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Über Mitglieder des
RRK (1986)
Irmgard von Opel |
Irmgard von Opel |
In memoriam: Irmgard von Opel 1986
Abschied von einer
couragierten,
faszinierenden Frau
Aus "Main-Spitze" vom 05.07.1986
Ingelheim. (ht) Am 20. Mai verstarb in Ingelheim Irmgard von Opel im Alter
von 79 Jahren. Mit ihr hat die Stadt eine hochgeachtete Bürgerin verloren, die
viel für Ingelheim und seine Menschen geleistet hat. Dass Irmgard von Opel eine
erfolgreiche Reiterin war und ihre ganz besondere Liebe den Pferden galt, ist
sicher jedermann bekannt. Wir wollten aber etwas über die Person Irmgard von
Opel wissen, und sprachen mit einigen Menschen, die Irmgard von Opel besonders
nahe standen.
OB Vey hob hervor,
dass Irmgard von Opel für die Belange und Bedürfnisse der
Stadt immer ein offenes Ohr hatte. Das drückte sich auch in ihrer
Gastfreundschaft aus, wenn es galt beispielsweise Sportler zu empfangen, die am
Euro-Turnier teilnahmen. Es machte ihr einen Riesenspaß, dass Turnerinnen, die
zwar am Gerät „Pferd" so meisterhaft turnten, unter ihrer Anleitung auch einmal
den Umgang mit einem richtigen Pferd kennen lernen konnten. Vey berichtet
weiter: "Aus meiner Sicht war Irmgard von Opel eine wahrhaftige Dame. Manchmal
etwas impulsiv, aber immer wieder mit neuen Ideen und: Sie sah in den Menschen
immer nur das Gute. Eine ihrer hervorstechenden Eigenschaften war es, dass sie
niemals etwas Negatives über einen Mitmenschen sagte, obwohl sie sicher auch in
Ingelheim manchmal negative Erfahrungen machen musste. Es war interessant mit ihr
zusammen zu sein. Sie hat auch zahlreichen Ingelheimer Vereinen immer wieder
indirekt Hilfe zukommen lassen. Obwohl sie nicht hier geboren war, hat sie sich
ganz als Ingelheimerin gefühlt.
Im nächsten Jahr hätte sie ihren 80. Geburtstag gefeiert, und es gab zahlreiche
Überlegungen unsererseits, sie anlässlich dieses Geburtstages ganz besonders zu
ehren. Gedacht wurde u. a. daran, die von ihr bewohnte Eulenmühle in "Opel-Mühle"
umzubenennen. Es konnte ja niemand ahnen, dass es dazu nicht mehr kommen würde."
In einem Gespräch mit der Schwiegertochter, Claudia von Opel, und Eugen Hermann,
der auf Westerhaus geboren und aufgewachsen ist, erfuhren wir mehr über den
Menschen Irmgard von Opel.
Die Eltern von Eugen Hermann, der heute wieder auf dem Hofgut
angestellt ist, kamen 1927 bereits nach Westerhaus. Eugen Hermann ist hier
geboren und verbrachte die ersten 20 Jahre seines Lebens auf dem Westerberg.
Seit sieben Jahren ist er wieder auf dem Westerhaus beheimatet. Er kannte
Irmgard von Opel besser als viele andere.
Wir klammern ganz
bewusst ihre Reiterfolge aus, denn wir wollten den Alltag der
Irmgard von Opel näher betrachten.
Ihre Liebe zu den Tieren hat sich selbstverständlich in der Reiterei stark
ausgedrückt, aber sie war sportlich sehr vielseitig engagiert. Was viele nicht
wissen − sie hat viele Sportarten ausgeübt, u. a. auch Rudern und
Leichtathletik. In ihren frühen Jahren hat sie im Hochsprung einen deutschen
Rekord aufgestellt, der viele Jahre ungebrochen war.
Sie ist bis zum Tag ihrer Krankheit, am 18. April dieses Jahres, selbst Auto
gefahren und hat oft weite Strecken zurückgelegt. Sie konnte sich kurzerhand
entschließen, mit dem Wagen eine Freundin in Cannes zu besuchen und hat ihr
Vorhaben sofort in die Tat umgesetzt. Sie war überhaupt eine Frau der Tat. Für
sie war alles was sie tat selbstverständlich. Es machte ihr nichts aus, morgens
um halb vier aufzustehen, um ihren Sohn Heinz zu Turnieren in Hamburg zu
begleiten. In jungen Jahren - das gehört bei einer Automobilerbin wohl dazu −
hat sie auch kleine Rennen gefahren und hat eine Rallye durch ganz Europa
unternommen. Was für Frauen seinerzeit sehr ungewöhnlich war, sie fuhr auch
Motorrad!
Was ihre Tierliebe angeht, so gehörte ihre Liebe nicht nur den Pferden, wenn es
auch ihre Lieblingstiere waren. Sie ließ im Gegenteil allen kleinen Kreaturen
eine große Fürsorge zukommen. Sie hatte beispielsweise in ihrer Eulenmühle eine
entzückende Entenzucht, Bergziegen und Schwarzkopfschafe. In früheren Jahren
hatte sie sogar eine berühmte Foxterrierzucht auf dem Westerhaus, die sie
rührend betreut und gepflegt hat und mit denen sie viele Preise errungen hat.
Auf dem Westerhaus waren früher alle Tiere zu Hause, die damals zu einem
Bauernhof gehörten. Angefangen von Schweinen, bis hin zu Rindern wurde das
alles, wie das die Art von Irmgard von Opel war, intensiv betrieben. Es
wurden regelmäßig DLG-Ausstellungen besucht und sehr viele Preise errungen. Das Hofgut war lange Zeit für Rheinhessen der Betrieb schlechthin, der immer als
Vorbild dargestellt wurde. In den 50er Jahren war man jedoch an einem Punkt
angelangt, wo die Kapazität nicht mehr ausreichte. Man hätte sich ausweiten
müssen. Das ging zum einen nicht, weil die Gebäude beschränkt waren − man hätte
neue Ställe bauen müssen und das war aus dem Traditionsgedanken, den Betrieb in
der ursprünglichen Form zu erhalten, nicht möglich. Zum anderen fehlte es an
geeignetem Nachwuchs. Eugen Hermann berichtet: "Alle Leute, die die speziellen
Aufgaben − Schweinehaltung, ja Landwirtschaft schlechthin erfüllten, kamen um
1930 hier zum Westerhaus und sind alle geblieben, bis sie entweder in Pension
gingen oder starben. Der Nachwuchs fehlte, weil Ende der 50er Jahre alles in die
Betriebe hineindrängte. Guten Nachwuchs gab es zu dieser Zeit nicht mehr und das
war wohl auch der Grund, weshalb dann nach und nach alles eingestellt wurde. Die
Pferde, die früher überwiegend die Arbeit in Weinbau und Landwirtschaft gemacht
haben, wurden durch Maschinen verdrängt; es kam eine große Umstellung. Was für
mich im nachhinein interessant ist, ist die Tatsache, dass hier oben nie ein
einziger Arbeitsplatz wegrationalisiert wurde, sondern die Leute wurden gehalten
bis sie starben oder in Pension gingen. Das war für mich − gerade in der
damaligen Zeit − sehr imposant gewesen ..."
Irmgard von Opel
heiratet ihren Cousin Georg von Opel und die Achterkameraden des Bräutigams, des
Renngemeinschaftsachters Ruderverein Rüsselsheim - Rudergesellschaft Undine
1919 Rüsselsheim, sind anwesend. |
Aber diese Eigenschaft entsprach wohl dem Wesen der Irmgard von Opel. Sie zeigte
eine große Treue ihren Mitarbeitern gegenüber, die sie sich bis zum letzten Tag
bewahrt hat. Sie hat bis zuletzt für ihre "Ehemaligen" Feste und Kaffeerunden
organisiert und ihre "Alten" zusammengeholt, und das Wiedersehen bereitete ihr
jedes Mal eine große Freude. Ein Grund für diese „gegenseitige Treue" ist sicher
auch die Tatsache, dass Westerhaus früher eine Welt für sich war, denn außer
einem Lastwagen, der die Milch nach Ingelheim transportierte, gab es kaum Autos.
So war der Zusammenhalt und das Zugehörigkeitsgefühl der „Westerhäuser" sehr
groß. Vor allem wurde alles gemeinsam gemacht, auch alle Feste gemeinsam
gefeiert. Es gehörte zu den Eigenschaften der Irmgard von Opel, ganz bewusst, auf
die entsprechende Person abgestellt, zu schenken, so dass man merkte, sie hat
sich Gedanken um die Bedürfnisse des Beschenkten gemacht. Es ist kaum zu
glauben, dass sie alle Geburts- und Ehrentage all ihrer Mitarbeiter nicht ein
einziges Mal vergessen hat, was bei zeitweise 50 Mitarbeitern auf dem Westerhaus
nahezu unvorstellbar ist.
Eugen Hermann erinnert sich:
"Für uns Kinder war sie immer eine Person, der
große Ehrfurcht entgegengebracht wurde. Wenn wir Kinder irgendwo spielten und
sie kam, dann sind wir um die nächste Ecke verschwunden. Aber wir haben immer um
die Ecke herumgeguckt, was sie macht oder wo sie ist. Sie hat uns durch ihr
Auftreten, durch ihre Gestik, ihre Sprache immer regelrecht Ehrfurcht
eingeflößt, so dass wir es nicht wagten, in ihre Nähe zu kommen. Ich habe es aber
in den langen Jahren niemals erlebt, dass sie einmal ausgesprochen böse − in Form
von Schreien oder Schimpfworten − geworden wäre. Natürlich war sie sehr
energisch in ihrer Art, aber sie hat immer die Form, die Höflichkeit gewahrt.
Sie ist nie in irgendeiner Form ausfallend geworden gegenüber ihren Angestellten
und Mitarbeitern. Das war in der damaligen Zeit gewöhnlich anders ..."
Als ihr Sohn Heinz 1979 das Hofgut übernahm, zog Irmgard von Opel in die
Eulenmühle, die sie von einer völligen Ruine in einen kleinen Juwel umgewandelt
hatte. Sie hat dort u. a. einen Springplatz für Vielseitigkeitsprüfungen
angelegt. Das war für sie eine schöne Zeit des Auf- und Umbaues der Mühle.
Trotz ihres gesegneten Alters von nahezu 80 Lenzen, ist sie bis
vor wenigen Wochen geritten und hatte nichts von ihrer Kunst, Pferde zuzureiten
und mit ihnen umzugehen, verlernt. Ihre drei Enkelinnen waren fasziniert von der
Persönlichkeit ihrer Großmutter.
Von ihren Enkelkindern
wurde sie liebevoll "Mapsi" genannt, obwohl sich heute
niemand mehr recht erinnert, wie es gerade zu diesem Namen gekommen ist. Sie war
nie eine Oma, das passte auch bis zum Schluss nicht zu ihr. Sie ist jung
geblieben und sie hat viel dafür getan, jung zu bleiben, mit den Kindern
mitzugehen. Claudia von Opel berichtet: „Sie hatte mit unserer Tochter Sonja ein
besonderes "Witzeverhältnis". Sie hat für ihre Enkeltochter alle Witze ausgeschnitten, und
es war für beide ein Riesenspaß, Witze zu erzählen. Das war keine Oma, keine
Großmutter im üblichen Sinn - das war Mapsi ..."
Irmgard von Opel war eine Frau des Details. Bei ihr stimmte alles. Sie hat sich
das Westerhaus mit einem unglaublichen Geschmack im Würzburger Barock
eingerichtet. Da stimmte jede Kleinigkeit - angefangen von der Tischdecke bis
hin zum Aschenbecher. Ihre große Liebe galt der Musik. Was viele nicht wissen -
sie war eine der Initiatoren der Salzburger Festspiele, zu deren Mitbegründer
sie gehörte. Genauso wie sie die Tradition der Mainzer Fassenacht als Kulturerbe
pflegte, genauso war es mit der Musik und es gab für sie nichts Schöneres, als
das Vorspielen ihrer Enkelkinder auf der Orgel, dem Klavier oder der Querflöte.
Sie selbst war eine fleißige Opern- und Konzertgängerin. Das war ein ganz
wichtiger Teil ihres Lebens.
Irmgard von Opel war mit Ingelheim, mit ihrem Westerhaus, mit ihrem Land sehr
verbunden. Wenn sie von einer Reise zurückkam, dann fuhr sie zuerst mit ihrem
Wagen ihr Gelände ab, um sich zu versichern, dass sie wieder daheim war. Oft hat
sie auch Reisen und Besuche abgebrochen, weil sie unbedingt bei der Ernte dabei
sein wollte. Was sie tat, das war für sie selbstverständlich. Sie tat nie etwas,
nur um einen bestimmten Effekt zu haben, es war für sie alles
selbstverständlich. Sie hat sicher auch von ihren Leuten viel verlangt, aber
niemals etwas, was sie nicht selbst auch aufgebracht hätte. Das galt auch für
ihr Wirken bezüglich der Ingelheimer Vereine; sie hat sich nie in den
Vordergrund gespielt. Sie gehörte nicht zu denen, die nur eine Spende machten,
um in der Zeitung zu stehen. Bei ihr ging so etwas immer sehr still -
aber sie hat etwas getan. Sie hat, wie Eugen Hermann zu berichten weiß, nach dem
Krieg sehr viele Menschen aufgenommen, die ausgebombt waren. Diese Menschen
wurden einfach hier aufgenommen und haben teilweise zehn Jahre hier gelebt bis
sie eine Arbeit und eine Wohnung gefunden hatten. Auch das war für sie
selbstverständlich. Ebenso wie sie im März 1945 Ingelheim wahrscheinlich vor der
Zerstörung gerettet hat, indem sie mutig den herannahenden Amerikanern
entgegenfuhr, mit ihnen sprach und ihnen klarmachte, dass sich in Ingelheim nur
Zivilisten aufhalten. Dadurch wurde Ingelheim vor weiteren Kriegshandlungen
verschont. Auch das war für sie selbstverständlich, obwohl gerade zwei Tage
vorher Hermann Berndes aus einem ähnlichen Grund sein Leben lassen musste.
Lassen wir abschließend noch einmal Eugen Hermann zu Wort kommen: „Im Jahre 1900
übernahmen die Eltern von Irmgard von Opel das sehr heruntergekommene Westerhaus
und begannen mit dem Aufbau. 1927 starb der Vater, und sie hat im Alter von 20
Jahren die schwere Verantwortung für diesen Betrieb übernommen. Sie hat ihn zu
einem Mustergut gemacht, obwohl sie nie etwas über Tierzucht und ähnliches
gelernt hatte. Wie beim Reiten war sie auch hier ihr eigener Lehrmeister. Sie
hatte nie etwas über Landwirtschaft und Weinbau gelernt. Sie hatte sich alles
angeeignet mit einem recht guten Gespür für die entsprechenden Leute und eben
das war das Entscheidende. Sie hatte das Vermögen immer praktisch denken zu
können. Denn was nützt das beste Rezept, wenn man es nicht umsetzen kann? Sie
hatte immer ein Gespür dafür, was machbar ist. So lief es nahezu 50 Jahre ganz
prima. Die Leistungen, die sie vollbrachte, auch im unternehmerischen Sinn, sind
einfach enorm. Sie war sehr bestimmt, sehr diszipliniert aber niemals böse oder
ausfallend. Sie hatte mit ihrer Bestimmtheit auch Erfolg ..."
Irmgard von Opel
* 1907 Rüsselsheim …
†
1986 Ingelheim
Irmgard von Opel muss nach den Berichten ihrer Freunde und Angehörigen eine
beeindruckende, dynamische Persönlichkeit gewesen sein. Von Hause aus brachte
sie alle Opelschen Eigenschaften mit, die Voraussetzung für sportlichen,
geschäftlichen und gesellschaftlichen Erfolg sind. Ihre älteste Tochter aus der
Ehe mit Karl Georg Külb wurde 1927 geboren. Als 1928 ihre Eltern starben und
1929 das Rüsselsheimer Werk an die General Motors Corporation verkauft wurde,
fiel ihr in noch sehr jungen Jahren die Verantwortung für ein beträchtliches
Vermögen zu. Das Hofgut Westerhaus mit Gestüt, das Hofgut Petersau und die
Nackenheimer Kapselfabriken gehörten u. a. zu dem Wirtschaftsimperium, das sie
sich im Laufe der Jahre aufbauen konnte. Ingelheim verdankt ihr den 1938
durchgeführten Ausbau der Westerhausstraße und den Bau von vier Wohnhäusern, die
der Stadt übereignet wurden.
Internationale Bekanntheit erlangte Irmgard in den Dreißigerjahren als
erfolgreiche Springreiterin mit ihren legendären Pferden Nanuk und Arnim. Von
ihrem Vater gefördert, war das Reiten von Kindheit an ihre Passion. Als sie 1937
ihre Karriere beendete, war es ihr gelungen, mit zahlreichen Siegen in eine
Männerdomäne einzudringen. Ihr Name ist auch eng mit der Mainzer Fastnacht
verknüpft. Die Mainzer Prinzengarde gab sich 1938 die Ehre, die berühmte
Springreiterin zu ihrer Kommandeuse zu bestimmen. Zusammen mit Georg von Opel,
den sie am 28.4.1939 in zweiter Ehe heiratete, durchreiste sie 1938 Ägypten und
den Sudan sowie 1939 die Rocky Mountains. In den Jahren 1941 und 1943 wurden dem
Paar die Söhne Carlo und Heinz geboren.
Unvergessen ist bei den Ingelheimern Irmgards furchtlose Initiative beim
Einmarsch der amerikanischen Truppen. Mutig ging sie den Soldaten über den
Westerberg entgegen, um sie in englischer Sprache von der Friedfertigkeit der
Ingelheimer zu überzeugen und die Unterlassung von Kampfhandlungen zu erbitten.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde ihr Leben in andere Bahnen gelenkt, und andere
Aufgaben mussten bewältigt werden. Mit 79 Jahren ist sie in der zu Westerhaus
gehörenden Opelmühle, wo sie seit 1978 wohnte, verstorben. Bis zu ihrem
Lebensende galt ihre besondere Vorliebe den Pferden und dem Pferdesport.
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