Rüsselsheimer Ruder-Klub 08 "Archiv und Chronik"

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Berthold Rauth

Erst die Arbeit, dann Atlanta

Hockeyspielerinnen übernachten privat, die Pizza holt der Trainer

Von Peter Penders (aus "FAZ" vom 07.06.1996)
 

Atlanta ist in jeder Hinsicht noch weit entfernt. Es ist kalt in diesen Maitagen in Rüsselsheim, als sich die deutschen Hockeydamen zu einem ihrer Lehrgänge treffen. Ein böiger Wind und ein nervender Nieselregen tun ein übriges dazu, daß die Stimmung etwas gedämpft ist. Angereist sind 14 der 19 jungen Damen schon gestern, haben die Nacht bei ihren Spielerkolleginnen aus dem hessischen Raum verbracht. Zwei Übernachtungen im Hotel hat das Budget nicht zugelassen. In der kleinen Baracke neben dem Hockeyplatz stapeln sich die Hockeytaschen und Wasserkästen. Bisweilen hat Bundestrainer Berti Rauth etwas Mühe sich Gehör zu verschaffen. Die Hockeyanlage liegt in der Einflugschneise des Flughafens Rhein/Main. Anfang Juli werden sie in einer der Maschinen sitzen, wenn die Operation "Medaillengewinn" endlich beginnt und die Mühsal der Vorbereitung vorbei ist. Beantwortet ist dann auch die quälende Frage: Bin ich dabei? Selbst denen, die sich schon sicher sein können, kann immer noch eine Verletzung die Olympiateilnahme kosten.

Reicht es wieder zu einer Medaille? Nein, es wird ein 6. Platz! Das Hockey-Nationalteam mit Trainer Berti Rauth vor den Olympischen Spielen in Atlanta mit den Rüsselsheimerinnen Britta Becker (zweite Reihe, erste von rechts), Tanja Dickenscheid (dritte Reihe, erste von rechts) und Eva Hagenbäumer (dritte Reihe, vierte von rechts) sowie dem Rüsselsheimer Bundestrainer Berti Rauth (zweite Reihe, dritter von rechts).

Unten auf dem Platz steht für Franziska Hentschel Strafeckentraining auf dem Programm. Monoton lauft alles nach dem immer selben Schema ab. Tanja Dickenscheid gibt den Ball herein, Eva Hagenbäumer stoppt, "Franzi" schlägt. Nach besonderem Spaß sieht das für das Trio nicht aus. Drei Wochen später, beim Testspiel gegen Australien, wird die Frankfurterin mit einer dieser Strafecken den Führungstreffer beim 1:1 gegen Weltmeister Australien erzielen. Was dann so spielerisch leicht aussieht, ist tausendfach geübt. "Automatisiert", wie die Trainer sagen, und wie ein Automat soll die Spezialistin die kleine Kugel bei dieser Standardsituation ins Tor schlagen. Auf der anderen Platzseite hechtet Torhüterin Susanne Wollschläger nach den Bällen, die Rauth mittels einer Ballmaschine zielgenau abschießt. "Susi" hatte nach dem Silbermedaillengewinn 1992 in Barcelona erst ihre internationale und dann ihre nationale Karriere beendet. "Ich kann den Gestank der Schienen nicht mehr ertragen", hatte sie gesagt. Anfang des Jahres hatte Rauth die einst weltbeste Torhüterin zum Comeback überredet, und nun muß sie ihre Torwartausrüstung, die Schienen, wieder täglich mehrfach an- und ausziehen.

Sie schinden sich für Atlanta, wie sie es noch nie haben tun müssen. Das olympische Turnier wird in einem neuen Modus ausgetragen. Die acht teilnehmenden Mannschaften spielen jeder gegen jeden, die beiden Erstplazierten stehen sich dann im Endspiel gegenüber, der Dritt- und der Viertplazierte spielen die Bronzemedaille aus. Wer auf dem Treppchen stehen will, muß in der tropischen Hitze in Atlanta in 12 Tagen acht Spiele bestreiten. "Eine dumme Idee, sagt der australische Trainer Rick Charlesworth dazu, obwohl seine athletische Mannschaft vielleicht von der Änderung am meisten profitiert. Die deutschen Hockeyspielerinnen wundern sich nur, warum die Fußballkollegen soviel von Regeneration reden, ihre Turniere aber stets drei bis vier Wochen dauern.

"Das wird ein schöner Schlauch", sagt Rauth. Der Bundestrainer ist seit einem Jahr im Amt, nachdem der Deutsche Hockey-Bund bei seinem Vorgänger Rüdiger Hänel Motivationsprobleme in der Mannschaft ausgemacht hatte und fürchtete, bei der Olympia-Qualifikation zu scheitern. Diese erste Hürde hat der Rüsselsheimer Vereinstrainer genommen, jetzt hat er nur noch Atlanta im Sinn. "Bei dem Aufwand und dem Eifer müßte doch eine Medaille drin sein." Schon während der Hallensaison mußten die Nationalspielerinnen täglich zu ihrem Vereinstraining Extraschichten einlegen. Ein Leistungsdiagnostiker hat für jede der vermeintlichen Olympiafahrerinnen ein individuelles Programm erstellt. Krafttraining, Kraftgymnastik, Sprinttraining, Ausdauerläufe, Regenerationsläufe - das kostet nicht nur viel Kraft, sondern auch viel Zeit. Die meisten deutschen Spielerinnen sind Studentinnen und haben Urlaubssemester genommen, die anderen sind von ihrem Arbeitgeber freigestellt.

Anders ist das Vorbereitungsprogramm nicht mehr zu bewältigen. Von Rüsselsheim geht es nach Spanien zu drei Länderspielen, dann folgen zwei Testspiele gegen Australien und ein Lehrgang, ein Vier-Nationen-Turnier in England und Lehrgänge, Lehrgänge, Lehrgänge. "Die Mädchen ziehen mit", sagt Rauth. Von zu Hause verwöhnt dürfen die jungen Damen nicht sein. Das Essen zwischen zwei Trainingseinheiten wird in einem Aufenthaltsraum in der Tribüne serviert vom Bundestrainer persönlich, der alles in einer Pizzeria auch abgeholt hatte. So etwas macht Rauth, der sich in der Branche einigermaßen glaubhaft den Ruf eines Hockeyverrückten erarbeitet hat, nichts aus. "Wir sind hier nicht beim Fußball, aber die würden das unter diesen Umständen auch gar nicht durchstehen."

Die meisten der Spielerinnen waren schon in Barcelona dabei. Im Endspiel waren die Deutschen damals lange die bessere Mannschaft, aber in der Verlängerung setzte sich Spanien schließlich durch. Die Sehnsucht, den Traum von damals noch mal zu träumen und etwas Ähnliches noch einmal zu erleben, hat viele vier weitere Jahre durchhalten lassen. Neben Susi Wollschläger ist auch Tina Peters zurückgekommen. Die Medizinstudentin hat zwischendurch ihr Praktikum in Neuseeland absolviert, jetzt ruht die Ausbildung erst einmal, und das Comeback auf dem Kunstrasen steht im Vordergrund. Ob sich die ganze Schinderei lohnt, ob sich das berufliche Risiko auszahlt?


Aus "Main-Spitze" vom 18.06.1996:

Berti Rauths Team für Atlanta steht

Drei RRK-Spielerinnen - Britta Becker, Tanja Dickenscheid und Eva Hagenbäumer - im Aufgebot für das olympische Hockeyturnier

Nach dem Erfolg beim Vier-Nationen-Vergleich in Milton Keynes hat Damen-Bundestrainer Berti Rauth seinen Kader für das olympische Hockey-Turnier in Atlanta benannt. Wie erwartet berief der Rüsselsheimer am Sonntag exakt jene 16 Spielerinnen, die sich zuvor in England mit 5:1 Punkten den Turniersieg vor dem punktgleichen Olympiasieger Spanien gesichert hatte. Die DHB-Damen hatten vor vier Jahren in Terrassa bei Barcelona die Silbermedaille gewonnen. Gegenüber dem Turnier vor vier Jahren in Spanien ist der deutsche Meister Rüsselsheimer RK "nur" noch mit drei anstelle von seinerzeit fünf Spielerinnen vertreten. Wie zu vermuten stand, hat Denise Klecker keine Gnade mehr bei ihrem Vereinstrainer gefunden, gehört allerdings zu jenen vier Spielerinnen, die sich für Notfälle als Nachrückerinnen bereithalten.


Aus "Main-Spitze" vom 13.07.1996:

Ruder-Klub verabschiedet Olympia-Fahrer

Rüsselsheimer RK stellt die meisten Aktiven für DHB-Auswahlteams / Damen-Bundestrainer Rauth noch "cool"

ulz. - Wenn die beiden deutschen Hockey-Nationalmannschaften an diesem Sonntag um 10 Uhr Richtung olympische Sommerspiele nach Atlanta (USA) aufbrechen, werden die meisten Angehörigen der sechs Rüsselsheimer Aktiven ohnehin dabei sein, um "auf Wiedersehen" zu sagen. Die Hockeyabteilung des Rüsselsheimer RK (RRK) verabschiedete Tanja Dickenscheid, Eva Hagenbäumer, Britta Becker, Christopher Reitz, Oliver Domke, Björn Emmerling und Damen-Bundestrainer Berti Rauth aber bereits am Donnerstag offiziell - in Form eines gemütlichen Beisammenseins. Der Ruder-Klub zeigte sich großzügig und übernahm die Getränkekosten der etwa 50 Anwesenden.

Eva Hagenbäumer, Berti Rauth, Tanja Dickenscheid, Britta Becker

Der für den Herrenbereich zuständige Sportliche Leiter, Martin Müller, verwies auf die Besonderheit eines halben Dutzend Olympiateilnehmer aus einem Verein: "So viele Spielerinnen und Spieler stellt kein anderer deutscher Klub, was ein großer Verdienst von Berti Rauth ist". Später gesellte sich auch der RRK-Gesamtvorsitzende Dietmar Klausen hinzu, wollte aber kein offizielles Statement abgeben.

Im Gespräch unter vier Augen war der "Präsident" aber doch mächtig stolz auf das bisher im Hockeybereich Geleistete: "Auch nach 15 Jahren Vereinsführung macht es mir noch sehr viel Spaß, dabei zu sein. Ich hoffe, daß beide Mannschaften in Atlanta erfolgreich sind und vielleicht mit Edelmetall behängt zurückkommen. Aber egal, wie unsere sechs Nationalspieler und Berti abschneiden, wir lassen uns nach ihrer Rückkehr sicher etwas Besonderes einfallen". Klausen freut sich zwar über die Olympiafahrer, die dem Ansehen des RRK einen weiteren Schub geben, hofft aber zugleich, daß das Sextett unverletzt zurückkehrt.

Unter der Gästeschar war auch Denise Klecker, die ihre Enttäuschung über die Nichtnominierung überwunden hat: "Ich tröste mich mit einem längeren Südafrika-Aufenthalt und werde alles daransetzen, in vier Jahren in Sydney im Kader zu stehen". Im letzten Moment in den nur 16köpfigen Kader des Deutschen Hockey-Bundes (DHB) ist dagegen der 20jährige Björn Emmerling ("Es ist ein großartiges Gefühl, auch wenn ich zunächst nur auf der Bank sitzen werde"). Auch der gleichaltrige Oliver Domke, der bereits 52 Länderspiele absolviert hat, freut sich mächtig auf seine ersten Olympischen Spiele: "Nachdem mich Bundestrainer Paul Lissek zunächst noch etwas hingehalten hat, bin ich mit dabei und fühle mich einfach super". Der quirlige Stürmer dürfte genauso einen Stammplatz sicher haben, wie Torwart Christopher Reitz, der vor vier Jahren in Barcelona zwar die Goldmedaille gewann, damals aber nur beim 2:1-Sieg im Gruppenspiel gegen Argentinien eingesetzt worden war. "Wir wollen unbedingt ins Halbfinale, alles andere ist wohl von der Tagesform und vom Glück abhängig", erklärt Reitz.

Deutlich mehr internationale Erfahrung weist das weibliche Nationalteam-Trio auf; sowohl Eva Hagenbäumer ("Olympia ist immer etwas Einmaliges"), Britta Becker ("Ich habe nach wie vor wahnsinnigen Spaß am Hockey und freue mich riesig auf Atlanta"), als auch Tanja Dickenscheid ("Es ist toll, mit ungefähr zehntausend Sportlern aus aller Welt im olympischen Dorf untergebracht zu sein und neue Kontakte zu knüpfen") gewannen bereits vor vier Jahren die Silbermedaille und haben zusammen fast 400 Länderspiele "auf dem Buckel". Sie wollen erneut ganz vorne landen, sehen aber Australien und Südkorea in der Favoritenrolle. "Da nach dem Modus jeder gegen jeden gespielt wird, ist in so einem Turnier alles möglich. Wir haben in der langen Vorbereitung sehr intensiv gearbeitet und zuletzt fünfmal hintereinander nicht verloren: Ich hoffe, das zahlt sich in Amerika aus", so der eher "cool" wirkende Damencoach Berti Rauth.


"Viermal kann man nicht Pech haben"

Die Hockeydamen auf Fehlersuche

Von Peter Hess (aus "FAZ" vom 30.07.1996)

Ein Unglück kommt selten allein. Da mit hatten sich die deutschen Hockeydamen in Atlanta bis zum Sonntag abgefunden. Den verpaßten Siegtreffer gegen Australien haben sie verdaut, die unglückliche Niederlage gegen die Niederlande verkraftet und den vermeidbaren Ausgleich der hoffnungslos unterlegenen Amerikanerinnen klaglos hingenommen. Nach all den Widrigkeiten traten sie den Engländerinnen unverdrossen entgegen und führten bis zwanzig Minuten vor dem Abpfiff nach Toren von Franziska Hentschel und Britta Becker 2:0. Das Pech schien besiegt, das Ziel, ein Spiel um die Medaillen, so gut wie sicher erreicht.

Eröffnungsfeier Atlanta 19.07.1996

Aber dann schlug das Unglück ein viertes Mal zu. Innerhalb der letzten zwanzig Minuten gelang den Engländerinnen das Kunststück, drei Strafecken zu verwandeln. Das war denn auch den tapferen Deutschen zuviel. Nach dem 2:3 rannen die Tränen. Die Mannschaft gab sich auf, obwohl vor dem letzten Gruppenspiel gegen Südkorea noch eine kleine rechnerische Chance auf Platz vier und das damit verbundene Match um Bronze besteht. "Das war's", sagte Stürmerin Heike Lätzsch kurz und bündig. Die 22 Jahre alte Leverkusenerin wollte nicht nur das Schicksal fürs Scheitern verantwortlich machen: "Viermal kann man nicht Pech haben. Ganz klar, der Mannschaft fehlt was."

Trainer Rauth konnte genau sagen, was: "Wir haben immer noch Defizite in der Kondition und in der Einstellung. Obwohl die Engländerinnen hinten lagen, wollten sie noch unbedingt gewinnen. Wir wollten nur nicht mehr verlieren." Ein verständlicher Gedanke nach den Erfahrungen der vergangenen Spiele von Atlanta, aber auch ein verhängnisvoller. Die Engländerinnen drückten die etwas vorsichtiger agierenden Deutschen sofort zurück. "Sie haben uns den Schneid abgekauft", stellte Heike Lätzsch selbstkritisch fest.

Für Berti Rauth war die Naivität der Spielerinnen der Grund für die verhängnisvolle Niederlage. Anfängerhaftes Verhalten bei einem Freischlag des Gegners und im Abwehrverhalten nach einer Strafecke seien die entscheidenden Szenen gewesen. "Genau diese Punkte waren noch in der Videoanalyse angesprochen worden." Im Herrenhockey seien solche Fehler nicht zu sehen. "Da machen die Jungs sich gegenseitig solchen Druck, da schläft keiner." Rauth muß es wissen. Er trainiert beim Rüsselsheimer RK sowohl die Herren- als auch die Damenmannschaft mit großem Erfolg.

Trotz der Fehler und trotz der Pechserie zog der Bundestrainer eine positive Bilanz. Seine Mannschaft habe in keinem Spiel enttäuscht. "Die Spielerinnen haben Moral bewiesen und spielerisch Fortschritte gemacht. Ich kann ihnen keinen Vorwurf machen." Auch athletisch hat sich die Mannschaft verbessert. Die großen Defizite, die zur Ablösung von Bundestrainer Rüdiger Hänel vor einem Jahr führten, konnten in der Kürze der Zeit aber nicht vollständig aufgeholt werden. Zumal in keinem anderen Land so aufwendige Vereinsmeisterschaftsrunden in der Halle und auf dem Feld ausgespielt werden. Zudem müssen Hockeyspielerinnen arbeiten oder studieren. Rauth hält es allerdings nicht für nötig, das Profitum im deutschen Hokkey einzuführen. "Ein bißchen mehr Vorbereitungszeit wäre schön. Aber auch mit unserem Konzept können wir Medaillen holen."

Südkorea, Spanien und die Vereinigten Staaten ziehen die Spielerinnen über viele Monate im Jahr zusammen. Aber auch dieser Aufwand garantiert nicht den Erfolg. Spanien, Olympiasieger von 1992, belegt in Atlanta nur den letzten Rang unter acht Mannschaften. Rauth sieht seine Mannschaft im Welthockey nach wie vor auf einer Höhe mit Südkorea, den Niederlanden, England und Argentinien. Australien sei einen Schritt voraus. "Wir können jeden fordern, haben aber nicht die Klasse, daß wir souverän gegen eine Weltklassemannschaft gewinnen könnten. Wir sind auf glückliche Umstände angewiesen." So wie in Barcelona, wo die Mannschaft die Silbermedaille gewann. Spielmacherin Britta Becker gibt ehrlich zu: "Damals hatten wir unmenschlich viel Glück. Dafür haben wir jetzt bezahlt."

Vor der Zukunft im deutschen Damenhockey ist Rauth vorerst nicht bange. Acht bis neun Spielerinnen von Atlanta werden bis Sydney weitermachen. Das ist auch nötig, weil sich aus den Juniorinnen-Jahrgängen nur die Berlinerin Natascha Keller aufdrängt. "Wir behalten einen Kader von guter Qualität, ob wir aber eine absolute Spitzenmannschaft wie Australien werden?" Rauth hat seine Zweifel daran, würde sich aber gerne an der Aufgabe versuchen, wenn das Verbandspräsidium seinen Vertrag verlängert. "Nach dem Treffer zum 2:3 hatte ich die Schnauze voll von diesem Job. Aber fünf Minuten später ging's schon wieder."


Aus "FAZ" vom 01.08.1996:

Bundestrainer Rauth will weitermachen

Hockeydamen fehlt es an psychischer Stärke

Das Fleisch war willig, aber der Geist war schwach: Deutschlands Hockeydamen haben sich in Atlanta selbst um den Lohn ihrer Mühen gebracht. "Die Spielanlage war toll, und auch der Charakter der Mannschaft ist in Ordnung. Alle Spielerinnen waren körperlich topfit, doch im entscheidenden Moment fehlte der gewisse "Kick"`, bilanzierte der enttäuschte Bundestrainer Berti Rauth nach dem unbefriedigenden sechsten Rang für die vor vier Jahren in Barcelona noch mit der Silbermedaille dekorierte Mannschaft.

Für die in keiner ihrer sieben Partien spielerisch unterlegene Auswahl des Deutschen Hockey-Bundes (DHB) war auch in Amerika mehr möglich. Doch sie offenbarte neben ihren Qualitäten auch erhebliche Defizite: Vor allem der Siegeswille nahm im Turnierverlauf stark ab. Deutliches Indiz: Gegen die in die "Medaillen-Spiele" gelangten Mannschaften von Australien, Südkorea (je 0:1), Großbritannien (2:3) und Niederlande (3:4) zog das deutsche Team zwar immer nur knapp, aber durchweg den kürzeren. "Es mangelt an der psychischen Stärke. Die Siegermentalität fehlt", urteilte Junioren-Trainer Bernhard Peters, der das Gros des Teams 1989 zu Juniorinnen-Weltmeistern gemacht hatte.

Verantwortlich für den rapiden Absturz nach dem guten Start gegen Argentinien (2:0) und Olympiasieger Spanien (2:1) war auch die eklatante Abschlußschwäche: Nur drei der 31 Strafecken wurden zu Toren genutzt, dazu unzählige Torchancen vergeben. "Ich fahre nie wieder mit einer Mannschaft zu einem großen Turnier, die im Angriff so wenig bewirkt. Sonst werde ich da draußen noch verrückt", meinte Rauth, dessen Position trotz der verpaßten Medaille unantastbar scheint.

Auch wenn acht, neun Spielerinnen vom Stamm bleiben, muß Rauth den Neuaufbau einleiten. Denn erfahrene Kräfte wie Susi Wollschläger, Tina Peters, Eva Hagenbäumer, Tanja Dickenscheid, Irina Kuhnt und auch Kapitän Franziska Hentschel denken ans Ende der internationalen Karriere. Der Umbruch wird schwer: Aus dem Juniorinnenkader kommt nicht viel nach. "Wir haben grundsätzliche Nachwuchsprobleme, denn es gibt kaum 25 Spielerinnen, die bereit sind, sich auf dem nötigen Niveau zu quälen", glaubt Peters. Rauth, der den Kader gut 100 Tage (Südkorea: zwei Jahre) vor Olympia beisammenhatte, fordert für sich längere Vorbereitungsphasen: "Dann können wir den letzten kleinen Schritt in die absolute Weltspitze schneller vollziehen."


Aus "Main-Spitze" vom 07.09.1996:

"Wir können alle stolz darauf sein ..."

Stadt empfing Rüsselsheimer Olympia-Teilnehmer / Auch Vereine gewürdigt

Blumen und Sekt von OB Otti Geschka: Tanja Dickenscheid, Britta Becker, Eva Hagenbäumer, Meike Freitag, Christopher Reitz, Berti Rauth, OB Otti Geschka

"Wir können alle stolz sein". So freute sich am Freitag Oberbürgermeisterin Otti Geschka bei einem nicht gerade alltäglichen Empfang im Rathaus: Fünf der insgesamt sieben Olympia-Teilnehmer aus Rüsselsheim waren gekommen, um die offizielle Würdigung und Anerkennung ihrer Leistungen aus dem Munde der Oberbürgermeisterin ihrer Heimatstadt zu erfahren. Es waren Meike Freitag (Bronze- und Silbermedaille in der Schwimmstaffel), Tanja Dickenscheid, Britta Becker und Eva Hagenbäumer (sechster Platz Hockey) sowie Christopher Reitz (vierter Platz Hockey). Die beiden Rüsselsheimer Hockeyspieler Oliver Domke und Björn Emmerling waren verhindert.

Doch die Top-Sportler und die Oberbürgermeisterin waren nicht allein im sogenannten historischen Sitzungssaal: Vertreter aus der Kommunalpolitik, aus Vereinen, von Sponsoren und aus der städtischen Verwaltung waren versammelt, um ebenfalls so die Leistungen der Sportler zu würdigen. Otti Geschka maß denn auch dem Anteil der Vereine und speziell dem der Trainer an den Leistungen der jungen Menschen eine hohe Bedeutung zu. Die Oberbürgermeisterin hob dabei Berthold Rauth, den Trainer der Hockey-Damenmannschaft hervor. Seine "engagierte Gestik" (Geschka) hätten auch auf dem Bildschirm Millionen miterlebt.

Und Rüsselsheim, so die Oberbürgermeisterin weiter, sei eine Stadt, in der der Sport eine große Rolle spiele und gespielt habe. Seit 1952 seien insgesamt 25 mal Sportler aus der Opelstadt bei den Olympischen Spielen vertreten gewesen. Alle drei jetzt ausgezeichneten Hockeyspielerinnen, erinnerte Geschka, haben bereits zum zweiten Mal an Olympia teilgenommen. 1992 waren sie mit Silbermedaillen aus Barcelona zurückgekehrt, der Hockeyspieler Christopher Reitz sogar mit einer Goldmedaille.

Alle Olympia-Teilnehmer übten durch ihre sportlichen Höchstleistungen zudem eine Signalwirkung für alle gesellschaftlichen Bereiche aus - weit über den Sport hinaus. Die Gesellschaft, meinte die Oberbürgermeisterin weiter, brauche den Willen zum Erfolg, den Mut zum Risiko und die Bereitschaft, sich einem fairen Wettkampf zu stellen.