|
Über Mitglieder des
RRK (2015)
Fritz Schmidt jr. |
Zwischenstopp auf der Zeitreise
Die
Registrierkasse, die Zeitschriften − alles Originale im Tankwärterhäuschen aus
den fünfziger Jahren in Bad Homburg. Nur Benzin gibt es an der Gasolin-Station
aus den Nachkriegsjahren nicht.
Von Bernhard Biener
(aus "Frankfurter Allgemeine Zeitung" vom 8. September 2015)
BAD HOMBURG. Der
Quittungsblock liegt einsatzbereit neben der mechanischen "Hannovera"-Registrierkasse
und dem schwarzen Wählscheiben-Telefon. Wenn Fritz Schmidt junior zu Schirmmütze
und Kittel am Haken greifen würde, könnte der nächste Kunde kommen. Es kommt
aber niemand, denn so schön die Gasolin-Tankstelle am Niederstedter Weg in Bad
Homburg auch aussieht: Benzin gibt's an der roten Zapfsäule nicht. Dafür aber
eine Zeitreise, die gut 60 Jahre zurückführt.
Eigentlich sogar
noch weiter, denn das Kassenhäuschen mit seinen kantigen Fenstern müsste nach
Einschätzung Schmidts vom Ende der vierziger Jahre stammen. "Damals gab es noch
keine gebogenen Scheiben." Die übrige Ausstattung ist etwas jünger. So kamen die
"Gasolin-Revue" und die "Deutschland-Karte mit Touren-Tips", die auf einem
Tischchen liegen, in den fünfziger Jahren heraus.
1971 wurde die
Gasolin-Tankstellenkette mit der Wintershall-Tochter Aral verschmolzen, und die
rot-weißen Tankstellen verschwanden aus dem Straßenbild. Damit wurden sie ein
Fall für Fritz Schmidt junior. "Eigentlich sogar junior junior, mein Opa hieß
auch Fritz." Schmidt, in diesem Fall der 51 Jahre Hobby-Tankwart mit dem
Stoppelbart, liebt alte Dinge. Das tut sein Vater auch, aber der interessiert
sich mehr für Autos. "In den siebziger Jahren begann er an einem Triumph
herumzuschrauben." Fritz der Ältere schleppte den Jüngeren also zu
Oldtimertreffen und Veteranenmärkten mit, wo sich der Sohn aber mehr für das
Drumherum begeisterte: Schilder, Werkzeug und schließlich ganze
Ladeneinrichtungen. Die inzwischen geschlossene Bäckerei der Familie in
Rüsselsheim wurde zu Büro, Werkstatt und Lager des Sammlers Fritz junior; der
eigentlich Maschinenbau studiert hat.
Und wie kam die
Tankstelle nach Bad Homburg? Ein befreundeter Sammler hatte das zu einem
Gewächshaus umfunktionierte Tankwärterhäuschen in einem Garten im Westerwald
entdeckt. Er sicherte es sich, und Schmidt sah bei ihm wiederum die Fragmente
herumstehen − das Dach besteht aus drei Teilen, auch Tür- und Schmalseiten
lassen sich voneinander trennen. Schmidt kaufte sie und stand vor der gleichen
Frage wie sein Freund: Wohin mit einer Tankstelle?
Irgendeine Halle
eines Sammlers wäre für ihn nur der zweitbeste Platz. Und seine Frau hatte ihn
wegen des Kaufs − sicher nicht zum ersten Mal − für verrückt erklärt. Schmidt
kannte natürlich die Central-Garage von Dieter Dressel in Bad Homburg, ein
privates Automuseum. Deren Hof wurde gerade umgebaut, und was könnte besser zu
alten Autos passen als eine alte Tankstelle?
Zwei Jahre lang
restaurierte Schmidt die Tankstelle, begleitete den Aufbau und suchte das
Zubehör zusammen. Nicht nur Zapfsäule oder Ölkabinett, auch das achtlos auf den
Tisch geworfene Streichholzbriefchen muss passen. "Nimm Dir Zeit − und nicht das
Leben!" mahnt ein Aufkleber an der Glastür. Alles, was in der Tankstelle zu
sehen ist, sind Originale. Nur die Zeitschriften oder das Bordbuch, das
Autofahrer damals mitnehmen konnten, hat Schmidt durch Kopien ersetzt. "Das
Papier bleicht sonst im grellen Sonnenlicht aus."
Seine Suche hat
sich herumgesprochen. Gerade kommt Dressel vorbei und zeigt ihm kleine
Spielzeugautos mit Gasolin-Schriftzug und ein altes Foto, mit dem sich einst ein
Tankstellenpächter vorgestellt hat. "Es ist unglaublich, wie viele verschiedene
Werbeartikel es damals gab", sagt Schmidt.
Der Sammler aus
Rüsselsheim betreibt keinen Antiquitätenhandel. "Ich verkaufe nur Dinge, die
nicht mehr passen, die ich aus Platzgründen abgeben muss." Sein Geld verdient
Schmidt unter anderem als Dienstleister für Liebhaber, die sich eine Sammlung
aufbauen wollen, und er berät Museen. Durch seine Verbindungen in der Szene weiß
er, wo er nach bestimmten Dingen suchen muss. Daneben hat er Bücher
herausgegeben, in denen er Sammler und ihre "Traumgaragen" vorstellt.
Immer wieder hat
Schmidt Geschäftsideen, die sich aus seiner Leidenschaft ergeben. So bietet er
eine Tankwartmütze aus Pappe an, die sich mit verschiedenen Motiven bedrucken
lässt. Mit so etwas haben früher verschiedene Unternehmen geworben. Den hellen
Tankwart-Overall, den Schmidt fürs Foto überstreift, hat er mit Hilfe einer
Bekannten nach historischen Vorbildern originalgetreu nachschneidern lassen.
Damit sich der Aufwand lohnte, gab er bei einer Firma gleich 100 Stück davon in
Auftrag. Als Abnehmer fand er zahlreiche Oldtimerfreunde.
Für die
Central-Garage hatte er noch mehr zu tun, als nur die von Dressel inzwischen
erworbene Tankstelle in ihren Urzustand zu versetzen. "So ein
Tankstellenhäuschen stand eigentlich nie allein", sagt Schmidt und zeigt auf den
Neubau dahinter. "Oft hat der Ortsschmied angefangen, Benzin zu verkaufen." Eine
Werkstatt gehöre immer dazu. Ein passendes Haus hat der Diplom-Ingenieur nicht
herbeigeschafft. Schließlich stehe die Tankstelle nicht im Hessenpark.
Aber dass das
Werkstattgebälk erst wenige Monate alt ist, sieht man nur an seinem guten
äußeren Zustand. Obwohl die Fabriklampen davor schon original sind. Drinnen aber
betritt der Besucher wieder eine Zeitkapsel. Das liegt nicht allein an dem
DKW-Motorrad und dem Lanz-Bulldog auf den Arbeitsbühnen. Werkzeug, Bierflaschen,
Emailschilder, Aschenbecher: wer hier gerade seinen Zigarrenstumpen abgelegt
hat, kennt als Bundeskanzler nur Konrad Adenauer. In dessen erster Amtszeit.
Schmidt hat in
Dressel einen Gleichgesinnten gefunden. Wo es nicht original geht, muss es
originalgetreu sein. Lichtschalter und Steckdosen in der Werkstatt sind aus
schwarzem Bakelit, die gewebeummantelten Stromkabel auf Putz montiert, mit
eigens nachgebildeten Klammern. Selbst das Wasserrohr zum Waschbecken ist mit
Farbe patiniert. Der "Frischluft-Füllmesser" an der Außenwand sieht aus wie neu
und funktioniert.
Wenn er eine solche
Werkstatt ausstatten kann, ist Schmidt in seinem Element. "Am liebsten schraube
ich die Schilder selbst an." Für die Central-Garage, die regelmäßig Treffpunkt
von Oldtimerfreunden ist, bildet die Tankstelle natürlich eine ideale
Fotokulisse. Inzwischen ist Schmidt nur noch gelegentlich da, weil wieder einmal
ein passendes Accessoire aufgetaucht ist.
Fritz Schmidt jr. in der alten Bäckerei |
So autoverrückt ist das Rhein-Main-Gebiet
"Motor-Fritz"
aus Rüsselsheim macht Garagen-Träume wahr
Von STEFAN
SCHLAGENHAUFER (aus "www.Bild.de" vom 06.09.2015)
Er ist nach Adam
Opel der berühmteste Automann von Rüsselsheim: Fritz Schmidt jr. (51), kurz "Motor-Fritz".
In der alten
Bäckerei seiner Familie hat er ein Fahrzeug-Paradies geschaffen: Oldtimer,
Motorräder, Fahrräder, tausende Kleinteile – von der seltenen Wagenschraube bis
zum wandgroßen Emaille-Schild. "Ich hab' schon als Bub angefangen, zu sammeln.
Bis mein Zimmer voll war. Da war ich 14." Heute ist sein Elternhaus gefüllt mit
schönsten Dingen aus früheren Zeiten.
Bis ins Detail
eingerichtet hat er dort eine historische Fahrradwerkstatt und einen
Eisenwaren-Verkaufsladen. Den Opel-Kittel hat er vom Auto-Flohmarkt: "Den musste
ich haben und habe ihn einem Verkäufer, der ihn am Stand anhatte, ausziehen
lassen und gekauft."
Außerdem: Eine
Schrauberstätte auf historischen Bäckerei-Fliesen, um seine Opel Motoclub
Supersport 500 von 1928 zu warten. Die hat Schmidt jr. von Heidi Hetzer (78),
die derzeit im Oldtimer die Welt umfährt. Mittendrin parkt ein gelber
Opel GT 1100 von 1969. Von Gertrud Weinrich (†94). 25 Jahre hat "Motor-Fritz"
gewartet, bis die Dame verkaufte.
Der Rüsselsheimer
wohnt in einem Museum. Weil Auto-Enthusiasten vor Begeisterung sprachlos in
seiner Halle stehen, auch so etwas haben wollen, hat "Motor-Fritz" seine
Leidenschaft zum Beruf gemacht. Schmidt jr. entwirft historische Werkstätten,
Garagen, Läden, Büros: "Ich mache Konzepte für Kunden. So baue ich auch alte
Gegenstände aus der persönlichen Vergangenheit der Kunden oder deren Familien
mit ein."
Wie bei der 50er
Jahre Gasolin-Tankstelle mit Werkstatt am Automuseum Central-Garage in Bad
Homburg. Darin steht das alte Motorrad vom Vater des Besitzers. Dazu original
Zapfsäulen, passende Gasolin-Streichholzschächtelchen, komplette
Tankwart-Uniform.
"Ich besorge die
passenden Teile bei Sammlern, von Oldtimer-Märkten und aus meinem Netzwerk. Ich
bin Vermittler zwischen den Dingen und den Kunden, füge dann alles zusammen."
Zapfsäulen leuchten rot wie "Gasolin"
Rüsselsheimer
Fritz Schmidt jr. hat in Bad Homburg eine historische Tankstelle aufgebaut
Von Stephan A.
Dudek (aus "Main-Spitze" vom 22. Juli 2015)
Fritz Schmidt jr.
ist ein Glückspilz. In Hochfrequenz zeigt der Rüsselsheimer Diplom-Ingenieur auf
einen "Sechser im Lotto" nach dem anderen. Und sie gehören alle ihm: ein kleiner
Stempel mit der Aufschrift "Verkauf im Namen der Gasolin AG", eine
Registrierkasse, die statt Kilo oder Stück "Gemisch", "Benzin" und "Diesel"
abrechnet, oder zwei eher unscheinbare, gut 70 Jahre alte Laternenmasten. Denn
Schmidts eigentlicher Schatz ist eine historische Tankstelle, die er in den
vergangenen beiden Jahren wieder aufgebaut und originalgetreu ausgestattet hat.
Die Geschichte
begann damit, dass ein guter Bekannter in einem Gemüsegarten ein gläsernes
Tankwartshäuschen entdeckte, das dort zweckentfremdet herumstand. Er erwarb das
gute Stück und bot es Schmidt an, der als enthusiastischer Sammler von
Automobilia keinen Moment zögerte, sich auf den Kauf einzulassen. Denn kaum
hatte er das Objekt seiner Begierde gesehen, zimmerte seine Fantasie schon das
dazu gehörige Projekt zurecht: Die alte Tankstelle, vermutlich aus den
Vierzigerjahren, sollte wieder auferstehen, und zwar so wie in ihrer besten
Zeit.
Originalgetreu
nachempfunden
Schmidt wandte sich
hilfesuchend an die Bad Homburger "Central Garage", eines der regional führenden
Kompetenzzentren in Sachen Oldtimer, um Tipps für die Wiederauferstehung des
skurrilen Bauwerkes zu bekommen. Doch dort ließ man ihn gar nicht mehr vom Hof:
Der Glaspavillon sollte Teil der Bad Homburger Sammlung werden, ergänzt um einen
Backsteinanbau, in dem eine nicht minder originalgetreue Automobil-Werkstatt aus
damaliger Zeit nachempfunden werden sollte. Und Sammler Schmidt wurde gleich mit
eingekauft. Auf Honorarbasis durfte er "seine" Tankstelle mit Memorabilien
ausstatten. Für einen leidenschaftlichen Autonarren ein Traumjob ...
Die Gasolin-Tankstelle der "Central Garage" in Bad Homburg sieht aus wie
in den Vierzigerjahren, doch ihr Innenleben ist hochmodern. |
Als die Arbeit
losging, war nicht mehr ganz klar, welche Kraftstoffmarke einst in dem gläsernen
Kassenhäuschen abgerechnet worden war. Blaue Farbreste ließen auf "Aral"
schließen, rote wiederum auf "Gasolin", eine heute kaum noch gebräuchliche
Firma, die längst von "Aral" aufgekauft worden war. Und weil "Gasolin" wiederum
ihren Ursprung in den bei Halle liegenden Leunawerken hatte, aus deren
Firmengeschichte schon einige Dokumente in der Bad Homburger Sammlung lagerten,
entschied man sich für den Kraftstoff mit dem knallroten Markenzeichen.
Neueste Technik
Schmidt legte mit
Verve los. Er suchte, sammelte, ließ sein über Jahre ausgebildetes Netzwerk
glühen, trug alles zusammen, was irgendwie mit "Gasolin" in Verbindung stand.
Gleichzeitig wuchs eine "alte" Werkstatt aus dem Boden, aus rotem Klinker
gemauert, zu einem bereits existierenden Nachbargebäude passend. Der Clou:
Während die Hülle im Stil der Vierzigerjahre entstand, findet sich hinter den
Kulissen neueste Technik, auch im Hinblick auf gewachsene
Sicherheitsanforderungen.
Heute, zwei Jahre
später, katapultiert sich der Besucher mit zwei Schritten auf eine Jahrzehnte
überspannende Zeitreise. Am Kleiderhaken hängt eine Tankwartskluft mit
Uniformmütze, natürlich vom "Gasolin"-Zeichen gekrönt, Werbebroschüren weisen
auf die Vorzüge des Kraftstoffes hin, draußen trifft der Blick auf eine
Original-Zapfsäule mit Ölkabinett. Und um die Authentizität auf die Spitze zu
treiben, findet sich in einer Tasse noch Kaffeesatz, auf dem "Gasolin"-Werbeaschenbecher
ruht ein längst ausgeglühter Zigarren-"Stumpen". Jeden Moment könnte der
Tankwart wieder hereinkommen ...
Traum lebt immer
noch
Zu jedem Exponat
hat Schmidt jr. eine Geschichte parat. Er erzählt und erzählt – bis er innehält
und nachdenklich darüber spricht, dass er die alte Tankstelle nur allzu gerne in
seiner Heimatstadt Rüsselsheim aufgebaut hätte. Dass mit dem Nein zur Shopping
Mall im Opel-Altwerk wohl auch die Pläne für ein Opel-Oldtimermuseum mit
beerdigt wurden, schmerzt den Rüsselsheimer zutiefst. Nur allzu gerne hätte er
seine Leidenschaft in den Aufbau eines lebendigen Treffpunktes für automobile
Kultur investiert. Die Kommunalpolitik hat ihm diesen Traum geraubt.
Doch Halt, der
Traum lebt immer noch: Ganz zum Schluss erzählt der Rüsselsheimer geradezu
beiläufig, dass er in den zwei Aufbaujahren noch eine weitere Tankstelle,
diesmal von "Shell", gekauft hat, die nun auf ihren Wiederaufbau wartet. Ein
Glückspilz wie Fritz Schmidt jr. ist eben für alle Fälle gerüstet.
Hier ist mehr zu finden zu den Projekten von Fritz Schmidt jr. und zur
"Historischen Tankstelle":
http://www.motorfritz.de/Projekte.html |