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Über Mitglieder des
RRK (2022)
Anne Schröder |
Danas Nationalteams
Anne Schröder ‒
die temperamentvolle Psychologin
Aus "https://magazin.hockey.de"
vom 29. June 2022
Anne Schröder ist
zwar keine Kapitänin, gehört aber fest zu der Sektion "Leader", der deutschen
Damen-Nationalmannschaft. Angefangen beim Crefelder HTC, spielte sie
anschließend von ihrem sechsten bis 19. Lebensjahr beim Rüsselsheimer RK 08. Im
Zuge ihres Psychologiestudiums wechselte sie nach Hamburg, zum "Der Club an der
Alster". Hier spielt sie bereits seit neun Jahren und konnte mit dem Club schon
zwei Feld- und zwei Hallen-Deutsche Meisterschaften gewinnen.
Auf dem Hockeyfeld
gilt Anne Schröder als eine der emotionalsten und temperamentvollsten
Spielerinnen des Teams. Der Titel als "aggressive leader" trifft voll auf sie
zu. Sowohl sehr direktes Feedback als auch purer Kampf zählen zu ihrem Spiel und
ebenfalls neben dem Platz kann die 27-Jährige diese Charakterzüge nicht komplett
ablegen: "Ich bin auch neben dem Platz ein sehr direkter und selbstbewusster
Mensch. Das heißt aber natürlich nicht, dass man mit mir am Frühstückstisch
sitzt und ich meine Mitspielerinnen anschreie", erzählt die gebürtige
Düsseldorferin. Wenn es auf Reisen mit der Mannschaft aber zum Beispiel zu
Spieleabenden käme, sehe das schon wieder anders aus: "Mein Ehrgeiz zeigt sich
schon bei Gesellschaftsspielen. Da wird sich gerne darüber lustig gemacht, dass
ich nicht mitspielen kann, weil ich so schlecht verlieren kann", so Anne
Schröder.
Im vergangenen
Februar hat Anne Schröder ihr Psychologiestudium im Master abgeschlossen. Neben
der emotionalen Hockeyspielerin auf dem Kunstrasen gibt es also auch noch eine
ruhige Person, die Psychotherapeutin werden möchte: "Ich habe im direkten
Anschluss an mein Studium eine Ausbildung zur Psychotherapeutin angefangen. Das
ist ähnlich wie in der Medizin, wo man sich nach dem Studium nochmal
weiterbilden und Praxis sammeln muss, bevor man richtig arbeiten kann."
Mit 27 Jahren ist
Anne Schröder eine der älteren Spielerinnen der deutschen Nationalmannschaft und
im besten Sportler-Alter. Dennoch überlegte sie nach den Olympischen Spielen
2021 in Tokio das Kapitel Nationalmannschaft abzuschließen: "Nach Olympia habe
ich tatsächlich darüber nachgedacht, ob das mit der Nationalmannschaft
weitergeht. Das Turnier in Tokio war einfach total desillusionierend. Die nicht
anwesenden Fans und das Ergebnis am Ende waren frustrierend, sodass ich zu einem
Punkt gekommen bin, an dem ich mich gefragt habe, ob sich dieser Aufwand noch
lohnt", so die Mittelfeldspielerin. Einen solchen Gedanken habe sie zuvor noch
nie gehabt.
Mit den
zurückkehrenden Fans und vor allem dem Neuanfang mit Nationaltrainer Valentin
Altenburg, entschied sich Anne Schröder doch weiterzumachen: "Mit der
Neuverpflichtung von Vali, den ich sehr gut aus meiner Jugendzeit kenne, war für
mich dann doch klar, dass ich weitermache. Außerdem hatte ich die Gewissheit,
dass die meisten meiner engsten Teamkameraden auch weitermachen. Ich will jetzt
nochmal richtig reinhauen bis zu den Olympischen Spielen in Paris", sagt Anne
Schröder.
Anne Schröder ist
ein sehr wichtiges Puzzleteil für die Danas. Ihr Kampf, ihr Wille und ihre
Emotionen braucht ein deutsches Team für ein erfolgreiches WM-Turnier in den
Niederlanden und Spanien.
Mal genial, mal
hadernd
Anne Schröder
lenkt das deutsche Spiel. In der Vorrunde der Hockey-WM spielt das deutsche Team
in Amsterdam. Um Medaillen geht es dann in der katalonischen Stadt Terrassa.
Dort zieht es Anne Schröder und ihre "Danas" hin.
Anne Schröder am Ball: "Genialität" und "Extraklasse" |
Von Frank Heike
(aus "FAZ" vom 01.07.2022)
In dieser Frage
steckte viel Lob – aber auch der Hinweis auf besondere Verantwortung. In
Berichten über sie fielen oft die Einschätzungen "Genialität" und "Extraklasse",
wie nehme sie selbst das eigentlich wahr, wurde Anne Schröder wenige Tage vor
der Hockey-Weltmeisterschaft in Spanien und den Niederlanden gefragt. Sie schien
sofort zu wissen, in welche Richtung das gemeint war: "Eigentlich lese ich in
Berichten über mich von meinem Temperament." Die Bereiche "Genialität" und
"Extraklasse" ließ sie weitgehend aus – was soll man zu solchen Schmeicheleien
als Teamsportlerin auch sagen? Das übernahm an ihrer statt Bundestrainer
Valentin Altenburg. Er machte aus der Eingangsfrage ein sehr umfassendes (und
diplomatisches) Lob: "An Anne liebe ich die Genialität, die Extraklasse und vor
allem das Temperament."
Da strahlte die
27-Jährige, die zwar nicht Kapitänin der Damen-Nationalmannschaft ist (das
teilen sich Nike Lorenz und Sonja Zimmermann), aber fest zum Kreis der
Anführerinnen in Altenburgs Team zählt – was auch daran liegt, dass die
Mittelfeldspielerin aus einer ruhigen Mannschaft durch Lautstärke und
Emotionalität auf dem Kunstrasen heraussticht. Mit dem Begriff "aggressive
leader" liegt man bei ihr gewiss nicht falsch.
Mischung aus
Vorfreude und Selbstvertrauen
Valentin Altenburg
wird in seinem ersten Turnier als Damen-Chefcoach eine starke Anne Schröder
benötigen, um den "Fluch der K.o.-Spiel-Niederlagen" zu brechen. Zuletzt hatten
die deutschen Damen immer geschwächelt, wenn es darauf ankam – das
Viertelfinal-Aus bei den Olympischen Spielen gegen Argentinien wirkte lange
nach. Auch Anne Schröder vom Club an der Alster überlegte aufzuhören. Doch sie
ist geblieben, gehört zu den ganz Erfahrenen in der deutschen Gruppe und soll
zunächst gegen Chile am Samstag, die Niederlande am Sonntag und dann Irland am
6. Juli in Amstelveen mithelfen, das Achtelfinale zu erreichen – besser noch das
Viertelfinale, in das die Staffelsiegerinnen einziehen.
Dafür müssten die
deutschen Damen vor 10.000 Fans im längst ausverkauften Stadion am Sonntag die
Niederländerinnen besiegen, was bei zwei Tests vor der WM in Hamburg misslang.
Da hatte Altenburg seine Führungsspielerin noch ein paar Mal aufbauen müssen,
eine Seite, die auch zu Schröder gehört – das Hadern, wenn es mal nicht so
läuft. Doch Altenburg hat Lockerheit und mehr Eigenverantwortung in das deutsche
Eliteteam gebracht, was intern offenbar sehr gut ankommt. Das stimmungslose
Turnier in Tokio, ohne Fans und mit enttäuschendem Ende, hatte Anne Schröder
zwischenzeitlich die Lust am Hockey genommen. Doch mit Altenburg für Xavier
Reckinger kam die Freude zurück: "Ich kenne ihn aus meiner Jugendzeit. Ich hatte
auch die Gewissheit, dass viele meiner engen Teamkameradinnen weitermachen.
Jetzt will ich bis zu den Olympischen Spielen in Paris noch mal richtig
reinhauen."
Ein konkretes Ziel
verweigern Schröder, Altenburg und die "Danas". Als Weltranglistensechste
gehören sie nicht zu den Medaillen-Anwärterinnen, aber Altenburg sagt: "Unser
klares Ziel ist, während der WM die Reise nach Spanien anzutreten." In Terrassa
finden alle Partien vom Halbfinale an statt. Den deutschen Spielerinnen ist eine
Mischung aus Vorfreude und Selbstvertrauen anzumerken. Auch Anne Schröder sagte,
dass die Niederlagen gegen Titelverteidiger Holland in der Vorbereitung nicht so
bedeutungsvoll seien, weil zu jenem Zeitpunkt die Nominierung noch lief, was in
manchen Köpfen herumspukte. "Ich sehe unsere Chancen jetzt bei 50:50", sagt sie,
"wir können sie bestimmt ärgern."
Selbstbewusst sein,
die eigenen Grenzen ausloten, sich mit Leistungssprüngen überraschen, so etwas
fordert Valentin Altenburg, nicht zuletzt von Schröder, die beim Crefelder THC
und vor allem in Rüsselsheim das Hockeyspielen lernte, dann beim Club an der
Alster unter Trainer Jens George zur Anführerin reifte. Nach Hamburg war sie vor
sieben Jahren gekommen, um Psychologie zu studieren. Im Februar hat Anne
Schröder ihren Master gemacht. Inzwischen wird sie zur Psychotherapeutin in der
Praxis ausgebildet. Darin sind gewiss Fähigkeiten enthalten, die einer
Mannschaft in einem Turnier helfen können – und ihr selbst auch, beispielsweise
darin, Erwartungen an sie als beflügelnd, nicht als lähmend zu empfinden. |