RÜSSELSHEIM. "Er ist in
der InfoEcke", sagt die Sekretärin, und tatsächlich findet der Besucher Rudolf
Müller nicht mehr in seinem Büro bei der Opel AG, sondern am Stehtisch in der
Empfangszone der Betriebsrats-Etage beim Plausch mit Kollegen. Dafür und auch
für Freizeit und Familie hat Müller seit einigen Tagen mehr Zeit: Der 61 Jahre
alte gelernte Werkzeugmacher hat die Mehrzahl seiner Ämter im Betriebsrat des
Konzerns abgegeben und bereitet sich "Schritt für Schritt" auf seinen Ruhestand
vor. Seit Montag ist Klaus Franz sein Nachfolger als Vorsitzender des
Gesamtbetriebsrats, noch bis zum Herbst bleiben Müller Ämter im Europäischen
Arbeitnehmerforum von General Motors und der Opel-Betriebskrankenkasse.
Müller kann den
mustergültigen Lebenslauf eines Alt-Opelaners vorweisen. In Rüsselsheim geboren,
absolvierte er von 1956 an eine Lehre als Werkzeugmacher und wurde anschließend
als technischer Zeichner ins technische Entwicklungszentrum des Konzerns
übernommen.
Daneben engagierte sich
Müller in der SPD und vor allem der Industriegewerkschaft Metall, für die er
1972 in den Opel-Betriebsrat einzog. Schon 1975 wurde Müller zum
stellvertretenden Vorsitzenden der Betriebsräte im Rüsselsheimer Werk und des
gesamten Konzerns, rückte zudem in die Große Tarifkommission der Gewerkschaft.
1983 folgte ein Mandat im Aufsichtsrat von Opel, zum
Gesamtbetriebsratsvorsitzenden wurde Müller schließlich 1993 bestimmt.
Im Rückblick nennt
Müller, der bei Arbeitnehmern wie Arbeitgebern hohes Ansehen genießt, die
Verträge zur Standortsicherung bei Opel und auch die jüngsten Verhandlungen zur
Allianz von General Motors und Fiat als wichtige Erfolge des Betriebsrats in
seiner Amtszeit. Andere Ergebnisse seien inzwischen vom Lauf der Dinge überholt
worden, erzählt der heutige Raunheimer. So war seinerzeit die Vereinbarung von
Ausgleichszahlungen bei Kurzarbeit ein "Riesenerfolg", das aber inzwischen durch
ein beispielhaftes "Arbeitszeit-Korridor-Modell" bei Opel gegenstandslos
geworden ist. Bei der flexiblen Regelung fällt Kurzarbeit faktisch nicht mehr
an.
Verhindert habe man, und
auch darauf ist Müller stolz, die "Vision '96". Hinter dem Schlagwort verbirgt
sich der Abbau der Rüsselsheimer Belegschaft auf weniger als 20.000 Mann, dies
war Anfang des vergangenen Jahrzehnts erwogen worden. Dennoch müsse man
festhalten, sagt Müller, dass in Rüsselsheim die Belegschaft von 43.000 Menschen
1979 auf jetzt 23.000 gesunken sei, und dieser Wandel markiert für ihn auch die
schwierigste Zeit seiner Arbeit als Betriebsrat.
Nach einer Zeit, in der
Müller "ein bisschen Luft holen will", möchte er sich wieder verstärkt in die
Kommunalpolitik seiner Heimatstadt einschalten. Schon früher hat er dort der
SPD-Fraktion in der Stadtverordnetenversammlung vorgestanden, die
Kommunalpolitik ist ihm ein vertrautes Pflaster. Schließlich hat er sich auch
als Betriebsrat zu dem Thema geäußert, das die aktuelle Tagespolitik in seiner
Heimatstadt beschäftigt. Für seine Gewerkschaft hat Müller einen Ausbau des
Frankfurter Flughafens abgelehnt.