Das Interview
führte Helmut Popp (aus "Rüsselsheimer Echo" vom 02.05.2016)
Exakt 15.58 Uhr war
es am Samstagnachmittag, als die Rüsselsheimer Hockeydamen mit dem nie
gefährdeten 3:0-Erfolg gegen Eintracht Frankfurt vorzeitig die Rückkehr in die
Bundesliga perfekt gemacht hatten. Schon kurz nach dem Abpfiff, nachdem alle
Spielerinnen sowie sein Assistent Christian Zimmermann freudig umarmt waren,
stand RRK-Erfolgstrainer Philipp Tangerding Echo-Mitarbeiter Helmut Popp noch
auf dem Spielfeld für ein Gespräch zur Verfügung. Dass er abgelenkt war, wurde
allerdings von seinen Schützlingen hinterhältig ausgenutzt: Wie es sich für
einen frisch gebackenen Meistercoach gehört, musste Tangerding eine kalte Dusche
über sich ergehen lassen. Kein Wasser, kein Bier und auch kein Sekt. Nein, ein
Bottich mit einem klebrigen Sportlergetränk wurde über ihm entleert. Unterstützt
von einigen Mitspielerinnen war Spielführerin Eva Frank die schelmisch grinsende
Übeltäterin. Völlig durchnässt und "verbabbt" ließ sich der Trainer nicht
beirren – und setzte tapfer das Interview fort.
Zehn Spiele,
zehn Siege. Damit bereits Ende April die Meisterschaft in der 2. Liga Süd unter
Dach und Fach gebracht. Hatten Sie vor ihrem Einstand im letzten Sommer damit
gerechnet?
PHILIPP TANGERDING:
Darüber habe ich mir damals überhaupt keine Gedanken gemacht. Wir hatten ja alle
keine Ahnung, was uns in Liga zwei erwarten würde. Primär galt es, den Mädels
nach dem Abstieg wieder die Freude am Hockey zu vermitteln. Das hat erstaunlich
schnell geklappt.
Im ICE-Tempo zurück in die Bundesliga: Die
RRK-Hockeydamen können nach dem zehnten Sieg im zehnten Saisonspiel den
Wiederaufstieg bejubeln. Zum Erfolg trugen bei (von links, oben): Co-Trainer
Christian Zimmermann, Betreuerin Linda Manuo Schneider, Marilena Krauss,
Mara Bentscheck, Lisa Lahham, Eva Frank, Lotta Hof, Viktoria Krüger, Antonia
Wilfer, Rebecca Schneider, Ann-Paulin Heist, Antonia Tiedtke, Charlotte
Steiner, Physiotherapeutin Janine Huver sowie (unten), Selina Windgaß, Emma
Kanz, Celina Hocks, Kimberly Körbel, Viola Becker, Lisa Viebrantz, Isabel
Scherer und (hinten) Trainer Philipp Tangerding. Es fehlen: Petra Ankenbrand
und Clara Buchholz. |
Ihre Mannschaft
ist vor zehn Monaten aus der Bundesliga abgestiegen, nachdem sie dort sportlich
überfordert schien. Nun auf Anhieb der völlig problemlose Durchmarsch. Ist der
RRK wieder so stark oder aber die Konkurrenz in Liga zwei einfach wesentlich
schwächer?
TANGERDING: Wir
sind bereits beim Saisonstart schnell in die Spur gekommen. Klar besteht wohl
leistungsmäßig zwischen den beiden Ligen ein großer Unterschied. Von Anfang an
haben wir uns aber nicht an unseren Gegnern orientiert, sondern einfach unser
Hockey gespielt. In der nächsten Saison muss aber dann noch eine Schippe
draufgelegt werden. Im Oberhaus werden Fehler viel schneller bestraft.
Welche Ziele
bestehen nun noch für die restlichen vier Saisonspiele? Soll die makellose
Bilanz bis zum Schluss verteidigt werden?
TANGERDING: Ich
betrachte es nun als absolute Luxusposition, fortan ohne jeglichen Druck spielen
zu können. Wir müssen nicht mehr unbedingt punkten, wollen aber weiterhin
natürlich jedes Spiel gewinnen. Das ist für mich optimal, da kann ich sukzessive
auch einige der blutjungen und noch unerfahrenen Spielerinnen einsetzen. Die
müssen natürlich noch einiges lernen. Grundsätzlich wollen wir uns aber stetig
weiter entwickeln. Unter diesem Gesichtspunkt ist der frühzeitige Titelgewinn
durchaus sehr hilfreich.
Also bestehen
auch keine Bedenken, dass bei Ihren Spielerinnen nun die Motivation und damit
auch die Konzentration nachlässt?
TANGERDING: Das
will ich keinesfalls hoffen und glaube ich auch nicht. Und falls doch, so ist es
meine Aufgabe, da gegen zu steuern. Die Spannung muss weiter hoch gehalten
werden.
Sehen Sie Ihre
Mannschaft in vier Monaten schon wieder für die Bundesliga gerüstet und trauen
Sie ihr im Oberhaus eine weitere Steigerung zu?
TANGERDING: Das ist
mir im Moment ziemlich egal. Wir sind gerade erst Meister geworden. Jetzt ist
erst mal pure Freude, ein gewisses Maß an Stolz und selbstverständlich auch
Feiern angesagt. Mit dieser Frage beschäftige ich mich vielleicht in ein paar
Wochen. Von Vorteil ist auf jeden Fall, dass die meisten meiner Spielerinnen das
Haifischbecken 1. Bundesliga schon kennen.
Aus "Main-Spitze"
vom 02.05.2016
Vor zehn Monaten
schwer gezeichnet sowie vor einer ungewissen sportlichen Zukunft ‒ und jetzt
dieses Comeback: Die Hockeydamen des Rüsselsheimer RK haben sich in einer Weise
in der Bundesliga zurückgemeldet, die ihnen kaum jemand zugetraut hätte. In der
Saison 2014/15 mit acht Punkten und 16:70 Toren im Oberhaus schlicht nicht
konkurrenzfähig, sprechen zehn Siege in zehn Spielen, 55:6 Treffer sowie zuletzt
ein 6:1-Coup beim Tabellenzweiten dafür, dass der Altmeister in der Zweiten
Bundesliga Süd nun wirklich nichts verloren hat.
Dass diese Bilanz der Stärke
lediglich auf einer neuen Spielerin in der Hinrunde sowie fünf aufstrebenden
Talenten nach der Winterpause basiert, belegt vor allem eines: Dem Ruderklub ist
mit der Verpflichtung von Trainer Philipp Tangerding ein echter Glücksgriff
gelungen. Der 33-Jährige, einst selbst beim RRK am Ball und in der Region
verwurzelt, hat es neben gewissenhafter Arbeit vor allem verstanden, dem unter
dem Polen Maciej Matuszynski völlig verunsicherten Team wieder den Spaß am Spiel
mit Hartplastikball und Krummstock zurückzugeben. Dass Tangerding trotz des
feststehenden Aufstiegs bis zum Rundenende und darüber hinaus genauso
weitermachen und Verbesserungen erreichen will, lässt zudem hoffen, dass der
Ruderklub den leistungsmäßig gewaltigen Sprung in die Bundesliga so bewältigen
kann, dass nicht zuletzt dank des wieder vorhandenen Konkurrenzkampfes im Kader
in der Saison 2016/17 nicht zwingend der Abstiegskampf droht. Da weitere starke
Talente mit den Hufen scharren und es in Hessen zudem keine Konkurrenz mehr
gibt, könnte diese Zweitliga-Geschichte für geraume Zeit ein einmaliges
RRK-Kapitel bleiben.