Rüsselsheimer Ruder-Klub 08 "Archiv und Chronik"

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Kentern im kalten Wasser

Der folgende Bericht von Polizei-Pressedienst/Oliver Palme aus "www.rudern1.de" über einen Bootsunfall in Frankfurt am 9. April 2006 war der Anlaß, einmal zwei Veröffentlichungen über "Kentern im kalten Wasser" zusammenzustellen:

Schiffsunfall auf dem Main - Ruderachter brach auseinander

Am Sonntag, den 09.04.06, gegen 11.26 Uhr, lag in Frankfurt am Main, zwischen Westhafen und Gutleuthafen bei Main-km 32,5, ein Ruderachter des Frankfurter RC Griesheim in einem Abstand von ca. 30 Meter von einem Tankmotorschiff. Als die erste Welle durch die Vorbeifahrt des Binnenschiffes an das Ruderboot kam, brach ein Teil der Bordwand und das Boot nahm sofort Wasser auf. Die nächste Welle nahm das Boot auf und rollte es, so dass dieses in der Mitte brach. Die Insassen des Achters schwammen sofort Richtung Land, doch einige schafften es nicht alleine.

FRG-Ruderer retten Griesheimer "Alte Herren"

Ein Gig-Doppelvierer der Frankfurter RG Germania sah den Unfall von knapp 300 m Entfernung und reagierte sofort. Schnellstmöglich wurde zum Unfallort gerudert. Einen Ruderer zogen die Germanen aus der Strömung an Land. Dann sprangen zwei Ruderer der FRG ins Wasser und retteten einen älteren Ruderer aus den Fluten, der durch einen Asthma-Anfall stark geschwächt und mit dem Kopf schon unter Wasser war. Zwei weitere ältere Ruderer trugen sie an Land und verhinderten einen schlimmeren Ausgang. Die geschockten Bootskameraden standen am Ufer und realisierten nicht ganz die Tragweite. Die stark unterkühlten Ruderer wurden dann in einem Rettungswagen der Feuerwehr untergebracht, eine Person wurde vorsorglich in die Uniklinik Frankfurt gebracht. Nach Behandlung wurde die Person aus der Klinik entlassen. Begünstigt wurde der Unfall durch den erhöhten Wasserstand und starken Wind - der Sachschaden beziffert sich auf ca. 15 - 20.000 Euro.

Starke Gefährdung für "Alte Herren"

Dieser Unfall war einmal mehr ein Beispiel für die Gefahr bei einem solchen Unfall. Die Ruderer schwammen einzeln an Land, keiner blieb am Boot. Die Baumwoll-Trainingsanzüge waren nicht nur eine schwere Last während des Schwimmens, sondern sorgten nachher auch für die Unterkühlung. Der Verfasser dieses Artikels war selbst dabei und völlig überrascht, wie hilflos die Alten Herren im Main schwammen. Selbst knapp vor dem Ufer waren einige nicht mehr in der Lage, sich selbst in Sicherheit zu bringen. Das lag nicht an der Mannschaft, sondern an der Situation. Erst brach der Achter ohne Vorwarnung, dann waren die Ruderer auf sich selbst angewiesen. Die Temperatur des Wassers, die starke Strömung und die Wellen erzeugten dann eine Situation, die selbst sehr erfahrene Ruderer an ihre Grenzen brachte. Es ist etwas gänzlich anderes, wenn man über solch einen Unfall liest oder selbst beteiligt ist.

Man kann es sich nur schwer vorstellen, wenn man lange rudert und so einen Unfall nicht erlebt hat - aber es ist sehr gefährlich und kann schnell in einem Desaster enden. Schwimmwesten und klare Verhaltensregeln bei Unfällen können eine Gefährdung sicher verhindern - man sollte dies nicht unterschätzen - auch wenn man ruderisch sehr erfahren ist und schon mehrere Dekaden unseren Sport ausübt!


Aus "rudersport", Januar 2006:

Eiskalt erwischt - wie Ruderer ihre Überlebenschancen im kalten Wasser verbessern können

Von Dr. med. Frank Praetorius, Kardiologe Offenbach, und Carl-Friedrich Ratz, Berlin

Ganz besonders Einer-Ruderer riskieren beim Wasserwintertraining ohne permanente Motorbootbegleitung ihr Leben. Ein Kentern kann, auch mit besten Materialien, jederzeit durch Materialschaden an Dolle/Skull/Riemen sowohl bei Anfängern als auch bei Weltklasseruderern passieren. Im Wasser schwimmende Gegenstände oder einfach die fehlende ruderische Perfektion können in einem Sekundenbruchteil zum Sturz in das eiskalte Nass führen. Der Athlet fällt ohne Vorwarnzeit, bereits mit einer erhöhten Herzfrequenz und entsprechender Sauerstoffschuld (Atemnot), oft mit einer Trainings-Ermüdung (ggf. bereits ca. 90 - 120 Min. Trainingsbelastung) in das kalte Wasser. Ein Vollschlagen von Renn- und Gig-Großbooten aufgrund hohen Wellengangs kann Mannschaften bei Booten mit zu gering dimensionierten Bootsauftriebskräften ins kalte Wasser zwingen. Auch Wander- und Freizeitruderer setzen sich in der kalten Jahreszeit auf Flüssen, Seen oder an den Küsten durch Wind, Welle, Strom, Schifffahrt, Termindruck oder Alkohol nicht unerheblichen Risiken aus. Eine Kollision oder ein Vollschlagen bei schlechter Sicht kann den Rudersport zum Überlebenskampf werden lassen.

Selbst Rudertrainer im Begleitmotorboot gehen bei winterlichen Temperaturen einem riskanten Hobby nach: "Herausfallen" beim Einstieg/Ausstieg, sich unterwegs recken, beim kleinen Geschäft unterwegs, bei der kleinen Montage an Ruderbooten auf dem Wasser, beim manuellen Motorstart, beim Bergen von gekenterten Ruderern.

An Unterkühlung sterben nur gut ein Drittel aller tödlich Verunglückten. Kanadische und britischen Studien haben gezeigt, dass 60 % der Ertrinkungsfälle in den ersten 15 Minuten passierten - also lange bevor die ersten Symptome der Unterkühlung zu erwarten wären. Dabei gingen 63 % der Unfallopfer in einem Abstand von weniger als 15 Meter zum Ufer unter. Viele waren nicht imstande, auch nur die letzten zwei Meter zu schwimmen, um sich zu retten. Rund zwei Drittel der Betroffenen galten als gute Schwimmer. Der Grad der Fähigkeit einer Person, im warmen Wasser zu schwimmen, erlaubt keine Voraussage über das Verhalten in eisigem Wasser. Doch welche biologischen Mechanismen machen den Verunglückten unfähig, sich selbst zu helfen?

Ein RRK-Achter am 15.01.2005 auf dem Rückweg von Eddersheim zum RRK-Bootshaus kurz vor Flörsheim - die Sonne geht unter

Stadium 1: Eintauchreflexe und Kälteschock

Mit dem Eintauchen in kaltes Wasser werden Nervenendigungen in der Haut gereizt und lösen unmittelbar eine reflexartige Reaktion aus. Alle betroffenen Personen beginnen sofort mit einem extrem tiefen Atemzug, der direkt zum Ertrinken führen kann. Häufig folgt ein vom Willen nicht unterdrückbares schnelles Atmen, durch das es zu Krämpfen kommen kann. Schon bei 15° Celsius Wassertemperatur ist die Fähigkeit zum Luftanhalten um 70 % reduziert. Es kommt zu Panik und Willensverlust, schließlich zum Inhalieren der nächsten Welle und zum Ertrinken - manchmal trotz Rettungsweste. Hinzu tritt ein massiver Anstieg von Herzfrequenz und Blutdruck mit der Gefahr eines Herzstillstandes.

Wenn das kalte Wasser in die Ohren eindringt, wird zusätzlich das Gleichgewichtsgefühl beeinträchtigt. Die Folge kann ein fataler Verlust der Orientierung unter Wasser sein - man taucht tiefer statt nach oben.

Stadium 2: Schwimmversagen

Der Kraftverlust der Muskulatur beträgt pro Grad Temperaturabfall im Muskel 3 %: Das wären bei einem Abfall von 37° auf 20° C bereits über 50 %! Zusätzlich wirkt sich die verlangsamte Geschwindigkeit und Intensität der Nervenleitung aus. Diese Mechanismen führen nach 3 - 30 Minuten in Wasser unter 15° C zum Verlust vor allem des Streckvermögens, aber auch der gesamten Koordination von Schwimmbewegungen, bis zum völligen Schwimmversagen und zum Ertrinken. Gegen die berechenbare Abkühlung der Arm- und Beinmuskeln und -nerven ist auch ein trainierter Sportler nicht gefeit, auch er verliert die Fähigkeit zur Selbstrettung.

Das durch die Kälte "programmierte" Schwimmversagen erklärt, warum sich in Großbritannien 55 % der Ertrinkungsfälle innerhalb 3 Meter Entfernung von der Rettungsmöglichkeit (Boot, Ufer) ereigneten. Die Kälte vermindert nicht nur die Kraft der Arme und Beine, sondern auch die Feinarbeit der Handmuskeln und -nerven. Zum Kraftverlust addiert sich eine Reduzierung der Geschicklichkeit.

Der Tod in kaltem oder eisigem Wasser ereignete sich bei vielen Unfällen innerhalb weniger Minuten nach dem Eintauchen, oft obwohl die Opfer gesund und gute Schwimmer waren und häufig in knapper Entfernung zum rettenden Ufer oder Boot. Die Botschaft dieser Fakten ist klar: Plötzliches und ungeschütztes Eintauchen in kaltes Wasser ist weit gefährlicher, als allgemein angenommen wird.

Stadium 3: Unterkühlung bei längerem Aufenthalt im Wasser

Im Gegensatz zu Stadium 1 und 2 ist die langsam eintretende Unterkühlung des Körperkerns den meisten Ruderern bekannt. Die Überlebenschancen hängen von vielen Faktoren ab: Von Wassertemperatur und Kleidung, Seegang und Strömung, Produktion von Körperwärme durch Kältezittern und Bewegung, dem Verhältnis von Körpermasse zur Körperoberfläche, der Dicke des Unterhautfettgewebes, von körperlicher Fitness, von vorheriger Nahrungsaufnahme, Körperposition im Wasser sowie der Willensstärke des Verunglückten.

Stadium 4: Kollaps nach der Rettung

Erfahrungsgemäß ereignen sich bis zu 20 Prozent der Todesfälle während der Bergung aus dem Wasser oder innerhalb der folgenden Stunden. Als Ursachen werden der Verlust der Kreislaufstabilisierung durch das Wasser, ein Mangel an Kreislaufvolumen, Bluteindickung, Unterkühlung des Herzmuskels sowie der psychische Stress genannt. Auf jeden Fall muss man bei der Bergung mit dem so genannten "Afterdrop" rechnen, einem weiteren Absinken der Kerntemperatur durch den Rückfluss kalter Blutflüssigkeit aus den Extremitäten.

Ideen zur Vorbeugung, Rettung und Bergung/Transport

I. Vorbeugung

• Check der eigenen Fähigkeiten und von Wetter/Bootstyp/Material vor jeder Fahrt (Mensch und Material nur im topfiten Zustand) - im Zweifel an Land Ruderergometer rudern.

• Eigene Rettung vor jeder Fahrt mental planen (im Panikmoment werden Sie sich so an eigene Checkliste schneller erinnern).

• Bei Kälte immer mit Automatik-Rettungsweste rudern (ab 50,- € im Fachhandel).

• Trainer sollten u. a. wegen Vorbildfunktion im Motorboot Rettungsweste tragen.

• Eingeschaltetes wasserdicht- und schwimmfähig verpacktes Mobiltelefon mit programmierter Notruf-Nr. der Feuerwehr (Bundeseinheitlich ohne Vorwahl) 112 am Körper tragen (eins pro Boot). Bedienung im eigenen Ernstfall wegen Geschicklichkeitsverlust aber fraglich! (ggf. altes Dritthandy aus Schublade "ca. Flohmarktwert 15 €" + Schwimmverpackung ca. 25 €).

• Rudern nur am helllichten Tag und nahe am Ufer - wichtig Sichtkontakt zu Trainingskameraden/Spaziergänger/Schifffahrt (ideal permanente Motorbootbegleitung).

• Kleidung: Ruder-Jacke mit "Handyfach für verpacktes Mobiltelefon" inkl. Kapuze (siehe z.B. Segeljacken und Kapuze in Signalfarbe) oder Mütze mit Befestigung (in Signalfarbe); Hosen grundsätzlich enganliegend, atmungsaktiv, Jacke (siehe oben) hoch atmungsaktiv und wasserdicht, so entsteht im Ernstfall eine isolierende Wasserschicht für empfindlichen Oberkörper, feinmaschige Socken, wasserdichte Socken (ca. 40 €).

• Boot: Renn- und Gig-Großboote (4- bis 8+) haben oftmals zu wenig Auftrieb, um der Mannschaft beim Vollschlagen den nötigen Auftrieb für ein Verbleiben der ganzen Mannschaft im Ruderboot zu ermöglichen. Eine Nachrüstung ist ggf. dringend zu empfehlen (günstige Möglichkeit handelsübliche Auftriebskörper von Optimist-Segeljollen oder ähnliches).

• Boot: Scharfkantige Enden von Auslegerschrauben und Dollenstiftgewinde durch Kunststoffhutmuttern wegen Verletzungsgefahr für Mensch und Rettungsweste entschärfen (ca. 4 €/ RoIIsitz).

II. "Verhalten im Wasser"

Nach Kenterung: Kopf über Wasser halten, Atmung in den Griff bekommen (Schock überwinden kann mehrere Minuten dauern), Situation einschätzen (wo ist das eigene Boot und die Mannschaftskameraden), zusammen am Boot bleiben, so schnell wie möglich den eigenen Körper ganz aus dem Wasser bekommen, mindestens Oberkörper auf Bootsrumpf oder wenn Boot weggetrieben Skulls/Riemen als Schwimmhilfe benutzen. Achtung: Rettungsweste nicht durch Ausleger/Schrauben beschädigen! Rettung herbeirufen - warten - positiv denken die Rettung kommt ganz bestimmt (!!), Kopfbedeckung/Mütze aufsetzen, Energie sparen.

Vollschlagen von Zweier bis Achter: Ganze Mannschaft im Boot bleiben, so bleibt der Oberkörper außerhalb des Wassers (funktioniert ggf. nur bei genügend Bootsauftrieb bei Vierer und Achter unter den Ruderplätzen).

Wenn keine Möglichkeit besteht das Wasser zu verlassen: Kopf aus dem Wasser halten, alle Körperbewegungen minimieren und allenfalls die Beine bewegen (ohne Rettungsweste verringert sich die Überlebenszeit dann um ca. 50 %).

Die Entscheidung zur Selbstrettung durch Schwimmen ans Ufer sollte ausdrücklich der letzte Ausweg wegen Gefahrenstellen wie Wehren und Staustufen sein, weil sie am wenigsten Aussicht auf Erfolg hat.

Wenn es notwendig wird, sollte ein Retter so langsam wie möglich ins Wasser gleiten. Er sollte erst mit Schwimmbewegungen beginnen, wenn die Atmung unter Kontrolle ist, dann allerdings ohne Zögern.

III. Bergung/Transport

Ein Unfallopfer sollte zur Vermeidung des Kollaps (Stadium 4) möglichst:

• bei der Bergung umgehend in horizontale Position gebracht werden,

• vor weiterem Wärmeverlust durch Decken geschützt werden,

• umgehend ins Krankenhaus transportiert werden (genaue Schilderung, was passiert ist).

Mit den Ideen und Maßnahmen sollen für Ruderer einfache Möglichkeiten zur Verbesserung der Sicherheit und Rettung aufgezeigt werden - ohne Anspruch auf Methodenkompetenz und Vollständigkeit. Es sollte jeder selbst und hoffentlich im "Warmen" entscheiden.

 

Quellen und weitere Informationen:

Brooks, C. J.: Survival in Cold Waters; Transport Canada (TP 13822E), 01/2003

FISA Minimum Guidelines for the safe practice of rowing (http://www.usrowing.org/Libraries/Safety/fisasafety.sflb.ashx)

Leo Blockley Memorial Campaign: FAQ, buoyancy tests, accident database (www.leoblockley.org.uk)

Praetorius, Frank: Überleben im (eis-)kalten Wasser; Nautische Nachrichten 4/2004 (www.frank-praetorius.gmxhome.de/segeln_4_medizin-an-bord.html)

Thöl, Peter: Rettungswesten und Rudern? Rudersport 24/2005


Kaltes Wasser – Wie Du Deine Überlebenschance vergrößerst!

Von Jane Blockley, Ärztin (Quelle: http://www.leoblockley.org.uk/documents/KaltesWasser.pdf)

Inhalt

1   Einleitung

2   Hintergrund

2.1 Aber ich kann doch schwimmen, reicht das nicht?

2.2 Wie kalt ist kalt?

3   Wie kann ich mich körperlich und geistig aufs Überleben vorbereiten?

3.1 Steig' nicht ins Boot, wenn Du Dich nicht 100 % wohl fühlst

3.2 Schätze realistisch ein, was Du kannst

3.3 Übungstechniken

3.4 Trage die richtige Ausrüstung/Bekleidung

3.5 Plane Deine eigene Rettung

4   Die Gefahren des Eintauchens in kaltes Wasser – und wie man damit umgeht

4.1 Trockenes Ertrinken (möglich ab dem Moment des Eintauchens)

4.2 Kälteschock (größtes Risiko bei 1 – 5 Minuten nach dem Eintauchen)

4.3 Schwimmstörung (Risiko steigt mit der Zeit, die Du Dich im Wasser befindest)

4.4 Unterkühlung (häufigste Todesursache ab 30 Minuten aufwärts)

4.5 Kollaps nach der Rettung (Gefahr bei oder kurz nach der Rettung)

5   Zusammenfassung – Checkliste für das Überleben in kaltem Wasser

6   Einfach zu merkende Schlüsselbotschaften


1   Einleitung

Es ist klar, aber es muss gesagt werden – der wichtigste Rat ist: Wenn immer es möglich ist, bleibe in deinem Boot! Das verlangt Vorausschau:

· Versichere dich, dass dein Boot voll schwimmfähig und in Ordnung ist.

· Kenne und beherrsche die örtlich gültigen Regeln zur Vermeidung von Kollisionen und die Navigationsregeln

· Stelle sicher, dass du im Dunkeln passende Beleuchtung hast und trage weiße oder retroreflektierende Kleidung

· Prüfe den neuesten Wetterbericht und den Zustand des Wassers vor der Abfahrt – und fahre nicht raus, wenn die Bedingungen ungünstig sind oder werden, während du auf dem Wasser bist.

Wenn du all dies getan hast, kannst du glücklich das Beste hoffen... stelle aber sicher, dass du dich auch auf das Schlimmste vorbereitest. Merke: Wenn du erst einmal im kalten Wasser drin bist, ist dein Leben in Gefahr. Es gibt vieles, was du zur Vergrößerung deiner Überlebenschancen tun kannst. Aber zuerst musst du akzeptieren, dass es auch dir wirklich passieren kann – es wird nicht immer jemand anderes sein.

2   Hintergrund

2.1 Aber ich kann doch schwimmen, reicht das nicht?

Augenscheinlich hilft es, wenn man schwimmen kann – wenigstens wegen des psychologischen Antriebes, den es gibt, wenn du dich im Wasser wiederfindest. Aber genau so viele Schwimmer wie Nichtschwimmer ertrinken in Situationen, in denen Schwimmen möglich ist. (z.B. UK Home Office 1981 - http://www.homeoffice.gov.uk/rds/pdfs2/hosb1880.pdf ).

Viele ertrinken auch in nächster Nähe zum rettenden Ufer. Im Vereinigten Königreich (UK) im Jahre 1977 geschahen 55% der Ertrinkensfälle in offenem Wasser weniger als 3 m und 42% weniger als 2 m von der Sicherheit entfernt (UK Home Office). Zwischen 1991 und 2001 waren in Kanada 41% derjenigen, die bei einer Bootstour ertrunken sind, nicht mehr als 10 m vom Ufer entfernt. Und 22% waren nur 10-15 m vom Ufer entfernt. (Quelle: Canadian Safe Boating Council / Smart risk survey)

Deine Fähigkeit, in warmem Wasser zu schwimmen und dich über Wasser zu halten, sagt nichts über deine Schwimmfähigkeit in kaltem Wasser. Warum ist das so? Abgesehen von dem Einfluss von Wellen und Strömung wird deine Fähigkeit zu schwimmen oder dich über Wasser zu halten von mehreren Dingen beeinflusst, z.B. von dem Zustand, in dem du dich vor dem Eintauchen befindest, vom ‚trockenen Ertrinken‘, vom Kälteschock, vom Fehlschlagen deiner Schwimmbemühungen (Schwimmstörung), und von Unterkühlung. Diese können bis zu einem gewissen Grade beeinflusst oder gelindert werden – verschaffe dir das Wissen dazu und sei vorbereitet.

2.2 Wie kalt ist kalt?

Wassertemperaturen unter 26,5 °C haben einen negativen Einfluss auf die Überlebenschancen. Binnengewässer sind allgemein kälter als das Meer. Die Temperaturen der meisten Binnengewässer in Deutschland übersteigen nur selten die 15°C Marke, meist liegen die Temperaturen deutlich niedriger. Die lebensbedrohliche Kälteschockreaktion beginnt bei Wassertemperaturen unter 25 °C und hat ein Maximum zwischen 10 und 15 °C.

“Überlebensvorhersage-Kurven”, welche eine ungefähre Überlebenszeit abhängig von der Wassertemperatur zeigen, sind nur begrenzt brauchbar. Sie gehen von bestimmten Auskühlungsraten des Rumpfes aus. Allerdings können lokale Unterkühlungseffekte bereits fatale Folgen haben, noch bevor die Rumpftemperatur in lebensbedrohliche Bereiche sinkt. Zum Beispiel sind die Funktionen der Hände bereits bei Wassertemperaturen unter 15°C stark eingeschränkt, was sich erschwerend auf die Selbstrettung auswirkt.

Die FISA rät zu speziellen Vorsichtsmaßnahmen, z.B. dem Tragen einer Rettungsweste, wenn die Wassertemperatur 10 °C oder weniger ist. Siehe FISA-Richtlinien für Minimale Sicherheitsstandards, dort die Kaltwasser-Richtlinien auf S. 5 http://dps.twiihosting.net/fisa/doc/content/doc_7_1087.pdf

3   Wie kann ich mich körperlich und geistig aufs Überleben vorbereiten?

3.1 Steig' nicht ins Boot, wenn Du Dich nicht 100 % wohl fühlst

Es ist dir vielleicht bewusst, dass du nicht gut rudern kannst, wenn du krank oder müde bist, oder du unter dem Einfluss von Alkohol oder „Erholungs“-Drogen stehst. Das heißt auch, dass es wahrscheinlicher ist, dass du in Schwierigkeiten kommst und du weniger fähig bist, damit umzugehen, wenn ‚es‘ passiert. Alkohol zum Beispiel beeinflusst nachteilig das Urteilsvermögen, die Fähigkeit, Entscheidungen zu treffen, die Reaktionsgeschwindigkeit, die körperlichen Fähigkeiten und die Wahrnehmung der Umgebung. Er prädisponiert dich auch für eine Unterkühlung. Hunger und Austrocknen sind ebenfalls Feinde von klaren Gedanken und körperlicher Leistungsfähigkeit.

Gib dir selbst also die besten Chancen. – Gehe nicht Rudern, wenn du von irgendeiner dieser Bedingungen betroffen bist. Denke dran: Wenn du nicht gut funktionierst, dann könntest du auch deine Kameraden in Gefahr bringen. Wasser ist eine gefährliche Umgebung. Du brauchst alle deine Sinne für dich, wenn etwas falsch läuft.

3.2 Schätze realistisch ein, was Du kannst

"Wie schwierig kann das schon sein? Wenn ich kentere, werde ich mein Boot aufrichten und wieder einsteigen – oder ans Ufer schwimmen. Wenn mein Boot sinkt, werde ich mich daran festhalten bis ich gerettet bin. Wenn ich dicht am Ufer bin, werde ich einfach dahin schwimmen – ein paar Meter schaffe ich. Es sind immer die Anderen, die in Schwierigkeiten geraten."

Es ist nur menschlich, diese Gedanken zu haben. Aber in kaltem Wasser sind diese Manöver viel schwieriger, als du dir das vorstellst.

Ein Beispiel: Du hast vielleicht in einem warmen Schwimmbad Kenterübungen gemacht, aber Kentern in einem kalten Fluss oder See ist komplett anders. In der Kälte beschleunigt die Anstrengung beim Aufrichten des Bootes die Unterkühlung und reduziert maßgeblich deine Überlebenszeit. Wenn du das Boot aufgerichtet hast, wirst du durch eingeschränkte Greifkraft und Gliedersteifigkeit Schwierigkeiten haben, ins Boot zu klettern. Es könnte besser sein, wenn du dich auf das gekenterte Boot ziehst, um einen möglichst großen Teil deines Rumpfes aus dem Wasser zu bekommen und dann auf Hilfe zu warten.

Lerne die Grundprinzipen in den fünf "Gefahren"-Abschnitten (s. u.), damit du in jeder gegebenen Situation abschätzen kannst, wie du am besten handeln solltest.

3.3 Übungstechniken

Wenn du noch nie probiert hast, in deiner Ruderkleidung zu schwimmen, hast du noch nicht erfasst, wie sehr das anders ist. Wenn du nicht weißt, was dich erwartet, triffst du falsche Entscheidungen darüber, was du tun sollst, wenn du unerwarteterweise im Wasser liegst.

Mache Kenterübungen. Nutze die Möglichkeit, um zu üben, dich am Boot festzuhalten, damit du weißt, wie es sich anfühlt. Denke dran, ein schwimmfähiger Einer bietet viel mehr Auftrieb als ein nicht schwimmfähiger Achter, der vollgeschlagen gerade unter der Wasseroberfläche treibt.

Übe auch, dich aufs Boot zu ziehen um deinen Rumpf soweit als möglich aus dem Wasser zu bekommen. Übe, aus dem Wasser auf den Beckenrand bzw. aufs Ufer zu kommen.

3.4 Trage die richtige Ausrüstung/Bekleidung

Das Problem beim Rudern ist, dass man warm wird und Bewegungsfreiheit braucht. Deswegen muss die Ausrüstung ein Kompromiss sein, der einerseits im Boot bequem ist und andererseits vor Wärmeverlust im Wasser schützt. Die ideale Bekleidung gibt es noch nicht, aber hier sind ein paar Hinweise:

· Mehrere Schichten leichter Bekleidung helfen, eine Schicht Wasser (und vielleicht auch etwas Luft) einzufangen, um den Wärmeverlust zu reduzieren.

· Eine Schicht atmungsaktiven, aber wasserdichten Stoffes ist viel effizienter für das Einfangen einer Schicht von Luft und Wasser.

· 50% des Wärmeverlustes findet über den Kopf statt. Eine wasserdichte Mütze, die man aus dem Kragen eines Kleidungsstückes mit einer Hand herausziehen kann, wäre nützlich. Wenn die Mütze hell ist und reflektiert, würde sie eventuellen Rettern helfen, dich im Wasser zu finden.

· Die Kleidung soll dicht anliegen um das Risiko zu verringern, dass du dich im Boot verhedderst. Eng anliegende Kleidung verringert auch den Widerstand, wenn du dich im Wasser fortbewegen musst.

· Mehrere Quellen schreiben, dass wollene Kleidung guten Kälteschutz bietet. Das Tragen einer Rettungsweste vergrößert eindeutig die Überlebenschancen, ist aber keine Garantie. Idealerweise sollte man so ein Hilfsmittel immer tragen. Einige schlagen vor, man solle Rettungs- oder Schwimmwesten im Boot oder im Trainerboot haben oder man solle sie verpackt hinten auf der Hüfte tragen – aber diese Varianten sind alle mangelhaft. Es ist sehr mühsam, eine Rettungs- oder Schwimmweste anzulegen, oder sie auch nur mit kalten, gefühllosen Händen in Position zu ziehen, besonders, wenn du vom Kälteschock betroffen bist.

Das Tragen einer Rettungsweste hilft auf zwei Arten zum Überleben:

· Sie hilft, dein Gesicht aus dem Wasser zu halten um Wasserschlucken zu vermeiden – dennoch musst du in welligem Wasser daran denken, deinen Rücken zu den Wellen zu drehen.

· Sie ermöglicht dir, stillzuhalten und eine Körperhaltung einzunehmen, die den Wärmeverlust vermindert. Ohne Rettungsweste bist du gezwungen, Wasser zu treten oder zu schwimmen um dich über Wasser zu halten, wodurch sich deine Überlebenszeit halbiert.

3.5 Plane Deine eigene Rettung

Nimm dir einen Moment Zeit vor jeder Ausfahrt um zu durchdenken, wie du gerettet werden oder dich selbst retten könntest, wenn du in diesem Moment ins Wasser fällst, aus diesem Boot, mit diesen Leuten und an diesem Ort. Wenn du schon ein geistiges Bild davon hast, was zu tun wäre, wenn es passiert, dann wirst du dich nach einem kurzen Panikmoment schnell sicherer fühlen – und das ist wesentlich um deine Überlebenschance zu vergrößern.

Das ist ähnlich einer persönlichen „Risikoabschätzung“. Frage dich zum Beispiel, ob dieses Boot vollständig schwimmfähig und gut in Ordnung ist. Gibt es ein Trainerboot als Begleitung? Ist der Rest der Mannschaft sicherheitsbewusst? Wird jemand da sein um, wenn nötig, Hilfe herbeizurufen? Wie sehen die Ufer aus – kannst du da rausklettern?

Ist es einfach zu kalt, um es an diesem Ort zu riskieren? Wenn du allein fährst (nicht empfohlen), weiß dann jemand, dass du auf dem Wasser bist und wann man dich zurückerwarten soll?

4   Die Gefahren des Eintauchens in kaltes Wasser - und wie man damit umgeht

4.1 Trockenes Ertrinken (möglich ab dem Moment des Eintauchens)

a) Was ist das?

Unglücklicherweise reagiert der Körper manchmal (in bis zu einem Fünftel aller Fälle) anders als bei einem Kälteschock (weiter unten beschrieben). Es kann einen plötzlichen Reflex geben bei dem der Luftweg durch einen Muskelspasmus geschlossen wird. Kein Wasser kann dann in die Lunge eindringen, aber Luft ebenso wenig. Man geht davon aus, dass dies ein automatischer Schockreflex ist, der ausgelöst wird, wenn kaltes Wasser in die Nase oder den Rachen eindringt. Es kann in dem Moment eintreten, in dem du auf das Wasser auftriffst.

b) Wie kann ich es vermeiden?

Trockenes Ertrinken ist wahrscheinlicher, wenn du mit den Füßen voran ins Wasser fällst, wodurch Wasser in die Nase aufwärts eindringen kann. Es ist auch wahrscheinlicher, wenn du verkrampft und geistig unvorbereitet bist, d.h. wenn du es nicht erwartet hast, nass zu werden.

Natürlich ist jeder Unfall unerwartet (obwohl meist vermeidbar), aber wenn du nicht gerade ins Wasser geworfen wirst (z.B. durch das Fangen eines Krebses), hast du üblicherweise einige Sekunden Vorwarnung, dass du reinfallen wirst. Nutze den Augenblick, um geistig die Kontrolle zu übernehmen – du weißt, was zu tun ist, um die Überlebenschancen zu verbessern.

Hole tief Luft, wenn möglich, und halte dir die Nase zu, halte deinen Mund geschlossen und lasse dich langsam ins Wasser rollen anstelle mit den Füßen zuerst hineinzugehen. Vermeide, ins kalte Wasser zu springen. Wenn du erst im Wasser bist, achte darauf, dein Gesicht aus dem Wasser und deinen Rücken gegen die Wellen zu halten, wie in dem Abschnitt über den Kälteschock beschrieben. Damit vermeidest du, dass Spritzwasser in Nase und Rachen kommt.

4.2 Kälteschock (größtes Risiko bei 1 – 5 Minuten nach dem Eintauchen)

a) Was ist das?

Kälteschock ist eine erhöhte respiratorische Reaktion auf das Eintauchen in kaltes Wasser. Zuerst gibt es einen unfreiwilligen Atemzug, welchem Hyperventilation (schnelles und ungeordnetes Atmen) folgt. Das wird üblicherweise von einem gewissen Grad an Orientierungslosigkeit begleitet, so dass du für wenige Augenblicke nicht sicher sein kannst, wo es nach oben geht, wo du dich relativ zum Boot befindest, wo das Ufer ist etc.

Die Stärke der Effekte des Kälteschocks steigt mit sinkender Wassertemperatur, wobei das Maximum zwischen 10 und 15 °C liegt. Die Fähigkeit, den Atem anzuhalten, sinkt proportional mit der Wassertemperatur. Der Kälteschock dauert ungefähr ein bis drei Minuten.

b) Wie werde ich damit fertig?

Konzentriere dich während der ersten, äußerst kritischen Minuten darauf, nicht zu ertrinken! Es mag sich allzu simpel anhören, aber wenn du die Kälteschockreaktion erwartest und du Bescheid weißt, geht der Schock schnell vorbei. Dann hast du eine bessere Chance ihn zu überleben. Wenn der erste unfreiwillige Atemzug stattfindet und dein Gesicht noch unter Wasser ist, bekommst du Wasser anstelle von Luft in die Lunge. Wenn du in kabbeligem Wasser bist, deine Atmung unkontrolliert ist und du dich schlecht orientiert fühlst, dann könntest du Schwierigkeiten haben, das Atmen mit den Lücken zwischen den Wellen zu koordinieren. Um NICHT zu ertrinken, musst du dich darauf konzentrieren, dein Gesicht aus dem Wasser zu halten. Drehe deinen Rücken zu den Wellen um Einatmen von Spritzwasser zu vermeiden und versuche dein Äußerstes um deine Atmung in den Griff zu bekommen. Erinnere dich daran, es wird bald vorbei gehen. Nachdem sich deine Atmung beruhigt hat, und du dich wieder orientieren kannst, wirst du Zeit haben, die Situation einzuschätzen und zu entscheiden, was du am besten für deine Rettung tun kannst.

4.3 Schwimmstörung (Risiko steigt mit der Zeit, die Du Dich im Wasser befindest)

a) Was ist das?

Deine Fähigkeit zu schwimmen ist in kaltem Wasser reduziert. Je kälter das Wasser ist, desto mehr verschlechtert sich dein Schwimmen. Dieser Effekt tritt ein, lange bevor eine signifikante Abkühlung des Rumpfes stattfindet. Deswegen ist es keine Folge einer Unterkühlung des Rumpfes.

Die Schwimmstöße werden kürzer und schneller – wodurch die Schwimmstöße weniger und weniger effektiv, dafür aber anstrengender, werden. Der Schwimmwinkel wird größer, d.h. dein Körper hängt aufrechter im Wasser. Damit wird die mit jedem Schwimmstoß erreichte Vorwärtsbewegung kleiner. Es wird schwieriger und schwieriger, die Glieder zu strecken und die Schwimmbewegungen zu koordinieren. Die Finger spreizen sich und beginnen, sich zu beugen. Man nimmt an, dass diese Effekte Folge der lokalen Abkühlung der Muskeln in den Gliedern sind. Tragen einer Rettungsweste verhindert nicht das Entstehen von Schwimmstörungen.

b) Wie kann ich es vermeiden?

Unglücklicherweise ist die einzige Antwort: Vermeide das Schwimmen in kaltem Wasser so weit du irgend kannst. Unterschiedliche Menschen werden von Schwimmstörungen in unterschiedlichem Ausmaß betroffen. Einige werden sehr schnell angegriffen und andere sind in der Lage, ordentliche Strecken zu schwimmen, bevor der Effekt eintritt. In einem Experiment schien der entscheidende Faktor die Dicke der Haut am Oberarm zu sein. Je mehr die Muskeln isoliert sind, desto wärmer und leistungsfähiger bleiben sie. Rettung durch Schwimmen sollte nur der letzte Ausweg sein.

4.4 Unterkühlung (häufigste Todesursache ab 30 Minuten aufwärts)

Unterkühlung ist als Rumpftemperatur unter 35 °C definiert (normale Rumpftemperatur ist 37 °C). Der Körper verliert Wärme im Wasser 25 – 30mal schneller, als an der Luft. Das Ausmaß des Wärmeverlustes hängt von verschiedenen Faktoren ab:

· Temperaturunterschied – wie viel dein Körper wärmer ist verglichen mit dem Wasser

· Isolierung durch die Kleidung

· Dicke des Körperfettes – eingebaute Isolierung.

· Verhältnis Körpermasse zu Oberfläche – je massiger du bist, desto besser hält sich die Wärme.

· Ausmaß der Wasserbewegung – jedes bisschen an der Haut erwärmtes Wasser wird dauernd durch kälteres Wasser ersetzt.

· Körperliche Anstrengung – Bewegung zieht warmes Blut aus dem Rumpf in die Muskeln der Extremitäten, wo der Wärmeverlust größer ist. Wassertreten oder Schwimmen vergrößert den Wärmeverlust ungefähr um 40%.

· Körperhaltung im Wasser – einige Körperteile verlieren Wärme schneller als andere, z.B. der Kopf (50% des Wärmeverlustes), Hals, Achseln, Brust und Leistengegend.

· Körperliche Fitneß

· Ernährung vor dem Eintauchen

Die vorhersehbare Überlebenszeit für einen voll angezogenen, eine Schwimmweste tragenden Erwachsenen bei 5°C ist ungefähr eine Stunde und zwei Stunden bei 10 °C. Ein dünner Jugendlicher ohne Schwimmweste wird viel eher umkommen. Viele Menschen, die durch Eintauchen in kaltes Wasser sterben, sterben jedoch nicht durch Unterkühlung des Rumpfes. Viele sterben bevor dies vollständig eintreten konnte. Wenn die Rumpftemperatur sinkt, treten die ersten sichtbaren Effekte am Gehirn ein. Das Opfer wird verwirrt, ist unfähig sich an Dinge zu erinnern, wird schläfrig und schließlich bewusstlos. Zuerst wird der Herzschlag langsamer, aber dann wird der Herzmuskel empfindlich und es können gefährliche Rhythmusstörungen auftreten. Weniger Sauerstoff erreicht die Körpergewebe. Die Urinproduktion steigt und führt zu einem Verlust an Blutvolumen und einer Verdickung des Blutes. Der die Luftwege schützende Hustenreflex wird verschlimmert, so dass eine vergrößerte Gefahr entsteht, Wasser in die Lungen zu bekommen.

Das Opfer kann auch noch an Unterkühlung sterben, nachdem es bereits aus dem Wasser gerettet wurde. Die Todesraten in diesem Stadium schwanken zwischen 20 und 80%, je nach Alter, Fitness, Grad der Unterkühlung und der Qualität der medizinischen Behandlung Bevor eine Unterkühlung des Rumpfes einsetzt, gibt es bereits Effekte lokaler Abkühlung der Glieder, mit denen man zu kämpfen hat. Dies reduziert die Greifkraft und die Handfertigkeit und es reduziert die Fähigkeit, mit den Fingern zu fühlen. Der Effekt kann sehr bald nach dem Eintauchen auftreten und kann zum Überleben notwendige Handlungen, wie das Festhalten am Boot, stark beeinträchtigen.

Wie kann ich das Risiko verringern?

Wenn du dich vom Kälteschock erholt hast und dich orientieren kannst, besteht die höchste Priorität darin, so schnell wie möglich so viel deines Körpers wie nur irgend möglich aus dem Wasser zu bekommen und dann deinen Kopf zu bedecken, der 50% des Wärmeverlust des Körpers ausmacht.

Du könntest dich auf dein (möglicherweise umgedrehtes) Boot oder jedes andere geeignete, nahe Objekt im Wasser ziehen. Wenn das nicht möglich ist, dann halte dich an irgendwas fest, was schwimmt und dir etwas Unterstützung geben kann. Das wird üblicherweise das Boot sein, wenn es nicht vollständig versunken oder vom Strom weggetragen ist.

Wenn du nicht aus dem Wasser rauskommst, dann ist die nächste Prioritätsstufe, im Wasser so bewegungslos wie möglich zu bleiben und deinen Rücken zu den Wellen zu kehren, um das Einatmen von Wasser zu vermeiden.

Wenn du eine Rettungsweste trägst, bist du eventuell in der Lage eine Position zur Verringerung des Wärmeverlustes anzunehmen, im Grunde die Position eines Fötus. Kreuze deine Arme über deine Brust, halte die Ellbogen nahe an deinen Seiten und ziehe dann die Knie zur Brust hoch. Das gibt zusätzlichen Schutz für die Körperstellen mit höherem Wärmeverlust, z. B. die Achseln, die Leistengegend und die Brust.

Wenn mehrere Leute im Wasser sind, die alle Rettungswesten tragen, dann kann man durch Zusammendrängen Seite an Seite in einem Kreis weitere Körperwärme bewahren. Der Verwundbarste, d. i. der Kleinste und Dünnste kann in die Mitte des Kreises genommen werden, damit er von der Körperwärme der ihn Umgebenden profitiert.

Wenn du keine Rettungsweste trägst, hast du keine Wahl als Wasser zu treten während du dich am Boot oder an anderem gerade verfügbarem festhältst. Das verringert die Überlebenszeit markant um bis zu 50%.

Jetzt wirst du eine Bestandsaufnahme machen und entscheiden müssen, wie weiter. Deine Entscheidung wird auf mehreren Faktoren gegründet sein, z.B. darauf, ob und wann mögliche Hilfe durch andere kommt, auf die Nähe zum Ufer, wie einfach es ist, aus dem Wasser aufs Ufer zu kommen, ob du in der Lage warst, dich auf das Boot oder ein anderes Objekt zu ziehen und darauf, ob irgendwelche Gefahren in der Nähe sind, z.B. ein Wehr oder ein ungeschützter Überlauf.

Du musst jede unnötige Bewegung vermeiden. Verschwende beispielsweise keine Energie darauf, zu versuchen, das Boot aufzurichten, wenn du in der Lage bist, einfach auf das umgedrehte Boot zu klettern. Denke daran, unter Kältebedingungen wird die Anstrengung immens sein, kostbare Energie verbrauchen und den Wärmeverlust des Körpers vorantreiben. Wenn du Erfolg hattest, musst du noch genug Energie übrig haben, um in das Boot zurückklettern zu können. Zu dem Zeitpunkt werden aber deine Hände, Arme und Beine gefühllos, steif und voller Schmerzen sein.

Die Entscheidung zur Selbstrettung durch Schwimmen muss der letzte Ausweg sein, weil sie am wenigsten Aussicht auf Erfolg hat. Denke daran:

· Ziehe dich aus dem Wasser soweit du irgend kannst oder halte dich an irgendetwas fest.

· Kehre deinen Rücken gegen die Wellen.

· Bedecke deinen Kopf.

· Bleibe so bewegungslos wie möglich.

· Nimm dir Zeit, den besten Weg zur Rettung auszudenken.

4.5 Kollaps nach der Rettung (Gefahr bei oder kurz nach der Rettung)

a) Was ist das?

Unterkühlung erzeugt eine tiefgreifende Unterbrechung der normalen Körperfunktion und dies kehrt nicht in dem Moment zum Normalzustand zurück, in dem das Opfer aus dem kalten Wasser gerettet ist. Die Hämodynamik des Körpers ist geschädigt und es kann ein Flüssigkeitsverlust stattgefunden haben. Wenn ein Opfer für irgendeinen Zeitraum im Wasser war, kann es einen Kreislaufkollaps in dem Moment geben, wenn es aus dem Wasser geholt wird. Das Herz wird sehr anfällig für Rhythmusstörungen (Arhythmie). Sogar passive Bewegung kann eine fatale Arhythmie herbeiführen. Unangebrachte Erwärmung kann in der Öffnung der Blutgefäße in den Extremitäten resultieren und damit das wärmere Blut vom Rumpf wegziehen, dafür aber das kältere, stockende Blut aus den Extremitäten in den Körper zurück bringen. Dies wird einen weiteren Abfall der Körpertemperatur erzeugen, was sich als fatal herausstellen kann.

b) Wie können wir die Gefahr verringern?

Ein Opfer, welches für irgendeine Zeit im Wasser war, sollte in horizontaler Position aus dem Wasser gehoben werden um einen Kreislaufkollaps zu vermeiden. Das Opfer soll mit äußerster Vorsicht behandelt werden, um das Auftreten einer Herzarhythmie zu vermeiden. Das Opfer soll so bewegungslos wie möglich gehalten werden. Vermeide weiteren Wärmeverlust durch Bedecken mit Isolierdecken (oder improvisiere mit was auch immer verfügbar ist) und bringe das Opfer sorgsam in eine warme Umgebung. Sofortiger Transport ins Krankenhaus ist lebensnotwendig, weil die Behandlung einer Unterkühlung kompliziert ist. Opfer, die schlottern, aber bei Sinnen sind und keine anderen Anzeichen von Unterkühlung zeigen, sollten von der nassen Kleidung befreit, trocken eingepackt und in eine warme Umgebung gebracht werden. Sie sollen Bewegung vermeiden, bis sie völlig wiederhergestellt sind. Alle anderen Opfer sollen hingelegt werden, bewegungslos gehalten und eingepackt werden während man den Transport ins Krankenhaus zu eine vollständigen Untersuchung erwartet.

5   Zusammenfassung - Checkliste für das Überleben in kaltem Wasser

· Unternimm an erster Stelle alles, damit du nicht ins Wasser fällst.

· Übe alle relevanten Techniken.

· Lerne, wie das Eintauchen in kaltes Wasser die körperlichen und geistigen Fähigkeiten beeinflusst.

· Steige nicht ins Boot, wenn du krank, müde, hungrig, durstig bist oder unter dem Einfluss von Alkohol oder Drogen stehst.

· Ziehe dich passend an. Ziehe in Betracht, eine Rettungsweste anzulegen.

· Prüfe die Umstände jeder Ausfahrt sorgfältig, um deine eigene Rettung zu planen und sei darauf vorbereitet, Vereinbarungen entsprechend anzupassen oder die Ausfahrt abzusagen, wenn die Gefahr zu groß ist.

· Vermeide, alleine oder ohne Sicherung zu fahren.

· Wenn du ins Wasser gezwungen wirst, versuche die Lage des Eintreffens zu kontrollieren um zu vermeiden, dass du Wasser in Nase oder Rachen bekommst.

· Konzentriere dich während des Kälteschocks auf das bewusste Atmen und darauf, Mund und Nase aus dem Wasser zu halten.

· Halte dich an irgendwas fest und versuche deinen Rumpf so weit wie möglich aus dem Wasser zu bekommen.

· Bedecke deinen Kopf

· Nimm dir die Zeit, in den gegebenen Umständen den besten Weg zur Rettung zu durchdenken.

· Drehe deinen Rücken zu den Wellen.

· Wenn du eine Rettungsweste trägst, versuche durch geeignete Haltung den Wärmeverlust zu minimieren.

· Halte so still wie möglich. Vermeide unnötige Manöver.

· Schwimme nur als letzten Ausweg und versuche irgendwas als Rettungsfloß zu benutzen.

· Wenn sie aus dem Wasser raus sind, sollen sich von der Kälte angegriffene Opfer hinlegen, eingepackt werden und sich bewegungslos verhalten, während man den Transport ins Krankenhaus erwartet.

6   Einfach zu merkende Schlüsselbotschaften

Bleibe am Leben! Halte dich aus kaltem Wasser raus!

Kaltes Wasser tötet! Bevor du rausfährst, überlege, wie du aus dem Wasser kommst!

Halte dich an irgendwas fest! Ziehe dich auf irgendwas rauf! Halte still, schwimme nicht!

Halte dein Gesicht aus dem Wasser! Drehe deinen Rücken zu den Wellen!

In kaltem Wasser geht nichts wie gewohnt! Du kannst nicht schwimmen, wenn du kalt und steif bist!

Du kannst nicht mit starren Händen greifen!


Nützliche Webseiten und Referenzen

Transport Canada : Document TP 13822E. Survival in Cold Waters - (http://www.tc.gc.ca/eng/marinesafety/tp-tp13822-menu-610.htm)

United States Search and Rescue Task Force. Cold Water Survival - (http://www.ussartf.org/cold_water_survival.htm)

Washington State Parks and Recreational Commission Boating Programs. Hypothermia and Cold Water Survival - (http://www.boatwashington.com/safety)