Von Martin Krieger
(aus "Main-Spitze" vom 18.08.2016)
Die olympische
Medaillensammlung von Torhütern, die beim Rüsselsheimer RK groß wurden und viele
Jahre in der Bundesliga zwischen den Pfosten standen, ist umfangreich und
national unerreicht. Drei Gold- und drei Silbermedaillen stehen seit 1972 zu
Buche – angefangen mit Peter Kraus in München über Christopher Reitz 1992 in
Barcelona und Nico Jacobi 2012 in London, die jeweils finalen Jubel anstimmen
konnten, bis hin zu Tobias Frank (1984 und 1988) und Bianca Heinz (1992), denen
lediglich der letzte Wurf beim größten Sportereignis verwehrt blieb.
Ergo könnte jemand
auf die Idee kommen, dass es ja ganz gut passen würde, wenn die RRK-Bilanz an
diesem Donnerstag um die bislang noch fehlende Bronzemedaille ergänzt würde.
Doch obwohl vieles dafür spricht, dass das im Halbfinale von Argentinien
unerwartet krass mit 5:2 Toren demontierte deutsche Rio-Team um besagten Jacobi
an diesem Donnerstag im Spiel um Platz drei gegen Erzrivale Niederlande alles
für einen positiven Abschluss tun wird, so sitzt der Stachel der Enttäuschung
nach zwei Olympia-Triumphen hintereinander nicht nur beim 29 Jahre alten
Schlussmann vom UHC Hamburg tief.
Peter Kraus, der
beim 1:0-Sieg über Pakistan vor 44 Jahren einen Siebenmeter parierte, empfand
die deutschen Auftritte insgesamt nicht überzeugend: "Ich hatte gedacht, dass
das souveräner aussehen würde, und in der Verteidigung hat es insgesamt nicht
gestimmt", sagt der 75-jährige Rüsselsheimer. Bei 17 Gegentreffern in bislang
sieben Partien "hätte ich schon längst mal den Torwart gewechselt", so Kraus.
Nico Jacobi sei zwar oft im Stich gelassen worden und habe keine groben Fehler
gemacht, "aber er hat auch keine Überdinger gehalten. Sein bestes Turnier ist
das sicher nicht, denn sonst hat er auch schon mal ein Spiel alleine
entschieden", so Kraus. Dennoch ist der rüstige Rentner, der sich seit 1997
alljährlich mit den noch lebenden Goldkollegen von München trifft, überzeugt,
"dass die Mannschaft sich heute noch einmal zusammenreißt und Bronze holt".
Wie es sich
anfühlt, wenn der große Traum geplatzt ist, damit kennt sich Tobias Frank besser
aus, als ihm lieb sein dürfte. "Ich kenne solche Tage, da läuft einfach nichts
und es steht ruckzuck 0:2, ohne dass du einen Ball berührt hast. Die Jungs sind
gegen die giftigen Argentinier gerade im Mittelfeld gar nicht in die Zweikämpfe
gekommen und haben furchtbar viele Fehler gemacht. Und Argentinien hatte einen
verdammt guten Eckenschützen", so das Fazit des seit geraumer Zeit in
Oberfranken arbeitenden Oberarztes. Hätte die Leistung im unglücklich 1:2
verlorenen Endspiel in Los Angeles 1984 gegen Pakistan gestimmt, "ging vier
Jahre später gegen Großbritannien nichts. Da haben wir nicht halbwegs das
abgerufen, was nötig gewesen wäre", erinnert sich der 58-Jährige an das finale
1:3 von Seoul. Obwohl ihm das DHB-Team vor vier Jahren insgesamt stärker
vorgekommen sei, ist auch der langjährige Mainzer guter Dinge für das Spiel um
Platz drei: "Holland sollte Motivation genug sein. Gegen die zu verlieren, war
schon für uns immer das Schlimmste."
Keine guten
Erinnerungen an das Spiel um Platz drei bei Olympia hat ein anderer
RRK-Nationalspieler: Oliver Domke (101 Länderspieltore) hatte Deutschland 1996
in Atlanta gegen Australien zwar 2:1 in Führung gebracht, doch nach zwei
individuellen Fehlern hieß es am Ende 2:3. "Natürlich waren wir nach dem 1:3 im
Halbfinale gegen Holland gefrustet, aber das Turnier geht ja weiter. Wir wollten
damals unbedingt Bronze haben, denn der vierte Platz bei Olympia ist einfach
besonders bitter. Deshalb werden die Jungs sich auch bestimmt noch mal voll
reinhängen und alles geben", sagt der 40-jährige Ausnahmestürmer.
Sie waren dabei
Held von München
1972: Hockeytorwart Peter Kraus
Aus "Main-Spitze"
vom 22.08.2016
(kri). Nicht wenige, darunter auch
Peter Kraus, hatten mit dem vorzeitigen Ende der Spiele 1972 in München
gerechnet. 17 Tote ‒ so lautete die verheerende Bilanz eines von Palästinensern
initiierten Anschlags auf das israelische Team im Olympischen Dorf und einer
völlig missratenen Geiselrettungsaktion auf dem Flugplatz in Fürstenfeldbruck.
"Ich hätte nie gedacht, dass es weitergeht und hatte schon gepackt", sagt der
heute 75-jährige Rüsselsheimer.
"The games must go on" – der
legendäre Satz des damaligen IOC-Präsidenten Avery Brundage bei der Trauerfeier
war dann auch für Hockeytorwart Kraus und seine Teamkollegen ein großer Ansporn.
Nach einem 3:0-Halbfinalcoup gegen Holland ging es fünf Tage nach dem Attentat
im Endspiel wiederum gegen Titelverteidiger und Weltmeister Pakistan. Und nach
zwei gehaltenen Siebenmetern beim 2:1-Erfolg in der Gruppenphase wurde Kraus
auch im Finale zum Helden, wehrte vor 15.000 begeisterten Zuschauern erneut
einen Siebenmeter mit dem Schläger ab. "Ich bin immer stehen geblieben und habe
nie spekuliert, wie das auch beim Fußball heute üblich ist", sagt Kraus. Das
entscheidende 1:0-Strafeckentor des späteren DHB-Präsidenten Michael Krause in
der 60. Minute zum ersten deutschen Hockey-Olympiasieg konnten die favorisierten
und im Erfolgsfall fürstlich entlohnten Asiaten gar nicht verkraften. Auf dem
Podest wurden die Silbermedaillen in die Badelatschen gesteckt, deutsche Spieler
und Zuschauer beschimpft und der deutschen Fahne die Ehrerbietung verweigert.
Nur weil sich Pakistans Staatspräsident für dieses Verhalten bei der
Bundesregierung entschuldigte, wurde die lebenslange Sperre auf vier Jahre
verkürzt. Kraus: "Wir sind zur Wiedergutmachung in die Botschaft nach Köln
eingeladen worden, und dort hat man uns einen großen Pokal überreicht. Das
hässliche Ding bekommt seither jedes Jahr der Deutsche Meister."
Aus "Main-Spitze"
vom 18.08.2016
(kri). Der 7.
August 1992 war aus verschiedenen Gesichtspunkten ein besonderer Tag. Für
Deutschlands Hockeydamen im Allgemeinen, die erstmals in einem olympischen
Finale standen und Gastgeber Spanien vor 12.000 Zuschauern – darunter das
Königspaar Juan Carlos und Sofía – 1:2 unterlegen waren, für Günther Jauch im
Speziellen: "Wir waren alle ein bisschen daran beteiligt", verrät Bianca Heinz
schmunzelnd und meint damit, dass der damals noch weniger bekannte TV-Moderator
bei der ausschweifenden Feier nach der Silbermedaille irgendwann ohne Hemd und
mit freiem Oberkörper dastand.
Dass es sportlich
vor den Toren Barcelonas nicht optimal gelaufen ist, das ficht die seinerzeit 24
Jahre alte Torhüterin des Rüsselsheimer RK auch im Rückblick nicht an. "Dass wir
Titelverteidiger Australien 1:0 besiegen würden, hätte niemand gedacht. Im
Endspiel hatten wir uns dann schon mehr ausgerechnet, waren aber nur kurz
enttäuscht, obwohl wir in der ersten Halbzeit viele Torchancen ausgelassen
hatten. Aber Silber ist nach wie vor Klasse", so Heinz, die unter ihrem
Mädchennamen Weiß in der Auftaktpartie gegen Spanien (2:2) im Kasten stand.
Ein Segen, denn so
blieb ihr erspart, was Spaniens Ersatztorhüterin fast um die Goldmedaille
gebracht hätte: In der letzten Minute der Verlängerung eilte sie aufs Feld, um
überhaupt Edelmetall erhalten zu können. "Ich fand das unglaublich mutig und
toll von deren Trainer, aber ich hätte das nicht gemacht", sagt Heinz. Dass die
aktuelle Generation in Rio, der sie beim Kampf um Bronze naturgemäß die Daumen
drückt, vor derlei olympischem Kleingeist befreit ist, erfreut die sozial
engagierte 48-Jährige naturgemäß sehr. Dass Günther Jauch an jenem Oberhemd, das
er bei einer Außensendung des "Aktuellen Sport-Studios" in Rüsselsheim
zurückerhielt, noch immer Freude hat, ist weniger wahrscheinlich.