Rüsselsheimer Ruder-Klub 08 "Archiv und Chronik"

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Holger Kraft

Der "Julius Cäsar der Seitenlinie"

Holger Kraft spielt "Doppelmonolog für einen Schauspieler" im Theater

Von Nina Finkernagel (aus "Main-Spitze" vom 20.12.2005)
 

RÜSSELSHEIM Der selbst ernannte "Julius Cäsar der Seitenlinie", dessen ganzes Herzblut für den Fußball pulsiert, tobt, brüllt, schlägt urplötzlich leisere Töne an und entrollt damit ein großes Feld der Gefühlsskalen, die Holger Krafts wandlungsfähiges Einfühlungsvermögen in die Figur des Fußballtrainers aus der ostdeutschen Provinz beweisen. In Thomas Brussigs Monolog "Leben bis Männer" erweckt der Rüsselsheimer Schauspieler eine Rolle zum Leben, deren ganzes Denken an diesen Sport gefesselt ist.

Dem Einpersonenstück kam es zugute, dass die Bühnenfläche nicht an erhöhter Stelle frontal zum Publikum positioniert war, sondern - markiert durch einen Kreis Glühbirnen - sich mitten unter ihm befand. In drei Stuhlblöcken um Kraft waren die Zuschauer gruppiert worden. Kaugummikauend und mit viel Energie interpretiert Kraft einen Menschen, dessen Horizont sich vordergründig völlig eindimensional nicht über den Ballsport hinaus bewegt, hinter dem jedoch ein Mann steht, der auf diese Weise zu kompensieren versucht, was er an anderer Stelle nicht erreicht hat: zum Beispiel eine intakte Familie.

Geradezu verletzlich wirkt er, wenn er sich in punkto Arbeitslosigkeit eingesteht: "Alles, was Sie früher nebenbei erledigt haben, wird zum Höhepunkt des Tages." Die abrupt wechselnden Stimmungen von lauter Expressivität zu ruhigem Sprechfluss verhelfen vor allem letzteren Stellen zu einer besonders intensiven Wirkung. Häufig sind die Ausführungen des Fußballtrainers von einer Komik erfüllt, sodass auch humorvolle Seiten des Monologs nicht zu kurz kommen.

Unter dem Gesamttitel des Abends, "Doppelmonolog für einen Schauspieler", verkörpert Holger Kraft unter der Regie des ebenfalls aus der Opelstadt stammenden Thomas Friemel eine weitere, vom Leben nicht sehr begnadete Persönlichkeit: "Der Gitarrenmann" von Jon Fosse führt in einer Weise den Faden fort, kontrastiert aber auch mit der vorigen Figur. Denn der Straßengitarrist verleugnet weniger seine Existenz, überspielt sie nicht durch lautes Gebaren, sondern erkennt in der Bilanz seines Lebens: "Ich bin ein verunglückter Mann, aber so welche muss es ja auch geben."


Brüllender Cäsar an der Seitenlinie

Theater: Holger Kraft facettenreich als Fußballtrainer und Straßenmusiker im „Doppelmonolog für einen Schauspieler“

Von Peter Thomas (aus "Rüsselsheimer Echo" vom 19.12.2005)

Stratege und Psychologe, Träumer und Rüpel: Der Trainer in "Leben bis Männer“ von Thomas Brussig ist eine zerrissene Figur im Kleinen. Zwischen Platz und Kneipe und Job hat er irgendwann seine Träume verloren, die Familie, den sportlichen Ziehsohn. Doch wie ein Ball, der mit voller Wucht über den Platz getreten wird, so folgt der Trainer seiner Lebensaufgabe, dem Fußball – auch wenn der Schuss längst nicht in Richtung Tor fliegt.

Holger Kraft hat sich dieser schwierigen Rolle für den Abend "Doppelmonolog für einen Schauspieler" im Stadttheater angenommen. Er schreit und flüstert, beschwört und spuckt und spottet, lässt nach und nach die einzelnen Facetten dieses Charakters aufleuchten inmitten der Arena, die von einem schlichten Band aus Glühbirnen abgesteckt ist. Der aus Rüsselsheim stammende Schauspieler erkundet die Spannweiten der Gegensatzpaare, die Thomas Brussig als dramatisches Grundgerüst des Stücks angelegt hat: Männer/Frauen, Ostdeutschland/Westdeutschland, Trainer/ Mannschaft, schließlich Fußball/ andere Sportarten, der größte Konflikt von allen.

Die Rolle, die Brussig für "Leben bis Männer" entworfen hat, ist ein Archetyp ohne Namen, dessen persönliche Welt Sehnsüchte und Ängste eines Landes auf sich projiziert. Ein halbes Jahr vor der Weltmeisterschaft in Deutschland hat Regisseur Thomas Friemel zusammen mit Kostüm- und Bühnenbildnerin Anja Stoffel mit diesem 2001 in den Kammerspielen des Deutschen Theaters in Berlin von Peter Ensikat uraufgeführten Stück alles andere als ein Fußballmärchen inszeniert. Eher als Trauma und Sucht präsentiert sich der Sport in der Erzählung des Trainers. "Der Trainer muss brüllen können", sagt der Coach, den Holger Kraft im dunklen Anzug gibt, während die Stollen der Fußballschuhe im harten Stakkato über die Bühnenbodenbohlen der Studiobühne klackern.

Über die Evolution des Fußballs sinniert der "Cäsar der Seitenlinie", erzählt von seinem Eintritt in die SED. So wollte er die Reiseerlaubnis zu einer Welt- oder Europameisterschaft bekommen. Doch die DDR-Auswahl qualifizierte sich nicht mehr. Als zunächst beiläufig-stiller Kontrapunkt zum Leitmotiv Fußball entwickelt sich die Reflexion der Wende-Ära um 1989. Bis der Heiko, der beste Spieler in der Mannschaft des Trainers, als Mauerschütze vor Gericht steht. Brüllend verteidigt der Coach den Spieler: Er hat doch nur gehorcht, hat die oberste Tugend der Mannschaft erfüllt.

Irgendwann blendet der Trainer all seine Probleme wieder aus, fokussiert die Aufmerksamkeit auf Platz und Mannschaft: "Wir spielen nicht nur Fußball, wir trotzen den Zeiten", ruft er dem Team zu, dessen Spieler wegen ihres Berufs immer seltener vollzählig zum Match erscheinen.

Holger Kraft (vorn rechts) im Jahr 1992 in einem Hockeyspiel seiner Mannschaft, des Rüsselsheimer RK, gegen den Dürkheimer HC, hier in der Mitte und nicht an der "Seitenlinie"

Dann wechselt das Licht und Holger Kraft wechselt die Trainerjacke mit dem Instrumentenkasten des Gitarrenmanns. Wo die Emotionen eben noch über eine Stunde lang hochgekocht sind, verabschiedet sich der "Doppelmonolog" aus dem Abend mit einem unheimlich stillen Stück. Der "Gitarrenmann" von Jon Fosse ist eine zweite Geschichte des Zusammenbruchs einer individuellen Welt. Doch der Musiker, der Tag für Tag für ein bisschen Geld in der Fußgängerzone spielt und singt, schreit seinen Frust nicht hinaus über die harte Fläche des Aschenplatzes. Neugierig betrachtet sich der Künstler selbst, um ganz leise und ohne jeden Höhepunkt von der Bühne und aus der Geschichte zu verschwinden.

Die Geschichten dieser so unterschiedlichen Figuren verband der Theaterabend "Doppelmonolog für einen Schauspieler" durch den Übergang ohne Bruch im Spiel zum dramatischen Spiegelbild und steigerte so die Spannung noch einmal. Verdienter, anhaltender Applaus belohnte Holger Kraft, Thomas Friemel und Anja Stoffel für diesen emotional aufgeladenen Theatermarathon.


Aus Homepage "www.theater-ruesselsheim.de":

Doppelmonolog für einen Schauspieler

Unter der Regie von Thomas Friemel schlüpft der Schauspieler Holger Kraft in zwei Monologrollen. In Jon Fosses Stück "Der Gitarrenmann" spielt er einen Gitarristen, der Tag für Tag in einer Unterführung für all jene spielt, die zufällig vorbeikommen. In Thomas Brussigs "Leben bis Männer" stellt er einen Fußballtrainer aus der Provinz dar. Absurde Wendungen und mitreißende Komik kennzeichnen seinen leidenschaftlichen Monolog. "Leben bis Männer" ist ein Pendant zum "Kontrabass" von Patrick Süskind.

Der Gedanke, Holger Kraft an einem Abend in zwei Monologrollen schlüpfen zu lassen, folgt der Idee, dass in jeder Brust "zwei Seelen" wohnen. Zwei Mal fällt er aus höchsten Höhen in tiefste Tiefen, zwei Mal spielt er einen Menschen, der sich als Zentrum der Welt begreift, aber am Rand steht, einmal auf dem Fußballplatz als Trainer, einmal in der Fußgängerzone als der Gitarrenmann. Beide tragen den Wunsch nach einem heimatlichen Hafen in sich, in den sie wahrscheinlich nie einlaufen werden, da sie ihr eigenes Leben – so gut es geht – umschiffen.

Holger Kraft und Thomas Friemel sind beide in Rüsselsheim geboren, aufgewachsen und haben dort ihre ersten Theatererfahrungen gesammelt. Beide waren Mitglieder der Gruppe "!schon geseh’n?" und sind zeitgleich aus Rüsselsheim ausgezogen. Holger Kraft absolvierte eine Schauspielausbildung in Leipzig und war drei Jahre lang am Theaterhaus Jena engagiert. Thomas Friemel arbeitete nach Regieassistenzen am Staatstheater Mainz und am schauspielfrankfurt als fester Regisseur in Aachen. Beide sind im Moment freischaffend tätig.

Verlagsinformationen zu den Stücken:

Jon Fosse: "Der Gitarrenmann" (Gitarmannen)

"Der Gitarrenmann, der täglich in der Unterführung Musik spielt für Menschen, die sie hören wollen (und solche, die sei nicht hören wollen) (…) lebt in einer Stadt, in die er der Liebe wegen kam und eines Sohnes wegen blieb – könnte aber ebenso gut anderswo wohnen; er spielt Lieder, die er mittlerweile hasst, und könnte ebenso gut – nichts tun (…) Ein hoch musikalischer, sprachlich artifizieller Text, der glasklare Sätze in Versform zur Verfügung stellt (…). Fosses namenloser Protagonist: das ist der alt und müde gewordene, monomanische Gitarrenspieler Fosse, der als Jugendlicher Pop- und Rocktexte schrieb, bevor er das Instrument gegen die Schreibmaschine austauschte. An ihr entstehen, mit Stilmitteln der Wiederholung und Variation, Texte, die mehr Rhythmus sind denn Rede, schiere Struktur und schmeichelnde Suggestion, gesprochen von Menschen in einem sozialen Leerraum." (Neue Zürcher Zeitung)

Thomas Brussig: "Leben bis Männer"

Einer packt aus. Mehr als zwanzig Jahre war er der Stratege am Rand. Im Training ein harter Knochen, auf dem Platz ein Erlöser. Sein Verein hieß einst !Tatkraft Börde!, sein Beruf ist Fußballtrainer. Jetzt zieht er vom Leder, und es gibt kein Halten: Weil einer seiner Spieler vor Gericht gestellt wurde, hat die Mannschaft den Aufstieg nicht geschafft. Nach "Helden wie wir" und "Am kürzeren Ende der Sonnenallee" hat Thomas Brussig nun den Aufschrei eines Menschen aus der Provinz aufgezeichnet. "Leben bis Männer" ist der Monolog eines Mannes, der ein enger Verwandter des Kontrabassisten von Patrick Süskind könnte. Ein Fußballtrainer aus der Provinz rechnet ab. Ein leidenschaftlicher Monolog voller absurder Volten und mitreißender Komik – ein Pendant zum "Kontrabass" von Patrick Süskind.