HANAU. Normalerweise müsste Berti Rauth längst eine Galerie zu Hause haben.
"Rüsselsheim ist mein Gemälde, und es ist noch nicht ganz fertig", hatte er 1990
gesagt, und ein paar Wochen später waren die letzten Pinselstriche im Grunde
erledigt: Die Rüsselsheimer Hockeydamen wurden erstmals deutscher Hallenmeister.
Aber Rauth nahm sich, um im Bild zu bleiben, gleich die nächste Leinwand und
begann wieder von vorne. So ist ein Gemälde nach dem anderen entstanden, die
Rüsselsheimerinnen wurden Feldmeister, sie gewannen den Feld-Europapokal der
Landesmeister ‒ die begehrteste Vereinstrophäe ‒ und sie wurden Dauergäste bei
den deutschen Hallenendrunden. 13 Mal waren sie in den vergangenen 15 Jahren
dabei, am Wochenende in der Hanauer August-Schärtner-Halle mal wieder überaus
erfolgreich. Der 2:1-Endspielerfolg über Eintracht Braunschweig war nicht nur
der siebte deutsche Hallentitel, sondern auch die Startberechtigung für den
Hallen-Europapokal im kommenden Jahr. Der, so scheint es, gehört dem
Rüsselsheimer RK längst. Zehnmal in Folge haben sie ihn mit nach Hause gebracht,
und selbst die Regeländerung, nach der nur noch der nationale Titelträger, nicht
aber der kontinentale Titelverteidiger mitmachen darf, hat die Rüsselsheimer
nicht gestoppt. Dann werden sie eben deutscher Meister.
Das Finale um die Deutsche Meisterschaft im Hallenhockey 2003 in Hanau
ist zu Ende. Der RRK hat gegen Eintracht Braunschweig einen glücklichen,
aber nicht unverdienten 2:1-Sieg errungen. RRK-Trainer Berti Rauth
(rechts) sagt Dank! |
Eine Galerie hat Berti Rauth trotzdem nicht, dafür seit einiger Zeit ein Haus.
Dafür bekam er Zeit, als ihm seine größte Niederlage serviert wurde. 1995
war er in Personalunion auch deutscher Bundestrainer der Damen geworden, aber
nach dem siebten Platz bei den Olympischen Spielen 2000 in Sydney löste ihn der
Deutsche Hockey-Bund ab. Dass dies nicht nur im ersten Moment sehr geschmerzt
hat, verhehlt Rauth nicht. Nur eine Niederlage hatten die deutschen Damen, zwei
Jahre zuvor noch WM-Dritter, im olympischen Turnier schließlich hinnehmen
müssen. Der Frust wurde auf dem Bau abgebaut, Stein für Stein, und heute sieht
Rauth auch die Vorteile. "Ich sitze auf meinem Sessel und kann in den Garten
schauen", sagt er, als wenn er das häufig täte. Meistens schaut er sich
schließlich Hockey-Videos an, denn "ich habe wieder Zeit, mich ausschließlich um
den RRK zu kümmern".
Am Samstag abend war wieder ein Videoabend angesagt, diesmal mit einem
besonderen Gast. Britta Becker ist eine der Spielerinnen aus der ersten
Rüsselsheimer Erfolgsmannschaft, spielt mittlerweile beim Großflottbeker THGC
und ist im Herzen doch immer Rüsselsheimerin geblieben. Im vergangenen Jahr war
sie für eine Hallensaison zu ihrem Stammverein zurückgekehrt und hatte die
Meisterschaft und den Europapokal gewonnen. Diesmal stand sie Rauth nur als
Ratgeberin zur Seite, kannte sie den Finalgegner Eintracht Braunschweig doch aus
den Gruppenspielen der Bundesliga. Aber ob Rauth solche Tips überhaupt nötig
hätte? "Für mich ist er der beste deutsche Trainer", sagt Britta Becker.
Zumindest der erfolgreichste, und dazu gehört vielleicht auch, daß er immer noch
Tips annimmt. "Ich lerne bei jedem Turnier dazu", behauptet Rauth, "ich schaue
mir jedes Spiel genau an und überlege, was ich davon für meine Mannschart
gebrauchen kann".
Das muss eine ganze Menge sein, denn seit jenem Februar 1990 hat Rauth
schließlich viele Spielerinnen in den Jugendmannschaften ausgebildet, bevor er
später mit ihnen auch bei den Damen Erfolge feiern konnte. Den
Generationswechsel in seiner Mannschaft hat er nun schon zum dritten Male
erfolgreich bewältigt. Jedesmal, wenn arrivierte Spielerinnen den Verein
verließen oder die Karriere beendeten, schien es so, als sei nun das Ende der
Rüsselsheimer Erfolge in Sicht. Einige der ehemaligen Stützen saßen in Hanau auf
der Tribüne, fieberten wie eh und je mit ihrem Verein. Am Abend feierten die
ehemaligen Nationalspielerinnen wie Britta Becker, Bianca Weiß (inzwischen
Heinz), Tanja Dickenscheid oder Marja Busch (inzwischen Köhn), Protagonisten der
ersten und zweiten Rüsselsheimer Generation, den Titel der dritten Generation.
Die hat trotz der Auszeichnung für Denise Klecker als beste Endrundenspielerin
keine herausragenden Einzelspielerinnen mehr, besticht dafür mit ihrer
Mannschaftsleistung. Das nächste Gemälde ist fertig, die nächste Leinwand wird
schon warten.