Rüsselsheimer Ruder-Klub 08 "Archiv und Chronik"

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Silke Müller

 

 

 

 

Hockey: Keine Wunder mehr

Deutschlands Hockey-Damen schafften 2004 die Sensation und holten Gold. Bei den Olympischen Spielen in Peking sind sie nun Top-Favorit. Obwohl nur noch sechs Olympiasiegerinnen im Kader stehen.

Von Ronald Reng (aus "Kölner Stadt-Anzeiger" vom 08.08.2008)
 

PEKING - Einmal im Monat wird Silke Müller wieder Olympiasiegerin. Immer am 26. Tag jedes Monats holt sie die Goldmedaille hervor, hängt sie sich selbst um den Hals und sitzt einfach eine Weile so da in ihrem Zimmer. Gut ein Jahr lang, nachdem sie am 26. August 2004 mit der deutschen Hockeyelf in Athen Gold gewann, hat sie das Ritual streng durchgehalten. Nun geht der 26. im Alltag manchmal einfach unter, sie ist als Radioreporterin für die junge Welle des Hessischen Rundfunks viel unterwegs, und die Goldmedaille ist bei ihren Eltern. Da hat sie Silke Müller versteckt. Denn was, sagt sie, wenn Einbrecher kämen? "Die Medaille", sagt Silke Müller im Garten ihrer Eltern in Frankfurt, "ist doch wie für andere das schönste Urlaubsfoto: Du schaust sie an, und all die Momente beginnen, wieder zu leben."

Der Olympiasieg der deutschen Hockeyelf, mit Silke Müller im Mittelfeld, war der ergreifendste Moment der Spiele von Athen. In olympischen Zeiten, in denen der Doping-Generalverdacht dem Publikum die Sehnsüchte gestohlen hatte, erschien diese Mannschaft, unschuldig, liebenswert und voller menschlicher Schwächen. Die Spielerinnen stöhnten, oh Mann, schon wieder um halb sieben joggen, sie verloren in manchem Spiel völlig den Kopf und triumphierten am Ende, garantiert ungedopt, gegen professionellere, härtere Gegner. Zwangsläufig kehrt nun vier Jahre später zu den nächsten Spielen die Illusion zurück, sie mögen einen noch einmal so überwältigen. Doch es wird nicht so kommen. Dazu ist die Mannschaft zu anders, zu gut geworden, Europameister 2007. Wenn sie eine Medaille gewinnt, darf das niemanden mehr umhauen. Statt Silke Müller aus Frankfurt sitzt nun Julia Müller aus Hamburg auf dem Pekinger Hockey-Green, Schweißperlen wie Sommersprossen im Gesicht nach dem Training vor der Auftaktpartie gegen Großbritannien am Sonntag. Als sie zu Olympia aufbrach, sagten ihr Bekannte oft: "Ihr habt doch das letzte Mal Gold geholt", und Julia Müller hat sie korrigiert: "Die haben das letzte Mal Gold geholt."

Als sie 2006 in die Nationalelf gerufen wurde, hatte sie nicht das Gefühl, zum Goldteam zu stoßen, sondern schon deren Nachfolge anzutreten. Nur noch sechs von 16 Olympiasiegerinnen sind in Peking dabei, auch der Trainer hat gewechselt, von Markus Weise zu Michael Behrmann. Schleichend ist es ein neues Team geworden mit Neulingen in vielen Schlüsselpositionen. Verteidigerin Julia Müller, Torfrau Kristina Reynolds, Stürmerin Maike Stöckel. Das Gold von Athen ist für sie nur eine nette Erinnerung: "Ich saß in Hamburg im Vereinsheim vor dem Fernseher", sagt Julia Müller, "und trug mein Juniorennationaltrikot wie ein Fußballfan."

Müller ist nicht mehr Müller im deutschen Team. An Silke und Julia lässt sich bestens erkennen, wie der Geist von 2004 verschwand; und was von 2004 für immer bleibt. Julia Müller, 22, gab bei der EM 2007 die coole Verteidigerin, ruhig fast bis zur Lethargie, stach sie den Gegnerinnen den Ball vom Schläger, und auch wenn sie behauptet: "Also, wir können schon auch noch schwankend spielen", so steht sie für die neue Konstanz einer ganz normalen Spitzenelf. Silke Müller, 29 nun, passte 2004 an guten Tagen mit einer Liebe für den Ball, wie man es im Frauenhockey nicht so oft sieht. Und nach der nächsten Partie musste Trainer Weise schon wieder seufzen: "Ach, die Silke. Immer so aufgeregt."

Unstet bis zur Unerklärlichkeit spielten sie in Athen. Nach einem 0:3 gegen den schwächsten Gegner Südafrika standen sie kurz davor, Letzter zu werden. Als sie dann Erster geworden waren, rührte einen gerade dieser Irrsinn in ihrem Spiel. "Aber wir haben es ja nicht absichtlich gemacht", sagt Silke Müller. "Wir waren für uns selbst unberechenbar. Wir waren einfach unbedarft." Einmal hat sie sich nach Athen erschreckt: Das einzige Mal, als sie jemand auf der Straße als Olympiasiegerin erkannte. "Ich meine, wenn ich mich auf der Straße sehe, würde ich doch nicht denken: Die hat Gold gewonnen." 2006 hat sie in der Nationalelf aufgehört, irgendwann geht der Beruf im Amateursport Hockey immer vor.

Sie ahnt, wenn nun Olympia im Fernsehen kommt, wird es ein wenig wehtun, nicht mehr dabei zu sein. "Wenn dir klar wird: Es wird nie wieder sein wie 2004." An dieses Gefühl müssen sich alle, auch die neue Elf und das Publikum, bei diesem Turnier gewöhnen. Nur manchmal beginnen all die Momente wieder zu leben, und Silke Müller erinnert sich, was Glück in Vollkommenheit ist: ein Tag wie der 26. August 2004.