Es gibt Momente, da
werden die Zweifel lauter, ihre Macht scheint sich zu potenzieren. Jene Zweifel
fanden am späten Sonntag nachmittag in Neuss einen exzellenten Nährboden vor,
dem sich Oliver Domke nicht entziehen konnte. Der erfolgreichste Rüsselsheimer
Hockeyspieler lehnte am Zaun, der den Kunstrasenplatz von Schwarz-Weiß Neuss
umgibt, die gezerrte Oberschenkelmuskulatur schmerzte, der Himmel war auf
breiter Front in ein bedrohliches Dunkelgrau getaucht. Domke beschlich das
Gefühl, daß "manche noch nicht wissen, worum es geht. Wenn man nicht absteigen
will, muß man mehr Laufbereitschaft zeigen." Wenige Minuten zuvor hatte der
Rüsselsheimer RK das für den Verbleib in der Bundesliga (überlebens-)wichtige
Duell 1:2 verloren - die abstiegskampferprobten Neusser investierten das Maß an
Engagement und Aggressivität, wie es sich für eine Partie an der Schwelle
zwischen Abstieg und Klassenverbleib auf der Zielgeraden der Saison geziemt.
Natürlich wurmte es
Domke, daß sein Tor zum zwischenzeitlichen 1:1 (24. Minute) zu keinem
Punktgewinn langte, daß die Oberschenkelzerrung, die ihm tags zuvor beim 1:4
gegen den deutschen Meister Stuttgarter Kickers zum Aussetzen zwang, seinen
Aktionsradius merklich einengte. Doch seine Gedanken verharrten nicht bei der
Analyse der vergangenen 70 Minuten Hockey im windigen Rheinland. Der einstige
Nationalspieler sieht sich im Herbst, vielleicht sogar Spätherbst seiner
Karriere angelangt. Vielleicht ist sogar viel schneller Schluß, als viele beim
RRK denken und beim Blick auf die große Klasse des Dreißigjährigen im
gegnerischen Schußkreis wahrhaben wollen. Denn: Diese Mannschaft braucht Oliver
Domke, aber ob Oliver Domke den Leistungssport noch braucht, das weiß er selbst
(noch) nicht so genau. "Irgendwann muß es auch andere Prioritäten geben", sagt
der Angreifer, der bereits als Sechzehnjähriger für den RRK in der Bundesliga am
Ball war.
Der zweimalige
Olympia-Teilnehmer hat bei der Polizei eine Kommissarslaufbahn eingeschlagen und
wird im September die Ausbildung beenden. "Ich will diesen Job zu hundert
Prozent machen, weil er mir so viel Spaß macht", sagt er. Domke wirkt hin- und
hergerissen: Soll er loslassen von seinem Sport, der ihm vor allem mit der
Nationalmannschaft so viele Erfolge bescherte (er war unter anderem
Siegtorschütze im Finale der Weltmeisterschaft 2002 in Malaysia)? Soll er den
radikalen Schritt und Schnitt wagen, einfach so Schluß zu machen? Die Gedanken,
wieviel Platz der leistungsmäßige Hockeysport, der viel Aufwand und rege
Reisetätigkeit erfordert und mangels finanziellem Ertrag erheblich von der Liebe
zum Spiel getragen wird, künftig in seinem Leben haben soll, treiben ihn um. Mit
halben Sachen tut er sich schwer. Hin und wieder zu den Spielen des RRK zu
erscheinen ohne das stete Training mit der Mannschaft ist seine Sache nicht. Er
wolle ja schließlich keinem, der regelmäßiger trainiert, den Platz wegnehmen, so
Domke. Indes scheint es garantiert, daß es der Rüsselsheimer RK immer vorziehen
wird, einen womöglich nicht ganz fitten Oliver Domke auf dem Feld zu haben, als
ganz ohne Oliver Domke auskommen zu müssen. "Er ist", sagt sein Trainer beim RRK,
Kai Stieglitz, "ein absoluter Ausnahmespieler. Jeder in der Mannschaft weiß:
Wenn man den Olli anspielt, dann brennt es vor dem gegnerischen Tor."
Gerade die vielen
aufgrund der angespannten Personalsituation beim RRK notgedrungen ins
Bundesliga-Wasser geworfenen jugendlichen Spieler können an der Seite des
Hochgelobten neuen Mut fassen. Daß auf dessen Torriecher und Präzision im
Abschluß Verlaß ist, demonstrierte der Dreißigjährige auch eine Woche zuvor, als
er das erlösende Siegtor beim 1:0-Erfolg über Harvestehude erzielte. "Wir haben
noch fünf Spiele. Es wird hart, aber es ist noch alles drin", betonte Domke, der
ausgerechnet bei den letzten drei Partien der Saison fehlen wird. Während der
Fußball-WM gelten bei der Polizei verschärfte Einsatzzeiten. Ob er nach den
Sommerferien auch wieder für den Rüsselsheimer RK im Einsatz ist? Die Zweifel
bleiben vorerst.