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Über Mitglieder des
RRK (2005)
Mandy Haase und
Silke Müller |
Mandy Haase |
Wiedersehen zweier
RRK-Spielerinnen bei der Champions Trophy in Canberra
Silke Müller filmt, Mandy Haase droht
Von Sissi Stein-Abel (aus "FAZ" vom 03.12.2005)
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Silke Müller |
CANBERRA. Mandy Haase
spielt eine Filmrolle. Szenen aus dem Leben einer Hockey-Nationalspielerin.
Hinter der Videokamera kichert Silke Müller. Das neue Leben einer
Hockey-Nationalspielerin. Im Rahmen ihres Praktikums bei dem niederländischen
Radio- und Fernsehsender RTV Utrecht filmt die 27-jährige bei der Champions Trophy in Canberra alles, was ihr vor die Linse kommt, um nach ihrer Rückkehr
einen Beitrag für eine Sportmagazin-Sendung zusammenzuschneiden.
Für Mandy Haase ist es −
außer in den Länderspielen der deutschen Damen-Mannschaft − die einzige
Möglichkeit, um mit ihrer ehemaligen Rüsselsheimer Vereinskameradin gemeinsame
Sache zu machen. Und auch mal ein bisschen im Mittelpunkt zu stehen. Ein seltener
Fall, denn die 23 Jahre alte Studentin ist, obwohl naturblond, eher dem Typus
Schattengewächs zuzuordnen. Ruhig, sensibel. Keine, die ins Rampenlicht drängt.
Und doch
eine interessante Gesprächspartnerin, die kluge Sätze sagt und der es gelingt,
ihre Gefühle in Worte zu fassen. Aber eben ein Mensch der leisen Töne.
Mandy Haase und Silke
Müller mit der Damenmannschaft des Rüsselsheimer Ruder-Klubs 08 im März
2005: Alter und neuer Deutscher Hallenhockey-Meister
(hinten:
Physio Hanne Zöller,
Betreuer Thomas Blivier,
Mandy Haase,
Irene Balek,
Lisa Jacobi, Lena Jacobi,
Sybille Breivogel,
Trainer Berti Rauth; vorn: Silke Müller, Nina
Günther, Lydia Haase,
Denise Klecker, Barbara Vogel,
Lena Schüder,
Sabine Hieronimi) |
Für Silke Müller ist es
normal aufzufallen, selbst wenn sie hinter der Kamera steht, obwohl sie mit 1,58
Metern die Kleinste der deutschen Mannschaft ist. Sie ist − die Mutter ist
Spanierin − ein südländischer Typ. Den dunklen Schopf bändigt sie weithin
sichtbar mit einem breiten weißen Stirnband. Ihre braunen Augen blitzen, wenn
sie spricht. Sie ist extrovertiert, spontan, ein Temperamentsbündel, die
geborene Komikerin. Mit ihren Parodien sorgt sie für Stimmung im deutschen Team.
Die Worte sprudeln nur so aus ihr heraus, und ihr Lachen ist ansteckend.
Auf dem Hockeyplatz ist
die Rollenverteilung dieselbe. Silke Müller hat ihre feste Position im
Mittelfeld. Mandy Haase spielt an ihrer Seite, würde jedoch viel lieber in der
Abwehr spielen, so wie zu Hause im Verein und in der Nationalmannschaft bis zum
Olympia-Gold in Athen. Danach zog sie sich einen Bänderabriss im rechten
Sprunggelenk zu, verpasste dadurch die letztjährige Champions Trophy in Rosario
(Argentinien) − und fand sich vor drei Monaten bei der Europameisterschaft im
Mittelfeld wieder. "Es ist natürlich gut für den Trainer, so jemanden zu haben,
der überall spielen kann, aber die Abstimmung geht ein bisschen verloren", sagt
sie. "Natürlich spiele ich dort, wo mich der Trainer hinstellt. Aber es ist
schwer zu akzeptieren. Es bleibt immer eine Ungewis sheit.
Man fühlt sich ein bisschen hin und her geschoben."
Es ist doppelt schwer
für die gebürtige Leipzigerin, die mit ihrer hockeyverrückten. Familie schon
drei Monate nach dem Fall der Mauer in den Westen übersiedelte, weil ihr ganzes
Leben auf Hockey ausgerichtet ist. In diesem Semester wechselte sie sogar ihren
Studiengang zugunsten des Sports. "Ich habe Französisch aufgegeben, weil ich
dazu öfter mal für längere Zeit ins Ausland hätte gehen müssen", erzählt sie,
"das ist mit Hockey nicht zu vereinbaren." Ihr neues
−
und aufwendiges
−
Nebenfach an der Uni Heidelberg neben Sport, Rehabilitation und Prävention ist
Erziehungswissenschaft.
Daneben sucht sie
händeringend nach einem Sponsor, der wenigstens die weiten Trainingsfahrten
bezahlt. Doch Opel geht's in Rüsselsheim schlecht, und weil die Familie in
Wilhelmsfeld im Odenwald lebt, ist Mandy Haase in Rüsselsheim keine lokale
Größe. Die Sporthilfe reicht nicht weit, die Olympiaprämie ist aufgebraucht,
"das reicht maximal ein Jahr", und an Jobben ist neben Studium und Hockey nicht
zu denken.
Solche Sorgen hat Silke
Müller nicht. Im September wechselte die gelernte Hotelfachfrau zum SV Kampong
Utrecht in die Niederlande und kann jetzt vom Hockey leben. Aber es dauerte eine
ganze Zeit, bis sie sich in der neuen Umgebung wohl fühlte. "Es war ein
schwieriger Abnabelungsprozess von Rüsselsheim und den Mädels dort", gibt sie zu.
"Ich vermisse sie noch immer
−
aber ich denke, das ist normal, wenn man so lange
zusammen war." Mit der Berlinerin Lina Beier teilt sie sich in Utrecht eine
Wohnung, gemeinsam spielen sie beim SV Kampong und besuchen einen Sprachkurs.
"Ich spreche zwar schon ganz gut und kann mich sehr gut verständigen", erzählt
Silke Müller, "aber ich bin noch nicht so weit, dass ich die Kommentare für
meinen Fernsehbericht sprechen könnte."
Noch denkt sie nicht über das Jahr
hinaus, für das sie in den Niederlanden unterschrieben hat: "Ich habe gesagt,
ich ziehe das für eine Saison durch, und wenn es mir so gut gefällt, dass ich
bleiben will ... Wer weiß. Man weiß nie, was passiert. Deshalb mache ich keine
Versprechungen, dass ich schon nach der einen Saison nach Rüsselsheim
zurückkomme." Mandy Haase hört's nicht gern. "Ich hoffe, Silke kommt bald
wieder", sagt sie, "sonst gibt's Ärger." Auch so kann man ausdrücken,
dass einem
jemand fehlt.
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