Rüsselsheimer Ruder-Klub 08 "Archiv und Chronik"

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Dr. Georg von Opel

Bei Georg von Opel zu Hause

Leidenschaften eines Millionärs: Tiere, Sport und ferne Kontinente

Von Fritz Wirth (aus "Welt am Sonntag" vom 27.08.1967)

Georg von Opel und Fritz Wirth

Sein Name hat Klang und gilt auf Millionen von Autos als zuverlässiges Markenzeichen. Dennoch hat Georg von Opel nichts mit der Fabrikation gleichnamiger Wagen zu tun. Mit 17 Jahren Multimillionär - General Motors hatte das Familienunternehmen 1929 gekauft -, fühlte er sich herausgefordert, Eigenes zu schaffen. Wie Georg von Opel heute lebt, schildert dieser Bericht.

Der Arzt forschte nach einem Toten. Am Tag zuvor war ihm ein Herzinfarkt persönlich ins Haus gekommen. "Herr Doktor", sagte der Herzinfarkt, "da ist so ein stechender Schmerz in meiner Brust. Das Herz kann es nicht sein, das ist kerngesund. Schauen Sie doch mal nach!" Der Doktor wußte es besser und ließ den Mann eiligst in eine Klinik bringen. 24 Stunden später rief er neugierig-besorgt im Hospital an: "Gell, der Mann, den ich Ihnen gestern schickte, ist wohl tot?"

Er war es nicht. Der Mann heißt Georg von Opel. Er sitzt in seinem exklusiv - eigenwilligen "Gotischen Haus" oberhalb Kronbergs im Taunus und schaut sich - offenbar geläutert, doch bar jeden Schocks - sein zweites Leben an: Ein Traum von Mann, gesund, gebräuntes Gesicht, graue Hose, cremefarbenes Freizeithemd, sitzt er gelassen-entspannt im tiefen Sessel. Linker Hand ein Telefon, letztes Überbleibsel eines einst gut ausgerüsteten Managerbefehlsstandes, vor ihm eine Bilanz, die nach Gummi riecht, um ihn herum Bücher, Buddhas, Masken und Madonnen.

Er wohnt in der eigenwilligsten und exotischsten Umgebung, die sich je ein Millionär in diesem Lande geschaffen hat. Wer sein flachgeducktes, an einen Hang gelehntes Haus betritt, passiert zuvor alle Stationen seiner Leidenschaften. Am Eingang, wo konventionelle Millionäre einen Butler zu deponieren pflegen, macht eine holzgeschnitzte, mythenbeladene, aus Tibet importierte Figur stumm die Honneurs. ("Tibet", sagt der weitgereiste Hausherr, "ist das Land, das mich am meisten fasziniert.")

Der Weg führt von Tibet direkt ins klassische Olympia. Schiefergraue Statuen stehen rechts und links im Gelände, eingefrorene Bewegung von Diskuswerfern und Faustkämpfern - ewiges Olympia im Taunus symbolisierend. Belebt wird diese stumme Szenerie durch Trompetensignale hauseigener Elefanten, das Kreischen ausgelassener Gibbons und das Röhren kapitaler Rothirsche direkt vor der Haustür.

Er arbeitet gern

Das ist die Welt des Georg von Opel, eines Lebens inmitten dreier großer Leidenschaften, des Sports, des Umgangs mit Tieren und der Sehnsucht nach fernen Ländern. Aber das kennzeichnet noch nicht seinen Alltag. Er ist wohlhabend genug, sich ausschließlich diesen drei Leidenschaften widmen zu können. Er wählte jedoch eine beschwerlichere Route, lud sich Lasten auf wie etwa den ungleichen Mehrkampf mit den großen Mineralölkonzernen, indem er Benzin ein paar Pfennige billiger verkauft als sie. Er machte es sich zur Aufgabe, den zum Teil höchst widerstrebenden öffentlichen Händen den Traumbetrag von 6,3 Milliarden Mark zu entwinden, um mit diesem Geld Spielplätze, Erholungsanlagen und Turnhallen errichten zu lassen, bevor unsere Städte vollends zugebaut worden sind. Er stiftet bronzene, silberne und goldene Schuhe, um die Leute wieder zum Wandern zu bewegen in in unserer hochmotorisierten Welt. Sicherlich keine revolutionierende Idee, aber wer erwartet schon, daß sie ausgerechnet dem größten deutschen Automobilhändler in den Sinn kommt?

Doch das ist es, was ihn charakterisiert. Hätte er ein paar Jahrhunderte früher gelebt, wäre er ein Kreuzritter geworden. Er liebt es, andere herauszufordern oder sich herausfordern zu lassen. Zum Beispiel von einem Berg vor seiner Haustür, dem Altkönig. Normale Bürger von Kronberg pflegen die 500 Meter Höhenunterschied bis zu seiner Spitze als erholsame, wenn auch beschwerliche Wanderroute zurückzulegen. Nicht so Georg von Opel. Er greift diesen Berg seit 15 Jahren unentwegt an, stürmt ihn hinauf mit der Stoppuhr in der Hand auf der Jagd nach dem opeleigenen Weltrekord, der im Augenblick bei 27:45 Minuten für den Aufstieg und bei 16:10 Minuten für den Abstieg liegt.

"Warum tun Sie das alles; Sie sind ein wohlhabender Mann, warum arbeiten Sie dennoch so hart, warum führen Sie ein so ruheloses Leben?"

Zwei steile Stirnfalten verheißen Protest. "Ruhelos", sagt er, "ist die falsche Vokabel. Ich führe ein vielseitiges Leben, und ich bemühe mich, es sinnvoll einzurichten. Dazu gehört, daß ich viel arbeite. Warum? Um die Miete für meinen Platz auf der Erde zu bezahlen."

Millionär mit 17 Jahren

Das sagt ein Mann, der mit 17 Jahren vielfacher Millionär wurde. Es war in jenem für ihn so unglückseligen Jahr 1929, als aus dem angehenden Juniorchef der Firma Opel über Nacht ein Pensionsempfänger geworden war. General Motors bezahlte für das Unternehmen, das damals auf 45 Millionen Mark geschätzt wurde, verführerische und betörende 125 Millionen, und die Gebrüder Opel schlugen ein.

Beim Haupterben dieser Millionen, bei Georg von Opel, löste das eine für ihn typische Reaktion aus. Er fühlte sich durch dieses Geschenk herausgefordert. Er begann zu kämpfen, zu arbeiten mit keinem anderen Ziel als zu beweisen, daß er auf eigenen Füßen stehen kann. Das Ergebnis dieser Bemühungen: er besitzt eine Kunststoff-Fabrik, eine Bootswerft, einen Autohandel und ein Tankstellennetz.

Dieses Paket an Arbeit, angereichert durch Tätigkeit in Aufsichtsräten und mit der Präsidentenbürde in fast unübersehbar vielen Organisationen, verhalf dem von Gesundheit strotzenden 55jährigen Mann Ende letzten Jahres zum Herzinfarkt. "Hat dieses Ereignis Ihr Leben verändert?"

Die Antwort kommt zu behende, um zu überzeugen: "Ich arbeite nicht mehr." Das ist eine simple Lüge. Tatsache ist, daß er einen erheblichen Teil seiner Arbeit vom Büro in Frankfurt in sein Haus im Taunus verlegt hat. "Und dann", fügt er eilig hinzu, "marschiere ich nicht mehr bis zur Spitze des Altkönigs hinauf." Das ist die verfeinerte Art einer Lüge. In Wahrheit macht er 20 Meter vor dem Ziel kehrt, damit er seinem Arzt auf die Frage "Waren Sie wieder oben?" treuherzig und gewissenhaft "nein" sagen kann.

Das alles ist Schulbuben-Spitzbüberei. Er weiß, daß es keine Antwort, sondern Ausflucht ist, und wird ernst: "Bis zu meiner Krankheit glaubte ich, daß die Kräfte nur vom Willen gesteuert werden. Heute weiß ich, daß die Weisheit den körperlichen Einsatz steuern muß. Das heißt weniger Hetze, weniger Aufregung, mehr Schlaf und gelassener Humor."

"Und die Begegnung mit dem Tod?"

Seine Antwort wäre vor einem Jahr noch völlig undenkbar gewesen. "Sterben", sagt er, "ist nichts Schlimmes. Furchtbar ist es nur für die Angehörigen. Ich glaube, wenn mir heute ein Arzt sagte, Sie haben Krebs, Sie haben nur noch 14 Tage zu leben, ich geriete nicht in Panik. Ich halte den Tod für etwas sehr Natürliches."

Er liebt nicht den Glanz großer gesellschaftlicher Ereignisse, und er haßt es, seinen Reichtum zur Schau zu stellen. Er hat eine Neigung zum Understatement, und deshalb fährt der größte deutsche Automobilhändler keinen Traumwagen, sondern einen Opel Kadett. Freilich ein Auto, das ihn mit Hilfe eines Spezialmotors und einer Spezialkarosserie in die Lage versetzt, das Leben und Wettrennen auf deutschen Autobahnen aus dem Rückspiegel zu betrachten. "Mit einem so kleinen Auto andere, die für das Vergnügen, schnell zu sein, sehr viel Geld ausgegeben haben, bei 180 km/st zu überholen, ist ein sehr interessantes Erlebnis", sagt er. "Ein Drittel der Überholten bleibt gleichgültig, ein weiteres Drittel ist verblüfft oder erstaunt. Das letzte Drittel aber ist maßlos sauer", schmunzelt er voller Behagen, "und die machen mir den meisten Spaß.

Ich liebe alles, was mit Tempo zu tun hat", gesteht er und verrät beiläufig, daß er noch im Besitz von einigen gültigen Automobil-Weltrekorden ist. Er fuhr mit 350-ccm-Motoren 240 km/st, und er erinnert sich: "Unser größtes Problem war es, mit diesen leichten Dingern nicht plötzlich zu fliegen."

Partys gibt's nicht

Es ist nicht seine einzige Leidenschaft. In den zwanziger Jahren machte er als Radrennfahrer Frankfurter Straßen unsicher. Dann stellte jemand fest, daß er zwar viele Sportarten beherrschte, nur zum Rudern sei er völlig ungeeignet. "Das war wohl der Grund, warum ich daran hängen geblieben bin." Seither hat er etwa 40.000 km gerudert. Die Zahl seiner Meistertitel hat er vergessen. Genau dagegen kennt er die Siege, die er nicht errungen hat: "Ein Olympiasieg und ein Erfolg auf der Henley-Regatta fehlen in der Sammlung."

Im Finale des "Thames Challenge Cup" in Henley 1951 muß sich Georg von Opel mit "seinem Achter" der RG Flörsheim-Rüsselsheim (Wilfried Seipp, Adam Munk, Georg Schneider, Helmut Schwinn, René Kuhn, Georg Boller, Georg von Opel, Karl Bauer und Stm. Rolf Bopp) gegen den Achter der University of Pennsylvania geschlagen geben

Es ist ruhig geworden in seinem Haus. Er sitzt allein vor einem riesigen Panoramafenster und schaut ins Tal nach Frankfurt hinab. Seine 22jährige junge Frau ist mit dem einjährigen Sohn Georg ins Salzburgische gefahren. Er bedient die Gäste mit ungelenker, fröhlicher Herzlichkeit ("Entschuldigen Sie, mein Diener ist mir durchgebrannt"). Dann unvermittelt: "Fragten Sie nach Partys in diesem Haus? Gibt's nicht. Wissen Sie, ich habe einen Hörfehler. Wenn mehr als zwei Personen in einem Raum zugleich reden, werde ich taub. Ich glaube jedoch, daß ich auch ohne Partys nicht viel versäumt habe in meinem Leben. Dafür bin ich aber ein glänzender Ehemann."

Von seinen Söhnen aus erster Ehe spricht er mit Stolz und Respekt. "Carlo, der älteste, hat sich eine Fabrik aufgebaut, beschäftigt 500 Leute und beherrscht auf seinem Gebiet den Markt." Heinz, ein hervorragender Nachwuchsreiter, hat seinen Olympiaehrgeiz dem Referendar-Examen geopfert. Georg von Opel: "Der ist vernünftiger als ich. Ich hätte das nicht gekonnt."

So zurückgezogen er leben mag, er ist dennoch der Mann, der Woche für Woche in Deutschland die meisten Besucher in seinem Garten hat, an Wochenenden zuweilen bis zu 15.000. Sie kommen, um sein Freigehege zu besuchen, ein Hobby, das ihn jährlich ein paar hunderttausend Mark kostet. ("Ich sage meinen Söhnen immer: seid froh, daß euer Alter so viel Geld ausgibt, dann braucht ihr nicht so viel Erbschaftssteuer zu zahlen.")

Es ist der einzige Augenblick in unserem Gespräch, da er einen Superlativ gebraucht: "Wir haben in unserem Freigehege mit Abstand die besten Rothirsche in der Welt." Sein besonderer Stolz ist das mesopotamische Damwild, das lange Zeit als ausgestorben galt, bis er es in Südpersien wiederentdeckte und ein paar Tiere nach Frankfurt holte. Wieviel Tiere heute in seinem Privatzoo herumlaufen, weiß er nicht.

Wenn man ihn begeistern will, lenkt man am besten das Thema auf die Jagd. Möchte man ihn schwärmen lassen, spricht man von Tibet. Will man ihn erzürnen, spricht man von Autos.

"Wenn damals die Opelwerke nicht verkauft worden wären und Sie Herr einer großen Autofabrik wären, wie sähen Ihre Autos heute aus?" Die Frage trifft ihn an einer empfindlichen Stelle: "Es würde mehr konstruiert und weniger am Blech geschneidert. Es würde vor allem mehr für die Sicherheit getan. Mit einem Wort, es würde mehr für das Auto und die Insassen, weniger für die Automode getan."

Er ist ein Mann mit vielen Leidenschaften und einer Schwäche, und das sind Erfindungen. "Erfinder", sagt er, "sind das Schlimmste. Bringen Sie diesen Leuten mal bei, daß ihre Idee Unsinn ist!" Es kann ihm nicht sehr häufig gelungen sein, denn er gesteht: "Zu 90 Prozent bin ich mit ihnen hereingefallen."

Er hat Hunderte von ihnen unterstützt, dazu gehört das Projekt des Fliegens mit beweglichen Flügeln, ein pneumatischer Schuh oder die Entwicklung einer Turbine für den Automobilbau. Er selbst erfand neue Rudertechniken, die sich in der ganzen Welt durchgesetzt haben, Verbesserungen an Vergasern, Kolben und Federn, und von ihm schließlich stammt die Idee des Blinklichtes am Auto. Zurzeit fasziniert und beschäftigt ihn die Erfindung eines sogenannten "Unfallmantels" für Autofahrer.

Er führt ein pralles und originelles Leben. Er haßt nichts mehr, als unter die Gilde der Manager eingereiht zu werden. Zum Abschied gibt er dem Gast ein Büchlein mit auf den Weg. Titel: "An die Manager". Auf Seite zwei schaut man zur besseren Selbsterkenntnis zunächst in einen Spiegel, auf Seite drei steht ein Gedicht eines gewissen Baladin. Die letzten Zeilen heißen: "Wir merken, daß wir Herzen haben, erst, wenn die Pumpe nicht mehr will."

Baladin ist niemand anders als Georg von Opel. Er schrieb es, bevor er eines Abends zum Doktor ging und sagte: "Da ist so ein stechender Schmerz in der Brust. Das Herz kann es nicht sein, das ist kerngesund."