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Über Mitglieder des
RRK (2007)
Holger Kraft |
Holger Kraft |
Theaterhaus Rüsselsheim
Das Theaterhaus
Rüsselsheim ist eine freie, ungebundene Institution, ein loser Zusammenschluss
freier darstellender Künstler, das professionell Theaterutopien vermittelt. Das
Projekt "Kinder der Revolution"
ist ein Anfang.
Zahlreiche Rüsselsheimer sind in den
letzten Jahren ausgezogen, an den unterschiedlichsten Schulen, Universitäten,
Theatern ihr Handwerk zu erlernen. Schauspieler, Regisseure, Dramaturgen,
Bühnenbildner; manche davon längst erfolgreich, fest angestellt an Bühnen oder
freiberuflich. Die freie Gruppe Theaterhaus Rüsselsheim bündelt mit diesem
ersten Projekt diese Kräfte und will künftig in wechselnden Formationen
wiederkommen, vor Ort Visionen entwickeln, wie ein Theater der Zukunft aussehen
kann: flexibel, intermedial, kontrovers und vor allem künstlerisch nicht
statisch. Das Theaterhaus Rüsselsheim sucht die Auseinandersetzung mit aktuellen
Themen, stellt zugleich den Bezug zur Stadt und ihren Bewohnern her; mit
scharfem Blick von außen und zugleich einer großen Nähe.
Das Theaterhaus Rüsselsheim sind
heute: Der Regisseur Thomas
Zielinski, der Schauspieler Holger Kraft und die Schauspielerin Bianca Karger,
der Dramaturg Kai Schmidt, der Musiker Kai Beck zusammen. Als Gäste treten auf:
René Marik, Sophie Basse und einige Überraschungen. Einmischungen sind erbeten.
Erarbeitete Produktionen:
Die am Projekt Theaterhaus Rüsselsheim beteiligten Personen sind seit
Jahren überregional aktiv und erfolgreich. Zielinski arbeitete mit Luc Perceval
und inszenierte an den Münchner Kammerspielen, Kraft und Schmidt waren z.B. 2005
mit Elke Sommer deutschlandweit auf Tournee, Marik ist regelmäßig im Fernsehen
zu besichtigen. (z.B. Pro 7 Quatsch Comedy Club)
Kontakt:
Kai Schmidt, Telefon 0176 20017578 kaii.schmidt@web.de – Holger Kraft,
Telefon 0177 8866788 holger.kraft@gmx.de
Bankverbindung:
"Theaterhaus Rüsselsheim" (Holger Kraft), Rüsselsheimer Volksbank, Konto-Nr.:
21420808, BLZ: 50853000
Vielleicht, das könnte sein, geht von
dieser Begegnung ein Widerstand aus. Ein kleines bisschen. Und dann geht das
wieder los, mit den Fragen. Warum das alles so ist und nicht anders? Es hätte
doch auch alles anders sein können.
Blick hinter die
Kulisse der Familie Bin Ladens
"Theaterhaus" feiert
Premiere mit "Kinder der Revolution" / Gegensätzlichkeit von Terror und
Spaßgesellschaft
Von André Domes (aus "Main-Spitze" vom
21.07.2007)
Mit dem Werktitel "Kinder der
Revolution" kommt das "Theaterhaus Rüsselsheim" noch ganz im frühen 70ies-Outfit
daher und lockt auch ein bisschen mit dem dazugehörigen Revoluzzer-Pathos. Doch
wer am Donnerstag der Premiere des zweiteiligen Theaterabends beiwohnte, der
merkte schnell, dass es der Künstlergruppe bei ihrer Doppelinszenierung zum
Thema Terror keinesfalls um ein bloßes Aufwärmen der allseits bekannten
Ereignisse ging. Im Gegenteil: "Kinder der Revolution" ist hier wörtlich zu
verstehen und zeichnet das ambivalente und viel zu selten thematisierte Bild vom
Terror der Generation nach der Nachkriegsgeneration.
Aus genau dieser stammen nämlich die
derzeit acht Mitglieder des "Theaterhaus Rüsselsheim", das sich als
professioneller wie freier, weil nicht formalisierter Zusammenschluss
darstellender Künstler begreift und sich zum Ziel gesetzt hat, inhaltliche
Theaterarbeit jenseits der Tourneebühnen wieder nach Rüsselsheim zu bringen.
Dazu gehört freilich auch die Wahl des Spielortes und die ist, wie auch das
Erreichen des selbst gesteckten Zieles, für beide Teile des Abends exzellent
gelungen.
Los ging es im Opel Forum, das nicht nur
durch seine ursprünglich kapitalorientierte Zweckbestimmung, sondern auch mit
seiner technischen Ausstattung beste Vorraussetzungen für den mit "Terror,
gestern, heute und morgen" betitelten szenischen Vortrag bot. Sophie Basse,
Holger Kraft und René Marik stellten sich, verstärkt durch Assistentin Bianca
Karger und Musiker Kai Beck, als Moderatoren einer BKA-Vortragsreihe vor, die
sich im Sinne von Infotainment dem Thema Terror widmen wolle. Mit der
entsprechenden Multimedialität entwickelte das Trio so ein Panoptikum
unterschiedlicher Sichtweisen auf die Materie. Das reichte von
Pressekonferenz-artig verlesenen Abrissen über historische Terrorakte über den
"Blick hinter die Kulissen" der Familie Bin Laden und den per Playmobil
nachvollzogenen Zugriff auf die RAF-Terroristin und Amarenabecher-Fan Eva Haule
bis hin zu Einspielern mit einer entlarvenden Straßenumfrage zum Thema
Sicherheitsbedürfnis in Rüsselsheims Fußgängerzone. Dass sich bei alldem
Ideologie mit Nonsens, Humor mit Phrasendrescherei und Popkultur mit Morbidität
zu einem letztlich beängstigend-eigenschaftslosen Stimmungsbild verdichteten,
offenbarte die selten so treffend dargestellte Gegensätzlichkeit von Terror und
Spaßgesellschaft.
Völlig anders und doch in dieselbe Kerbe
schlagend zeigte sich der zweite Teil, für den Ensemble und Publikum in die
benachbarte Werkshalle A1 umzogen. Die mit großem Einsatz und wenigen Mitteln
inszenierte Groteske "Der Leutnant von Inishmore" des Iren Martin McDonagh
machte im Stile eines Tarrantino oder Lynch bizarre Gegensätze und Zwiespälte
zwischen unreflektierter Brutalität und emotionaler Einfalt zum Leitthema.
Tiere liebt er aber wirklich
sehr
Von Sylvia Staude (aus "Frankfurter
Rundschau" vom 23.07.2007)
Am 2. August 1986 wurde die
RAF-Terroristin Eva Haule-Frimpong in einem Eiscafé in Rüsselsheim festgenommen.
Ein Ereignis, das eine Rüsselsheimer Theatergruppe einfach nicht ignorieren
kann, wenn sie sich des Themas Terrorismus annehmen will. Und so tritt Eva Haule
nun im Rüsselsheimer Opel-Forum auf – als dunkelhaariges Playmobil-Figürchen,
das in einer Playmobil-Eisdiele sitzt und von Playmobil-Polizisten verhaftet
wird.
Schauspieler Holger Kraft in der
Debüt-Produktion des "Theaterhauses" mit dem Titel "Kinder der Revolution" |
"Theaterhaus Rüsselsheim" nennt sich
eine Neugründung, obwohl die Akteure über ein Haus nicht eigentlich verfügen,
sondern bei Opel Unterschlupf fanden für ihre erste Produktion mit dem Titel
"Kinder der Revolution". Den ersten, einstündigen Teil – "Terror, gestern, heute
und morgen" – zeigt die Gruppe in einer Art Tagungsraum: Drei Mitarbeiter des
Bundeskriminalamts (die Schauspieler René Marik, Holger Kraft, Sophie Basse)
laden zum Terrorismus-Vortrag. Von D wie Definition bis L wie Linksextremismus.
Gemeinsam mit den Zuhörern üben sie, wie
man El Kaida richtig ausspricht (mit Rachen-Ch, angeblich). Und ein Video
dokumentiert, wie durch die Fußgängerzone schlendernde Rüsselsheimer auf die
Frage reagieren, ob sie sich sicher fühlen. Und wohin man noch reisen kann, ohne
sich in Gefahr zu begeben. Nicht wenige Befragte waren auch der Meinung, dass
Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble im Prinzip auf dem rechten Weg ist. In
diesem ersten Aufführungsteil wird auch die Festnahme Haule-Frimpongs in
Playmobil-Land nachgestellt, mit entschiedenem Mut zum Slapstick.
Was einem Angst macht, darüber muss man
scherzen. Dem Motto scheint auch der zweite Teil des Abends zu folgen. In der
Opel-Werkshalle A1, in der es genau so aussieht, wie man sich eine alte
Industriehalle vorstellt, spielen Marik, Kraft und Basse sowie Bianca Karger ein
kurzes, grelles Stück des 1970 geborenen Iren Martin McDonagh: "Der Leutnant von
Inishmore", 2001 von der Royal Shakespeare Company uraufgeführt, ist eine
herrlich geschmacklose Komödie, ein bös-bitteres Terroristen-Porträt.
Die "Freiheitskämpfer", die darin
auftreten, gründen zum einen alle naselang eine neue Splittergruppe und schießen
sich dann gegenseitig nieder; finden zum anderen nichts dabei, Menschen zu
foltern (ihnen die Zehennägel auszureißen, zum Beispiel) - brechen aber in
Tränen aus, wenn eine Katze ins Gras beißt.
Alles dreht sich im "Leutnant von
Inishmore" nämlich um den Kater der psychopathischen IRA-Titelfigur Padraic
(Sophie Basse), die er "Wee Thomas" ruft, "Klein-Thomas". Wee Thomas also ist
tot, als das Stück beginnt. Und Donny (Marik als Padraics Vater) sowie Davey
(Kraft) überlegen, wie sie es dem jungen Psychopathen beibringen.
Beziehungsweise, ob sie versuchen sollen, ihm eine mit Schuhcreme geschwärzte
Katze als Ersatz unterzujubeln.
Der vonTrauer überwältigte Padraic fände
übrigens gar nichts dabei, zur Strafe auch seinen Vater zu erschießen. Es stellt
sich aber raus, dass eine andere Splittergruppe Wee Thomas tötete, um den
IRA-Leutnant aus seinem Versteck zu locken ....
Zynisch, alles andere als IRA-freundlich
und von monty-pythoneskem Humor ist McDonaghs Stück, das "Theaterhaus
Rüsselsheim" lässt es unter der Regie Thomas Zielinskis splattern und krachen,
zuletzt werden die Toten fachmännisch zerlegt (aber hinter der Couch, keine
Angst).
Dieses rabenschwarze "Kinder der
Revolution"-Doppel ist ein respektabel respektloser Einstand für eine Truppe,
die künftig immer mal wieder - in wechselnder Konstellation - in Rüsselsheim
auch über Rüsselsheim reden (und spielen) will. Vielleicht ja so erfolgreich,
dass es irgendwann fürs Theaterhaus ein festes Dach über dem Kopf gibt.
"Kinder
der Revolution"
von Thomas Zielinski
Rüsselsheim: Mit
besonderem Interesse schaut der Regisseur auf die aktuell wieder aufflammende
Angst vor terroristischen Bedrohungen
Von Andrea Volb (aus "Rüsselsheimer
Echo" vom 05.09.2007)
Thomas Zielinski ist in Rüsselsheim
aufgewachsen, er lebt in Prag. Als Regisseur hat er mit der Gruppe "Theaterhaus
Rüsselsheim" das Stück "Kinder der Revolution" erarbeitet.
Ein Kind der Revolution zu sein, heißt
für Thomas Zielinski, als junger Mensch den "Deutschen Herbst" des Jahres 1977,
den Terror der RAF, die Demonstrationen an der Startbahn West miterlebt zu
haben. Wenn man zu dieser Zeit in Rüsselsheim gewohnt hat, dann ist die
Festnahme der Terroristin Eva Haule in der Eisdiele "Dolomiti" vielleicht noch
in Erinnerung. Die Stadt im Fokus des BKA, die Gewalttäterin mittendrin in der
Marktstraße beim Eisbecher und mit der Schusswaffe in der Tasche.
Thomas Zielinski hat diese Zeit erlebt,
und er schaut als Theaterregisseur mit besonderem Interesse auf die aktuell
wieder aufflammende Angst vor terroristischen Bedrohungen.
Mit dem Stück "Kinder der Revolution"
haben sich in Rüsselsheim unter dem Namen "Theaterhaus Rüsselsheim"
Theaterschaffende zusammengefunden, die in der Stadt aufgewachsen sind und
inzwischen jenseits ihrer Grenzen arbeiten. Ihre Inszenierung, die im Juli
Premiere feierte, wird jetzt wieder aufgenommen. Spielorte sind die
Rathaus-Rotunde und die Opel-Werkhalle A 1.
Den ersten Teil "Terror gestern, heute
und morgen" entwickelte die Gruppe selbst, man spielt in der Rotunde. Dann
wandert die ganze Theatergesellschaft hinüber in die Werkhalle A 1, wo das Stück
"Der Leutnant von Inishmore" des Iren Martin McDonagh gezeigt wird. Das
geschäftige Schüren der Angst vor Terrorismus hier, die brutal-labilen und
bisweilen erbsenhirngesteuerten Gemüter der Terroristen dort: Das eine ist so
grotesk wie das andere, meint der Regisseur.
Durch seine tschechische Mutter ist
Zielinski zweisprachig aufgewachsen. Nach Abitur und Wehrdienst verließ er
Rüsselsheim, um an der Prager Akademie der musischen Künste Theaterregie zu
studieren.
Für eine Abschluss-Inszenierung von
Biljana Srbljanovics "Familiengeschichten Belgrad" wurde er von der
tschechischen Theaterkritik als "Talent des Jahres" nominiert.
Die Kontakte zum Theater bestanden vor
dem Studium in der Mitgliedschaft in der Schul-Theater-AG, in einem Praktikum im
Schauspiel Frankfurt und durch seine Freunde Holger Kraft und Gerd Zinck, die im
Rüsselsheimer Ensemble "Schon geseh’n" mitwirkten. Kraft war es dann auch, der
mit der Idee des "Theaterhaus"-Projekts Kontakt zu Zielinski aufnahm.
Nach zweijähriger Regieassistenz an den
Münchner Kammerspielen und Regiearbeiten für das Prager Nationaltheater und für
Flanderns größte Bühne "Het Toneelhuis" in Antwerpen lebt Zielinski inzwischen
mit seiner Frau und seinem zweijährigen Sohn in Prag, war dort zuletzt
künstlerischer Leiter des Prager Stadttheaters "Rokkoko" und arbeitet derzeit
als freier Regisseur.
Von den derzeit sieben
Ensemblemitgliedern des "Theaterhaus" stammen neben ihm noch vier aus
Rüsselsheim: Die Schauspieler Holger Kraft und Bianca Karger, der Musiker Kai
Beck und der Dramaturg Kai Schmidt. Es zieht sie halt immer wieder zurück in die
Heimat: Die Stadt sei so hässlich, das schüre die Energie, sich daran
abzuarbeiten, meint der Fünfunddreißigjährige. Etwas verändern zu wollen. Es
gehe allerdings nicht, hier einfach einen Shakespeare aufzuführen. Theater muss
bei Thomas Zielinski einen Bezug haben zur Gegenwart. Den neuen Hang zurück zur
Werktreue an deutschen Bühnen beobachtet er mit Sorge. Das Theater ist für ihn
ein Gesamtkunstwerk, ganz wie bei Wagner, nur mit den Zeichensystemen und Themen
der Zeit. Also wird mit Text und Schauspielkunst genauso gearbeitet wie mit
rockiger Musik oder den Mitteln der Nachrichtenmedien. Seine Schauspieler
bestätigen ihm ein ausgesprochen glückliches Händchen für den kreativen Prozess
in der Gruppe: Es wird viel gelacht bei den Proben, die sich, so die Hoffnung,
bald schon um eine neue Produktion drehen. |