emmerling, der auch beim Limburger HC ein
Probetraining absolvierte. Daß er 1991 zum RRK kam, hatte zwei Gründe: "Die
Zugverbindung war ganz günstig, und im B-Jugend-Nationalteam hatte ich mich
mit Torben Stalmach verabredet", so Emmerling. Die beiden Teamkollegen wurden
Freunde und leisten derzeit gemeinsam den Grundwehrdienst bei der
Sportfördergruppe der Bundeswehr in Mainz ab.
Die "gute Technik und Spielauffassung sowie die vielseitige Verwendbarkeit",
die der Bundestrainer als Emmerlings herausragende Eigenschaften nennt, haben
dem Jungnationalspieler des RRK über die Osterfeiertage nun zu drei weiteren
Auftritten im A-Nationalteam verhelfen. In Hamburg maß sich die deutsche
Mannschaft mit Rekord-Olympiasieger Indien (3:1), dem WM-Dritten Australien
(1:0) und Spanien (2:2). Nicht allein aufgrund seines ersten Länderspieltores
im A-Team beim 3:1 über Indien räumt Paul Lissek dem Newcomer noch "große
Chancen" für Atlanta ein. "Björn hat mich auch in Hamburg nicht enttäuscht",
so Lissek, der momentan noch von "zwei bis drei offenen Positionen" ausgeht.
Doch obwohl der Bundestrainer spätestens im Juni seinen 16-köpfi-gen Kader für
Atlanta zusammen haben will und nicht mehr viele Möglichkeiten bleiben, sich
für die in 15 Wochen beginnenden Olympischen Spiele zu empfehlen, mag
Emmerling nicht groß weiterdenken. "Ich mache mir keinen Druck", sagt Emmerling
und ergänzt, "daß ich überhaupt keine Ahnung habe, wie's nach
Hamburg beim A-Kader weitergeht". Daß diese unverkrampfte Einstellung unter
Umständen dafür sorgt, daß sein eigentlich für die
Junioren-Europameisterschaft im September in Dänemark geplanter Höhepunkt des
Jahres auf den olympischen Zeitraum Ende Juli/Anfang August vorgezogen wird,
erscheint so unwahrscheinlich nicht.
Aus "Main-Spitze" vom 25.06.1996:
"Homogenität und Position"
Björn Emmerling
neben Oliver Domke und Christopher Reitz dritter RRK-Hockeyspieler in Atlanta
Früher als angekündigt hat
Bundestrainer Paul Lissek aus Limburg seinen 16 Namen umfassenden Kader für das
olympische Hockeyturnier in Atlanta benannt. Und wie immer bei solchen
Entscheidungen, gab es auch hier sowohl lange wie freudige Gesichter. Zur
letztgenannten Fraktion gehört zweifellos Björn Emmerling vom RRK, denn der 20
Jahre Mittelfeldspieler hatte schließlich erst Ende März sein erstes
A-Länderspiel bestritten. Die Entscheidung über die Nominierung ist nicht nur
hinsichtlich der Leistungsstärke der einzelnen Spieler gefallen. Entscheidend
waren für mich die Homogenität der Mannschaft und daher auch die jeweiligen
Positionen, die ein Spieler ausfüllen kann", so Lissek. Unter diesem Aspekt sei
auch die Nichtberücksichtigung der Münchener Spieler Michael Waldhauser
(Rot-Weiß) und Björn Michel (SC) zu sehen. Neben Emmerling zählen - wie erwartet
und gemeldet - auch Christopher Reitz und Oliver Domke vom Rüsselsheimer
Ruder-Klub zum Aufgebot.
Hessen vor Olympia:
Björn Emmerling als überraschende Variante
Der Rüsselsheimer Hockeyspieler bekommt viel Lob
vom Bundestrainer
Von Peter Penders (aus "FAZ" vom 09.07.1996) Auf diese drei Wochen haben sie vier Jahre lang
hingearbeitet. Die Sportler in aller Welt und die Gastgeber in Atlanta. Wenn am
19. Juli in der Metropole von Georgia die Olympischen Sommerspiele 1996 eröffnet
werden, gilt für die meisten der rund 10 000 Athleten das Motto: "Dabei sein ist
alles". Das ist bei den Olympiateilnehmern aus Hessen nicht anders. Dennoch darf
sich der eine oder andere Athlet aus der Region Hoffnungen auf mehr machen. Wie
steht es um die Chancen der hessischen Größen, wie bereiten sich die Schwimmer,
Leichtathleten, Turner, Hockey- und Handballspieler auf ihren großen Tag vor?
Das sind die Fragen, auf die unsere Serie Antworten gibt.
Natürlich hat er manchmal schon an die Olympischen Spiele gedacht. Schließlich
hat Björn Emmerling die typische Entwicklung eines Hockey-Nationalspielers
hinter sich. Die ersten Sichtungen auf regionaler Ebene in der frühen Jugend,
Einsätze in der B- und A-Jugend-Nationalmannschaft, die ersten Spiele in der
Bundesliga beim Rüsselsheimer RK, der Sprung in die Junioren-Nationalmannschaft
- so werden Karrieren aufgebaut. "Olympia war für mich immer eine vage Chance
auf Sydney 2000", sagt Emmerling. Das Reiseziel fünfter Kontinent hat er
behalten, aber Olympia heißt inzwischen ganz aktuell Atlanta 1996. Der zwanzig
Jahre alte Mittelfeldspieler des Rüsselsheimer RK gehört zu jenen sechzehn
Auserwählten, mit denen Bundestrainer Paul Lissek möglichst den Gewinn der
Goldmedaille von Barcelona 1992 wiederholen will. Und Emmerling muß sich
manchmal kneifen, um nicht an einen Traum zu glauben.
Sein Aufstieg zum Nationalspieler hat sich schließlich mit einer erstaunlichen
Geschwindigkeit vollzogen. Zu Beginn des Jahres hatte ihn Lissek nach einem
Hallen-Bundesligaspiel gegen Dürkheim angesprochen und zu einem
Sichtungslehrgang der B-Nationalspieler eingeladen. Bis dahin nichts
Ungewöhnliches, denn Lissek testet immer wieder Talente, die ihm in der
Bundesliga aufgefallen sind. Daß der Bundestrainer stets auch für eine
überraschende Variante bekannt ist, wußte auch Emmerling; daß allerdings er
diese Überraschung sein sollte, konnte er nicht ahnen. Am Ende des Lehrgangs
hatte der Rüsselsheimer die Einladung zur Korea-Reise der A-Nationalmannschaft
in der Tasche.
Nach dem Aufstieg in der Halle 1994 nun auch noch 1994 der Wiederaufstieg auf dem
Feld in die Erste Bundesliga, also die 1. Herren des RRK rundherum wieder
erstklassig (hinten: Gerrit Rothengatter, Holger Kraft, Holger Klein,
Klaus Eberts, Jens George, Benny Schröter, Glenn Eifert, Björn Emmerling,
Christopher Reitz, Trainer Berti Rauth; vorn: Torben Stalmach, Volker
Schädel, Patrick Honnef, Jan-Erik Reitz, Oliver Domke, Sven Schaefer) |
In Korea bewies Emmerling bei seinem Debüt, daß er auch international mithalten
kann. „Ein vielseitiger Spieler", sagt Lissek, der den Bundeswehrsoldaten mal in
der Abwehr, häufiger im Mittelfeld und zwischendurch auch im Angriff einsetzte.
Doch während die Branche damit rechnete, daß der junge Rüsselsheimer vornehmlich
dazu diente, die arrivierten Nationalspieler auf dem Weg nach Atlanta als
möglicher Konkurrent anzuspornen, spielte sich Emmerling mehr und mehr in den
Olympiakader hinein. Gereicht hätte es für Atlanta vermutlich dennoch nicht,
aber der Rüsselsheimer profitierte von der Absage des Mülheimers Dirk Brinkmann.
Der Golflehrer, im vergangenen Jahr überraschend von Lissek zum Comeback
überredet, hatte sich mit dem Deutschen Hockey-Bund nicht über die Höhe seiner
beruflichen Ausfallsentschädigung einigen können. Daß Emmerling der Ersatzmann
für Brinkmann ist, verhehlt Lissek nicht, aber inzwischen ist der Rüsselsheimer
längst keine Notlösung mehr. "Ich bin sicher, daß ich die richtige Wahl
getroffen habe für Atlanta. Diese Mannschaft paßt zusammen. Und ich bin froh,
daß ich mich für Björn Emmerling entschieden habe", sagt der Bundestrainer.
Viel Lob für den Zwanzigjährigen, der bis zum letzten Moment jedoch nicht damit
rechnete, tatsächlich zu den Olympiafahrern zu gehören. Beim letzten
Vorbereitungsturnier in den Niederlanden nominierte Lissek aus dem Kader von 18
Spielern seine 16 Olympia-Teilnehmer. Ein schrecklich-schöner Augenblick für
alle Beteiligten. "Am liebsten möchtest du jubeln, aber gleichzeitig tun dir die
beiden, die zu Hause bleiben müssen, unendlich leid", sagt Emmerling. Einfach
und bequem machte sich Lissek diese Entscheidung sicherlich nicht. Die schon
lange zum Stamm der Nationalmannschaft zählenden Münchner Björn Michel und
Michael Waldhauser wurden aussortiert, der Neueinsteiger Emmerling dagegen
nominiert. "Ein Traum", sagt Emmerling.
Begonnen hatte dieser Traum einst in Barcelona mit den ersten Kontakten zum
Hockey. In die spätere Olympiastadt von 1992 hatte es die Eltern beruflich
verschlagen, und etwas von dem vielbeschriebenen Talent, das mancher von den
Eltern mit in die Wiege gelegt bekommt, muß in der Familie Emmerling stimmen.
Vater und Mutter, derzeit natürlich mächtig stolz auf den ältesten Sohn,
spielten selber mit einigem Erfolg Hockey. Und auch Bruder Nikolas eifert dem
Vorbild in der eigenen Familie nach. Nach der Rückkehr nach Deutschland spielte
Björn Emmerling zunächst in Gau-Algesheim und schloß sich dann mit 15 Jahren dem
Rüsselsheimer RK an. Die Anreise zum Training mit dem Zug war mühevoll, aber der
Aufwand zahlte sich aus. Björn Emmerling ist einer aus der jungen Generation,
mit denen der RRK den Weg zurück in die Bundesliga fand. Von den Erfolgen der
Damen sind die Herren zwar noch weit entfernt, aber zumindest in der Zahl der
Atlanta-Fahrer haben die Männer gleichgezogen. Den
Rüsselsheimer Olympiateilnehmerinnen Eva Hagenbäumer, Tanja Dickenscheid und
Britta Becker stehen die männlichen Kollegen Christopher Reitz, Oliver Domke und
eben Björn Emmerling gegenüber. Und diese Rüsselsheimer Reisegruppe hat am
Sonntag, wenn sich das Aufgebot des Deutschen Hockey-Bundes am Frankfurter
Flughafen trifft, keine Vereinsinteressen im Sinn. Der große Traum "Olympia"
beginnt dann endgültig.
Aus "Main-Spitze" vom
13.07.1996:
Ruder-Klub verabschiedet
Olympia-Fahrer
Rüsselsheimer RK
stellt die meisten Aktiven für DHB-Auswahlteams / Damen-Bundestrainer Rauth noch
"cool"
ulz. - Wenn die beiden deutschen
Hockey-Nationalmannschaften an diesem Sonntag um 10 Uhr Richtung olympische
Sommerspiele nach Atlanta (USA) aufbrechen, werden die meisten Angehörigen der
sechs Rüsselsheimer Aktiven ohnehin dabei sein, um "auf Wiedersehen" zu sagen.
Die Hockeyabteilung des Rüsselsheimer RK (RRK) verabschiedete Tanja Dickenscheid,
Eva Hagenbäumer, Britta Becker, Christopher Reitz, Oliver Domke, Björn Emmerling
und Damen-Bundestrainer Berti Rauth aber bereits am Donnerstag offiziell - in
Form eines gemütlichen Beisammenseins. Der Ruder-Klub zeigte sich großzügig und
übernahm die Getränkekosten der etwa 50 Anwesenden.
Björn Emmerling, Christopher Reitz, Oliver
Domke |
Der für den Herrenbereich zuständige
Sportliche Leiter, Martin Müller, verwies auf die Besonderheit eines halben
Dutzend Olympiateilnehmer aus einem Verein: "So viele Spielerinnen und
Spieler stellt kein anderer deutscher Klub, was ein großer Verdienst von Berti Rauth ist". Später gesellte sich auch der RRK-Gesamtvorsitzende Dietmar Klausen
hinzu, wollte aber kein offizielles Statement abgeben.
Im Gespräch unter vier Augen war der
"Präsident" aber doch mächtig stolz auf das bisher im Hockeybereich Geleistete:
"Auch nach 15 Jahren Vereinsführung macht es mir noch sehr viel Spaß, dabei zu
sein. Ich hoffe, daß beide Mannschaften in Atlanta erfolgreich sind und
vielleicht mit Edelmetall behängt zurückkommen. Aber egal, wie unsere sechs
Nationalspieler und Berti abschneiden, wir lassen uns nach ihrer Rückkehr sicher
etwas Besonderes einfallen". Klausen freut sich zwar über die Olympiafahrer, die
dem Ansehen des RRK einen weiteren Schub geben, hofft aber zugleich, daß das
Sextett unverletzt zurückkehrt.
Unter der Gästeschar war auch Denise
Klecker, die ihre Enttäuschung über die Nichtnominierung überwunden hat: "Ich
tröste mich mit einem längeren Südafrika-Aufenthalt und werde alles daransetzen,
in vier Jahren in Sydney im Kader zu stehen". Im letzten Moment in den nur
16köpfigen Kader des Deutschen Hockey-Bundes (DHB) ist dagegen der 20jährige
Björn Emmerling ("Es ist ein großartiges Gefühl, auch wenn ich zunächst nur auf
der Bank sitzen werde"). Auch der gleichaltrige Oliver Domke, der bereits 52
Länderspiele absolviert hat, freut sich mächtig auf seine ersten Olympischen
Spiele: "Nachdem mich Bundestrainer Paul Lissek zunächst noch etwas hingehalten
hat, bin ich mit dabei und fühle mich einfach super". Der quirlige Stürmer
dürfte genauso einen Stammplatz sicher haben, wie Torwart Christopher Reitz, der
vor vier Jahren in Barcelona zwar die Goldmedaille gewann, damals aber nur beim
2:1-Sieg im Gruppenspiel gegen Argentinien eingesetzt worden war. "Wir wollen
unbedingt ins Halbfinale, alles andere ist wohl von der Tagesform und vom Glück
abhängig", erklärt Reitz.
Deutlich mehr internationale
Erfahrung weist das weibliche Nationalteam-Trio auf; sowohl Eva Hagenbäumer
("Olympia ist immer etwas Einmaliges"), Britta Becker ("Ich habe nach wie vor
wahnsinnigen Spaß am Hockey und freue mich riesig auf Atlanta"), als auch Tanja
Dickenscheid ("Es ist toll, mit ungefähr zehntausend Sportlern aus aller Welt im
olympischen Dorf untergebracht zu sein und neue Kontakte zu knüpfen") gewannen
bereits vor vier Jahren die Silbermedaille und haben zusammen fast 400
Länderspiele "auf dem Buckel". Sie wollen erneut ganz vorne landen, sehen aber
Australien und Südkorea in der Favoritenrolle. "Da nach dem Modus jeder gegen
jeden gespielt wird, ist in so einem Turnier alles möglich. Wir haben in der
langen Vorbereitung sehr intensiv gearbeitet und zuletzt fünfmal hintereinander
nicht verloren: Ich hoffe, das zahlt sich in Amerika aus", so der eher "cool"
wirkende Damencoach Berti Rauth.
Aus "Main-Spitze" vom
31.07.1996:
RRK-Trio genießt Olympia und denkt
bereits an Sydney
Aus Atlanta berichtet Uli Meyer
Die ganze Bandbreite der
Gefühle mußte Christopher Reitz zum Beginn des olympischen Hockeyturniers
durchmachen. Der Torwart des deutschen Nationalteams und des Rüsselsheimer
Ruder-Klubs (RRK) kassierte zwei Tore bei zwei gefährlichen Aktionen. Mehr noch:
Beim mißglückten Auftakt schien der spanische Siegtreffer nicht unhaltbar. "Das
Tor war ärgerlich, weil in dieser Situation eine ganze Reihe von getroffenen
Absprachen in unserer Eckenabwehr nicht funktioniert haben", ärgerte sich der
Schlußmann, ohne allerdings echte Eigenschuld zu sehen. Viele Beobachter waren
leicht überrascht, daß Bundestrainer Paul Lissek zum nächsten Spiel gegen Indien
keinen Wechsel der Keeper vornahm. Immerhin steht neben Reitz der reaktivierte
frühere Weltklassemann Michael Knauth, der in der Schlußphase der
Olympiavorbereitung dicht zur bisherigen Nummer eins aufgeschlossen hatte. Aber
Lissek hielt an dem 23jährigen Keeper fest, der aber auch gegen Indien keinerlei
Gelegenheit hatte, sein Können zu beweisen. Die Asiaten tauchten im ganzen Spiel
nur ein einziges Mal vor dem deutschen Tor auf, und da waren Reitz und Co. gegen
den fulminanten Schuß von Kumar machtlos. Reitz: "Das ist das Los eines
Torhüters. Solche Spiele wird es immer wieder geben. Da darf man halt bloß nicht
die Nerven verlieren und muß auf Situationen hoffen, wo man sich bewähren kann".
Eröffnungsfeier Atlanta 19.07.1996 |
Solch eine Situation
ergab sich in der darauffolgenden Partie gegen Pakistan, als es für Deutschland
nach 1:3 Punkten schon am alles oder nichts ging. Beim Stand von 1:0 für
Deutschlund erhielt der Weltmeister einen Siebenmeter zugesprochen.
Normalerweise eine sichere Sache für Spezialist Tahir Zama. Der asiatische
Schütze fand diesmal aber seinen Meister im deutschen Torwart. "Er hat mir schon
ein paar Dinger reingehauen. Aber da lernt man ihn als Schützen auch kennen. Er
knickt beim Schuß sehr gut im Handgelenk
ab, so
daß man die anvisierte Ecke erst ganz spät erkennt. Da darf' man bloß nicht zu
früh auf eine Seite fallen", so Reitz, der diesmal alles richtig machte und mit
dem Handschutz die halbhoch geschlenzte Kugel aus dem Tor-Eck fischte. "Das war
eine ganz wichtige Situation. Wäre den Pakistanis hier der 1:1-Ausgleich
gelungen, waren sie in einen Spielrausch gekommen", sah der RRK-Mann seine
Rettungstat als wichtigen Eckpfeiler des deutschen 3:1-Sieges.
War Christopher Reitz
schon 1992 mit von der Partie, so sind Oliver Domke und Björn
Emmerling olympische Neulinge. "Ein Riesenerlebnis", sprudelt es aus beiden
unisono hervor. Noch ist das erste Mal gar nicht vorbei, haben die beiden 20
Jahre alten Mannschafts-Jüngsten schon die nächsten Olympischen Spiele im Jahre
2000 in Sydney im Kopf. Björn Emmerling: "Da zieht man die nächsten vier Jahre
auf jeden Fall voll durch, um so etwas wieder mitmachen zu können."
Und dann vielleicht mit mehr eigenem
sportlichen Anteil. Beide RRK-Jungstars gehören in Atlanta zu den Spielern aus
der zweiten Reihe, sitzen zunächst auf der Ersatzbank. Björn Emmerling
konnte in den ersten beiden Partien sogar überhaupt nicht eingesetzt werden,
weil er sich gleich im ersten Training nach Ankunft in Amerika das linke Knie
verdreht hatte. Gegen Pakistan kam der Mittelfeldspieler dann zumindest für
einige Minuten auf das Spielfeld. Nachdem die Verletzung in der letzten
Vorrundenpartie gegen die USA (3:0) wieder aufgebrochen ist, wird Emmerling bei
den entscheidenden Begegnungen um Edelmetall nicht mehr mitwirken können.
An das Pakistan-Match
hat Oliver Domke weniger gute und vor allem schmerzhafte Erinnerungen.
Kurz vor Schluß wurde "Olli" von einem Gegenspieler übel gefoult. Der
Cross-Check bescherte dem deutschen eine dicke Nase, die zum Glück nicht
gebrochen war. Sportlich kam Domke bisher nicht so gut und nicht so viel zum
Zuge. "Ein wenig länger würde ich schon gerne spielen", so Oliver nach dem
Argentinien-Spiel (3:0), bei dem er in der Schlußphase zwei gute
Einschußmöglichkeiten hatte, aber, jeweils knapp scheiterte. Domke hat sein
Selbstvertrauen jedoch nicht verloren: "Ich mache hier noch mein erstes Tor!"
Die Eindrücke genießt er in vollen Zügen: "Das olympische Dorf ist eine tolle
Sache. Unglaublich, wen man dort vor allem in der Mensa alles sehen kann.
Neulich habe ich beim Essen praktisch direkt neben drei englischen
Weltklassesprintern gesessen."
Olympische Wettkämpfe
außerhalb des Hockeys konnten die RRK-Athleten beim Wasserball, Schwimmen und
Handball live erleben. "Aber weil das mit den Eintrittskarten nicht so einfach
ist, bleibt es doch meist beim Fernsehgenuß. Wenn man dann Schwimmen anschaut,
kann man wenigstens den Applaus live erleben. Da muß man nämlich nur noch das
Fenster aufmachen", so Oliver Domke über die hockeyfreie Olympiazeit, die
ansonsten mit Einkaufsbummeln überbrückt wird.
Auch die allgemein beklagten
Organisationspannen der Amerikaner haben Domke und Co. schon hautnah zu spüren
bekommen: "Vor dem Spiel gegen Argentinien hat sich der Busfahrer auf dem Weg
zum Hockeystadiontotal verfahren. Wir mußten ihm den richtigen Weg zeigen."
Aus "Darmstädter Echo" vom
02.08.1996:
Der eigene Trick beendet eine
große Serie
Robuster Holländer
verdirbt deutschen Hockeyspielern das vierte olympische Finale in Folge
Am liebsten wären sie gleich
abgereist. Auf das Finale der Verlierer hatte keiner mehr Lust, nicht nach
diesem Aus im Halbfinale. Platz drei oder vier - den erfolgsverwöhnten deutschen
Hockeyherren erschien es im ersten Moment wie das Spiel um die goldene Ananas,
wo es doch wieder eine goldene Plakette sein sollte.
Oliver Domke im Spiel gegen Holland |
Das Team war nach Atlanta gekommen,
um zum zweitenmal in Folge Olympiasieger zu werden. Aber die Mannschaft
scheiterte mit 1:3 (0:1) im Semifinale am alten Rivalen aus den Niederlanden.
Eine der großartigsten Serien im deutschen Sport ging zu Ende, das vierte
Olympiaendspiel blieb ein Traum. Um den Olympiasieg kämpfen am heutigen Freitag
Spanien und die Niederlande. Die Finalisten von 1992, Australien und
Deutschland, müssen sich mit dem "kleinen Endspiel" begnügen.
"Die Enttäuschung ist riesengroß",
sagte Mannschaftskapitän Klaus Michler, "was wir vor vier Jahren an Glück
hatten, hatten wir hier an Pech." Libero Carsten Fischer war sich seiner Gefühle
noch nicht klar: "Das ist eine neue Situation für mich. Ich nehme jetzt an den
vierten Olympischen Spielen teil, und jedesmal vorher waren wir im Endspiel."
Die Mannschaft spielte im 111.
Vergleich optisch überlegen, konnte aber gute Torgelegenheiten nicht nutzen.
"Wir müssen uns da auch an die eigene Nase fassen", sagte Bundestrainer Paul
Lissek, "am Anfang haben wir geschlafen, das hat die ganze Taktik geändert. Und
wir müssen unsere Chancen besser nutzen."
Paul Lissek fand sich in seiner
ureigenen Domäne vom niederländischen Kollegen Roenald Oltmans überrumpelt. Die
Holländer zauberten einen neuen Eckentrick aus dem Hut, der noch nie zu sehen
war: Bei van den Honerts zwei erfolgreichen Schüssen blockte der Zweimetermann
Bram Lomans den Deutschen Volker Fried einfach ab. Das ist nicht erlaubt, blieb
aber von den Schiedsrichtern unbemerkt. Lissek: "Das war an der Grenze der
Legalität."
Auf Lissek, wenn er denn seinen zum
Jahresende auslaufenden Vertrag verlängert, kommt nun der Neuaufbau zu. Diese
Mannschaft wird nur noch einmal am Freitag zusammenspielen, und dann endet eine
höchst erfolgreiche Ära. Elf Goldmedaillengewinner hatte Lissek mit nach Atlanta
genommen. Sie müssen jetzt um Bronze spielen und werden es nach einem Tag der
Besinnung dann doch mit allem Ehrgeiz tun. "Ich will auf jeden Fall eine
Medaille mit nach Hause bringen", sagt Christian Blunck, "obwohl ich eigentlich
das Gefühl habe, ohne Gold mit leeren Händen dazustehen."
Deutschland: Christopher Reitz
(Rüsselsheim) - Carsten Fischer (Mülheim) - Christian Mayerhöfer (Dürkheim),
Volker Fried (RW Köln), Jan-Peter Tewes (Mülheim) - Patrick Bellenbaum
(Mülheim), Klaus Michler (Crefelder HTC), Christian Blunck (HTHC Hamburg) - Sven
Mayerhöfer (Mülheim), Oliver Domke (Rüsselsheim), Andreas Becker (Mülheim) -
später eingewechselt: Michael Green (Hamburg), Stefan Saliger (Hamburg),
Christoph Bechmann (Gladbacher HTC).
Tore: 0:1 v. d. Honert (3.),0:2 v. d.
Honert (45., Strafecke), 0:3 v. d. Honert (53., Strafecke), 1:3 Meinhardt (60.,
Strafecke), Zuschauer: 13.119.
Die Einsamkeit der Niederlage erlebt
Christopher Reitz nach dem 2:3 im kleinen Finale gegen Australien |
Aus "Darmstädter Echo" vom
07.08.1996:
"Pech" - strapaziertes Wort bei
den Hockeyspielern
Eine Atlanta-Bilanz aus
Rüsselsheimer Sicht
Als Oliver Domke am Dienstag
nachmittag auf dem Frankfurter Flughafen seine Mutter Hildegard umarmte, hatte
er nur ein kurzes Lächeln für sie übrig. Zu groß war bei dem als ehrgeizig
bekannten jungen Mann noch die Enttäuschung über die verpaßte Medaille beim
olympischen Hockeyturnier. "Zehn Minuten vor Schluß hatten wir doch noch die
Bronzemedaille in der Hand", erinnerte der 20 Jahre alte Blondschopf an die
Unaufmerksamkeiten in der Abwehr, die Australien noch den dritten Platz
bescherten.
Eigene Dummheit und ungenügende
Chancenauswertung, vor allem bei Ecken, hätten das Team um den verdienten Lohn,
den Sprung aufs Treppchen, gebracht. Domke geht noch weiter: "Wir hatten das
Können, den Olympiasieg von Barcelona zu wiederholen." Damals freilich träumte
der junge Rüsselsheimer, 1992 soeben mal für das U-18-Nationalteam nominiert,
noch von der großen internationalen Karriere, die für die Teamkameradin vom
Rüsselsheimer RK, Britta Becker, bereits begonnen hatte. Auch die
zuverlässige Siebenmeterschützin - drei verwandelte sie in Atlanta -
strapaziert, wie Domke, auf das mäßige Abschneiden in den USA angesprochen, ein
Wort: "Pech" hätten die Frauen ganz einfach gehabt, außerdem Schiedsrichter,
"die uns allein in drei Begegnungen kraß benachteiligt haben".
Natürlich sei ein sechster Platz
nicht das, was Berti Rauths Mannschaft von sich erwartet hatte, er entspreche
aber auch nicht dem, was das Team in Atlanta geleistet habe. "Wir haben immer
knapp verloren und uns jedes Mal so eingesetzt, daß wir erhobenen Hauptes den
Platz verlassen konnten." Daß man dem deutschen Hockey, das erstmals seit 1976
bei Olympia ohne Medaille blieb, eine Krise andichten will, verstehen weder
Domke noch Becker. Die Weltspitze liege leistungsmäßig dicht beisammen, da sei
man schnell Erster, aber genauso schnell Siebter.
Aus persönlicher Sicht enttäuschend
verlief das Hockeyturnier für den Rüsselsheimer Björn Emmerling. Der
Zwanzigjährige war beim ersten Training auf dem stark gewässerten Platz
ausgerutscht und hatte sich eine Knieverletzung zugezogen. Er kam deshalb nur zu
drei Kurzeinsätzen von insgesamt zehn Minuten. "Das war sehr bitter", sagte
Emmerling, der mit gerade einmal neun Länderspielen den Sprung nach Atlanta
geschafft hatte.
Mit dem Abschneiden der Mannschaft
war er nicht zufrieden. "Angesichts der intensiven Vorbereitung habe ich mit
einer Medaille gerechnet. Die Mannschaft war stark genug." Neben "viel Pech,
gerade beim Torschuß", habe die mangelhafte Chancenverwertung ein besseres
Ergebnis verhindert. "Und wenn man bei den letzten sechs Ecken fünf Tore fängt,
kann man nicht gewinnen."
Aus "Main-Spitze" vom 07.09.1996:
"Wir können alle stolz darauf sein
..."
Stadt empfing Rüsselsheimer Olympia-Teilnehmer / Auch Vereine
gewürdigt
Blumen und Sekt von OB Otti Geschka: Tanja
Dickenscheid, Britta Becker, Eva Hagenbäumer, Meike Freitag, Christopher
Reitz, Berti Rauth, OB Otti Geschka |
"Wir können alle stolz
sein". So freute sich am Freitag Oberbürgermeisterin Otti Geschka bei einem
nicht gerade alltäglichen Empfang im Rathaus: Fünf der insgesamt sieben
Olympia-Teilnehmer aus Rüsselsheim waren gekommen, um die offizielle Würdigung
und Anerkennung ihrer Leistungen aus dem Munde der Oberbürgermeisterin ihrer
Heimatstadt zu erfahren. Es waren Meike Freitag (Bronze- und Silbermedaille in
der Schwimmstaffel), Tanja Dickenscheid, Britta Becker und Eva Hagenbäumer
(sechster Platz Hockey) sowie Christopher Reitz (vierter Platz Hockey). Die
beiden Rüsselsheimer Hockeyspieler Oliver Domke und Björn Emmerling waren
verhindert.
Doch die Top-Sportler
und die Oberbürgermeisterin waren nicht allein im sogenannten historischen
Sitzungssaal: Vertreter aus der Kommunalpolitik, aus Vereinen, von Sponsoren und
aus der städtischen Verwaltung waren versammelt, um ebenfalls so die Leistungen
der Sportler zu würdigen. Otti Geschka maß denn auch dem Anteil der Vereine und
speziell dem der Trainer an den Leistungen der jungen Menschen eine hohe
Bedeutung zu. Die Oberbürgermeisterin hob dabei Berthold Rauth, den Trainer der
Hockey-Damenmannschaft hervor. Seine "engagierte Gestik" (Geschka) hätten auch
auf dem Bildschirm Millionen miterlebt.
Und Rüsselsheim, so die
Oberbürgermeisterin weiter, sei eine Stadt, in der der Sport eine große Rolle
spiele und gespielt habe. Seit 1952 seien insgesamt 25 mal Sportler aus der
Opelstadt bei den Olympischen Spielen vertreten gewesen. Alle drei jetzt
ausgezeichneten Hockeyspielerinnen, erinnerte Geschka, haben bereits zum zweiten
Mal an Olympia teilgenommen. 1992 waren sie mit Silbermedaillen aus Barcelona
zurückgekehrt, der Hockeyspieler Christopher Reitz sogar mit einer Goldmedaille.
Alle Olympia-Teilnehmer
übten durch ihre sportlichen Höchstleistungen zudem eine Signalwirkung für alle
gesellschaftlichen Bereiche aus - weit über den Sport hinaus. Die Gesellschaft,
meinte die Oberbürgermeisterin weiter, brauche den Willen zum Erfolg, den Mut
zum Risiko und die Bereitschaft, sich einem fairen Wettkampf zu stellen. |