Berti Rauth geht, aber der Erfolg
bleibt. Das wäre eine Vision so ganz nach dem Geschmack des "Hockeyverrückten",
als der sich Rauth gern outet. Genau deshalb passe er wunderbar nach Hamburg,
"einer Stadt voller Hockeykinder". Der Schock, den die Ankündigung seines
Wechsels vom Rüsselsheimer RK zum Club an der Alster bei den Spielerinnen
ausgelöst hat, ist einer "Jetzt-erst-recht"-Stimmung gewichen. Am Wochenende
geht die Reise der von Rauth betreuten Damen des RRK ausgerechnet nach Hamburg,
dem künftigen Lebensmittelpunkt des Hessen: zur Endrunde der deutschen
Hallenhockey-Meisterschaft. Rauth fährt "mit mehr Freude als Bedenken" gen
Norden. Im Halbfinale am Samstag trifft der RRK auf Rot-Weiß Köln.
Möglicherweise ist es der letzte Titel, den die Damen des RRK unter der Regie
des "ewigen" Berti holen können. 33 sind in den 28 Jahren, die der Übungsleiter
nun schon für seinen Klub am Ball ist, bislang zusammengekommen.
"Wenn
unsere Herren den Titel holen, reißen die das Bootshaus ab, wenn wir es
sind, kommt einer vom Vorstand mit einem Blumenstrauß vorbei."
Berti Rauth |
Im Damenhockey ist
der Klub so etwas wie der FC Bayern im Fußball. "Wenn unsere Herren den Titel
holen, reißen die das Bootshaus ab, wenn wir es sind, kommt einer vom Vorstand
mit einem Blumenstrauß vorbei", skizziert Rauth die Szenerie im Falle eines
Falles. Das Bootshaus, so viel für Nicht-Rüsselsheimer, ist das Vereinsheim des
Rüsselsheimer Ruder-Klubs, in dem Siegesfeiern der Damen längst zur Gewohnheit
geworden sind. In diesem Jahr haben ausnahmsweise auch die Herren vom RRK (im
Halbfinale gegen den Crefelder HTC), deren beste Zeiten schon ein paar Jahre
zurückliegen, den Einzug in die Endrunde geschafft. "Mein Geheimfavorit", so
Rauth. "Ein Oliver Domke wird sich aus Hemd und Hose spielen, um es noch einmal
zu schaffen." Der ehemalige Nationalspieler hört nämlich in absehbarer Zeit mit
dem Hockeyspiel auf.
So mancher im Herrenteam
ist alt und hungrig. Beim augenblicklichen Kader des Damenteams lautet die
Formel eher jung und hungrig, denn für fünf im Kreis der elf Spielerinnen für
Hamburg ist die Endrunde Neuland. Deshalb betont Rauth das "Erlebnis" für seine
"angriffslustigen Mädchen". Die wollen ihrem Berti einen schönen Abschied
bescheren. Zuerst, als er sie vor drei Wochen über den anstehenden Wechsel
informierte, war da nur das "Schweigen im Walde". Aber sie haben verstanden. Es
sei eine rationale Entscheidung, keine emotionale. Schließlich übernehme er
keine Damenmannschaft, sondern wird sich in Hamburg dem Nachwuchs von Alster
widmen, den "Mickeymäusen", wie er sagt. Der Fünf-Jahres-Vertrag beginnt
frühestens am 1. April und spätestens am 1. Juli. Am 1. April beginnt die Saison
der Jugend, mit dem 1. Juli ist die Feldsaison beendet. Berti Rauth hat das Feld
bestellt, er wird es ordentlich hinterlassen. Potentiellen Nachfolgern macht er
seinen Trainerposten schmackhaft. Dazu gehört auch, den Ruf der Stadt zu
verteidigen. So, wie er es immer getan hat, um Spielerinnen den Standort
schmackhaft zu machen. Die Fassade der Arbeiterstadt mag "nicht so doll sein",
aber dafür sei das Miteinander ausgeprägt, die Stadt nicht so steril wie manch
andere gute Adresse im Hockey.
Warum dann überhaupt der
Wechsel nach 28 Jahren erfüllten und erfolgreichen Jahren in der Opel-Stadt? Der
Klub hänge "an Opel dran". Und Opel gehe es nicht sonderlich gut. Jeder in der
Stadt weiß das und ist unsicher, wie es in dem Werk des Autobauers weitergehen
wird. "So eine Chance wie beim Club an der Alster kommt nicht ein Leben lang",
wirbt Rauth um Verständnis. Trotz der geographischen Veränderung wird es keinen
emotionalen Absprung von seinem Klub geben. Es bleibt bei einer lebenslänglichen
Verbindung. Aber "aufhören, wenn es läuft", erleichtert ihm den Abgang. In
Hamburg will er "aufbauen, was einem keiner mehr nehmen kann". Genau das hat er
über Jahre in Rüsselsheim getan. Mit Fleiß und Liebe zur Sache. Im Detail und an
der Basis. Er hat gerade ein neues Schulhockeyprojekt angekurbelt, "da geht das
Herz auf". Er will, dass sie künftig auch ohne ihn "die Kurve kriegen". Sein
Wirken war ein ständiger Erneuerungsprozess. "Neu ist nicht gleich unsicher, neu
ist interessant", hat er zu seiner eigenen Situation und der künftigen
Ausgangslage für all seine Hockeyfreunde ausgegeben. In Hamburg will er noch mal
ein Ausrufungszeichen setzen. Mit Rüsselsheim für Rüsselsheim.