"Nachgefragt bei
..."
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Über Mitglieder des
RRK (2008)
Alfred Segner |
Alfred Segner |
"Fühle mich um ein einmaliges sportliches Erlebnis gebracht"
Für Hockeyspieler Alfred Segner hat Olympia-Boykott 1980 nichts bewirkt
Das Gespräch führte
Martin Krieger (aus "Main-Spitze" vom 29.03.2008)
Drei Rüsselsheimer Sportler haben am eigenen Laib erfahren, was es heißt,
durch einen Boykott die Olympischen Spiele zu verpassen. Während dem damals
33-jährigen Hockeyspieler Rainer Seifert die 1972 in München errungene
Goldmedaille niemand nehmen konnte und er auch in Montreal 1976 am Ball war,
hatte sich das Thema für seinen RRK-Teamkollegen Alfred Segner mit Moskau 1980
ein für allemal erledigt. Dem ebenfalls nominierten Judoka Adalbert Missalla
erging es genauso.
Seit einigen
Tagen wird intensiv über einen Boykott der Olympischen Spiele in Peking
debattiert. Wie sehr berührt dieses Thema jemanden wie Sie, der aus genau diesem
Grund 1980 nicht in Moskau teilnehmen durfte?
Dieses Thema berührt
mich schon sehr, weil ich mich ein wenig wieder in diese Zeit zurückgesetzt
fühle.
Wie haben Sie seinerzeit davon
erfahren, dass der Traum von Olympia geplatzt war?
Ziemlich zeitgleich
aus der Presse, dem damaligen Bundestrainer Klaus Kleiter und vom Olympischen
Komitee.
Können Sie sich noch erinnern, was
Sie damals im ersten Moment gefühlt haben?
Urkunde und
Eintrittskarte: Diese Erinnerungsstücke haben Alfred Segner ebenso wie die
später an die 16 deutschen Hockeyspieler ausgeschüttete
10.000-Mark-Entschädigungszahlung nicht über das entgangene Olympia-Erlebnis
hinwegtrösten können. |
Ich war total
enttäuscht und ziemlich verärgert darüber, dass die weltpolitischen Umstände auf
dem Rücken der Sportler ausgetragen wurden. Und mir war klar, dass man immer
damit rechnen muss, dass es aufgrund von Verletzungen oder Formschwäche die
einzige Teilnahmechance an Olympischen Spielen sein kann.
Die Entscheidung gegen einen Start
wurde damals bestimmt eifrig mit den Mannschaftskameraden diskutiert. Waren die
Befürworter oder die Gegner in der Mehrheit?
Der Teil der
Mannschaft, mit dem ich damals gesprochen habe, war gegen den Boykott. Insgesamt
lag die Ablehnung deutlich über 50 Prozent, und ich war natürlich auch gegen
einen Boykott.
Haben Sie mitbekommen, wer 1980
Hockey-Olympiasieger wurde oder hat Sie das Turnier gar nicht mehr interessiert?
Trotz unserer
Nichtteilnahme habe ich mir die Olympischen Spiele am Fernseher angesehen. Ein
ehemaliger RRK-Spieler hat mir später eine Eintrittskarte vom Hockey-Endspiel
geschenkt. Daher glaube ich auch heute noch zu wissen, dass Indien Olympiasieger
wurde (4:3 gegen Spanien).
Zur Person
Geburtstag/-ort: 30.
April 1958 in Rüsselsheim.
Familienstand:
verheiratet, zwei Töchter.
Wohnort: Bauschheim
Beruf: Diplom-Ingenieur
Erfolge: Fünf Mal Deutscher Meister und
Europapokal-Zweiter 1978 mit dem RRK. 22 Länderspiele zwischen 1978 und
1982; WM-Zweiter 1982 in Indien und Junioren-Europameister 1977 in England
Hobbies: Skifahren, Tennis, Saunieren,
Weizenbier auf der Terrasse trinken |
Die Aktiven aus der ehemaligen DDR,
die im Gegenzug 1984 nicht in Los Angeles antreten durften, wurden unter anderem
mit einer Schiffsreise nach Kuba entschädigt. Wie fiel die Anerkennung für
entgangene Olympia-Freuden hierzulande aus?
Es fand eine
Länderspielreise nach Australien mit etwa acht Begegnungen statt. Zusätzlich
wurden wir vom NOK oder IOC als "Silbermedaillengewinner" eingestuft und
erhielten dafür pro Spieler 10.000 Mark. Das Geld konnte meine Enttäuschung über
den entgangenen sportlichen Höhepunkt jedoch in keiner Weise aufwiegen.
Sie waren 1980 erst 22 Jahre alt,
hätten also durchaus noch andere Olympische Spiele erleben können. Woran ist das
gescheitert?
Vier Jahre später
glaubte der Bundestrainer, dass ich nicht zu den 16 besten Hockeyspielern
Deutschlands gehöre. Danach habe ich mich auf meinen Beruf und die Familie
konzentriert.
Fühlen Sie sich aufgrund Ihrer
persönlichen Geschichte rückblickend von der Politik um ein einmaliges
sportliches Erlebnis gebracht?
Selbstverständlich.
Zuerst ist man total niedergeschlagen, klammert sich aber dann daran, dass sich
ja vielleicht doch noch einmal eine Chance auftun könnte. Im Nachhinein ist dann
aber klar geworden, dass 1980 für mich die einzige Möglichkeit war.
Glauben Sie, der Boykott 1980 hat
etwas bewirkt und wie würden Sie das mit Blick auf Peking beurteilen?
Ich glaube nicht, dass
der Boykott 1980 etwas bewirkt hat. Außer, dass im Gegenzug Los Angeles 1984 vom
Warschauer Pakt boykottiert wurde. Nach dem Motto "wie du mir, so ich dir". Ich
glaube auch nicht, dass der Boykott einiger Länder die Haltung der chinesischen
Regierung beeinflusst.
Meiner Meinung nach lassen sich die
Situationen damals und heute nicht miteinander vergleichen. 1980 befanden sich
die Supermächte zusätzlich zum Einmarsch in Afghanistan im "kalten Krieg". In
Peking geht es hauptsächlich um die Verletzung von Menschenrechten. Auf diese
Missstände aufmerksam zu machen, dafür wäre vor Ort − etwa bei einer
Medaillenvergabe − die beste Gelegenheit.
Nach 1973 und
1976 wird der Rüsselsheimer RK 08 in der Eppelheimer
Rhein-Neckar-Halle (Heidelberg) auch im Jahr 1979 Deutscher
Hallenhockey-Meister nach einem 9:7-Sieg im Halbfinale über
"Schwarz-Weiß Köln" und anschließend einem 17:8-Sieg im Endspiel über
den Gladbacher HTC (hinten: Rainer Seifert, Martin Müller, Berthold
"Berti" Rauth, Norbert Boll, Manfred "Polo" Liebig, Karl-Jürgen
Manthei, Kapitän und Spielertrainer Fritz "Schimmi" Schmidt, Coach
Walter Leichtweiß; vorn: Wolfgang Molitor, Masseur Karl-Heinz Bog,
Torwart Thomas Dauner, Torwart Dr. Randolf Renker, Christoph Krehl −
nach einer gelben Karte im Halbfinale im Endspiel gesperrt, Alfred
Segner). Die "Silberne Hockeykugel" für den besten Spieler der
Endrunde erhält der RRK-Spielertrainer Fritz "Schimmi" Schmidt. |
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