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Über Mitglieder des
RRK (2016)
Anne Schröder |
Anne Schröder |
Der Hockey-Vulkan ist "Wildes Element" im Team
Anne Schröder
ist eine Spielerin, die häufig überrascht
Von ALEX WESTHOFF
(aus "Frankfurter Allgemeine Zeitung" vom 13. August 2016)
Der Vulkan brodelt,
aber er ist bislang noch nicht ausgebrochen. Anne Schröder ist in der
Hockeyszene für ihre herausragenden technischen Fähigkeiten bekannt ‒ und für
ihr nahezu vulkanisches Temperament. "Ich bin schnell auf 180 und schnell wieder
unten", sagt die 21-Jährige schmunzelnd. "Ich habe viel Energie, die es in die
richtige Richtung zu lenken gilt. Aber ohne diese Energie wäre ich nicht die,
die ich bin." Anne Schröder, während ihrer Lehrjahre für den Rüsselsheimer RK
aktiv, ist sicherlich eine der aufregendsten Nationalspielerinnen im deutschen
Olympiaaufgebot. Mit ihren gelegentlichen Ausrastern auf dem Platz ist sie das
wilde Element im Team. Und aufgrund ihrer Gabe, dank unberechenbarer wie
überraschender Aktionen ein Spiel zu entscheiden, gleichzeitig eine wichtige
Kraft. Anne Schröder ist nicht selten die Spielerin, die besondere Momente im
Spiel erzeugt.
Die deutschen Damen
haben ihr olympisches Ziel, den Einzug ins Viertelfinale, schon frühzeitig
erreicht. Auch dank Anne Schröders Siegtreffer zum 2:1-Erfolg gegen Neuseeland.
In der Nacht zum Freitag stand für die deutsche Auswahl das Kräftemessen mit
Spanien auf dem Gruppenspielplan, das 1:2 verloren wurde. "Wir haben uns nicht
nur spielerisch von Spiel zu Spiel gesteigert, sondern auch mental", sagt sie
trotz der Niederlage. Anne Schröders Angst, dass die junge deutsche Equipe mit
vielen Olympia-Novizen "mit der Reizüberflutung und den Erlebnissen während der
Spiele" nicht klarkommen könnte, war bislang unbegründet. "Ich möchte in den
nächsten Spielen dem Team noch mehr helfen", sagt die offensive
Mittelfeldspielerin, die sich in Rio bislang als verdienstvolle Teamplayerin
präsentiert hat. Bundestrainer Jamilon Mülders fordert von der Hochbegabten,
dass sich "Individualismus und die Arbeit für die Mannschaft bei ihr die Waage
halten". Dies gelingt ihr bislang, auch weil sie ihre Emotionen weitgehend im
Griff hat. Wo früher ein falscher Pfiff des Schiedsrichters und schlechte
Aktionen von ihr selbst oder Mitspielern eine wahre Schimpftirade nach sich
ziehen konnten, kommt sie mittlerweile besser mit den kleinen Hockey-Dämonen in
ihr klar. Zumal die Schiedsrichter international Pöbeleien auf dem Platz
strenger ahnden als daheim in der Bundesliga, in der die Unparteiischen mit Anne
Schröders kurzen, eruptiven Ausbrüchen umzugehen wissen. Die
Psychologiestudentin hat Techniken entwickelt, um diese zu reduzieren, und auch
die Mitspielerinnen im Verein Club an der Alster und im Nationalteam wirken im
Spiel mitunter beruhigend auf sie ein. Bundestrainer Mülders warnt davor, "Anne
dafür zu brandmarken, weil sie anders ist. Sie hat sich wichtig gemacht für
uns."
Ein zentrale
Spielerin war sie auch in ihren zwölf Jahren im Trikot des Rüsselsheimer RK. Als
Kind zog die gebürtige Düsseldorferin mit ihrer Familie nach Wiesbaden ‒ ihr
Vater Stefan ist Chefredakteur des "Wiesbadener Kuriers" ‒, in Mainz ging sie
zur Schule, in Rüsselsheim zum Hockey. Als RRK-Spielerin durchlief sie alle
Junioren-Nationalmannschaften von der U16 bis zur U21. Sie ist quasi der letzte
Spross der einst so vorbildlichen Jugendarbeit am Sommerdamm, der es bis in den
A-Kader geschafft hat. Für die erfolgreiche Nachwuchsarbeit beim RRK stand
Trainer Berti Rauth, welcher der kleinen Anne Schröder dort einst den
leistungssportlichen Weg wies. Und der nun, weil beide für den Klub an der
Alster tätig, vor Olympia so manche Trainings-Extraschicht mit der nunmehr
A-Nationalspielerin Anne Schröder absolviert hat. "Ich bin von Rüsselsheim nach
Hamburg gewechselt wegen des Studiums, aber auch wegen des Fernziels Rio",
erzählt sie. In der Hauptstadt des Hockeysports hierzulande hat sie athletisch
zugelegt und durch die Teilnahme an großen Turnieren mit der DHB-Auswahl
wichtige Erfahrungswerte gesammelt. Am Montag nun steht das bisher größte Match
ihrer Karriere auf dem olympischen' Programm: Viertelfinale. "Da kommt ein
dicker Brocken auf uns zu. Aber unsere Reise kann noch weitergehen", sagte Anne
Schröder.
Olympische Spiele 2016
Papa in Rio:
"Der Elefant ist groß, die Maus ist klein"
Von Stefan Schröder
(aus "Wiesbadener Kurier" vom 09.08.2016)
RIO DE JANEIRO -
"Sie haben fünf Minuten Zeit." Die junge Frau in der Uniform der Volunteers, der
freiwilligen Olympiahelfer, von denen ganze Hundertschaften durch Rio
patrouillieren, unterstreicht ihre Anweisung mit fünf Fingern der erhobenen
linken Hand. Wir stehen im Schatten der Stahlrohrkonstruktion des Campo 2, einer
von zwei Arenen für die Hockeyspiele in Rio und sehen aus wie das Ärzteteam aus
einer amerikanischen Fernsehserie.
Der Hockeybund hat
uns weiße Polohemden geschenkt, auf denen Logos und dezent die deutschen Farben
aufgebracht sind. Aber uns treibt kein Noteinsatz hierher, wir wollen lediglich
wie die anderen rund 40 Eltern, Geschwister und Freunde die Spielerinnen des
deutschen Nationalteams treffen. Sie haben gerade vor spärlicher Kulisse gegen
China ein Unentschieden erkämpft; ein Team aus Brasilien spielt nicht mit. Die
Experten um mich herum sagen, das Ergebnis sei gerecht.
Jetzt schlendern
die jungen Frauen verschwitzt und abgekämpft aus den Katakomben des
provisorischen Stadions heran. Sie wirken entspannt, endlich hat das Turnier
begonnen. Von zirka 600 Stunden in Rio stehen sie nur einen Bruchteil auf dem
olympischen Kunstrasen. Es ist das erste Mal, dass wir hier Anne in die Arme
schließen. Sie lebt im Olympischen Dorf, wir rund 25 Kilometer entfernt, im
Stadtteil Copacabana. Die Eröffnungsfeier im legendären Stadion Maracana haben
wir verpasst. Wir saßen im Nachtflug Frankfurt-Sao Paulo, während Milliarden
unsere Tochter im Fernsehen sehen konnten. Später bekommen wir eindrucksvolle
Bilder, die Freunde und Verwandte in Deutschland vom TV-Bildschirm
abfotografiert haben.
Stefan Schröder und Tochter Anne |
Ein paar Brocken
Portugiesisch
Fabrizio weiß
nicht, dass es außer Eishockey noch eine andere Sportart mit Hockey gibt. Er
arbeitet bei Bosch Brasilien, kehrt nach einem frustrierenden Besuch in der
Stuttgarter Zentrale in seine Heimatstadt Sao Paulo zurück, wir sind für zwölf
Stunden Sitznachbarn in einer Boeing 777. Das schweißt zusammen. Mit meinen aus
einer App angelernten Brocken Portugiesisch punkte ich. "Ich möchte einen
Nachtisch", kann ich schon sagen. Und: "Der Elefant ist groß, die Maus ist
klein." Er strahlt, das Strahlen seiner Augen geht in ein Feuerwerk über, als
ich ihm erzähle, warum wir nach Rio reisen.
Da vergisst er,
dass es Bosch so schlecht geht, dass Rio eigentlich das für Sao Paulo ist, was
für die Mainzer Wiesbaden bedeutet (wir zahlen, die feiern) macht eine Bewegung,
als wolle er aufstehen, sagt ergriffen "Anne Schroder" und schüttelt mir 10.000
Meter über dem Atlantik die Hand: "Congratulations." Ich bin gerade schon wieder
Vater geworden.
Papa in Rio:
Kann mich mal jemand zwicken?
Von Stefan Schröder
(aus "Wiebadener Kurier" vom 07.08.2016)
RIO - Als Vater bin
ich ehrlich gesagt nicht immer so nah dran. Aber meine Frau Katja sagt, dass
Anne im Alter von acht Jahren folgende drei Wünsche in einen Wunschbaum malte:
1. Glück und Gesundheit für die Familie, 2. Einen Hund, 3. Mit der
Hockey-Nationalmannschaft einmal Olympiasieger und einmal Weltmeister werden.
Bisher sind die beiden ersten Wünsche in Erfüllung gegangen, Nummer 3: Schauen
wir mal.
In Rio, bei den
Spielen der 31. Olympiade, ist Anne dabei, die Nummer 8 im Hockeyteam der
deutschen Damen. Und wir, die Familie, natürlich auch. Kann mich mal jemand
zwicken. Oder ist das gar kein Traum?
Stolz sein, heißt
es immer so schön, könne man nur auf etwas sein, an dem man beteiligt ist. Meine
Frau schwört, dass es so gewesen ist. Also, unsere jüngere Tochter Anne wurde
vor etwas weniger als 22 Jahren geboren und hatte kurz darauf einen
Hockeyschläger in der Hand. Sie ahmte die große Schwester Christina nach und
lief einfach so mit. Menschenmengen mochte sie nicht, mied das Rudel auf dem
Feld, stand daher plötzlich mal frei und schoss Tore oder leitete sie ein.
Ehrenurkunde ist
größter sportlicher Erfolg
Haben Sie bitte
Verständnis dafür, dass ich Ihnen nicht viel mehr über die sportlichen
Hintergründe dieser Karriere verraten kann. Seit rund 20 Jahren drücke ich mir
den Hintern auf harten Holzbänken oder kalten Betonstufen platt, um meinen
Kindern bei diesem Sport zuzusehen – die Regeln habe ich bis heute nicht richtig
verstanden. Aber, pssst, das verraten Sie bitte nicht, ich habe das bisher
geschickt überspielt.
Es ist mir ein
Rätsel, wie die Kinder väterlicherseits zu diesem Talent gekommen sind. Meine
größten sportlichen Erfolge waren eine Ehrenurkunde bei den Bundesjugendspielen.
Ich war damals irrtümlicherweise einem jüngeren Jahrgang zugeordnet worden. Und
in der Volleyball-Kreisklasse Niederrhein errangen wir einen Sieg gegen unseren
Angstgegner Rumeln-Kaldenhausen. Das muss so 1974 gewesen sein. Meine Frau
bewies hingegen sehr früh großes Talent im Golfsport. Ist ja auch nur ein Spiel
mit Stock und Ball; aber sagen Sie das keinem Golfer.
Ein Rückblick
voller Dankbarkeit
Und jetzt sitzt der
Papa in Rio statt in Rüsselsheim, wo alles begann. Längst laufen die Töchter
nicht mehr für den Rüsselsheimer Ruder-Klub zum Kampf auf den Kunstrasen. Sie
hat es nach Köln und Hamburg verschlagen. Aber an die Tage am Sommerdamm denke
ich voller Dankbarkeit zurück. Eine harte Schule: Die Zuschauer hatten längst
Unterschlupf gesucht, da spritzten die Kinder noch mit ihren Schlägern
Regenwasser in die Höhe bei dem Versuch, den Ball in der Flut zu treffen.
Abgepfiffen wurde erst bei Blitzschlag. Aus einem stillgelegten Bus reichten die
Mütter Kuchen heraus, der Stadionsprecher – mein einziges zeitweise ausgeübtes
Amt – musste manchmal brüllen, um eine Boeing 747 beim Landeanflug auf Frankfurt
zu übertönen. Sie war buchstäblich zum Greifen nah. "Geh doch zum Ballett",
empfahl der Trainer den Mädchen, die seine harten Kommandos ("nimm endlich den
Arsch runter beim Stoppen") mit Tränen quittierten. Es war nicht Nordkorea, aber
es war auch nicht Copacabana.
Hier haben wir
jetzt Quartier genommen. Und in Rio, im Hockeystadion von Deodoro, geht es nicht
mehr gegen die Eintracht aus Frankfurt oder den Lieblingskonkurrenten Mannheimer
HC. China und Neuseeland, Spanien und Südkorea heißen die Vorrundengegner. Tja,
und am Ende der Woche lauern wieder die Holländer. Warum sind die so stark? Und
warum gewinnen die deutschen Frauen so selten gegen die? Ich denke mir, dass die
Holländerinnen das für meine Tochter sind, was für mich damals
Rumeln-Kaldenhausen war. Aber auch die waren zu schlagen.
Tochter von
Kurier-Chefredakteur Schröder startet in Rio
Von "www.ffh.de" am
04.08.2016
Wiesbaden goes Rio
– ein Traum geht in Erfüllung für die 21jährige Wiesbadenerin Anne Schröder –
sie ist im deutschen Damen-Hockey-Team in Rio mit dabei und kämpft mit der
insgesamt recht jungen Mannschaft um Medaillen.
Papa Stefan
Schröder, im sonstigen Leben Chefredakteur beim Wiesbadener-Kurier, fliegt
Freitag hinterher – zum Anfeuern und Mitfiebern. Er ist schon jetzt ganz
aufgeregt und sagte im FFH-Interview: "Zum ersten Mal im Leben bei olympischen
Spielen, in Rio, und dann ist noch die jüngste Tochter am Start ‒ mehr geht doch
gar nicht".
Tochter Anne
Schröder geht in Rio mit dem deutschen Hockey-Team auf Medaillenjagd – erster
Gegner ist am Sonntag die Mannschaft aus China. |