Vom Hörsaal zum
Siegertreppchen
Mandy Haase und Fanny Rinne
über Hockey, Olympia und Playboy
Aus "ruprecht" vom 15.11.2004
Mit ihrem Finalsieg bei den
Olympischen Spielen in Athen gegen die favorisierten Niederlande sorgten die
deutschen Hockey-Damen für eine echte Sensation. Die Heidelberger
Sportstudentinnen Fanny Rinne und Mandy Haase, beide Leistungsträgerinnen im
Nationalteam, hatten großen Anteil am Triumph. Im Gespräch mit dem ruprecht
plauderten sie über ihren Sport, olympische Träume und nackte Tatsachen.
ruprecht: Wie lassen sich Studium
und Leistungssport vereinbaren?
Fanny: Es ist schon ein Problem,
beides zu koordinieren, aber bisher konnte ich immer eine Lösung finden. Für die
Weltmeisterschaften 2002 und Olympia in Athen in diesem Jahr musste ich
allerdings jeweils ein Urlaubssemester nehmen. Da wurde es mir einfach zu viel
und ich hatte wirklich keinen Kopf für die Uni. Die Vorbereitung auf die Spiele
war einfach zu zeitintensiv. Die meisten Dozenten zeigen in der Regel
Verständnis und akzeptieren mehr Fehlzeiten als üblich oder bemühen sich, wenn
nötig, um einen alternativen Prüfungstermin. Ein Kooperationsvertrag zwischen
der Uni Heidelberg und dem Olympiastützpunkt lässt einem zudem mehr Spielraum
und man kann sich bei Gesprächen auf diese Vereinbarung stützen.
Mandy: Ohne Urlaubssemester wäre es
gerade vor Olympia nicht zu schaffen. Lehrgänge mit der Nationalmannschaft in
der Vorbereitung und dazu noch Training und Spiele für meinen Verein in der
Bundesliga – das letzte halbe Jahr war schon eine extreme Belastung. Jetzt im
Wintersemester geht’s da etwas ruhiger zu. Man kann sich auf so hohem Niveau
auch nicht dauerhaft bewegen. Weder im Sport noch im Studium. Irgendwann stößt
man echt an seine Grenzen.
Wie seid ihr zum Hockeysport
gekommen?
Mandy: Meine Oma hat schon Hockey
gespielt! Meine beiden Eltern auch und da war ich schon von klein auf irgendwie
immer mit auf dem Platz. War eigentlich logisch, dass mich der Sport auch packen
würde. Zuerst in meiner Heimatstadt Leipzig und dann, als wir nach der Wende
rüber sind, für vier Jahre in Heidelberg. Wegen der sehr guten Nachwuchsarbeit
bin ich dann gemeinsam mit meiner jüngeren Schwester, die auch begeisterte
Hockeyspielerin ist, mit 14 zum Rüsselsheimer RK gewechselt. Das ging nur, weil
mich immer einer aus der Familie hingefahren hat. Wir sind eben eine
hockeyverrückte Familie.
Fanny: Mein älterer Bruder Moritz hat
mit Hockey angefangen und meine Mutter hat ihn immer zum Training gebracht. Ich
bin dann auch oft dabei gewesen und irgendwann wollte ich dann auch mal
mitspielen. Da war ich sechs Jahre alt. Und jetzt mit 24 spiele ich immer noch
beim selben Verein, dem TSV in Mannheim. Ich fühle mich dort sehr wohl und wir
hatten immer schon eine tolle Truppe. Sowohl menschlich als auch sportlich bin
ich dort sehr zufrieden und habe eigentlich nie einen Grund gesehen, den Verein
zu wechseln.
Wann habt ihr gewusst, dass ihr
die Chance habt, in der Weltspitze mitzuspielen?
Fanny: Ich habe das selber gar nicht
so mitbekommen. Dadurch, dass recht wenige spielen und man kein Talent verlieren
möchte, läuft im Hockey alles ziemlich systematisch ab. Es gibt viele
Sichtungslehrgänge in der Jugend und schon mit vierzehn bin ich dann zum ersten
Lehrgang vom deutschen Hockeybund gekommen. Als ich in der U-16 war, hat mal
eine Mitspielerin gesagt, wie gerne sie mal in der „richtigen“
Nationalmannschaft spielen würde, und dass sie davon träume, mal bei Olympia
dabei zu sein. Damals habe ich gedacht, die spinnt. Ich habe selber nie so weit
vorausgedacht und bin da eher so reingewachsen.
Mandy: Lange Zeit war es eigentlich
nur ein Hobby, und ich hätte nie gedacht, dass ich mal so weit nach oben komme.
Ich habe immer so gerne Hockey gespielt, und meine Eltern standen mir immer zur
Seite. Auf Sichtungslehrgängen ist man dann mit fünfzehn das erste Mal auf mich
aufmerksam geworden. Von da an habe ich eigentlich in allen Nationalmannschaften
der verschiedenen Altersklassen gespielt: von der U-16 bis zur
A-Nationalmannschaft. Dass ich mal eine Goldmedaille bei Olympia gewinnen würde
– schon unglaublich.
Gab es einen Moment, in dem sich
die Frage gestellt hat: Studium oder Leistungssport?
Mandy: Ich stehe ja noch ziemlich am
Anfang, aber ich würde sagen, ein Studium ist für mich eigentlich die einzige
Möglichkeit, parallel zum Leistungssport eine Berufsausbildung zu erlangen. Ich
habe lange überlegt, eine Physiotherapie-Ausbildung zu machen, aber diese, mit
dem Sport zu kombinieren, wäre wohl noch schwieriger gewesen. Momentan denke
ich, mit einigen Kompromissen lässt sich beides bewältigen. Natürlich ist es auf
Dauer schwierig, sich zu finanzieren. Obwohl mein Verein sehr erfolgreich ist,
und dieses Jahr Deutscher Meister und Europapokalsieger wurde, bekommen wir kein
Geld. Nicht mal das Fahrgeld wird ersetzt! Ohne meine Eltern hätte ich schon
Probleme, denn für regelmäßiges Jobben fehlt einfach die Zeit.
Fanny: Nein, ich habe immer so viel
Spaß am Sport gehabt, und auf der anderen Seite kann man ja vom Hockey nicht
leben. Zumindest in Deutschland ist es halt eine Randsportart und Profis gibt es
hier nicht. Die Medien haben jetzt nach der Goldmedaille kurzfristig intensiver
über uns berichtet, aber bis zu den nächsten Spielen in Peking wird wieder nur
Fußball und Formel 1 gezeigt werden. Dank der Siegprämien und meinem
Privatsponsor kann ich ein gutes Studentenleben führen, allerdings ohne große
Sprünge machen zu können. Aber langfristig steht eine qualifizierte Ausbildung
für mich im Vordergrund. Meinen Sport möchte ich aber unbedingt weiter ausüben,
solange sich beides vereinbaren lässt.
Bleibt denn noch Zeit für andere
Dinge?
Fanny: Nee, eigentlich eher weniger.
Die Inliner vergammeln schon zu Hause in der Ecke, am ehesten komm ich noch zum
Skifahren, so für zwei Wochen im Jahr. Für ein anderes Hobby fehlt einfach die
Zeit. Wenn, dann geh ich mal ins Kino oder was trinken.
Mandy: Klar, gerade jetzt nach Athen
freue ich mich, meine Freunde wiederzusehen, die ich doch etwas vernachlässigen
musste. Ich gehe gerne weg und wir unternehmen viel zusammen. Im Winter fahre
ich gerne Ski. Bei uns oben im Odenwald, wo ich mit der Familie wohne, bin ich
auch mal mit dem Fahrrad unterwegs. Man braucht einfach auch mal Ablenkung, um
sich neu motivieren zu können. Ohne diese Auszeiten platzt einem irgendwann der
Kopf.
Was ist euch von den Olympischen
Spiele in Athen am meisten in Erinnerung geblieben?
Die Sensation ist perfekt, der Jubel groß. Mandy Haase vom RRK
(6.v.l.) ist mit Fanny Rinne vom TSV Mannheim (4.v.r.) und Deutschlands Damen-Nationalmannschaft Hockey-Olympiasieger
in Athen 2004, und das mit weiterer RRK-Hilfe: Denise Klecker (1.v.l.), und Silke Müller (7.v.l.). |
Mandy: Es war diese einmalige
Atmosphäre und dazu die Euphorie nach unserem Olympiasieg – einfach
überwältigend. Was mich besonders beeindruckt hat, war, dass uns das ganze
deutsche Team bei der Rückkehr ins olympische Dorf zugejubelt hat. Sogar die
Sportler aus anderen Ländern haben uns ein riesiges Plakat gemalt. Jeder hat
irgendwie mitgefiebert, und es war ganz egal aus welchem Land er denn nun war –
die sportliche Leistung zählte. Besonders beim Mittagessen in der Mensa gab es
die Gelegenheit, mit vielen andern Sportlern ins Gespräch zu kommen. Mit Jan
Ulrich und Erik Zabel oder auch Sandra Völker kann man sich wirklich gut
unterhalten. Lars Riedel war dann auch bei unserem Finale dabei und hat uns
angefeuert.
Fanny: Es ist schon ein riesiger
Unterschied zu allen anderen Sportveranstaltungen. So viel Medieninteresse, und
wir hatten einfach ein unglaubliches Publikum. Es waren auch immer andere
deutsche Sportler da, die bei unseren Spielen mitgefiebert haben. Im olympischen
Dorf war es echt ein tolles Erlebnis, mit so vielen verschiedenen Sportlern aus
allen Teilen der Welt zusammen zu sein, und Leute zu treffen, die man sonst nur
aus dem Fernsehen kennt. Maurice Green läuft auch im wirklichen Leben so
aufgeblasen herum wie er immer vor seinem Hundertmeterlauf tut. Zeit, um Land
und Leute kennen zu lernen, gab es während der Spiele eigentlich nicht. Nur
einmal waren wir mit der Mannschaft in der Stadt unterwegs und sind auf die
Akropolis hoch.
Fanny, vor Olympia haben deine „Playboy“-Bilder
für Aufsehen gesorgt. Wie bist du dazu gekommen die Fotos zu machen, und wie hat
dein Umfeld darauf reagiert?
Fanny: Ich bin schon im April vom
„Playboy“ angesprochen worden und habe erst mal vier Wochen Bedenkzeit bekommen.
Natürlich habe ich mir alles genau durch den Kopf gehen lassen: Wie werden die
Leute darauf reagieren? Möchte ich so was mal ausprobieren? Was sagen Freunde
und Familie dazu? Eigentlich hatte ich da schon entschieden: „Das ist zu heiß,
lass es“. Aber als sich die Entscheidungsfrist dann noch mal verschoben hat, bin
ich wieder unsicher geworden. Ich fand es einfach total spannend. Meine Mutter
hat mir alle Vor- und Nachteile vor Augen geführt. Auch mein Freund war eher
gegen das Shooting, hat sich bei der Entscheidungsfindung aber nicht
eingemischt. Am Ende habe ich mich dann doch dafür entschieden. Dass mir diese
Bilder wenige zugetraut haben, hat sicherlich auch seinen Reiz gehabt. Ich kann
diesen spannenden Ausflug aber moralisch voll vertreten. Es war eine
interessante Erfahrung. In Zukunft würde ich Fotos allerdings eher im Bereich
Mode machen lassen.
Mandy, würdest du ein Angebot vom
„Playboy“ annehmen?
Mandy: Nein, ich würde es nicht
annehmen. Für mich würde dadurch der Sport in den Hintergrund rücken, und die
nackten Tatsachen plötzlich meine Person bestimmen. Aber jeder muss das für sich
selber entscheiden. Sicherlich ist das Medieninteresse durch die Bilder
gewachsen, was unseren Hockeysport in die Schlagzeilen gebracht hat. Gerade in
Kombination mit dem erfolgreichen Auftritt in Athen ist dadurch die
Aufmerksamkeit gestiegen. Und es waren ja auch schöne Bilder.
Sehen wir euch bei Olympia 2008 in
Peking wieder?
Fanny: Natürlich wäre es schön, meine
dann dritte Olympiateilnahme zu verwirklichen. Ich muss einfach sehen, wie sich
bis dahin meine Prioritäten entwickeln. Ich möchte in dem Zeitraum bis Peking
auf jeden Fall mein Studium abgeschlossen haben. Wenn ich dann weiß, wo ich
arbeite und wie ich 2008 meinen Sport ausüben kann, wird sich zeigen, ob es noch
mal möglich ist. Es gibt aber noch keinen festen Plan für die Zukunft, ich lasse
alles mal auf mich zukommen.
Mandy: Es ist mein großes Ziel, in
vier Jahren noch mal dabei zu sein. Olympia ist für mich einfach das Größte, was
man erreichen kann. Dieses Feeling belohnt einen für alle Quälereien. Vielleicht
kann ich ja zusammen mit meiner Schwester die Koffer packen, die wäre dann mit
22 etwa so alt wie ich jetzt. Dann wäre mal wieder die ganze hockeyverrückte
Familie unterwegs. (foe)