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Über Mitglieder des
RRK (2021)
Bianca Heinz, Berti Rauth, Dennis
Schwarz |
Bianca Heinz |
Berti Rauth |
Dennis Schwarz |
Zulauf auf dem Hockeyplatz trotz der Krise
Die
südhessischen Hockeyclubs freuen sich, trotz der Pandemie interessierte Kinder
anlocken zu können. Teil acht der ECHO-Serie "Nachwuchssport in der Krise".
Von Udo Döring und
Martin Krieger (aus "Main-Spitze" vom 06.01.2021)
SÜDHESSEN - Hockey gilt als Rand- oder Nischensportart, was schon darin
begründet liegt, dass die Zahl der Vereine und entsprechend die
Spielmöglichkeiten stark begrenzt sind. Dass trotz geringer Masse – am 1. Januar
2020 waren landesweit 4098 Kinder und Jugendliche erfasst – auch in Hessen immer
wieder Klasse heranwächst, das wird besonders beim Rüsselsheimer RK deutlich.
Dort werden nicht nur alle Jahre wieder aufstrebende Talente ins
Bundesliga-Damenteam gespült, auch haben zahlreiche Nationalspielerinnen und
-spieler mit dazu beigetragen, dass Hockey dank einer stattlichen Titelsammlung
als erfolgreichste Ballsportart bundesweit gilt.
Wenn es um die
Auswirkung der Corona-Pandemie geht, dann unterscheidet den RRK freilich wenig
vom TEC Darmstadt. "So viele Austritte gibt es noch nicht, aber je länger das
dauert, desto schwieriger wird es, vor allem die jüngeren Kinder bei der Stange
zu halten. Dazu gibt es praktisch keine Eintritte, weil ja nichts angeboten
werden kann", sagt Bianca Heinz. Die 52 Jahre alte Rüsselsheimerin, als
Torhüterin 1992 mit der olympischen Silbermedaille dekoriert, ist beim
Hessischen Hockey-Verband (HHV) für den Leistungssport zuständig. Gerade dieser
Bereich macht ihr neben dem seit Monaten nicht mehr existenten Clubleben die
größten Sorgen: "Wenn man viel Zeit da reingesteckt hat, um vielleicht
irgendwann mal Bundesliga zu spielen, aber man dann so lange raus ist und ins
andere Leben reinschnuppert, dann wird es extrem schwierig, diese Talente wieder
zurückzuholen. Wenn wir wirklich erst im März wieder was machen können, dann
wäre das ganz schlimm, weil quasi ein ganzes Jahr wegbrechen würde."
Sommercamps, wie hier beim Rüsselsheimer RK,
lockten viele Kinder auf den Hockeyplatz. ©Vollformat |
In den Vereinen
überwiegt dennoch der Optimismus. "Bislang haben wir nur vereinzelt Jugendliche
verloren und sehen keinen erdrutschartigen Schwund. Im Gegenteil – wir hatten in
diesem Sommer sogar mehr Zulauf, und bei den ganz Kleinen gab es einen
regelrechten Run", berichtet Dennis Schwarz, Jugendleiter männlich beim
RRK: "Wir haben in die Infrastruktur am Platz investiert, wobei die Ausbildung
ganz vieler Jugendlicher als Trainer oberste Priorität hat, denn dies schlägt
sich in steigenden Mitgliederzahlen im Jugendbereich nieder. Wenn sich die Lage
irgendwann wieder normalisieren sollte, sind wir optimistisch für das Jahr
2021."
Ähnlich
zuversichtlich ist auch die Einstellung beim TEC Darmstadt, wo man im Laufe des
Jahres etwa 15 neue Kinder für das Hockeyspielen begeistern konnte, insbesondere
im Mädchenbereich. "Offenbar ist es uns gelungen, Hockey als Mannschaftssport
mit hohem Sport- und Spaßfaktor und Teambindungsqualitäten zu kommunizieren,
schon vor der Corona-Zeit, aber auch währenddessen", freut sich Jugendwart Jan
Steiger, der diesen Trend gerne ausbauen würde. "Die Jugendlichen hatten und
haben derzeit wieder ein konkretes Interesse, sich zu treffen und auszutauschen,
über das eigentliche Training hinaus." Eine Wirkung auch virtueller
Trainingsrunden, die kurz nach dem ersten Lockdown angeboten wurden und neben
Fitness auch den Teamgeist gefördert hätten.
Im etwas
entspannteren Sommer gab es dann zwei Hockey-Sommercamps ‒ wie auch beim
Rüsselsheimer RK, der mit 30 Trainern fast 100 Kinder begrüßte ‒, bevor mit den
kälteren Monaten erst die Absage aller Hallenwettbewerbe und schließlich der
zweite Lockdown als nächster Dämpfer folgten. Beim TEC reagierte man mit dem
Angebot von Individualsport auf dem Hockeyplatz. "Das darf man ja, alleine, zu
zweit oder mit dem eigenen Hausstand, und dazu haben wir ein Buchungssystem
implementiert, um die vier Felder zu organisieren", erklärt Steiger zu dem
Angebot, das nun ausgebaut werden soll: "Im Sinne, dass jüngere Spieler sich mit
älteren Spielern verabreden können zum Individualtraining. Unter Wahrung der
Abstandsregeln, aber so, dass wir ein Angebot für die Jüngeren haben, von den
schon erfahreneren Jugendlichen individuell trainiert zu werden."
Die angelaufene
Impfwelle lässt Steiger hoffen, dass es in der Feldsaison auch wieder ernst
werden darf auf dem Hockeyplatz. Von Optimismus zeugt auch die gerade eröffnete
Anmeldung für ein Oster-Camp unter Einbeziehung der Hockey-Akademie mit
Nationalspielern als Trainern.
Interessante
Erfahrungen mit der Krise hat Berti Rauth gemacht. Der ehemalige
Damen-Bundestrainer und "Vater" der 33 nationalen und internationalen
Titelgewinne der RRK-Damen hat natürlich auch auf Zoom-Meetings mit "Tennisball-
oder Klorollen-Hochhalten" gesetzt. "Aber am erstaunlichsten für mich war, dass
ich Nachbarskinder bei Versuchen beobachten konnte, sich draußen irgendwie
selbst kreativ bewegen oder Sport machen zu wollen. Es hat mich total in meine
eigene Jugendzeit zurückversetzt, als wir den Dingen einfach freien Lauf
gelassen und so eine eigene Spielkultur entwickelt haben. Danach habe ich mich
gefragt, ob es wirklich der Weisheit letzter Schluss ist, den Kids
vorgefertigten Brei vorzusetzen, oder ob nicht Hilfe zur Selbsthilfe besser
wäre. Das Gesehene lässt mich jedenfalls glauben, dass die Ideen durchaus vom
Nachwuchs selbst kommen können", sagt der 62-Jährige, der seit 2007 in Hamburg
unter anderem als Technikausbilder wirkt. Natürlich sieht auch er die Gefahr,
dass Kinder dem Sport verloren gehen. "Vor allem im motorisch wichtigsten
Lernzeitraum, zwischen acht und zwölf Jahren, schadet eine fehlende
Trainingsintensität. Was man dort anbahnt, davon profitieren Kinder bis ins
Erwachsenenalter. Wenn es dort keine Kontinuität gibt, ist das Verfestigen von
Mustern schwierig", formuliert Rauth als grundsätzliche Sorge. "Aber dass wir
erdrutschartig Talente verlieren, diese Gefahr sehe ich aktuell nicht."
DIE GUTE IDEE: LAUFEN, FREUNDETRAINING UND
JONGLIEREN
Der Hessische Hockey-Verband hat sich mit einer
Aktion an Jugendteams gerichtet, die das Wir-Gefühl stärken sollte. Unter
dem Motto "Hessenhockey läuft nach Tokio" wollte der Verband es
schaffen, durch gemeinschaftlich erlaufene Strecken möglichst auf jene
12.510 Kilometer zu kommen, die zwischen Frankfurt und der Olympiastadt von
2021 liegen. Los ging‘s am 16. November, und bereits am 10. Dezember war man
symbolisch in Japans Hauptstadt angekommen – umrahmt von etlichen
emotionalen Bildern und Videos, die gepostet wurden. Mit diesem Lauf wurden
Spenden gesammelt, die an "Hockey gegen Krebs" überwiesen wurden und
dort noch aufgestockt werden, um dann an die Stiftung Bärenherz in Wiesbaden
übergeben zu werden.
Beim Rüsselsheimer RK wurde zusätzlich
gelaufen, wobei hier in Anlehnung an das Gründungsjahr exakt 1908 Kilometer
erreicht werden sollten. Dazu hatten im Spätsommer junge Mitglieder in ihrem
Bekanntenkreis die Werbetrommel gerührt, und beim "Freundetraining" blieben
dann gleich ein paar Kinder hängen.
Beim TEC Darmstadt wurden je nach Team
verschiedene Aktivitäten ausprobiert; als Video-Challenge, bei der mit dem
Hockeyschläger verschiedenste Gegenstände jongliert werden mussten; oder
auch ohne Schläger, z.B. mit einem Quiz zum Hockeysport oder anderen Themen.
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