Rüsselsheimer Ruder-Klub 08 "Archiv und Chronik"

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DRV-Präsident Siegfried Kaidel über die Pläne  
zur Entwicklung des Rudersports  
im internationalen Rennrudern durch FISA und IOC!  

 

 

 

 

 

"Rudern ist attraktiv"

SIEGFRIED KAIDEL ‒ DRV-Präsident spricht über die Reform-Pläne des IOC, die Zentralisierung der Kader und die Zukunft der "Leichtgewichte"

Das Interview führte Volker Buch (aus "Main-Spitze" vom 31. März 2016)

Im olympischen Rudersport werden aktuell Änderungen diskutiert. Im Interview mit dieser Zeitung spricht DRV-Präsident Siegfried Kaidel über das Olympia-Jahr, die Pläne des Weltverbandes Fisa und des IOC für Olympia, das Leichtgewichtsrudern und über die Konzentration der Kräfte im deutschen Spitzensport.


Herr Kaidel, wir haben ein Olympia-Jahr. Ist der DRV dafür gut aufgestellt?

Wir sind auf einem guten Weg. Wir haben ja noch einige Nachqualifikationen und neun bereits gelöste Olympia-Tickets. Jetzt kommt es drauf an, wie sich die Saison anlässt. Die Karten werden neu gemischt. Die Weltspitze ist so eng zusammengerückt, dass es sehr schwierig ist zu sagen, wie es heuer aussieht.

Jetzt gibt es beim Weltverband Fisa Überlegungen, das Programm zu verschlanken. So steht der Leichtgewichts-Vierer auf der Kippe. Wie sieht das der DRV?

Es gibt fünf Varianten, die diskutiert werden. Eine davon ist, dass der leichte Vierer raus geht, der schwere Frauen-Vierer dafür rein, weil die oberste Priorität beim IOC die Forderung ist, künftig in einer Sportart 50 Prozent Männer und 50 Prozent Frauen zu haben. Es gibt aber auch die Variante, den leichten Frauen- und Männer-Einer aufzunehmen. Die Fisa hätte dann gleich 60 Nationen in der Breite. Und es ist die zweite Forderung, dass mehr Nationen in einer Sportart erscheinen. Und das IOC hinterfragt, warum es im Rudern Leichtgewichte gibt. Es ist die einzige Sportart – außer den Kampfsportarten –, die Leichtgewichte hat. Aber ohne das Leichtgewichtsrudern würde man die erhoffte Zahl an Nationen nicht schaffen. Wir sind da in einer schwierigen Diskussion. Unsere Einstellung für Deutschland ist, dass wir die Leichtgewichte beibehalten wollen. Ich bin auch optimistisch, dass es Leichtgewichtsrudern weiter geben wird. Die Frage ist nur, in welchen Bootsklassen.

Derzeit gibt es 14 olympische Bootsklassen. Im Strategiepapier der Fisa ist aber nur noch von acht bis zehn die Rede. Was steckt dahinter?

Einige große Ruder-Nationen wie Großbritannien oder Deutschland hatten in der Vergangenheit alle 14 Bootsklassen nominiert. Jetzt kommen die kleineren Nationen und sagen, wir können niemals 14 Bootsklassen stellen. Also brauchen wir Chancen in den kleineren Booten. Eine Beschränkung der großen Nationen würde bedeuten, dass Qualifikationsplätze anderweitig vergeben werden können und sich damit die Chancen für die kleineren Nationen erhöhen. Wir hoffen aber, dass dies nicht passiert, denn es würde dem DRV vielleicht schaden. Die großen Nationen hätten einen Nachteil, sie müssten nämlich dann entscheiden, welche Bootsklassen sie nicht besetzen.

Rudern ist eine olympische Kernsportart, das schützt aber nicht vor Veränderungsdruck. Stichwort Eventcharakter. Muss die Ruderszene umdenken und neue Wettbewerbe schaffen? Gibt es dahingehende Überlegungen, etwa in Richtung von Sprintrennen über 500 Meter?

Da muss ich widersprechen. Rudern ist bei Olympia eine der meistgesehenen Sportarten mit hohen Einschaltquoten. Das bedeutet, dass wir nicht unattraktiv sind, auch mit den jetzigen Streckenlängen. Das kann man im Fernsehen wunderbar verfolgen. Richtig ist, dass immer wieder die Diskussion losgeht, ob die Kurzstrecke attraktiv ist. Doch die würde dem Rudern eigentlich entgegensprechen. Was heiß schon Eventcharakter? Ich glaube nicht, dass deswegen mehr Leute zuschauen würden. Allerdings diskutiert man darüber, ob Küsten-Rudern olympisch wird, als Teil der 14 Bootsklassen, was aber noch nicht spruchreif ist. Es könnte ein Thema werden und ist einer von den fünf Vorschlägen, die ich eingangs erwähnt hatte. Das IOC hinterfragt auch die 2000-Meter-Strecke. Muss man die neu bauen, ist es ja nicht gerade günstig. Insgesamt ist meine Überzeugung, dass Rudern attraktiv ist. Richtig finde ich allerdings, dass einmal alles hinterfragt wird. Dem müssen wir uns stellen und über alles diskutieren, was auf uns zukommt und für was wir kämpfen wollen.

Ab wann kämen Änderungen zum Tragen?

Die Beschlüsse können – was das Rudern betrifft – erst im Februar 2017 in Tokio fallen. Dann stehen die Vorschläge der Fisa fest. Danach geht es zum IOC, und dort wird im Sommer entschieden, was gemacht wird. Die Fisa-Vorschläge müssen nicht akzeptiert werden. Letztlich entscheidet allein das IOC.

 

Vier Achter im harten Endkampf der Männerachter bei der Weltmeisterschaft 2015 auf dem Lac d'Aiguebelette in Frankreich: Gold (2. von vorn) für den Titelverteidiger Großbritannien in 5:36,18, Silber (vorn) für den "Deutschlandachter" in 5:36,36, Bronze (3. von vorn) für die Niederlande in 5:38,09 und der vierte Platz (4. von vorn) für Neuseeland in 5:38,22  

Wann würde das umgesetzt?

Bei den Olympischen Spielen 2020 in Tokio. Was auf jeden Fall kommt, ist die 50:50-Regelung. Da führt auch kein Weg daran vorbei. Was für Europa ein generelles Problem ist, weil Frauen-Rudern in Europa nicht den Umfang hat wie beispielsweise in den USA. Da müssen wir schnellstmöglich viele gute Ruderinnen finden.

Stichwort neue Strukturen. Der DOSB will am 19. Oktober vorstellen, wie er seinen Leistungssport neu aufstellen möchte. Was macht der DRV, um dort mitzugestalten?

Wir haben das große Glück, mit Mario Woldt (DRV-Sportdirektor, die Red.) einen in den Arbeitsgruppen sitzen zu haben. Und ich bin im Steuerungsgremium, das im Endeffekt über die Vorschläge befindet. Deadline für uns ist der September. Wir haben Anfang Juli eine Sitzung, bei der uns die konkreten Vorschläge vorgelegt werden. Im Moment ist noch nichts in Stein gemeißelt. Im September gibt es dann eine zweite Runde, und dann soll es entschieden sein.

Es steht im Raum, dass im Zusammenhang mit der Reform über 100 Bundesstützpunkte geschlossen werden, zwecks Konzentration der Kräfte. Was hat es damit auf sich?

Über alle Sportarten hinweg gibt es rund 250 Stützpunkte. Und die sollen reduziert werden auf 150. Einen kleinen Puffer nach oben gibt es zwar noch, aber für alle Sportarten gilt, es wird etwas gestrichen. Das ist ziemlich sicher.

Was ist mit dem Ruderstützpunkt Mainz/Frankfurt mit 54 Kaderathleten. Steht er zur Diskussion?

Nein. Hier wird enorm viel geleistet, gerade auch in der Nachwuchsarbeit. Das ist ein Stützpunkt der oberen Kategorie. Und der steht außer Frage und wurde zu keinem Zeitpunkt als Streichpotenzial erwähnt.

Wenn der DOSB die Stützpunkte konzentriert, würde das für die Sportler bedeuten, sich bewegen zu müssen. Weg von ihren Heim-, hin zu Bundestrainern. Dagegen gibt es Strömungen aus der Sportwissenschaft, die besagen, dass die Zentralisierung der Kader nicht optimal ist, weil dem Individuum nicht Rechnung getragen würde. Athleten-/Trainerbindung statt Konzentration der Kräfte. Was sagt der DRV-Präsident dazu?

Es gibt ein positives Beispiel einer totalen Konzentration. Das ist Neuseeland, momentan die erfolgreichste Nation. Das spricht eigentlich für Zentralisierung. Wir müssen die Kräfte Richtung Olympia zusammenführen. Diese Zentralisierung ist auf früher vier, jetzt drei so genannte Leitstützpunkte konzentriert. Die Trainerbindung wollen wir ja auch. Nehmen Sie aber mal den Achter, wenn ich da acht Vereine drinsitzen habe, kann ich keine acht Vereinstrainer einbeziehen, das funktioniert nicht. Bei einem Doppelzweier mit Moritz Moos und Jason Osborne (Mainzer RV, die Red.) muss es eine enge Trainerbindung geben. Trotzdem müssen wir als DRV sagen, wir brauchen das schnellste Boot, um bei Olympia bestehen zu können. Das ist unser Anspruch. Deshalb kann es mit der Trainerbindung maximal in Kleinbooten funktionieren, aber nie in Großbooten.

Ist denn zu befürchten, dass ein Spitzenruderer, der zu Olympia oder zur WM will, entweder in Dortmund, Berlin oder Hamburg leben und trainieren muss?

Das System haben wir ja schon die letzten dreieinhalb Jahre. Wenn wir konzentriert arbeiten wollen, müssen die Sportler auch zusammen trainieren, um das Maximale herauszuholen. Also müssen wir bestimmen, welche Bootsklassen wo für Olympia gebildet werden. Und dann empfehlen wir, sich dorthin zu orientieren. Aber es wird nicht konsequent durchgezogen. Und das ist hemmend, weil man zu jeder Maßnahme anreisen muss. Was wir nicht wollen, sind Vereinswechsel. Aber um die Konzentration kommen wir nicht herum.