Rüsselsheimer Ruder-Klub 08 "Archiv und Chronik"

Dieser Bereich der "alten RRK-Homepage" im Vintage-Look enthält auch Inhalte wie Berichte von 2000 bis 6/2018,
wie "In memoriam", wie "Über RRK-Mitglieder", wie Links, wie Suchen, wie ... usw.

>>> Zur neuen RRK-Homepage <<<                    >>>Datenschutzerklärung<<<                   >>>Impressum<<<

Archiv

Chronik "Der Klub"

Chronik Hockey

Chronik Rudern

Chronik Tennis

Über RRK-Mitglieder

In memoriam

Links

Suchen

 

Über Mitglieder des RRK (1981)                                  

Gustav Schäfer

Gustav Schäfer, Olympiasieger 1936

 

 

 

 

 

 

Gustav "Gummi" Schäfer 75 Jahre alt

Deutschlands einziger Olympiasieger im Einer war ein "Spätberufener"

Von Wolfgang Eckert (aus "Rudersport" vom 09.10.1981)
 

Ja, dieser riesige Lorbeerkranz brachte mich auf der Ehrenrunde vor der Wassertribüne ganz schön in Schwierigkeiten, für das Skiff war er doch zu groß, ich konnte kaum rudern und wäre beinahe in den Bach gefallen." Sinnend blickt Gustav "Gummi" Schäfer auf das vor 45 Jahren aufgenommene Bild, 75 Jahre wurde er – einer der ganz Großen des deutschen Rudersports – am 22. September.

Blenden wir 45 Jahre zurück auf den 14. August 1936. Berlin-Grünau, Finalrennen der olympischen Ruderregatta, trotz strömenden Regens vollbesetzte Tribünen. Zwei Goldmedaillen ‒ im Vierer mit Steuermann und Zweier ohne Steuermann ‒ hatte Deutschland schon errungen.

Nun liegen die Einer am Start. Barrow (USA), Campbell (Kanada), Hasenöhrl (Österreich), Schäfer (Deutschland). Giorgio (Argentinien), Rufli (Schweiz), das sind die sechs Skuller, die nach olympischem Gold greifen. In den Vorentscheidungen schon hängengeblieben der Pole Verey, Europameister 1933 und 1935, und auch der Olympiasieger von 1932 und 1928, der Australier Pearce. Natürlich drückt man die Daumen für Gustav "Gummi" Schäfer aus Dresden. Er enttäuscht auch nicht die Hoffnungen, bei 200 m führt er bereits vor Hasenöhrl und baut seinen Vorsprung bis 1.000 m auf über zwei Längen aus.

Um die Plätze wird hart gerungen, aber unberührt zieht "Gummi" seine Bahn und wird mit zwei Längen Vorsprung Olympiasieger. Auf den Plätzen Hasenöhrl, Barrow, Campbell, Rufli und Giorgio. Nach dem Zieldurchgang läßt "Gummi" beide Skulls fahren ‒ ohne ins Wasser zu fallen ‒ und wirft die Arme jubelnd hoch.

Nach Siegerehrung und Ehrenrunde fällt er seinem Trainer Cordery voller Dankbarkeit um den Hals. "Ohne Cordery hätte es sicherlich keinen Olympiasieger Schäfer gegeben." Dieser Ausspruch ist bestimmt nicht übertrieben. Seit 1933 trainierte er unter dem Engländer G. D. Cordery und vertraute sich dessen bewundernswerter Unterrichtsweise grenzenlos an. Jedoch, die Leistung des Ruderers und die seines langjährigen Lehrmeisters gehören untrennbar zusammen.

Mit diesem Olympiasieg hatte Gustav Schäfer das größte Ziel eines jeden Ruderers erreicht. Auf dem Höhepunkt seiner Laufbahn trat er von der aktiven Ruderbühne ab.

Gustav Schäfer feiert die Vollendung seines 75. Lebensjahres

Wie verlief nun die sportliche Laufbahn von Gustav Schäfer bis zu diesem 14. August 1936? Am 22. September 1906 wurde er in Johanngeorgenstadt in Sachsen geboren, erlernte das Bäckerhandwerk und übte diesen Beruf in Dresden aus. Dort entdeckte er schon in sehr jungen Jahren seine Liebe zum Wasser. Er ging aber in das Wasser und wurde Schwimmer und Wasserballer. Dabei reichte es schon zu regionalen Erfolgen. Er war auch Mitglied der 4x200-m-Staffel des Dresdner Schwimmvereins, der einige Zeit den deutschen Rekord hielt. Über die Schwimmerei kam er auch zur Ruderei und, wie das so ist, kleine Zufälle haben oft große Auswirkungen.

Im Schwimmbad, in dem die Dresdner Schwimmer trainierten, hatten die Ruderer auch einen Ruderkasten stationiert. bei dessen Auf- und Abbau die Schwimmer den Ruderern kameradschaftlich halfen. Eines Tages standen Schwimmer und Ruderer nach dem Training gemeinsam unter der Dusche. Die Schwimmer meckerten, sie hätten gern einmal wieder eine Tanzveranstaltung gemacht, der knauserige Vorstand rückte allerdings kein Geld für einen Saal heraus. Einige Zeit später flatterte den Schwimmern eine Einladung des Dresdener Rudervereins ins Haus, in dem sich die Ruderer beehrten, die Herren Schwimmer zu einer Tanzveranstaltung ins Bootshaus einzuladen. Bei diesem Tanzabend sprach der Vorsitzende des Dresdner Rudervereins Gustav Schäfer an, ob er nicht Lust hätte, einmal zu rudern. Warum nicht dachte sich "Gummi", er probierte es, fand Spaß an der Sache und wurde am 15. März 1929 Mitglied im Dresdner Ruderverein.

Seinen Spitznamen "Gummi" brachte er übrigens von den Schwimmern schon mit zu den Ruderern. Sein Schwimmverein hatte einmal einen Mannschaftskampf auszutragen. Der für die 1.500-m-Strecke vorgesehene Schwimmer konnte nicht starten. Gustav Schäfer wurde von seinem Trainer überredet, auf dieser für ihn ungewohnten Strecke zu starten, vielleicht könnte er zwei Punkte für die Mannschaft ergattern. Zu aller Überraschung gewann er dieses Rennen. Er hängte sich einfach an den Favoriten an und überspurtete ihn im Endspurt. Sein perplexer Gegner äußerte nach dem Rennen: "Ich konnte nichts machen, der Schäfer klebte zäh wie Gummi an mir." Und schon hatte Gustav Schäfer seinen Spitznamen "Gummi" weg.

Mit knapp 23 Jahren also kam Deutschlands einziger Olympiasieger im Einer erst zur Ruderei. Natürlich brachte er eine große Begabung für das Rudern mit. Sein schneller Aufstieg als Ruderer war aber auch seiner sehr guten von jung auf betriebenen athletischen Grundausbildung zu verdanken. Gewisse Parallelen gibt es aber auch in der heutigen Ruderei. Die rumänische Olympiasiegerin von 1980 und diesjährige Weltmeisterin Sanda Toma, die Weltmeisterschaftszweite Beryl Mitchell (Großbritannien) und auch die diesjährige Deutsche Meisterin Diana Imping aus Essen kamen verhältnismäßig spät aus anderen Sportarten zum Rudern, gemeinsam ist ihnen die gute athletische Grundausbildung, die sie aus der vorher betriebenen Sportart mitbrachten. Man muß also nicht als Kind bereits mit dem Rudern beginnen, um erfolgreich zu sein.

Nun aber wieder zu "Gummi" Schäfer. Im Juni 1929 errang er bereits seinen ersten Sieg im Anfänger-Vierer in Dresden. Sein erster großer Erfolg war der Sieg im Jungmann-Achter in Breslau im gleichen Jahr. Im Einer versuchte er sich auch schon 1929 auf der Vereinsregatta in Dresden und gewann auch gleich die Vereinsmeisterschaft (im Klinkerskiff). 1930 ruderte er aber wieder im Riemenboot und hatte auch dort schöne Erfolge aufzuweisen. 1931 stieg er dann endgültig in den Einer und gewann unter der Trainingsleitung von Gerhard Vogt vier Einer-Rennen. 1932 kamen dann die Siege in "Ersten Einern". In diesem Jahr traf er auch zum erstenmal auf Cordery. Vor seinem Start in Hamburg hatte er dort eine Woche bei ihm trainiert. Im Frühjahr 1933 kam dann Cordery als Trainer zum Dresdner RV, und von da an war das Gespann Cordery-Schäfer unzertrennlich.

1934 wurde Gustav Schäfer erstmals "Meister von Deutschland" im Einer vor Dr. Herbert Buhtz. Erst in diesem Jahr absolvierte er seinen ersten Auslandstart, und zwar gleich bei der Europameisterschaft in Luzern. Als er diese gewonnen hatte, stand er schlagartig im Blickpunkt auch der internationalen Ruderwelt. Die Bäume sollten aber nicht in den Himmel wachsen. 1935 gewann er alle großen Einerrennen, nur bei der Deutschen Meisterschaft, da ging alles schief. Deprimiert wollte er mit der Ruderei Schluß machen. Es war Cordery, der ihn zum Weitermachen überredete.

Ruderexperten der Rudergemeinschaft Flörsheim-Rüsselsheim auf der Terrasse des Flörsheimer Bootshauses 1950 (Gerhard Ruppert, Gustav Schäfer, Friedrich Traiser, Max Ehlert)

Im Herbst 1935 wurde in Dresden die Skullerzelle zur Vorbereitung auf die Olympischen Spiele in Berlin 1936 gegründet. Im Frühjahr 1936 ging die Skullerzelle nach Berlin-Grünau.

Als Verwaltungsangestellter im Staatsdienst seit 1934 hatte Gustav Schäfer genügend Zelt zum Training. In der Skullerzelle wurde konsequent auf die Olympische Ruderregatta hingearbeitet, das Training verlief optimal. Nach den Ausscheidungen innerhalb der Skullerzelle stand fest, daß bei den Olympischen Spielen Gustav Schäfer den Einer und Kaidel / Pirsch den Doppelzweier fahren sollten. "Gummi" wäre aber genauso gern mit seinem Freund und Kumpel "Bubi" Kaidel (Schweinfurt) im Doppelzweier gefahren. Dieses Paar hatte ja auch in dieser Bootsgattung schon einige Erfolge errungen. Gerührt denkt heute Gustav Schäfer an seine enge Freundschaft mit "Bubi" Kaidel zurück, mit dem er während des harten Trainings manchen Streich ausführte. "Bubi" Kaidel organisierte öfters einige Bierchen über die vom strengen Trainer Cordery pro Tag genehmigte "Halbe" hinaus.

Wie bereits erwähnt, machte "Gummi'' Schäfer nach seinem Olympiasieg mit der aktiven Ruderei Schluß. Er bildete sich beruflich weiter, wurde 1939 bei Kriegsausbruch Soldat, war in Frankreich und in Rußland eingesetzt und kehrte 1947 aus russischer Gefangenschaft nach (Ost-)Berlin zurück. Georg von Opel ermöglichte ihm dann die Übersiedlung in den Westen. Gustav Schäfer wurde Mitbegründer der Deutschen Olympischen Gesellschaft, baute diese mit auf und zog für den Olympischen Gedanken werbend durch die Lande. Ganz konnte er die Ruderei doch nicht lassen und fuhr in den Jahren 1951 bis 1953 für Rüsselsheim und Frankfurt AH-Rennen.

1955 bis 1961 war er beruflich in Wilhelmshaven tätig und trainierte dort auch die Ruderer. 1961 führte ihn sein Berufsweg nach München, wo er auch bis 1964 den Münchener RSV Bayern trainierte. Hierbei führte er Utz Lichtenberg zum Eichkranzsieg im Einer.

Seit 1971 ist Gustav Schäfer nun "Rentner". Seine Vitalität und Verbundenheit zur Ruderei hat er aber nicht verloren. Bei den Meisterschaftsregatten, die in München in den letzten Jahren stattfanden und selbstverständlich auch bei der Ruder-WM in München war er begeisterter Zuschauer. 1979 verlieh ihm der Deutsche Ruderverband die goldene Ehrennadel für 50jährige Mitgliedschaft im DRV.

Gesundheitlich machte er in den letzten Jahren sehr schwere Zeiten durch. Er mußte sich mehreren Hüftoperationen unterziehen. Hierbei war ihm seine Frau die größte Stütze. Wenn er auch im Gehen behindert ist, so hat er nun doch keine größeren Beschwerden mehr und konnte seinen 75. Geburtstag fröhlich und unbeschwert im Kreise vieler Gratulanten feiern. An der Aufarbeitung der vielen Glückwünsche, die ihm aus der ganzen Sportwelt zugingen, hat er nun noch einige Zeit zu tun, zum Teil wird er dies auch in seiner Wochenendwohnung in Aschau, in die er sich gern zurückzieht, tun.

Wenn der Spruch stimmt: "Totgesagte leben sehr lange'', so hat er noch viele Jahre vor sich. Im Jahre 1961 schrieb nämlich die Ost-Berliner Zeitung "Der Morgen", daß Gustav Schäfer im Krieg gefallen sei. Diese Zeitungsente, aber vor allem seine ungebrochene Vitalität läßt uns noch auf viele Jahre fröhlichen Beisammenseins mit unserem "Gummi" hoffen.