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Über Mitglieder des
RRK (1927)
Carl von Opel |
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Gönner und Förderer des RVR
Carl von Opel am 16. Februar 1927
verstorben
Aus Vereinszeitung des Rudervereins
Rüsselsheim vom April 1927
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Am 16. Februar dieses Jahres traf unseren Ruderverein
Rüsselsheim (RVR) ein schwerer Verlust durch das Hinscheiden unseres
Ehrenmitgliedes Carl von Opel. Noch niemals hat das Ableben eines Mitgliedes ein
solches Maß von Trauer in unseren Reihen ausgelöst, wie bei dem Heimgang unseres
lieben Gönners und Förderers. Von Jugend auf dem Rudersport zugetan, hing er mit
großer Liebe an seinem RVR und verfolgte mit regstem Interesse den Werdegang
und Aufstieg desselben als ein Stück seiner Heimat. Wenn wir heute im deutschen
Rudersport einen Namen haben und unsere Flagge auf den Regatten Beachtung
findet, so verdanken wir dies nicht zuletzt unserem Carl von Opel, der uns
jederzeit ein treuer Freund, Berater und Helfer war.
Aber nicht nur für den Sport, für seine Heimat, sondern auch für viele Andere
schlug sein warmes Herz. Edel sei der Mensch, hilfreich und gut, war der
Wahlspruch seines Lebens Wo es galt, Not zu lindern, tat er es mit feinem
Herzenstakt, aus innerer Überzeugung. Wo es galt, Gegensätze auszugleichen,
griff er vermittelnd und versöhnend ein. Und das alles im Stillen, die Sache
nicht als Aushängeschild für äußeren Glanz benutzend.
Ritterliche Lebensfreude, der Grundzug seines Wesens, übertrug sich auf Alle,
mit denen er irgendwelche Beziehungen hatte und gewann ihm alle Herzen. Das kam
bei seiner Bestattung in Rüsselsheim zum Ausdruck. Eine stattliche
Trauergemeinde gab ihm das letzte Geleit. Auch der RVR war fast vollzählig zur
Stelle. Für denselben legte Herr Bersch einen schlichten Kranz an der Bahre
nieder.
Wir aber alle vom RVR wollen unser liebes Ehrenmitglied Carl von Opel nie
vergessen eingedenk der von ihm in unserem neuen Bootshaus oft gesprochenen
Worte:
Treue um Treue!
Aus "Main-Spitze" vom 17.02.1927:
Kommerzienrat Carl von
Opel
†
Am Mittwoch, den 16. Februar, verstarb plötzlich und unerwartet
nach kurzer Erkrankung in seinem Frankfurter Heim Kommerzienrat Carl von Opel,
der Senior-Chef der bekannten Fahrrad- und Automobil-Werke Adam Opel zu
Rüsselsheim a. M. Carl von Opel, der am 31. August 1869 geboren wurde, hat nur
ein Alter von 57 Jahren und einigen Monaten erreicht. Er war in Industrie- und
Sportkreisen des In- und Auslandes eine bekannte und geschätzte Persönlichkeit.
In seiner Jugend hatte er, wie seine vier Brüder, den Radrennsport in aktiver
Weise mit Erfolg ausgeübt. Seiner Liebe zum Sport ist er auch in seinen späteren
Lebensjahren treu geblieben. Sportliche Vereinigungen aller Richtungen fanden in
ihm stets einen verständnisvollen Freund und hilfsbereiten Förderer. Als
Senior-Inhaber einer der bedeutendsten Industrie-Werke Deutschlands, deren
Leitung er im jugendlichen Alter von 26 Jahren nach dem Tode seines Vaters
übernahm, war Carl von Opel auch Aufsichtsrats-Mitglied mehrerer anderer
größeren Industrie-Unternehmungen. Ob seines menschlich einfachen und
freundlichen Wesens und seiner Wohltätigkeit genoß Carl von Opel in allen
Bevölkerungskreisen große Beliebtheit und Verehrung.
Aus
"Main-Spitze" vom 19.02.1927:
Ernst
Stettenheimer entwirft im Stadt-Blatt der Frankfurter Zeitung
über den
heimgegangenen Kommerzienrat Carl von Opel das folgende treffende Charakterbild:
"Vielleicht kann man den Wert eines Menschen am besten danach bemessen, welche
Lücken sein Tod reißt. Viele Menschen sind heute tief in Trauer, weil Carl von
Opel in der Nacht zu Donnerstag die Augen für immer geschlossen hat. Sie alle
haben ihn geliebt.
Es ist sicher von großer Bedeutung was ein Mensch mit seinem Leben hat machen
können, was er geleistet hat, sei es für die Kunst, sei es für die Wirtschaft,
die Technik oder für was immer. Aber es hat Menschen gegeben, die Großes
geschaffen, aber doch keine wirklichen Freunde hinterlassen haben. Carl Opel hat
sicher Großes geschaffen und mit seinen Brüdern den Kleinbetrieb des Vaters zu
einem Weltunternehmen ausgebaut, das vielen Tausenden von Menschen Leben und
Brot gibt. Aber nicht davon will ich reden; das ist Sache der Befugten. Ich will
reden von Opel, wie wir Außenseiter ihn geliebt haben.
Opel war ein "Eingeplackter", geboren und aufgezogen in Rüsselsheim, wo heute
die Fabrikstadt steht; aber doch war er durch und durch Frankfurter. Die Radien
seines Lebens gingen von Frankfurt aus und das Zentrum seines Lebens war
Frankfurt, und wenn er kein Industriekapitän und kein Bahnbrecher in Deutschland
und für Deutschland in der Welt gewesen wäre - ebenso viele würden ihm heute
nachtrauern.
Wir gedenken heute des hundertjährigen Todestages Pestalozzis. Er hat für die
wirtschaftlichen Bewegungen und Entwicklungen gar nichts geleistet noch leisten
wollen. Für sich selbst hat er ebenso wenig getan und ist aus kleiner und großer
Misere nie herausgekommen, aber er hat die Menschen geliebt, und dafür lieben
ihn heute, hundert Jahre nach seinem Tod, Millionen von Menschen.
Carl Opel wäre trotz seiner Leistungen nicht er gewesen, wenn er nicht die
Menschen geliebt hätte. Er war die Güte, die Hilfsbereitschaft in Person. Es
entspräche seiner Denkart nicht, wenn ich auch nur andeuten wollte, wem und wie
vielen er in seiner stillen und taktvollen Weise geholfen hat. Aber diese Vielen
wissen, um wen sie heute trauern.
Aber nicht nur sie! Da sind die anderen, die ihm die Freude seines Umgangs zu
danken haben. Welch verschiedenartige Schar! Er war gleich liebenswürdig und
natürlich gegen seinen Diener, seinen Chauffeur wie gegen jemand aus seinem
geselligen Kreis oder einen Mächtigen des Wirtschaftslebens; und ich bin sicher,
daß in seinem Verkehr mit dem hessischen Großherzog, der ihn in den Adelsstand
versetzt hat, nicht wenig gutmütige Natürlichkeit lag. "´s Carlche!" Von Titel
und Adelsprädikat wurde im verkehr mit ihm wenig Gebrauch gemacht. Es gab Leute,
die ihn als "´s Carlche" jahrelang kannten und gar nicht wußten, was er sonst
war. Seit dem Tod seiner Frau (geb. Mousson), der ihn tief getroffen und
niedergedrückt hat, brauchte er Geselligkeit , um wieder aufzutauen. Aber dann
sprühte er Funken, und wer ihn manchmal allein und melancholisch gesehen hatte,
erkannte ihn nicht wieder, wenn er eine witzige Tischrede hielt. Ein Abendessen
in seinem Hause war nicht eine gesellschaftliche Veranstaltung, sondern
zwanglose Lustigkeit, bei der sich jeder wohl fühlte. Viele Künstler von der
Oper, der Malerei und Bildhauerei können das bestätigen. Wenn er ein Kunstwerk
bestellte, hatte er ebensoviel Freude daran, dem Künstler zu nützen, wie an dem
Gegenstand. Wenn ein Sänger bei ihm etwas vortrug, freute er sich ebenso über
den Anlaß, den Künstler honorieren zu können, wie über den Genuß der Musik. Er
konnte nur genießen, wenn andere genossen. Das war Carl von Opel.
Muß man das alles schreiben und drucken? Er hätte es vielleicht gar nicht gern
gelesen und es ihm zu sagen, hätte ich nie den Mut gehabt, aber heute, Stunden
nach seinem Tod, ist es mir Bedürfnis, zu sagen, was Frankfurt an Carl von Opel
verloren hat."
Kommerzienrat Carl
von Opel
†
Von
Friedrich E. Metzler (aus "Wassersport" vom 24.02.1927)
Am 16. Februar 1927
verschied in Frankfurt a. M. im 58. Lebensjahre der Kommerzienrat Carl von Opel,
der Seniorchef der Opelwerke in Rüsselsheim, der, trotzdem er im Rad- und
Automobilsport zu den führenden Persönlichkeiten gehörte, für den Rudersport ein
besonders warmfühlendes Herz hatte, wie seine Mitgliedschaft in einer ganzen
Reihe von Vereinen der Untermaingegend beweist. Er war ein Mann, der nicht nur
ein großer Industriekapitän und Förderer des Sports war, sondern der in seiner
Jugend ein ausübender Sportsmann und ein Bahnbrecher des Radsports gewesen ist.
Carl von Opel wurde am
31. August 1869 als ältester Sohn des Nähmaschinenfabrikanten Adam Opel geboren.
Er war der älteste von fünf Brüdern und einer Schwester. Sein Vater entstammte
einer hessischen Lehrerfamilie. Die ererbte Schlosserwerkstätte in Rüsselsheim
stellte Adam Opel zu einer Nähmaschinenfabrik um, als diese Maschinen ihren
Siegeszug von Amerika aus begannen. Das Geschäft blühte auf, die Erzeugnisse von
Adam Opel erfreuten sich eines guten Rufes. Die Firma steht heute noch in ihrer
alten Form über dem Riesenunternehmen der Opelwerke, die heute noch im Besitze
der Familie sich befinden.
Das kleine
Rüsselsheim entbehrte der höheren Schulen. Aus diesem Grunde erhielten die
ältesten Söhne der Familie ihre Schulbildung in Offenbach a. M., wo Verwandte
den Jungen gern Obdach und Pflege gewährten. In Offenbach hatte in jener Zeit
der Rudersport bereits eine bemerkenswerte Entwicklung genommen. Es war nur
natürlich, daß sich der tatenlustige Carl Opel, so oft es ihm möglich war, am
Bootshause der Offenbacher RG "Undine" einfand, sich dort für den Sport
begeisternd.
Die fünf Söhne Adam
Opels nach dessen Tod im Jahr 1996. Gemeinsam mit ihrer Mutter Sophie
erben Carl, Fritz, Wilhelm, Heinrich und Ludwig das Unternehmen. |
Noch während er seine
Ausbildung auf der Deutschen Bank in Frankfurt a. M. und im Auslande erhielt,
wurde die Fabrikation von Fahrrädern aufgenommen, wobei die vorhandenen
Maschinen für den Nähmaschinenbau zum Teil Verwendung fanden. Die Marke Opel
hatte bald einen guten Ruf. An der Spitze der Opelfahrer stand damals Jaide. Als
dieser sich der Konkurrenz in Sachsen zuwendete, sprang Karl Opel ein. Er
trainierte sorgsam auf dem Hochrad. Sein unablässiges Streben brachte bald
schönste Erfolge. Ein Bild eines deutschen blondgelockten Jünglings stellte Karl
Opel dar, wenn er an der Spitze des Feldes über die Rennbahn flog. Im
Frankfurter Palmengarten und auf vielen anderen Bahnen blühten ihm reiche
Erfolge. Seine Brüder Wilhelm und Fritz folgten bald seinem Beispiele, auch
diese beiden errangen auf dem Rad zahlreiche Erfolge.
Das Werk dehnte sich zu
immer größerem Umfange aus. Nach dem Tod des Vaters
führten die fünf Brüder, "die fünf Rüsselsheimer" wie sie oft genannt wurden, das Werk weiter. Mit weit vorausschauendem Blicke
erwarben die Brüder das Patent eines französischen Motors, zu einer Zeit, als
der Automobilbau noch in den Kinderschuhen stand. Während die Leitung der Werke
in den Händen Carl und Wilhelm Opels lag, wußte Fritz Opel den Opelschen
Kraftwagen ihre Stellung zu erringen. Er steuerte die Wagen in den großen
Wettbewerben des Kaiserrennens im Taunus, auf der Herkomerfahrt und bei anderen
Veranstaltungen. Die Werke wuchsen immer mehr, die jüngeren Brüder Heinrich und
Ludwig traten ein. Letzterer fiel im Weltkrieg als Dragoner-Rittmeister im
Osten.
Die Verdienste der
Brüder Opel um die deutsche Industrie wurden von dem Großherzog von Hessen in
entsprechender Weise gewürdigt. Ordensverleihungen, Titel gingen der Erhebung in
den erblichen Adelstand voraus. In den letzten Jahren hatte sich Carl von Opel
von der Tätigkeit in den Werken zurückgezogen. Nur ab und zu griff er ein.
Neben seinen erheblichen
Berufsgeschäften hatte Carl von Opel immer noch Muße für den Sport. Neben dem
mit dem Beruf verbundenen Rad- und Kraftfahr-Sport betätigte sich Carl von Opel
als Jäger. Eine
besondere Neigung hatte er für den Rudersport. Er wirkte im Vorstand des
Frankfurter Regatta-Vereins und im Vorstande der Frankfurter RG "Germania". Der
Offenbacher RG "Undine", der er seit früher Jugend nahestand, war er eng
verbunden. Seit Jahren gehörte er dieser Gesellschaft als Ehrenmitglied an. Den
Rudervein Rüsselsheim begründete er, um den Angehörigen seiner Betriebe die
Möglichkeit der Sportausübung zu sichern. Sehr nahe stand er auch dem Mainzer
RV. Aber es gibt kaum einen Verein in der unteren Maingegend, dem er bei
Bootsanschaffungen nicht mit oft beträchtlichen Beträgen an die Hand ging.
In seinem ausgedehnten
Freundeskreise, der nicht nur aus Sportsleuten verschiedener Richtung, sondern
auch Männern der Industrie, des Handels, der Kunst und der Wissenschaft bestand,
war er das belebende Element, zu dem ihn sein gütiges Wesen und sein sonniger
Humor in glücklichster Weise befähigten. Im stillen war er ein Wohltäter in
großem Stil. Wo er Sorge und Not lindern konnte, griff er warmherzig ein; auch
wenn er erfuhr, daß seine Güte mißbraucht worden war, konnte dies seinen
wohltätigen Sinn nicht mindern. Sein verfrühtes Hinscheiden hinterläßt eine
unausfüllbare Lücke im Kreise seiner Freunde.
Verhältnismäßig früh
hatte er einen Ehebund geschlossen mit Helene Mousson, der Tochter eines
Frankfurter Großindustriellen. An ihrer Seite erblühte ihm ein reiches Glück,
das vor wenigen Jahren durch den Tod der Gattin sein Ende fand. Zwei Söhne und
zwei Töchter sind dem Unvergeßlichen herangewachsen. Der älteste Sohn Hans von
Opel steht schon in den Opelwerken auf seinem Posten. Die älteste Tochter ist
mit einem Fabrikanten verehelicht.
Der Rudersport hat den
Hingang des treuen Sportgenossen bitter zu beklagen. Carl von Opel fehlte auf
keiner Regatta, oft trat er als Stifter wertvoller Ehrenpreise hervor. Konnte er
auf einer Frankfurter Regatta einmal nicht erscheinen, so traf doch bestimmt ein
Telegramm zeitig ein, in dem er besten Erfolg wünschte. Zur letzten deutschen
Meisterschaftsregatta war Carl von Opel aus Tirol herbeigeeilt, um Zeuge der
Kämpfe zu sein. Sein Andenken wird infolge seiner segensreichen Tätigkeit in
Ruderkreisen in hohen Ehren bleiben.
Aus "Wassersport" vom
24.02.1927:
Die Beisetzung des
Kommerzienrats Carl von Opel
Unter der Beteiligung von
Zehntausenden fand am Sonntag, dem 20. d. M., in seinem Geburtsorte Rüsselsheim
die Beisetzung des sterblichen Teiles des als Mensch und als Sportsmann gleich
bedeutenden Carl von Opels statt. Außer den 12.000 Werksangehörigen waren viele
Tausende aus der näheren und ferneren Umgegend herbeigeeilt, um von Opel die
letzte Ehre zu erweisen.
Im Lichthofe des Werks war ein
Katafalk errichtet, auf dem der Sarg aufgestellt war. Eine stilvolle
Trauerdekoration bildete den Rahmen der Feier. Es sprachen die Geistlichen
beider Konfessionen, der Bürgermeister, Vertreter der Regierung, der
Handelskammern, der Industrieverbände, der Angehörigen des Werks und der
Sportvereine.
Prokurist Nebelung (Vorsitzender des
RV Rüsselsheim) sprach im Auftrage der leitenden Beamten der Firma. Die
Rudervereine waren durch Abordnungen vertreten. Für den Frankfurter RgV sprach
Heinrich Lismann, für die Frankfurter RG "Germania" Paul Storck, für die
Offenbacher RG "Undine" Theodor Boehm. Vertreten waren ferner der Frankfurter RV
von 1865, der Offenbacher RV von 1874, der RV Hochheim, der RV Rüsselsheim und
andere Vereine. Sämtliche automobilistische Vereinigungen, ferner die Radfahrer
der benachbarten Städte waren vollzählig mit ihren Bannern erschienen. Seitens
der Regierung sprach Kreisdirektor Dr. Merck, Groß-Gerau. Der Sohn des
ehemaligen Großherzogs von Hessen, Prinz Georg, der längere Zeit in den
Opelwerkstätten sein Praktikum durchgemacht hatte, war in Vertretung seines
Vaters erschienen.
Die Feier, die um 3 Uhr nachmittags
begann, mußte abgekürzt werden, um die Beisetzung am gleichen Tage noch zu
ermöglichen. Kaum jemals ist in der Maingegend eine Beisetzung erfolgt, die so
allgemeine Teilnahme erweckte, wie die Beerdigung Carl von Opels, den seltene
Eigenschaften zierten.
Aus
"Main-Spitze" vom 24.02.1927:
Gedächtnisrede von
Pfarrer Dr. Müller
am Sarge von
Kommerzienrat Carl von Opel
Kommerzienrat Carl von Opel wird in seinem Heimatort Rüsselsheim
und bei allen, die ihn kannten, nicht vergessen werden. Seine Leutseligkeit,
sein gemütvolles Mitfühlen mit Jedermann, sein gewinnendes Wesen, seine biedere,
alle Gegensätze überbrückende Gesinnung, sein aufrechter deutscher Charakter
werden sein Andenken über das Grab hinaus bewahren.
Herr Pfarrer Dr. Müller kennzeichnete diese Wesenseigenschaften
des Verstorbenen in seiner Gedächtnisrede, die für alle, die dem Verstorbenen
nicht das letzte Geleit geben konnten, hier abgedruckt sei:
Jesaja Kap.26, V.12: Aber uns, Herr, wirst Du Frieden schaffen;
denn alles, was wir ausrichten, das hast Du uns gegeben.
Es ist Feiertagsstille im ganzen Werk. Die Maschinen rasten und
die Hämmer ruhen, als wollten sie mit uns lauschen auf den ernsten Klang der
Glocken, die unserem Kommerzienrat Carl von Opel zur Ruhe läuten, auf die
Heimatglocken, die ihre Stimme erheben, wenn Gott einem Menschenkind Feierabend
gebietet und es zum ewigen Frieden ruft.
In den Abendstunden des letzten Mittwoch ist der Verblichene
heimgegangen. Still und schmerzlos ist er nach ganz kurzer Krankheit
eingeschlafen. Der 57jährige mußte im gleichen Lebensalter wie der verewigte
Vater aus dem Kreise seiner Familie und Freunde scheiden, scheiden von dieser
Stätte rastloser Arbeit, mit der sein Leben so fest verwachsen war. In
herzlicher Anteilnahme fühlen wir uns verbunden mit seinen Kindern, die trauernd
am Sarge des lieben Vaters stehen, mit den Leitern des Werkes, die den
brüderlichen Mitarbeiter verloren haben. Es bewegt uns das Herz, daß der Vater
die bevorstehende Konfirmation seines jüngsten Sohnes nicht mehr erleben sollte.
Und in Wehmut blicken wir dem teuren Manne und lieben Menschen nach, dessen Tod
die Herzen nah und fern, im Werk und in unseren Rüsselsheimer Häusern in
aufrichtige Trauer versetzt hat.
Der Trauerzug
mit dem Sarg von Carl von Opel verläßt das Opel-Werk auf dem Weg zur
Familiengruft in Rüsselsheim |
Es ist gewiß seinem Sinne gemäß, wenn wir den entseelten Leib
noch einmal rasten lassen hier im Werk, dessen Zukunft seine irdische Hoffnung,
dessen Werden seine liebe Jugenderinnerung war. Unweit, wenige Schritte von hier
stand sein Vaterhaus, stand das eigene Heim, in dem er die ersten Jahre seiner
Ehe in ungetrübtem Glück verleben durfte. Und nun hat der Tod dem allen ein Ziel
gesetzt. Es ist wohl niemand in dieser großen Trauerversammlung, der da die
Tragik allen Menschenlebens nicht empfände, der sich nicht beugte unter die
ernste Sprache der Ewigkeit: Siehe, meine Tage sind eine Hand breit bei Dir. Wer
wollte sich der Erkenntnis verschließen, wie alles Leben, auch das mit größtem
Ausmaß, klein ist vor dem ewigen Gott. Wir können diese Tragik nicht
oberflächlich abschütteln, vor allem dann nicht, wenn unser Herz wirklich
schmerzbewegt des Trostes bedarf. Wir können das Rätsel des Lebens nicht
grübelnd erhellen. Aber eines können wir. Wir können auf dei Glocken der
"Heimat" lauschen, die uns die ewigen Gedanken Gottes künden, und die den
Heimatfrieden über das abgeschlossene Leben läuten wollen.
Lebendig steht das Bild des Heimgegangenen vor unseren
Augen. Es sind ja erst wenige Tage, da er noch unter uns war, scheinbar frisch
und wohl und mit der heiteren Fröhlichkeit des Gemütes, die ihm eigen war, und
die ihn - eine glückliche Veranlagung - auch in ernsten Tagen nicht verließ.
Lebendig klingt so das Lied seines Lebens, aus dem ehrendes Gedenken einen
Doppelakkord herausnehmen kann, der von allen gehört wurde: die Freudigkeit, in
der er dem Erbe der Eltern verbunden der Heimat dienen wollte, und die
Herzlichkeit seines Wesens, in der er seinen Mitmenschen begegnete.
Alles, was wir ausrichten, hast Du uns gegeben, sagt der Prophet.
Diese dankbare Demut zeichnet das Wesen aller wirklich großen Menschen aus. Nur
die kleinen Geister übersehen diesen Hintergrund alles Menschenlebens. Dem
Heimgegangenen hatte eine gütige Vorsehung reiche Gaben in die Wiege gelegt. Am
31. August 1869 geboren, fällt in sein erstes Lebensjahr der Auftakt deutscher
Geschichte, den uns die Reichsgründung brachte und damit eine Entwicklung
unseres deutschen Lebens gerade auch auf wirtschaftlichem Gebiet, wie ihn unser
Volk bislang nicht erlebt hatte. In jenen Jahren werden die Grundfundamente der
Opelwerke gelegt, und der Jüngling wächst in die Ziele und Aufgaben hinein, die
sich der weitblickende Vater gesteckt hatte. Er gewann Anteil an einem Schaffen,
für das der Grundsatz galt, wie er im Schillerwort auf unserer Heimatglocke
steht: "Wenn ich nicht wirke mehr, bin ich vernichtet." Mit 26 Jahren hatte der
Verblichene als der älteste Sohn nach des Vaters Tod die Verantwortung selbst
übernehmen und den Weiterbau des Werkes leiten müssen. Gewiß war es wieder eine
gnädige Fügung, daß die ausgezeichnete Mutter, eine treffliche Frau, den Söhnen
noch lange erhalten blieb. Aber wenn heute das Erbe der Eltern die Stürme der
letzten Jahre überdauert hat, ja wenn es erst recht und weltweit gewachsen ist,
so hat Kommerzienrat Carl von Opel in seiner weitblickenden Klugheit und seiner
wirklichen kaufmännischen Befähigung, die ihm gegeben war, viel zu diesem
Erfolge beigetragen, was ihm viele Menschen danken. Denn seine Lebensarbeit war
von dem Gedanken getragen, der lieben Heimat zu dienen, und von dem Wohlwollen
beseelt, mit dem er die Beamten des Werkes und jeden Arbeiter der Belegschaft
umfaßte.
Aber damit klingt auch die andere Seite seines Wesens an, die
Herzlichkeit, mit der er seinen Mitmenschen begegnete. Es darf an diesem Sarge
gesagt werden: Der Heimgegangene hat wohl kaum einen Feind gehabt. Dem Kampf war
er abhold, aber in der Stille Gegensätze auszugleichen,
Meinungsverschiedenheiten zu überbrücken, das war ihm lieb. Über seinen
eigentlichen Wirkungskreis hinaus hat er vielen Bestrebungen seine tätige
Aufmerksamkeit zuteil werden lassen, wenn er überzeugt war, eine rechte Sache zu
fördern. Wenn es galt, kulturelle Aufgaben, die Ertüchtigung der Jugend zu
fördern, versagte er seine Hilfe nicht. Unsere Schulen, unsere Kirchengemeinde,
zahlreiche Vereine und Anstalten haben in ihm einen stets hilfsbereiten Freund
verloren. Der Mühseligen und Beladenen hat er sich angenommen, und wenn er eine
Sorge lindern, eine Träne trocknen oder eine Hilfe leisten konnte, tat er es
gern und meist in der Stille. So wird seine Güte unvergessen bleiben.
Sein Auge ist nun geschlossen. Sein Bild ist damit freilich nicht
erschöpfend gezeichnet. Daß unser Leben nicht reine Vollkommenheit ist, hat der
offene und ehrliche Mann selbst gewußt. Aber nicht unser ehrendes Gedächtnis,
nein, Gottes Gnade ist das Entscheidende. Es war sein Wunsch, einmal an der
Seite der Eltern in der Heimaterde zu ruhen. Darum läutet, ihr Glocken, die er
selbst der Heimat geschenkt, kündet, ihr Glocken, der Heimat, daß Gottes Geben
und Schenken mit unserem Sterben nicht endet, und daß Gottes Barmherzigkeit über
uns waltet von Ewigkeit zu Ewigkeit. Läutet der Seele zum Frieden der ewigen
Heimat.
Wir aber hören
in Wehmut an diesem Sarge stehend den ernsten Klang: "Wie gar nichts sind wir
Menschen." Wir fühlen im Angesicht des Todes unsere Verantwortung: "Ich muß
wirken, solange es Tag ist, es kommt die Nacht, da niemand wirken kann." Wir
fühlen, wie gerade unsere Zeit und ihre Aufgaben nach der Christusliebe ruft,
von der der Apostel des Herrn gesagt hat: "Und wenn ich Berge versetzte und
hätte der Liebe nicht, so wäre ich nichts." So gehen wir aus dieser Stunde
zurück in die Pflichten des Alltags. In der Unrast, dem Streben und Sterben des
Lebens sollen wir nicht zu Schanden werden, da wir glauben dürfen: Uns, Herr,
wirst Du Frieden schaffen. Amen.
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