Rüsselsheimer Ruder-Klub 08 "Archiv und Chronik"

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Susanne Müller

Der Stein, der da vom Herzen fiel, verursachte einen lauten Aufprall

Susanne Müller löste in letzter Sekunde Olympiaticket / "Ein echter Wahnsinn"

Von Stephen Lämmerhirt (aus "Main-Spitze" vom 13.07.1992)

 

Der Aufprall war deutlich zu hören. Der Stein, der da vom Herzen fiel, ließ auch ihr strahlendes Lächeln wiederkehren, das im Vorfeld der Olympia-Nominierung nur noch selten leuchtete. Die Erleichterung stand Susanne Müller (Rüsselsheimer Ruder-Klub) nun deutlich im Gesicht geschrieben. Der Druck zuvor war enorm, die Leistungen in der Bundesliga denn auch eher durchwachsen. Erst am letzten Doppelspieltag vor der Sommerpause - ausgerechnet vor dem entscheidenden Auswahllehrgang - meldete sie sich stark verbessert zurück. "Ich musste mir einfach selbst beweisen, dass mir ein Platz im Kader zusteht, weil ich ja wirklich gut spielen und Akzente setzen kann", erklärte sie ihre plötzliche Steigerung.

Und dennoch hatte der "Nominierungsstress" an den Nerven gezerrt. "Wenn ich in Barcelona nicht dabei gewesen wäre, wäre ich wahrscheinlich gar nicht zum Interview erschienen", atmete sie nun erleichtert auf. Entgegen seinen Ankündigungen benannte Bundestrainer Rüdiger Hänel das 16köpfige Damen-Aufgebot des Deutschen Hockey-Bundes schon eine Woche früher. Seine Spielerinnen werden es ihm gedankt haben. Hänel hatte nach der BMW-Trophy in den Niederlanden Susanne Müllers Berufung noch einmal zur Disposition gestellt. Doch in den folgenden Lehrgängen und Test-Länderspielen fielen die Würfel noch zugunsten der 20jährigen.

Nun aber herrscht unumschränkt die Vorfreude auf das große Ereignis, wie bei den anderen vier Spielerinnen des Ruder-Klubs auch. Denn für sie alle sind es die ersten olympischen Spiele ihrer Laufbahn. "Es ist ein echter Wahnsinn", lautete daher der knappe Kommentar von Susanne Müller. Die Ungewissheit über die Dinge, die auf sie zukommen, macht denn auch den besonderen Reiz aus.

Ihr Länderspieldebüt im A-Kader feierte Susanne Müller bei der Champions-Trophy in Berlin 1991. Mittlerweile hat es die künftige Auszubildende der Krankengymnastik auf 17 Auswahlbegegnungen gebracht. Einziger Wermutstropfen dieser Statistik ist der Umstand, dass sie sich bislang keinen Stammplatz erobern konnte. Doch blickt sie zuversichtlich in die Zukunft: "Ich stehe erst am Anfang meiner internationalen Karriere und ich denke, dass ich nach Barcelona weitere Gelegenheit erhalte, mir einen festen Platz zu erspielen."

Zunächst heißt es aber auf der Ersatzbank Platz nehmen und auf das Zeichen des Trainers warten, welches die Einwechselung ankündigt. Doch auch in diesem Punkt ist der blauäugige Blondschopf optimistisch: "Rüdiger wird mich mit Sicherheit das eine oder andere Mal einwechseln." Die Rolle als Reservistin bedeutet für sie auch, dass sie keine feste Position spielt, wie das mittlerweile beim RRK der Fall ist. Heimtrainer Berti Rauth hat ihre Talente auf der rechten Deckungsseite und ihre gefährlichen Vorstöße in die gegnerische Hälfte längst schätzen gelernt. "Ich fühle mich sehr wohl auf dieser Position. Doch alles spielen zu müssen, wie in der Nationalmannschaft, ist auch nicht schlecht ‒ eben öfter einmal was Neues", bleibt Susanne Müller gelassen.

Ihre ersten Gehversuche in Sachen Hockey machte sie indes nicht in Rüsselsheim. Mit acht Lenzen schloss sie sich dem THC Hanau an, bei dem sie als aktive Spielerin zur tragenden Persönlichkeit heranwuchs. In der Hallensaison 1991/92 bewog sie der gute Ruf von Coach Berti Rauth zum Wechsel nach Rüsselsheim. Doch traf Susanne Müller das Verletzungspech. Von einem Ball im Gesicht getroffen, folgte eine achtwöchige Pause.

Seit Beginn der Feldsaison 1992 zählt sie aber zu den festen Größen beim zweifachen deutschen Hallenmeister. "Klar hatte ich am Anfang Anpassungsprobleme. Schließlich war in Hanau das Spiel völlig auf mich zugeschnitten. Und nun stand ich in einer Mannschaft mit vier Nationalspielerinnen. Und Britta und Eva sind sicherlich dominante Persönlichkeiten. Doch der Wechsel hat sich in allen Belangen gelohnt", ist sie überzeugt. Und das ist unzweifelhaft, folgte doch nun der Sprung zu den olympischen Spielen. Ebenso unzweifelhaft stellt der flinke, technisch versierte Wirbelwind auch eine Bereicherung des Rüsselsheimer Teams dar.


Mehr als eine halbe Hockey-Mannschaft aus Rüsselsheim in Barcelona

Von Britta Becker über Tanja Dickenscheid, Eva Hagenbäumer, Susanne Müller, Bianca Weiß und Anke Wild bis Christopher Reitz

Von Ulrich Weber und Hans-Jürgen Kalweit (aus "Darmstädter Echo" vom 28.07.1992)

Rüsselsheim im olympischen Fieber ‒ nicht überraschend, denn nur wenige deutsche Städte sind mit so vielen Sportlern in Barcelona vertreten. Verantwortlich dafür sind neben dem Judoclub vor allem die Hockeyspieler vom Ruder-Klub, aus dem sich ‒ rechnet man die nach Berlin gewechselte Anke Wild hinzu ‒ gleich sechs Nationalspielerinnen rekrutieren. Mit Christopher Reitz wurde zudem auch ein Mitglied aus dem RRK-Herrenteam für die Olympia-Auswahl des Deutschen Hockey-Bundes (DHB) nominiert.

Deutsche Damen-Hockey-Nationalmannschaft, Silbermedaille Olympische Spiele 1992 in Barcelona (Susanne Wollschläger, Caren Jungjohann, Tina Peters, Britta Becker, Katrin Kauschke, Eva Hagenbäumer, Bianca Weiß, Nadine Ernsting-Krienke, Heike Lätzsch, Anke Wild, Irina Kuhnt, Susanne Müller, Simone Thomaschinski, Tanja Dickenscheid, Franziska Hentschel, Christine Ferneck)

Britta Becker ist gerade 19 Jahre alt geworden und erfüllt doch schon eine zentrale Rolle in der Nationalmannschaft. Experten rühmen die Abiturientin, die bereits mit 16 ihr Debüt gab und es mittlerweile auf 70 Länderspiele gebracht hat, als eine der technisch besten Spielerinnen der Welt. Dass sie Begegnungen allein entscheiden kann, hat sich herumgesprochen: Nicht selten hat sie es mit gleich zwei direkten Gegenspielerinnen zu tun. Was Britta Becker weniger mag: Den stetig größer werdenden Rummel um ihre Person. Die blendende Technikerin will kein Star sein ‒ und sie kann nicht verlieren: "Es ärgert mich, wenn Leute fünf Minuten nach einer Niederlage schon wieder lachen."

Tanja Dickenscheid gilt als "Arbeitsbiene" im Nationalteam: Bundestrainer Rüdiger Hänel schätzt an ihrer Spielweise vor allem Laufstärke und Athletik. Die 23 Jahre alte Biologiestudentin, die aus dem rheinhessischen Gau-Algesheim stammt, agiert im Mittelfeld und ist taktisch vielfältig einsetzbar ‒ auch dann, wenn es gilt, eine gegnerische Spielmacherin auszuschalten. 64 Länderspiele hat Tanja Dickenscheid absolviert - und es scheint sicher, dass sie auch in Barcelona eine tragende Rolle spielt. Das einzige, was sie bedrückt: Sie hätte gerne ihren Freund Eric Zymna, Judoka beim JC Rüsselsheim, im Olympischen Dorf an ihrer Seite gehabt. Doch der verpasste die Nominierung knapp.

Eva Hagenbäumer bekennt: "Ich will in Barcelona spielen." Die 25 Jahre alte Krankengymnastin, eng befreundet mit dem Rüsselsheimer Hockeykollegen Fritz Schmidt junior, hat derzeit keinen Stammplatz in der ersten Formation. Bundestrainer Hänel bevorzugt andere Spielerinnen in der Innenverteidiger-Position. Aber Eva Hagenbäumer hat gelernt zu kämpfen und will durch gute Trainingsleistungen zurück in die erste Elf. Ihr Nachteil in der Vorbereitung war, dass sie mehr Wert auf ihre berufliche Ausbildung gelegt hatte und daher den Sport ein wenig in den Hintergrund gerückt hat. "Mein Spiel lebt mehr vom Kämpferischen als vom Technischen", meint sie. Sie wird den Kampf um einen Stammplatz aufnehmen. Barcelona ist für sie Höhepunkt ihrer internationalen Sportkarriere.

Was danach kommt? Auf jeden Fall weiter Hockey beim RRK ‒ und zum Hobby vielleicht Golf. Ihre Eltern spielen es (in Wiesbaden, woher sie stammt), Fritz Schmidt junior spielt es. Und auch Ex-Hockey-Nationalspieler Fritz "Schimmi" Schmidt, der Senior. Und der sagt über Eva Hagenbäumers erste Versuche: "Die Eva, die hat Talent."

Eröffnungsfeier Barcelona 26.07.1992

Susanne Müller wechselte im vergangenen Jahr vom Hanauer THC zum Rüsselsheimer RK. Ein richtiger Entschluss, denn damit rückte sie in den Blickpunkt des Bundestrainers und sicherte sich ihre Olympia-Fahrkarte. Von vielen wurde die Nominierung der 20 Jahre alten angehenden Krankengymnastin als Überraschung bezeichnet ‒ sie selbst war sich da schon sicherer, denn Bundestrainer Rüdiger Hänel, den sie schon aus der Jugendauswahl kennt, "weiß genau was ich kann". Das große Plus von Susanne Müller ist ihre Vielseitigkeit in Mittelfeld und Abwehr, so dass sie sich Chancen als Einwechselspielerin ausrechnen darf.

Bianca Weiß ist sicherer Rückhalt im Rüsselsheimer Bundesligateam, doch in der Nationalmannschaft ist die 24jährige nur Nummer zwei hinter Susi Wollschläger vom Club Raffelberg Duisburg. Mit ihrer Rolle als Reservistin weiß sie zu leben, zumal ihre Konkurrentin sich mit dem Gedanken trägt, ihre Länderspielkarriere nach den Olympischen Spielen zu beenden. Bianca Weiß, die in Frankfurt Chemie und Sport studiert, hat sich in den vergangenen Jahren kontinuierlich verbessert, vor allem das rechtzeitige Herauslaufen ist ihre Stärke. Ihr Debüt im A-Nationalteam gab sie im März 1989, seitdem hat sie in 20 Begegnungen ihr Können nachhaltig unterstrichen.

Anke Wild war einst die tragende Figur im Rüsselsheimer Damenhockey. Die Spielführerin setzte die Vorstellungen von Trainer Berti Rauth auf dem Spielfeld um, rückte bald ins Blickfeld der DHB-Auswahl. Pech für den RRK: Als sie den Berliner Nationalspieler Andreas Keller (Sohn des Olympiasiegers von 1972, Carsten Keller) kennenlernte, wechselte sie zu ihrem Freund nach Berlin. Anke Wild ist die einzige Mutter in der DHB-Auswahl. Der 16 Monate alte Sohn Felix wird von den Großeltern betreut, während die Eltern in Barcelona um Medaillen spielen. Die 24 Jahre alte Pädagogikstudentin feierte nach ihrer Babypause ein bemerkenswertes Comeback und hat sich im Nationalteam wieder eine Spielmacher-Rolle erkämpft.

Christopher Reitz sprang in letzter Minute auf den Olympia-Zug, denn eigentlich war sein Mülheimer Kollege Markus Steinwachs als zweiter Torhüter hinter dem Limburger Michael Knauth vorgesehen. Doch der gerade 19 Jahre alt gewordene RRK-Schlussmann überzeugte Bundestrainer Paul Lissek bei seinen ersten Einsätzen im A-Team auf der Länderspielreise in Malaysia. Der Abiturient ist der einzige Zweitligaspieler im DHB-Team, will aber dennoch beim RRK bleiben: "Berti Rauth hat mit seiner Nachwuchsarbeit das richtige Konzept. In ein paar Jahren spielen wir sicher wieder um die deutsche Meisterschaft mit."


Aus "Main-Spitze" vom 06.08.1992:

Hänels Twens greifen nach Gold

Hockey-Damen im Finale gegen Spanien / Selbstbewusstes Top-Team geworden

"Auf", sagte Anke Wild, "wir laufen noch eine Ehrenrunde!" Und dann machte sich die ganze Mannschaft noch einmal ausgelassen winkend auf den Weg durch das Stadion. Dorthin, wo die Fans und Freunde sangen. Zu schön war der Moment des Sieges, als dass sie schon in die Katakomben verschwinden wollten. 2:1 (1:1) gegen Großbritannien gewonnen, das Endspiel gegen Spanien erreicht ‒ die deutschen Hockey-Damen schwebten zu Recht auf "Wolke sieben".

"Das war eine Superleistung", freute sich Trainer Rüdiger Hänel, der die Mannschaft optimal auf die zweikampfstarken Britinnen eingestellt hatte. "Wir haben versucht, jeden Ball mit dem Schläger abzudecken, dadurch wurden die Briten immer zu Stockfouls gezwungen, das hat sie natürlich genervt." Für das Finale gegen Gastgeber Spanien kündigte der Bonner an: "Die werden sich gewaltig nach uns richten müssen."

Von einer Truppe verunsicherter Spitzentalente haben sich die deutschen Hockey-Twens in zehn olympischen Turniertagen zu einer selbstbewussten Topmannschaft gemausert. "Ich weiß gar nicht, warum ich auf das Tor geschossen habe", schilderte die überragende Rechtsaußen Heike Lätzsch, die auch das 1:0 durch Nadine Ernsting-Krienke vorbereitet hatte, die Entstehungsgeschichte des Siegtreffers. "Sonst gebe ich immer lieber ab."

Für Rüdiger Hänel ist die Ex-Leichtathletin, die über ihren vor sechs Jahren bei einem Autounfall tödlich verunglückten Bruder Carsten zum Hockey kam, eine feste Größe im Team. "Sie ist eine der besten Außenstürmerinnen, die ich je gesehen habe: schnell, kreativ und intuitiv", lobt Hänel die 18jährige, die erst mit elf Jahren den Hockeyschläger in die Hand nahm.

Der Bundestrainer war über das "Coming out" seiner durchschnittlich erst 22,4 Jahre alten Mannschaft als Goldkandidat nicht besonders überrascht: "Vom Potential her können sie alle schlagen, das Problem sind nur die Nerven und die Unerfahrenheit."

Auch im Halbfinale lagen die Nerven zwischenzeitlich bloß. Gegen Ende der ersten Hälfte erkämpften sich die Britinnen ein deutliches Übergewicht. Hänel: "Da habe ich gedacht, wir geben das Spiel noch aus der Hand." Das Gegentor drei Minuten vor dem Wechsel war Resultat dieses "Mini-Blackouts". "Die Halbzeitpause kam gerade recht", gab Mittelfeldspielerin Tanja Dickenscheid zu.

Im ersten Turnierspiel gegen Spanien (2:2) kostete diese Schwäche kurz vor der Pause einen sicheren Sieg. Das soll sich am Freitag nicht wiederholen: "Wir haben aus der ersten Partie natürlich unsere Lehren gezogen", kündigte Rüdiger Hänel an. "Für die Spanier wird es trotz der Publikumsunterstützung sehr schwer. Wir sind jung, passen in kein System und sind deshalb für jeden Gegner schwer auszurechnen."


Gratulation für Bianca Weiß und Susanne Müller

Die Tränen wurden schnell abgewischt

Deutsche Hockey-Damen ließen erster Enttäuschung nach der Final-Niederlage Jubel folgen / "Riesenerfolg"

Von Bernd-Dieter Jenrich (aus "Main-Spitze" vom 10.08.1992)

Tränen kullerten ungehemmt als Zeichen der ersten Enttäuschung, doch bereits nach kurzer zeitlicher Distanz sprach Bundestrainer Rüdiger Hänel auch für seine Mädchen: "Die Freude überwiegt, denn wir haben ein sehr gutes Turnier gespielt." So sahen es gleichfalls die Fans, die das Damenteam des Deutschen Hockey-Bundes (DHB) trotz der 1:2-Niederlage nach Verlängerung im Finale gegen Spanien stürmisch feierten. Was an Umfang, Leidenschaft und Lautstärke dennoch ein Klacks gegen das war, was die Anhänger der gastgebenden Mannschaft unter den rund 6.500 Zuschauern im Hexenkessel von Terrassa nach dem vielfach unerwarteten Triumph veranstalteten.

Der in Anwesenheit von Königspaar Juan Carlos und Sofia sowie Kronprinz Felipe aber zugleich nicht unverdient war, wie es auch der Verlierer weitgehend eingestand. "Die Spanierinnen waren ein bisschen besser", so Hänel, der den ungenutzten Chancen speziell von sechs Strafecken nachtrauerte, seinen Schützlingen gleichwohl keinen Vorwurf machen wollte. "Wenn in einem solch bedeutsamen Spiel die Nerven versagen, ist das verständlich." Lediglich Franziska Hentschel hatte einmal die erforderliche Nervenstärke bewiesen. Trotz eines gellenden Pfeifkonzerts verwertete die Leverkusenerin in der zwölften Minute eine kurze Ecke zum zwischenzeitlichen 1:1, nachdem ‒ ebenfalls per Strafecke ‒ Spanien durch Martina Barea in der achten Minute das 1:0 vorgelegt hatte.

Wenn überhaupt, so wurde es allgemein im deutschen Lager gesehen, wurde in dieser ersten Halbzeit das Gold verspielt. Denn mit fortschreitender Dauer wurden die konditionsstärkeren Gastgeberinnen immer druckvoller und brachten so in der 13. Minute der Verlängerung durch Eleonora Margall das vielbejubelte 2:1 im Kasten von Susi Wollschläger (Duisburg) unter.

Dass eventuell die einseitige Atmosphäre auf den Rängen seiner Elf entscheidend zugesetzt habe, schloss Rüdiger Hänel (34) aus. "Wenn es so gewesen wäre, hätten wir ja schlecht gespielt, was aber nicht der Fall war. Wir waren auf eine derartige Stimmung eingestellt." Vielmehr fehlten seiner "noch sehr jungen Mannschaft die Ausgereiftheit und Erfahrung, das muss wachsen". Insgesamt bescheinigte der Diplomtrainer seinen im Durchschnitt 22,4 Jahre alten Girls, das Turnier "mit großer Begeisterung" bestritten zu haben, "die hat sie hochgehalten".

Ähnlich bewertete Dr. Kurt Schneider den Auftritt des Teams, dem für den "Riesenerfolg" höchster Respekt zu gelten habe. "Sicher war es schon ein bisschen enttäuschend, dass es am Ende nur Silber wurde. Doch die junge Mannschaft hat Zukunft." Dann ermunterte der DHB-Sportwart die Spielerinnen, sich der in der Kabine bereitgestellen "zwölf Flaschen Schampus" anzunehmen. Sie sollten zwar ursprünglich mit Getöse nach dem Goldgewinn geköpft werden, doch nach Abstreifen des gröbsten Frustes mundete der prickelnde Saft auch so und machte ermattete Geister wieder munter.


Welle der Enttäuschung bei Damen abgeebbt

Rüsselsheims Olympiateilnehmer von Spielen hellauf begeistert / Fritz Schmidt gratuliert Christopher Reitz

Von Jürgen Hüpohl (aus "Main-Spitze" vom 11.08.1992)

Sechs Rüsselsheimer Medaillengewinner, niemand hätte vor den Olympischen Sommerspielen von Barcelona damit gerechnet. "Wenn mir einer vor ein paar Monaten gesagt hätte, ich werde Olympiasieger, hätte ich ihn für verrückt erklärt", strahlt Torwart Christopher Reitz. Mit einem leuchtenden Blick schaut er auf seine Goldmedaille, die um seinen Hals baumelt. "Die deponiere ich vorsichtshalber in einem Safe. Alles andere wäre zu riskant."

"Sechs Medaillen von den Olympischen Spielen, 1 mal Gold und 5 mal Silber", das bringen sechs RRK-Hockeyspieler/innen von den Olympischen Sommerspielen 1992 in Barcelona mit nach Rüsselsheim (Susanne Müller, Britta Becker, Christopher Reitz, Bianca Weiß, Eva Hagenbäumer, Tanja Dickenscheid)

Mit gerade erst 19 Jahren hat der Abiturient etwas geschafft, wovon andere ihr Leben lang träumen. Ein Glückwunsch reihte sich gestern auf dem Flughafen an den anderen. Äußerst herzlich gratulierte auch der Rüsselsheimer Olympia-Gewinner Fritz Schmidt, der 1972 in München zum Hockey-Sieg beigetragen hatte.

"Ich habe im Hunsrück das Endspiel im Fernsehen gesehen und mich danach zugerichtet", berichtete Fritz Schmidt und macht dabei eine Trinkbewegung in Richtung Mund. Der vielgelobte Nachwuchs-Keeper Reitz, in Barcelona beim 2:1-Sieg gegen Argentinien eingesetzt, überzeugte prompt (unter anderem hielt er einen Siebenmeter) und kann sein Glück "noch gar nicht fassen". Die beiden vergangenen Nächte hatte das Gold-Team durchgefeiert, "Olympiaringe" unter den Augen beweisen es. "Da blieb keine Zeit zum Verarbeiten des Erfolges". Aber Olympia, das "war einfach ein wunderschönes Erlebnis".

Geradezu begeistert sprechen die fünf Rüsselsheimerinnen von dem "Fest der Jugend". Der spontane Frust nach dem verlorenen Finale gegen Spanien (1:2) ist mittlerweile ein wenig verflogen. „Wenn man im Endspiel steht, dann will man eben gewinnen", erklärt Tanja Dickenscheid, die in allen Begegnungen durchspielte. "Bei der Siegerehrung habe ich schon auf die Spanierinnen geschielt. Aber jetzt kann ich mich freuen über die Silbermedaille". Mit ihrer eigenen Leistung war die Gau-Algesheimerin zufrieden. "Nach schlechtem Beginn habe ich mich gesteigert und an Selbstvertrauen gewonnen." Ihre Vorstellungen über die olympischen Spiele seien weit übertroffen worden. "Es war überwältigend."

So sieht es auch Eva Hagenbäumer. Über ihre geringen Spielanteile (nur in zwei Halbzeiten kam sie zum Einsatz) freilich war sie enttäuscht. "Ich finde, der Trainer hätte häufiger wechseln müssen. Manche Spielerinnen schienen gegen Ende platt." Das Thema Nationalmannschaft ist für die 25jährige dennoch noch lange nicht abgehakt. Obwohl sie zuletzt Rücktrittsgedanken geäußert hatte.

Eine Portion Enttäuschung stand Britta Becker ins Gesicht geschrieben. Auf dem Rückflug viel ihr beim Lesen eines kritischen Artikels in einer Frankfurter Tageszeitung fast das Brötchen aus dem Hals. Ihre Leistung beim Turnier in Spanien war in mehreren Medien bemängelt worden. "Da wird von manchen mit zweierlei Maß gemessen. Ich glaube, dass ich meine Aufgabe doch erfüllt habe. Sicher habe ich weniger Alleingänge gestartet als sonst", wehrt sich die 19jährige, "aber ich war nicht müde, wie's behauptet wurde". Der Endspiel-Frust ist bei der Rüsselsheimerin allerdings verflogen, die positiven Olympia-Erinnerungen überwiegen eindeutig.

Im Gegensatz zu Britta Becker musste Torfrau Bianca Weiß regelmäßig die Bank drücken. Nur im Spiel gegen Kanada (4:0) wurde sie eingewechselt. Doch mit dieser Rolle konnte sie wie in der Vergangenheit gut leben. In Zukunft freilich könnte die Wahl-Mainzerin gar zur Stamm-Keeperin avancieren. Denn Susi Wollschläger will ihre Karriere beenden. "Susi hat mir im Bus das Trikot mit der Nummer eins überreicht. Das fand ich super", schwärmt Bianca Weiß, die etwas bedauert, dass die "Sportstätten in Barcelona so weit auseinander lagen und es schwer war, Sportler kennenzulernen". Immerhin reichte es zu einem "Hallo" mit Boris Becker.

"Es entstehen nur flüchtige Gespräche", weiß Susanne Müller. Die Hanauerin zeigt sich ansonsten angetan von Olympia, wie keine Zweite. "Das werde ich nicht vergessen."