Vereinsgeschichte im Dokument
Zum Jubiläum des RRK Chronik von
Wilfried Hoffmann
Aus "Rüsselsheimer Echo" vom 15.11.1983
(he). Dass der Rüsselsheimer
Ruder-Klub (RRK) Sportgeschichte gemacht hat, ist nicht nur in der Opelstadt,
sondern auch in ganz Deutschland schon lange kein Geheimnis mehr. Zu vielfältig,
zu zahlreich sind die Erfolge des bekannten Vereins, der vor 1942 noch sozusagen
in doppelter Ausführung bestand. Erst drei Jahre vor Ende des Zweiten
Weltkrieges schlossen sich der "Ruderverein Rüsselsheim" (1908 bis 1942) und die
"Rudergesellschaft Undine Rüsselsheim" (1910 bis 1914 und 1919 bis 1942) zum
heute legendären RRK zusammen.
So endlos die Siegesliste im jetzt
fünfundsiebzigjährigen Leben des RRK, so schwierig ist es auch, einen klaren
Überblick über die unzähligen Wettkämpfe und Erinnerungen zu behalten. Vor
lauter Bäumen laufen die RRK-Anhänger Gefahr, den Wald nicht mehr zu sehen.
Dieses Sprichwort trifft in übertragenem Sinn ziemlich gut auf den Rüsselsheimer
Ruder-Klub zu. Doch das soll jetzt anders werden.
Aus Anlass des fünfundsiebzigjährigen
Bestehens hat der RRK vor wenigen Tagen eine chronologische Darstellung seiner
Geschichte veröffentlicht, die in Wort, Bild und Statistik einen detaillierten
Ausflug in die vergangenen, aber prägenden Anfänge ebenso erlaubt wie das
Zurückblättern in die Geschehnisse des gerade zur Neige gehenden Jahres. Über
270 Seiten stark ist die Chronik, die "geboren wurde, um die Geschichte unseres
Klubs zu ordnen und den Mitgliedern und Freunden des RRK eine umfangreiche
Dokumentation in die Hand zu geben", wie RRK-Vorsitzender Dr. Dietmar Klausen
formuliert. Das Buch solle in gleicher Weise sowohl die Gedanken seiner Leser
mit der aus der Vergangenheit entstandenen Gegenwart verhaften, als auch mit
seiner heutigen Bestandsaufnahme den Blick auf zukünftige Aufgaben und
Möglichkeiten richten.
Ein Mann hat sich in den Kreisen des
Ruder-Klubs besonders für die Verwirklichung der Chronik eingesetzt:
Vorstandsmitglied Wilfried Hoffmann, der die umfangreichen redaktionellen
Arbeiten in Angriff nahm. Die geschichtliche Dokumentation ist − leger
ausgedrückt − sein "Baby". Gedruckt von der Druckerei Ernst Meeser, ist die
Hochglanzschrift mit ihren vielen Schwarzweißfotos ein gefundenes Fressen vor
allem für die etwas älteren Freunde des RRK. Aber auch der Nachwuchs kann sich
durch die historische Zusammenstellung ein einigermaßen gutes Bild davon machen,
wie einst Opa oder Papa in ihren Ruderbooten den Main (oder andere Flüsse) rauf-
und runtergerauscht sind. Natürlich kommt neben dem Rudern auch die zweite
erfolgreiche Sportart des Klubs, das Hockey, nicht zu kurz. Etliche Fotos,
Zeitungsausschnitte, Tabellen und Berichte lassen den Werdegang des
Hockey-Sports ebenso transparent werden wie den des Ruderns. All jene, die die
Dokumentation vollständig besitzen möchten, können sie bei allen
Vorstandsmitgliedern des RRK erwerben.
Aus der Chronik "75
Jahre RRK"
Das Bootshaus des
"Rudervereins Rüsselsheim" im Jahr 1930.
Dieser Verein hat sich im Jahr 1942 mit der "Rudergesellschaft Undine 1919
Rüsselsheim" zum "Rüsselsheimer Ruder-Klub 08" vereinigt. |
Das Bootshaus des
"Rüsselsheimer Ruder-Klubs 08" vor dem geplanten Umbau Mitte der 60er
Jahre |
Die lange Geschichte
des Rüsselsheimer Rudersports
Aus der Chronik des
Rüsselsheimer Ruder-Klubs − Eine Dokumentation zum RRK-Jubiläum ist erschienen
Aus "Rüsselsheimer
Echo" vom 3. August 1984
(he). Die lange Erfolgsliste des
Rüsselsheimer Ruder-Klubs (RRK) nimmt kein Ende. Erst kürzlich wieder konnten
die aktiven Sportler und Sportlerinnen des bekannten Vereins wieder mit guten
Platzierungen und erstklassigen Leistungen auf sich aufmerksam machen. Bei der
deutschen Meisterschaft in Ratzeburg erreichte der RRK einige Positionen unter
den ersten drei; beim Eichkranzrennen in Salzgitter gab es sogar mehrere erste
Plätze − so für den
Frauen-Doppelvierer mit Steuerfrau, für den Frauen-Doppelzweier und für den
Vierer ohne Steuermann der Männer.
Doch diese Erfolge sind nur die
Spitze des Eisbergs der langen Geschichte des RRK. Aus Anlass des
fünfundsiebzigjährigen Jubiläums des Klubs legten die Organisatoren des
Ruderklubs im letzten Jahr eine Chronik auf, die
− auf Hochglanzpapier und
mit vielen Schwarzweißfotos ausgestattet
− in detaillierter und
übersichtlicher Form die bisherigen Hochleistungen der Rüsselsheimer Aktiven
zusammenfasst. Von den 1.000 Exemplaren der Dokumentation sind etliche verkauft.
Ein Großteil der Auflage kann weiterhin bei folgenden Mitgliedern des Klubs
(kartoniert für 30 Mark, in Leinen für 50 Mark) erworben werden: Günter Schmitt,
Weinbergstraße 39, Telefon 65352; Wilfried Hoffmann, Kürbisstraße 65, Telefon
63215; Karl-Heinz Wagner, An den Fichten 10, Telefon 42937; Klaus Kraft,
Marktstraße 38, Telefon 62232, und Sigurd Traiser, Keplerring 7, Telefon 51212.
Wir veröffentlichen die
wesentlichen Teile aus der Chronik:
Mitten in den Wirren des Zweiten
Weltkriegs fällt eine Entscheidung, die für die sportliche Profilierung
Rüsselsheims in der Nachkriegszeit sehr ausschlaggebend sein sollte: der
Startschuss zum Bestehen des Rüsselsheimer Ruder-Klubs (RRK), der am 25. April
1942 von Mitgliedern des Rudervereins Rüsselsheim 1908 und der Rudergesellschaft
Undine 1919 Rüsselsheim aus der Taufe gehoben wird. Beide Vereine schließen sich
an jenem denkwürdigen Tag zum Rüsselsheimer Ruder-Klub 08 zusammen. Joseph
Grass, der stellvertretende Vorsitzende des RVR, betont bei der Versammlung, die
aktiven Sportler beider Vereine hätten sich bereits Jahre zuvor aus sportlichen
Gründen zusammengefunden und auch schon gemeinsam in einem Boot gesessen. Aus
der spontanen Renngemeinschaft wird 1942 dann eine feste Rudergemeinschaft.
Der Zusammenschluss beider Vereine
findet übrigens nicht am grünen Tisch statt, sondern beim Sport selbst und wird
einstimmig beschlossen. Als Vereinsführer wird ebenso einstimmig Georg von Opel
gewählt, der folgende Aktive zu seinen Mitarbeitern im Vorstand bestimmt: Joseph
Grass und Karl Müller als Stellvertreter, Hans Mietzschke als Dietwart, Hilde
Kirchmann als Schriftwart, Oscar Schlieben und Otto Hauck als Kassenwarte sowie
Fritz Brumme (Trainer), Josef Müller (Frauen-Ruderwart) und Karl Steinmann
(Jugend-Ruderwart).
Der Tag des Rudersports am 26. April
1942 ist für die Rüsselsheimer Ruderer von ganz besonderer Bedeutung, da er die
Feierlichkeiten zur festen Kooperation zwischen Rudergesellschaft Undine und
Ruderverein Rüsselsheim markiert. Am gleichen Tag verpflichten sich dreizehn
Jungruderer durch Handschlag gegenüber Vereinsführer Georg von Opel und Trainer
Fritz Brumme zu strengem Training, das auch schon bald zu Erfolgen führt. Den
ersten Start für den RRK auf einer Regatta wagt Karl Saar am 14. Juni 1942 bei
der Mannheimer Regatta, wo er im Senioren-Einer den zweiten Platz "einrudert".
Den ersten Sieg unter dem Banner des RRK holen wenig später die Jungruderer
Walter Gentzsch, Wilfried Seipp, Eugen Schäfer, Rolf Sittmann und Steuermann
Reinhold Brumme im Leichtgewichts-Jugendvierer bei der Mainzer Regatta. Das
erste Achterrennen kann schließlich acht Tage danach auf der 51. Frankfurter
Regatta gegen starke Konkurrenz gewonnen werden.
Eine Schlüsselfigur für den RRK
war Trainer Fritz Brumme, der hier − im Jahr 1947
−
die Aktiven unterweist. Kurt Gechter, Helmut Streck, Michael Schollmayer,
Werner Messerschmidt, Georg Hofmann, Rolf Sittmann und Paul Messerschmidt
(von links) folgen interessiert den Hinweisen ihres Trainers (zweiter von
links). |
Bei den Deutschen Jugendwettkämpfen
in Berlin vom 13. bis 19. September erkämpfen sich die RRK-Jungruderer im
leichten Vierer die Deutsche Meisterschaft. Wer damals dabei war, kann sich
leicht an den grenzenlosen Jubel der Rüsselsheimer erinnern: "Der erste
Titelkampf ist entschieden. Es war der im Leichten Vierer. Die sechs im Endlauf
stehenden Boote lieferten sich einen unerhört fesselnden Strecken- und
mitreißenden Schlusskampf, der so geschlossen war, dass im Ziel der Abstand vom
siegenden zu dem das Feld beendenden sechsten Boot kaum eine Bootslänge betrug.
Trotz der Härte des Kampfs büßten die Rüsselsheimer Ruderer nichts von ihrer
guten Form ein", so schreibt damals eine Fachzeitschrift, die auch der
gründlichen Ausbildung durch Fritz Brumme Respekt zollt.
Bereits 1943 kann der RRK auf 306
Mitglieder stolz sein. Gesellschaftliche Veranstaltungen müssen die Ruderer
jedoch erst einmal vergessen, denn eine Einheit der Luftwaffe belegt das
Bootshaus und richtet hier ein Notrevier. Völlig, klar, dass die Aktiven sich
nicht auf den Erfolgen vom vorhergehenden Jahr ausruhen wollen: sie beginnen
frühzeitig mit dem Training und besuchen zunächst Regatten in Heilbronn und
Mannheim. Auf der Rückreise von Mannheim spricht Fritz Brumme mit dem
Vorsitzenden des Flörsheimer Rudervereins eine Renngemeinschaft ab, die auch
prompt für große Überraschungen sorgt und einige Siegtrophäen erkämpfen kann.
Die Deutschen Jugendmeisterschaften
in Wien vom 9. bis 12. September bringen den Höhepunkt. Die Mannschaft mit
Alfred Buch, Karl Breckheimer, Herbert Missler, Peter Messerschmitt und
Steuermann Reinhold Brumme erringt im leichten Vierer gegen 15 Gegner den Titel
eines Deutschen Jugendmeisters. Im schweren Jugendachter kann der RRK die
Vizemeisterschaft erkämpfen. Insgesamt freuen sich die RRK-Aktiven im Jahr 1943
über zehn gewonnene Vierer- und sieben gewonnene Achterrennen.
Auch die Hockeyabteilung macht von
sich reden. Unter der Leitung von Karl und Josef Saar schickt sie vier
Mannschaften in Wettkämpfe. Während die Herrenmannschaft immer wieder mit
Aufstellungsschwierigkeiten zu tun hat, kann die Damenmannschaft, die erstmals
an einer Meisterschaftsrunde teilnimmt, schöne Erfolge mit nach Hause bringen.
1944 wird die Ausbildung der Ruderer,
die nunmehr fast alle zur Wehrmacht eingezogen sind, und der Besuch der Regatten
durch fehlende Transportmittel immer schwieriger. Dennoch bringt auch dieses
Jahr noch Erfolge für den RRK. So können die Mädchen des Vereins beim "Blauen
Band vom Rhein" in Bingen ein Doppelvierer-Rennen und das Stilrudern erfolgreich
beenden.
Im August findet die Rudertätigkeit
ein jähres Ende. Bei einem Luftangriff auf Rüsselsheim in der Nacht vom 12. auf
den 13. August wird die Bootshalle durch Brandbomben jäh zerstört. Innerhalb
einer Viertelstunde ist die ganze Einrichtung (24 Ruderboote, 1 Segelboot, 1
Motorboot und 5 Paddelboote) durch das Feuer vernichtet. Das Gesellschaftshaus
kann jedoch durch schnelles Eingreifen von Mitgliedern mit Hilfe der im Hause
einquartierten Soldaten des Bauzugs 5 und der Rüsselsheimer Feuerwehr bis auf
einen Dachstuhlbrand glücklich gerettet werden.
Am 25. März 1945 besetzen
amerikanische Truppen das Bootshaus und bauen Teile der ehemaligen Bootshalle
wieder auf. Mitglieder dürfen das Haus aber nicht betreten. Schlimmer noch: Im
Mai untersagt die amerikanische Militärregierung durch das Gesetz Nr. 52 die
Ausübung jeglichen Sports und beschlagnahmt das gesamte Vermögen der
Sportvereine. Damit sind die Sportvereine
− und somit auch der RRK
− aufgelöst. Durch die
Verordnung Nr. 23 des Berliner Kontrollrats werden im Dezember alle
militärischen Organisationen verboten. Sportvereinigungen mit örtlich begrenztem
Charakter sind ab sofort wieder erlaubt.
Die Neugründung des Rüsselsheimer
Ruder-Klubs 08 erfolgt am 8. April 1946 durch Einladung des ehemaligen
RRK-Vorstandes im Stadtcafe unter den Augen von 109 ehemaligen Mitgliedern. Dem
neuen Vorstand gehören Joseph Grass (erster Vorsitzender), Karl Müller
(Stellvertreter) und andere Mitglieder an. Ehemalige NSDAP-Angehörige dürfen ein
Amt innerhalb des Vorstandes nicht bekleiden. Mit Schreiben vom 15. August teilt
das Landratsamt Groß-Gerau mit, die Ausübung der Sportarten Rudern, Kanu und
Hockey innerhalb des RRK sei wieder erlaubt. Der RRK ist damit in dieser
schweren Zeit ein Ruderverein ohne Boote und Bootshaus. Die wenigen verbliebenen
Aktiven absolvieren als Gäste beim Flörsheimer Ruderverein und bei "Nassovia"
Höchst ein gelegentliches Training. Insgesamt erringt der RRK 1946 sechs
Rennsiege. Die Hockeyabteilung entwickelt sich hingegen prächtig: Die
Herrenmannschaft gewinnt die Hockey-Meisterschaft von Hessen
− ein Riesenerfolg. Da
das Bootshaus noch von der Besatzungsmacht beschlagnahmt ist, wird das Gasthaus
"Zum Löwen" zum Vereinslokal gewählt.
1947 steht der Bau einer neuen
Bootshalle im Vordergrund. Nachdem der Plan zur Beschaffung einer Holzhalle
fehlschlägt, bemüht sich Vorsitzender Joseph Grass um einen geeigneten Bauplatz
und findet diesen am Nordostrand des Bootshausgeländes. Ein Baugesuch an die
Stadt Rüsselsheim wird von Bürgermeister Ludwig Dörfler dem Magistrat
wohlwollend vorgeschlagen und auch genehmigt, allerdings unter der Bedingung,
dass die Halle in Selbsthilfe erstellt wird. Auch die Besatzungsmacht gibt ihre
Zustimmung. Der erste Spatenstich erfolgt am 9. August 1947, so dass die
Erstellung des Fundaments und das Aufstellen der Wände bis zum Eintritt der
kalten Jahreszeit beendet ist.
Bis zum Frühjahr 1949
ist der Bau der neuen Bootshalle unterhalb des RRK-Geländes so
weit gediehen, dass sie am 24. April anlässlich des Anruderns offiziell
eingeweiht werden kann. Mit finanzieller Unterstützung der Stadt Rüsselsheim
kann vorher noch eine neue Anlegepritsche beschafft werden. Gleichzeitig werden
durch Landrat Harth die ersten Boote getauft.
Obwohl bis zu diesem Augenblick im
Jahre 1949 schon wieder etliche Erfolge vom RRK erzielt werden
können, hat sich der Verein nunmehr erst eine richtige Basis für die
zukünftige Arbeit geschaffen. Die lange Siegesliste, die sowohl im Rudern als
auch im Hockey in den fünfziger, sechziger und siebziger Jahren bis zum heutigen
Tag folgen sollte, ist längst Sportgeschichte.